Efeu - Die Kulturrundschau

Die besten Kritiken vom Tage. Wochentags um 9 Uhr, sonnabends um 10 Uhr.

Mai 2017

Alle Schwundstufen der Anbetung

31.05.2017. Die Welt segelt mit den deutschen Größen der Dekadenz nach Venedig. Im Freitag unterhalten sich Chris Dercon und der amerikanische Künstler Kerry James Marshall über die Selbstbestimmung schwarzer Künstler. Der Standard bekommt von Milo Rau und Robert Misik auf der Agora Schaf serviert.  Zeit Online wagt eine Attacke auf die allseits verehrte Serie "House of Cards". Die Stuttgarter Zeitung freut sich auf Dominik Grafs heute Abend gezeigten Kunst-Thriller "Am Abend aller Tage".

Glockenläuten inbegriffen

30.05.2017. Der Standard lernt in der Wiener Kunsthalle mit den Anderen zu leben, selbst mit der Oberschicht.  Die Berliner Zeitung geht zum Gottesdienst mit Pink Floyd ins V&A-Museum. Die Welt geht gern mit Schwellenangst ins neue Historische Museum in Frankfurt. Die NZZ atmet in Solothurn den aus dem Wasserglas befreiten Geist der Literatur. Und die SZ hört nach fünfzig Jahren noch immer und wie neu Sgt. Pepper.

Einmal Nazi mit alles

29.05.2017. Nach einem schwachen Jahrgang gratulieren die Filmkritiker Ruben Östlunds Kunstbetriebssatire "The Square" und Diane Kruger zur Palme. Fassunglos reagieren die Feuilletons hingegen auf Terry Gilliams Nazi-Spektaktel "La damnation de Faust" an der Berliner Staatsoper. Skandal! ruft die SZ. Für das Festival Theater der Welt werben die Kuratoren nun persönlich am Telefon, berichtet die Welt. Die taz ist froh, dass bei aller Jubiläumseuphorie Luthers Schattenseiten in Wittenberg nicht vergessen werden.

Abgegessener Hummer mit Fliege

27.05.2017. Ein wenig ratlos blicken die Kritiker auf den Wettbewerb von Cannes zurück. Fatih Akins lose an die NSU-Morde angelehnter Trauer- und Rache-Film "Aus dem Nichts" gibt ihnen immerhin nochmal Gelegenheit zu einer kontroversen Diskussion. In der SZ erklärt Karl Ove Knausgård die Bedeutung seines Namens für sein Schreiben. Tell erklärt die Rolle des Lesers bei Knausgård. NZZ und Tages-Anzeiger verschaffen sich in der Fondation Beyeler einen Überblick über das Werk und die Essgewohnheiten von Wolfgang Tillmans.

Jenseits des üblichen Witzes

26.05.2017. In der NZZ wirft Ilija Trojanow dem Kanon der Weltliteratur Ignoranz und Provinzialität vor. Die Filmkritiker diskutieren Sofia Coppolas Don-Siegel-Remake "The Beguiled" als heißen Palmenkandidaten. Die FAZ findet in Wittenberg einen sehr aktuellen Luther. Im Deutschlandfunk verrät Chris Dercon seine Volksbühnen-Pläne. Und die Feuilletons lassen sich von Romeo Castellucci Demokratie in Amerika erklären.

Papierverschwendung für Narzissten

24.05.2017. Cannes will die Filmkritiker dieses Jahr nicht recht begeistern: Überambitioniert und feige, finden sie. Lieber in die heimischen Kinos gehen, meinen SZ und Zeit und empfehlen Terrence Malicks schwelgerischen Bilderreigen "Song to Song". Im monopol-magazin sprechen Gilbert & George über Kunst gegen religiösen Fundamentalismus. Die deutsche Gegenwartsliteratur glaubt nicht mehr an die Verbesserung der Welt, stellt die NZZ fest.

NUR KUNST IST CHEF

23.05.2017. Die Filmkritiker wohnen in Cannes dem von Michael Haneke inszenierten Untergang des Westens durch die Frivo­lität der Reichen bei. Die ersten Reaktionen auf die neue "Twin-Peaks"-Staffel sind zwiespältig. Der Tagesspiegel übt sich in der beliebten Knausgard-Erfolgs-Erklärung. Jonathan Meese bringt im Standard auf 23 Seiten seine Wagner-Thesen zu Papier. Die taz staunt in Hannover über die atomaren Blumen der Petra Kaltenmorgen.

Politisch bitte schön

22.05.2017. Das Theatertreffen wird immer fetter und immer planloser, kritisieren Berliner Zeitung, Tagesspiegel und SZ. Die taz fühlt bei der Lektüre von Knausgards "Kämpfen" eine Männerparade über sich trampeln. Der Standard besucht das neue Museum für Kunst, Architektur und Technik in Lissabon. Die FR erwärmt sich in einer Mode-Ausstellung fürs Vulgäre.

Wille zum Stil

20.05.2017. Die Filmkritiker staunen in Cannes über ein aufgemotztes Riesenschwein. Im Tagesspiegel erklärt Valie Export, warum sie jungen feministischen Künstlerinnen nie Ratschläge geben würde. Die Postkolonialisten sind doch die neuen Orientalisten, meint die Presse nach einem Bad im Hamam bei den Wiener Festwochen. Die Welt begutachtet das neue visuelle Branding der Volksbühne. Die taz freut sich über die eleganten Reduktionen der Musikerin Sophia Kennedy.

Alles Torkeln und Taumeln auf dem Lebensweg

19.05.2017. Talentierter Jungarchitekt müsste man sein, seufzt die SZ angesichts des plötzlichen Bedarfs am Arbeitsmarkt. In Cannes erliegen die Kritiker den Authentizitätseffekten von Valeska Grisebachs "Western". Der Literaturagent Andrew Wylie präsentiert sich in der Basler Zeitung als Mann ohne Eigenschaften. Und die FAZ geht vor der Sopranistin Adina Aaron auf die Knie, die in Brüssel die "Aida" singt.

Neue Formen des Performativen

18.05.2017. Raum und Distanz, fordert Karl Ove Knausgard in der Zeit für die Kunst. Ein Recht auf Müdigkeit und Freiheit fordert Chris Dercon in der Zeit fürs Theater. Die NZZ empfiehlt Lyrik beim Rumstehen auf der Rolltreppe und Elektro-Avantgarde von Raster-Noton. Der Standard staunt über die Stille in Cannes nach Arnaud Desplechins Eröffnungsfilm "Les Fantômes d'Ismaël".

Die Zukunft gehört der In-Betweenness

17.05.2017. Endlich was Konkretes: In Berlin hat Chris Dercon sein erstes Programm an der Volksbühne vorgestellt. Überzeugt ist die Presse allerdings nicht: Sprechtheater werde künftig eher die Ausnahme sein, dafür gibt es viele ästhetische Mischformen. Die Dichter Teherans erinnern den Tagesspiegel an die Dichter der DDR. Das ArtMagazin genießt die Momente des Stillstands bei Irving Penn. Die NZZ wirft Cannes künstlerische Inzucht vor.

Sex ist langweilig, außer man hat ihn

16.05.2017. Aufatmen, ruft Choreograf Sidi Larbi Cherkaoui in der taz Europa zu: Es ist alles voller Möglichkeiten! Von einem schwachen Stückemarkt in Berlin berichtet die Nachtkritik. Ridley Scott dreht Sexszenen nur, wenn sie unheimlich sind, verrät er der SZ. Und beim Konzert des Entertainers Bruno Mars begibt sich die SZ frohlockend ins musikalische Kraftwerk.

Hey, ihr Swagger!

15.05.2017. Die ist ganz von heute, staunt die Berliner Zeitung über Stephan Kimmigs "Phädra" am Deutschen Theater. Die Presse rümpft die Nase über die "Generation Party", die mit Tianzhuo Chens Musiktheater "Ishvara" die Wiener Festwochen eröffnet hat. Wir sind schon im Mutterleib Melancholiker, versichert Laszlo Földenyi in der NZZ.

Auch ne schöne Prämie

13.05.2017. Die taz porträtiert die in Bayern geborene, in Leipzig arbeitende Regisseurin Claudia Bauer. Der Tagesspiegel klärt Kultursenator Klaus Lederer über die Rechtslage im Streit um Bert Neumanns Rad auf. Die Welt wünscht sich weniger Nostalgie in den Nachrufen auf Joachim Kaiser und mehr Mut zu Neuem.

Meister des Sternstundenzaubers

12.05.2017. Der Schriftsteller Hisham Matar schreibt in der NZZ über das prägendste Buch seines Lebens, an dessen Titel und Autor er sich allerdings nicht mehr erinnern kann. Im Tages-Anzeiger erklärt Milo Rau das Nationaltheater Gent zum Stadttheater der Zukunft. Der Tagesspiegel sucht bei den Kurzfilmtagen Oberhausen nach sozialen Medien vor der Erfindung des Internets. Und alle nehmen Abschied vom großen Musik- und Literaturkritiker Joachim Kaiser.

Genussvoll mit Freiheitsfantasien

11.05.2017. Auf Kinematheken.info fordert der Filmemacher Helmut Herbst Open Access und eine Öffnung der Filmarchive, damit das Filmerbe gerettet werden kann. In der Zeit erklärt der katholische Gründungsdirektor der Luther-Stätten Stefan Rhein, wie man Luther wieder zum Leben erweckt. Die FAZ warnt vor Big Data in Hollywood. Der Standard feiert das Comeback von Soullegende Don Bryant.

Führt Schönheit zu Weisheit?

10.05.2017. Am Wochenende eröffnet die Biennale in Venedig. In einem ersten Bericht lobt der Standard die zentrale Schau von Christine Macel für ihre vielen Enteckungen. Der Tagesspiegel ist von Anne Imhofs "Faust" im deutschen Pavillon schier umgehauen. Der Guardian erlebt den Zauber der Kunst. In der Berliner Zeitung erklärt Kurator Martin Roth, warum er es bedauert, dass Aserbaidschan eine Diktatur ist, außer wenn er für das Land arbeitet.

Worte wie scharfkantige Steine

09.05.2017. In artechock wirft Rüdiger Suchsland eine Debatte zu Angela Schanelec und ihre begeisterten Kritiker auf. Als großes Ereignis feiert die SZ Martin Kusejs und Albert Ostermaiers nachtglänzende "Phädra" am Münchner Residenztheater. Die Nachtkritik bewundert vor allem Bibiana Beglau als eisfeurige Schwarze Witwe. Als akustischen Sichtbeton feiert taz die Klangarchitektur der Band Kreidler. In der FAZ fragt Maler Kerry James Marshall, warum eigentlich nicht Bilder von schwarzen Künstlern abgehängt werden sollen, wenn sie die Gewalt gegen schwarze Männer ästhetisieren.

Die schrägen Pfade der Plausibilität

08.05.2017. Die FAZ stellt sich im Berliner C/O tapfer William Klein und seinen Fotografien von Muhammad Ali und Eric Cantona entgegen. Die Welt porträtiert den Theaterregisseur Kay Voges. Die SZ feiert die Avantgarde der angolanischen Kino-Architektur. Der Tagesspiegel will vom Niedergang der Klassik nichts wissen: "Wer behauptet, das Klassik-Publikum sterbe aus, der lügt." Und alle verneigen sich vor Thomas Pynchon, der die Idee Amerika im schrillen Hippiefummel, aber auf allerhöchstem Niveau demontierte.

Mit dem Schlafsack am Gare du Nord

06.05.2017. Die New York Times feiert Rei Kawakubos Modeskulpturen, die jeder Schwerkraft, Körperform und kultureller Einengung trotzten. Der Standard bewundert in der Albertina die von Maria Lassnig bewohnten Körpergehäuse. Die NZZ erkennt in der Schönheit das Geheimnis italienischer Mobilität. Die FAZ vermisst beim heute beginnenden Berliner Theatertreffen die Dramaturgen, der Tagesspiegel die besten Inszenierung des Jahres.

Der sonderbare Traum der Postmoderne

05.05.2017. Auf epd-Film feiert Georg Seeßlen die rätselhafte Großartigkeit von David Lynchs "Twin Peaks". Die taz begegnet dem Posthumanen in der Musik von Jiin. Form wird formelhaft, stöhnen die Theaterkritiker nach Robert Wilsons "Der Sandmann" bei den Ruhrfestspielen. Nicht einmal der Sport ist sicher vor der Mystifizierung des literarischen Schreibens, stöhnt Tijan Sila auf ZeitOnline. Und alle nehmen Abschied vom Künstler A.R. Penck.

Im Dienste des Dichternarziss

04.05.2017. Der Standard feiert Keith Warners surreale Wiener Inszenierung von Henzes Oper "Elegie für junge Liebende". Die taz erkundet in einer Frankfurter Ausstellung die Entstehung von Struffsky. Die SZ porträtiert die Künstlerin Anne Imhof. Schlechte Literaturkritik liegt oft an schlechten Bücher, meint Tell. Die Filmkritiker haben immer noch weiche Knie von Jordan Peeles Horror-Satire "Get Out". Wir verlinken auf erste Nachrufe auf A.R. Penck.

Eine eigene Musik der Körper

03.05.2017. Ganz schön irre findet die taz, welche Blüten linke Debatten über Ausgeschlossene und Abgehängte treiben. Die NZZ lauscht in Sidi Larbi Cherkaouis "Satyagraha"-Choreografie der Weisheit keuchender Körper. Die FAZ labt sich am warmen Klang des neuen Dresdner Konzertsaals. Ganz toll finden alle Jordan Peeles rassismuskritische Horrorkomödie "Get out".

Der Rest: futsch

02.05.2017. Die Nachtkritik schluckt nach dem Dortmunder Theaterabend "Dirty Work" von Forced Entertainment 200 Paracetamol, ach was, 500 Aspirin. Der Standard sucht mit René Pollesch in Wien das Bühnenbild. Die FAZ bewundert, wie Trisha Donnelly in Kanada Regen macht. Die taz schwärmt von Nobi Talais Beduinengewändern. Die Berliner Zeitung ahnt, dass Dresdens schicker Kulturpalast auch das Image der Stadt polieren soll.