Efeu - Die Kulturrundschau

Die besten Kritiken vom Tage. Wochentags um 9 Uhr, sonnabends um 10 Uhr.

April 2021

Nur noch schmerzverzerrt

30.04.2021. Die FAZ hört buchstäblich die Champagnerkorken knallen in einer Ausstellung mit Druckgrafiken aus dem Pariser Fin de Siecle. Knallige Farbflächen bewundert auch der Standard in der Retrospektive der Malerin Xenia Hausner. Zeit online, Tagesspiegel und Berliner Zeitung berichten von Vorwürfen des Machtmissbrauchs gegen Shermin Langhoff am Gorki Theater. Die Welt ermüdet vor zu viel Design von Dieter Rams. Zeit online hört den reifsten Käse dieses Sommers, aufgenommen von Cro. Die SZ bleibt lieber bei Haftbefehl.

Schier schwerelos

29.04.2021. Ein gläsernes Wunder! Die Journalisten feiert unisono die grundsanierte Neue Nationalgalerie Mies van der Rohes und den für die Renovierung verantwortlichen Architekten David Chipperfield. Das Van Magazin blickt traurig auf den Verkauf der Villa Henze. Experimentalfilme über die Coronakrise sah die taz bei den Kurzfilmtagen Oberhausen. Wie erkennt man eigentlich einen Maler, eine Malerin, wenn sie nicht lauthals "hier, ich, Maler!" rufen, fragt sich die Welt am Beispiel der Mathilde Tardif. In der FAZ behauptet Christoph Nix: Die meisten deutschen Intendanten sind viel besser als ihr Ruf.

So war Kunst einmal

28.04.2021. Kein Wunder, dass niemand die Oscars schaut, wenn kaum jemand die nominierten Filme kennt, meint die Zeit. Mit weiterer Exklusion ist niemandem geholfen, entgegnet die FAZ den Polterern, die fordern, die Geschichte der klassischen Musik einer Kolonialkritik zu unterziehen. Die taz tanzt mit den Tänzerinnen der Weimarer Republik entrückt durchs Georg Kolbe Museum. Hyperallergic tarnt sich mit Heu und bewundert bei der Triennale "Estamos Bien" in New York lateinamerikanische Kunst jenseits von Stereotypen. Und die NZZ klettert in Rom auf brutalistische Baumkronen.

Im metaphorischen Bierzelt

27.04.2021. Die NZZ stellt in einer Schau zu deutschem Design fest, dass der Eiserne Vorhang zumindest für fluide Formen durchlässig war. Recycling macht kreativ, ruft die taz den Architekten zu. Die FAZ erinnert an den Fassbinder-Skandal von 1985 und sieht in ihm auch eine Folge des Frankfurter Häuserkampfs. Der DlfKultur möchte im Streit um den Buchmessenpreis Qualität und Diversität nicht gegeneinander ausspielen. In China herrscht keine große Freude über den Oscar für Regisseurin Chloé Zhao, weiß die New York Times. Und die SZ hört den perfekten Popsong.

Erfolglosigkeit gibt dir Freiheit

26.04.2021. Die Oscarverleihung verlief ohne Spektakel und ohne Überraschung: Wie erwartet gewann Chloé Zhao mit ihrem Film "Nomadland", wie unter anderem Tagesspiegel und Standard berichten. In einer Ausstellung zur Arbeiterfotografie begegnet die Welt dem selbstbewussten Blick des Proletariers. Die NZZ bewundert die lockere Naivität der Malerin Rose Wylie. Und alle trauern um die große Milva, die Partisanin des italienischen Schlagers, um Christa Ludwig, eine der berückendsten Mezzosopranistinnen des 20. Jahrhunderts, und um den großen Modedesigner Alber Elbaz.

Das Assistenzsystem hieß Beifahrer

24.04.2021. Nach dem Austritt aus der Istanbul-Konvention kann man die Türkei wohl als faschistische Diktatur bezeichnen, sagt die türkische Künstlerin Hale Tenger in der taz. Diversität ist die eigentliche Bestimmung des Hollywoodkinos, erkennt die FAZ mit Blick auf die Oscars. In der Welt diagnostiziert Ben Lerner einen "Hass auf Lyrik". In der nachtkritik entschuldigen sich weitere Regisseure für ihren Rassismus gegenüber Ron Iyamu. ZeitOnline hört Afrofunk aus Ghana. Und die NZZ trauert der rumpeligen Sinnlichkeit des Autos hinterher.

Ein Glaserl Schaumwein und moderne Beatmusik

23.04.2021. Was geschieht mit Uli Siggs Sammlung zeitgenössischer chinesischer Kunst, wenn auch in Hongkong Künstler jetzt wieder dem Sozialismus dienen sollen, fragen sich SZ und NZZ. Dienen die Rassismusvorwürfe am Düsseldorfer Theater wirklich nur der Aufklärung oder auch der Selbstpositionierung, fragt die SZ. Der Tagesspiegel begrüßt die diversesten Oscar-Nominierungen aller Zeiten. Und das ZeitMagazin geht vor den nachdrücklichen dominanten Frauen von Claudia Skoda auf die Knie.

Ist das schon Musik?

22.04.2021. Zeit und Welt bewundern die in Punkte gegossene Lebensenergie der in einer Nervenheilanstalt lebenden japanischen Künstlerin Yayoi Kusama. In der FAZ plädiert der angenehm optimistische Klimaforscher Hans Joachim Schellnhuber dafür, künftig mit Holz statt Beton zu bauen. Die Berliner Zeitung lässt sich von dem Musikproduzenten Walter Werzowa erklären, wie er und sein Team mit Hilfe künstlicher Intelligenz Beethovens Zehnte fertig komponiert haben. Die taz bewundert die bunten Vögel bei den Modeschauen von Claudia Skoda. Die Filmkritiker trauern um Monte Hellman.

Auch Blau und Grün

21.04.2021. Die SZ sieht bei Tizian, dass dem Barock weibliche Haut erst dann erotisch erschien, wenn ihrer Farbe ein Hauch von Tod  beigemischt wurde. Die FR erlebt bei Pauline Curnier Jardin europäische Zivilisation als Höllenspektakel. Die FAZ erschrickt über das Arsenal der Misogynie bei Botho Strauß. In der Welt spricht der Filmemacher Alexander Nanau über Korruption in Rumänien. Glanz und Elend seziert den Wahrheitsbegriff von Mads Brüggers Nordkorea-Film "Der Maulwurf". Und der Tagesspiegel meldet begeistert neues Liedgut von den Rolling Stones.

Das ist dein Gepäck

20.04.2021. Die NZZ begegnet Fluss-, Erd- und Sumpfgöttern in der von Olafur Eliasson gefluteten Fondation Beyerle. Die SZ lässt sich von 600 Highwaymen ins Telefontheater verschleppen. Standard und Welt können die Empörung über die Impfprivilegierung der ohnehin schon bevorzugten Wiener Philharmoniker gut verstehen. Der Tagesspiegel möchte gar nicht wissen, wie es um das Sommerfestival der Berlinale steht.

Die Schmerzen, die dieser Prozess bedeutet

19.04.2021. Mithu Sanyal antwortet in der FAZ dem Dramaturgen Bernd Stegemann in der Rassismus-Debatte ums Düsseldorfer Schauspielhaus: Klar kann man Rassismus cool überspielen, aber dann ändert man nichts an den Strukturen. Zum Thema kann die SZ auch Shalini Kantayyas Doku "Coded Bias" empfehlen. Der Standard bewundert Kirill Serebrennikows von aller religiösen Glorie befreiten "Parsifal" an der Wiener Staatsoper. Den Unterschied zwischen deutscher und österreichischer Kunst erkennt der Tagesspiegel im Schamanismus. In der Zeit sucht Maxim Biller den guten Deutschen.

Das gelobte Land der abstrakten Kunst

17.04.2021. Die New York Times blickt mit einem blauen Vogel in den Himmel über New York. Domus bewundert die Mexiko-Fotos von Josef Albers und ihre künstlerischen Folgen. Die taz unterhält sich mit der bosnischen Regisseurin Jasmila Žbanić über ihren Film "Quo Vadis, Aida?" und das Massaker von Srebrenica. Dezeen bestaunt den neuen Maximalismus im Design, der uns jetzt sogar ins Grab begleitet. Im Interview mit der FR fordert der Architekt Christoph Mäckler mehr Mischung in der Stadtplanung. Der Standard hört Musik von Dry Cleaning.

Die ganze Stadt ein Theater

16.04.2021. Im Filmdienst denken Niklas Maak und Lars Henrik Gass ausführlich über die Zukunft von Kulturbauten nach. FR und Tagesspiegel bestaunen 16 Dying Swans. Die NZZ stellt die Fotografin Christine Turnauer vor, die indigene Einwohner von Kanada fotografierte. Die SZ amüsiert sich über die Herren des Moma, denen Anti-National Anti-Imperialist Feelings ihr Museum wegnehmen wollen. Die taz hört panafrikanische Musik der schweizerisch-ugandischen Sängerin Awori Cynthia Othienos. Tagesspiegel und FAZ wünschten sich, Bryan Fogels Doku über die Ermordung des saudischen Journalisten Jamal Khashoggi wäre emotional weniger manipulativ ausgefallen.

Etwas muss auch von unten leuchten

15.04.2021. FAZ und Dlf Kultur empfehlen dringend Thorsten Körners Doku "Schwarzer Adler" über den Rassismus im deutschen Profi-Fußball. Die taz erzählt die Geschichte der fehlenden schwarzen Cowboys im amerikanischen Film. Müssen wirklich 2.000 stattliche Eichen fallen für das neue Dach von Notre Dame, fragt die SZ. Der Tagesspiegel berichtet über einen Skandal in Griechenland, wo der berühmteste Dramaturg des Landes über Jahrzehnte Minderjährige missbraucht haben soll.

Röcke, die sich als Distanzwaffe eignen

14.04.2021. Knarzend debattenfern finden taz und DlfKultur die Shortlist für den Preis der Leipziger Buchmesse. Die NZZ lernt von São Paulo, dass zu einer wahren Großstadt soziale Freiräume gehören. Und Architekten, die ihrer Stadt auch mal was zurückgeben, ergänzt die New York Times nach einem Treffen mit Frank Gehry. Die SZ erlebt in den Videos von David Wojnarowicz hell loderndes Hadern mit Krankheit und Gesellschaft. In der FAZ erzählt Dirigent Franz Welser-Möst von den Unwuchten, die Corona den amerikanischen Orchestern beschert. Und in der FAQ lernt Peter Glaser die smarte Mode der Zukunft fürchten.

Das Unsichtbare sehen lassen

13.04.2021. Der DlfKultur beobachtet, wie die Pariser Oper in die Diversitätsoffensive geht. Die FR fragt, wie demokratisches Bauen aussieht. In der FAZ fürchtet Christine Berg vom Verband HDF, dass sich für die Kinos erst nach der Pandemie die wahrhaft existenziellen Fragen stellen. Die NZZ ringt und hadert mit Dante beim Aufstieg ins Elysium. Und der Guardian erahnt mit Ugo Rondinone den Horizont der Pferde und des Todes.

Prioritätengruppe 1 im kulturellen Sektor

12.04.2021. Das ZeitMagazin beobachtet, wie neuerdings Trendscouts und Stylisten die Armen aus den Secondhand-Läden verdrängen. In der SZ sieht die Dramaturgin Marion Tiedtke in der Ämterhäufung der Intendanten die Ursache für den Machtmissbrach am Theater. Die taz beklagt die Unorte, die der Architekt Werner Düttmann Berlin hinterlassen habe. Die NZZ lernt mit der Serie "Shtisel" ihre orthodoxen Nachbarn kennen. Und die FAZ ruft auf zur Rettung von Renate, der Schwiegermutter unter den Comic-Biobliotheken

Mädchen mit einem Baum auf dem Kopf

10.04.2021. Die SZ stapft in Frankfurt durch die leuchtenden kanadischen Wälder der Emily Carr und trifft auf Astronauten. In der Welt blickt der französische Journalist Antoine Vitkine auf den schmutzigen Deal mit dem "Salvator Mundi". Am Donnerstag hatte die Zeit dem Dokumentarfilmer Marcel Wiese Verfehlungen vorgeworfen. Offenbar ist sie Fehlinformationen eines ehemaligen Wiese-Mitarbeiters aufgesessen, berichtet der MDR. Im Monopol-Interview erklärt der Theatermachter Arne Vogelsang, weshalb QAnon gerade bei deutschen Verschwörungstheoretikern so gut ankommt. Und in der SZ träumt Jean-Michel Jarre von ewigem Urheberrecht.

Der Mann in Schwarz

09.04.2021. Die taz wirft einen Blick in die Gangs von Chicago, die mit blutigen Vergeltungen ihre Klickzahlen im Netz erhöhen. Artechock wüsste gern, ob die Studenten an der Berliner Filmhochschule, die Diversität und Identität fordern, auch ein künstlerisches Konzept haben. Bühnenproben sind kein Safe Space für Alltagsempfindlichkeiten, sondern für die Kunst, antwortet Bernd Stegemann in der FAZ auf Rassismusvorwürfe in Düsseldorf. Die FR steht erschlagen vor der Fülle des Gerhard-Richter-Archivs. Die Literaturkritiker würdigen Charles Baudelaire und Gustave Flaubert.

In Satinmassen schwelgend

08.04.2021. Aktualisierung: Der Dokumentarfilmer Marc Wiese wirft einem Artikel der Zeit, über den wir berichten, Falschbehauptung vor. Tagesspiegel und Monopol betrachten die Teppicharbeiten, die Olaf Holzapfel und Guido Yannitto von indigenen Frauen in Lateinamerika weben lassen. Im Interview mit Übermedien erklärt Janice Deul, was sie wirklich meinte, als sie eine schwarze Übersetzerin für Amanda Gorman forderte. Van schwärmt vom kreativen Humus im Digitalprojekt "Sound_Tracks" des Ensembles Ordnung der Dinge. Die FAZ gratuliert Vivienne Westwood zum Achtzigsten.

Die schiere Kunstbehauptung

07.04.2021. In Monopol überlegt Hans-Joachim Müller, ob er wirklich Teil der Revolution war, die Joseph Beuys ausgerufen hatte. In der FAZ ärgert sich der Literaturwissenschaftler Achim Hölter, dass aus dem Entenhausener Fridolin Freudenfett ein Fridolin Freundlich wurde. Wer kennt eigentlich noch die Filme, die für die Oscars nominiert sind, fragt die SZ. Und die Welt bedankt sich bei beim Designer Luigi Colani, dass er ihr das Flegeln und Fläzen erlaubte.

Nur knisternde Freude

06.04.2021. Die NZZ schwelgt im Kunstmuseum Basel in der geometrischen Poesie der Künstlerin Sophie Taeuber-Arp. Im Standard erzählt Franz Schuh sehr Wienerisch von seinen irrealen, aber sehr lebendigen Erfahrungen auf der Intensivstation. Die SZ besucht den Siwilai Sound Club in Bangkok. Die taz sorgt sich um die Zukunft des Hamburger Bahnhofs. Außerdem stellt sie fest, dass mit der Balaklava die Mode jetzt auf Fantasy-Eskapismus setzt.

Kreislauf von unkomfortablen Optionen

03.04.2021. Hyperallergic empfindet vor den Bildern von Mark Bollinger plötzlich Sympathien für die weiße Arbeiterklasse. Die FR bestaunt die in verführerischen Gold- und Rosatönen schimmernden schlaffen "Metallbleche" des Künstlers Mike Bouchet. Die FAZ feiert die coole Gefühls-Zeremonienmeisterin Nadine Sierra in Vincent Huguets Inszenierung von Mozarts "Figaro". Die Welt wünschte sich wenigstens mal einen mutigen Tempoansatz von Daniel Barenboim. Der Standard lernt aus der Doku "Framing Britney Spears", wie toxisch die Celebrity-Kultur ist. In der FAZ macht Filmregisseur Thomas Frickel seiner Empörung über die Pseudo-Dokumentation "Lovemobil" von Elke Lehrenkrauss Luft.

Rechts und links um die Ohren

01.04.2021. Die Welt verteidigt die Klassische Musik als ganz und gar unkolonialistische Kunstform. In Monopol erzählt Torben Giese, wie das Stadtmuseum Stuttgart die Stuttgarter - und vor allem die jungen Stuttgarter - zu sich holt. Bei Artechock erklärt die Filmemacherin Elke Lehrenkrauss ihr umstrittenes "Lovemobil" zur künstlerisch- dokumentarischen Form.