Efeu - Die Kulturrundschau

Die besten Kritiken vom Tage. Wochentags um 9 Uhr, sonnabends um 10 Uhr.

September 2014

Love Story und Heiterkeit

30.09.2014. Sat1 macht die perfekten Filme für Nordkorea, lernt die SZ beim Filmfestival in Pjöngjang. In der Welt singt Christoph Hochhäusler ein Loblied auf den Filmgrafiker Hans Hillmann. Die NZZ erinnert an Motrebi, die persische Popmusik der sechziger und siebziger Jahre. Und Teju Cole spricht über seinen neuen Roman "Open City". Im Standard erzählt Tex Rubinowitz, wie er einst die Nymphe bestieg.

Die Frage sitzt. Ein starkes Stück

29.09.2014. Haben Sie wirklich nichts mitbekommen, fragt Elfriede Jelinek in ihrem NSU-Stück "Das schweigende Mädchen". Den Kritikern geht die Frage schwer nach. Nur Gerhard Stadelmaier stemmt sich in der FAZ gegen die Jelineksche Textflut. In der FR erzählt Ulrich Raulff, wie man liest ohne zu buchstabieren. Die SZ freut sich über die Florentine-Stettheimer-Ausstellung im Münchner Lenbachhaus und analysiert das Phänomen Helene Fischer. Sophie Charlotte Rieger bloggt über das Filmfestival in Hamburg.

Alles ist Geschmeidigkeit

27.09.2014. In der Welt erklärt Hilary Mantel, wie man über Geschichte schreibt und den Kritikern trotzt. Und Herta Müller erzählt, wie man sogar beim Kühe hüten etwas über Ästhetik lernen kann. Im Tages-Anzeiger erklärt Werner Fuld, warum es in Deutschland keine erotische Literatur gibt. Tarantino ist auch nicht alles, meint die SZ in der Brüsseler Rubens-Ausstellung. Die NZZ verfällt einem geschmeidig exotischen Bühnenstar in Scharlachrot und Pink. Zeit online berauscht sich am dampfenden Körpersaft von Prince.

Mitten im Sinnlosen

26.09.2014. Die taz sucht nach einer bedeutungstragenden Schicht in der Londoner Anselm-Kiefer-Ausstellung. Der Freitag amüsiert sich über den Metropolen-Schwanzvergleich von Hamburg, Berlin und Köln, die jeweils eine Musikmesse ausrichten. Der Rabattstreit zwischen Bonnier und Amazon ist beigelegt, meldet die Welt. Die NZZ hört norwegisch-isländischen Reggae.

Sachkenntnis und Recherche? Ohne uns

25.09.2014. Herrschaftliches und die Gestik des Zweifels finden die Kunstkritiker in der großen Baselitz-Schau in München. Die Welt lernt einige sehr schmerzhafte Wahrheiten in Christian Petzolds "Phoenix". Deutsche Theaterregisseure haben keine Ahnung vom Kapitalismus, schäumt der Freitag. Die einzige deutsche Weltliteratur kommt aus Österreich, behauptet die Jungle World. Die FAZ fragt: Wo ist unsere Hilary Mantel?

Diskursiv aufgepeitscht

24.09.2014. In Britannien gibt es einen Riesenkrach um Hilary Mantel, die in einer Kurzgeschichte Margaret Thatcher ermorden ließ. In der NZZ kritisiert der Musikprofessor Laurenz Lütteken das Regietheater, das es sich mit einem bunten Bilderbogen im Kanon gemütlich macht. Im Tagesspiegel murrt Frank Castorf über die mittelmäßige Konkurrenz, weshalb er an der Volksbühne auch über 2016 hinaus weitermachen würde. Die Filmkritiker streiten sich über Christian Petzolds neuen Film "Phoenix", ein Noir um eine Shoah-Überlebende. Und John Malkovich debütiert als Zwillinge.

Demaskierungen des unbotmäßigen Auges

23.09.2014. Die Welt fühlt sich ungemütlich vor Courbets "Ursprung der Welt". Der FAZ gefällt die Mischung aus Professionalität und Unbeholfenheit in der Choreografie zu Heiner Goebbels' "Surrogate Cities Ruhr". Steven Soderbergh bittet Sie dringend, über Steven Spielbergs "Staging" nachzudenken. Die Musikkritiker sind immer noch in den Fängen von Aphex Twin. FAZ und SZ verteidigen Peter Handke, der in Oslo als "Faschist" beschimpft wurde. Handkes Antwort an die Kritiker viel kürzer aus: "Fahrt zur Hölle".

Zombiekasperltheater

22.09.2014. Andreas Kriegenburg inszeniert in Frankfurt Horváths "Glaube Liebe Hoffnung" als alptraumhafte Gesellschaftsmaschinierie - zur Freude fast aller Kritiker. Dezeen feiert ein kleines Revival des Brutalismus. Herta Müller erklärt in der FR, warum erst der Rahmen Freiheit ermöglicht. Die taz erfährt aus Filmkunsttheaterkreisen, für wie blöd man den deutschen Zuschauer hält. Die NZZ bindet ihre Krawatte metonymisch.

Das Potenzial des Nebensächlichen

20.09.2014. In der Welt beschreibt Martin Walser, wie ihm die Lektüre des jiddischen Schriftstellers Sholem Yankev Abramovitsh die Augen für die Wirklichkeit jüdischen Lebens geöffnet hat. Bibiana Beglau ist die rechtmäßige Schauspielerin des Jahres, stellt die Nachtkritik fest. Die Berliner Zeitung erliegt dem unbehaglichen Gesamtklang von Aphex Twins neuem Album "Syro". Und es gibt jede Menge Glückwünsche für Sophia Loren und Leonard Cohen, die an diesem Wochenende achtzig werden.

Ohrglühwürmer

19.09.2014. In Lens Culture erzählt der chinesische Fotograf Hai Zhang, warum es unmöglich ist, das neue China zu fotografieren. In der FAZ erklärt Susanne Gaensheimer vom Frankfurter Museum für Moderne Kunst, warum das Bankenviertel das neue Industriegebiet ist. Qualitäten zwischen Kaschmir und Holzwolle bescheinigt die taz Jens Friebes neuem Album "Nackte Angst Zieh Dich An Wir Gehen Aus". Im Guardian findet es Michael Douglas völlig okay, dass sein Filmpartner was für seine Figur tut. Die NZZ berichtet von der Buchmesse in Lemberg. Und Dezeen stellt die Zukunft der Autoindustrie vor.

Ausstieg aus der Bausch-Endlosschleife

18.09.2014. EpdFilm stellt die Schauspielerin Brit Marling vor, die blond und klug ist. Die Nachtkritik lässt sich von Akira Takayama im Rhein-Main-Gebiet evakuieren. Der Tagesspiegel erlebt reine Überforderung in den Kunst Werken. Der Freitag vertraut in die Energie der südafrikanischen Born Frees. Die SZ benennt mögliche Rattle-Nachfolger. In der Zeit erklärt Peter Handke, warum er "unangenehme Könner" wie Michael Haneke nicht ausstehen kann.

Man will die Kunst auspressen

17.09.2014. Die FAZ staunt: Martin Walser leistet Abbitte für den Streit mit Ignatz Bubis. Die NZZ berichtet über einen Urheberrechtsstreit zwischen dem Reporter Thomas Brunnsteiner und dem Schriftsteller Urs Mannhart. Die taz lauscht den subsonischen Basssounds von Aphex Twin. Ethik und Ästhetik sind dasselbe, ruft im Standard der Konzeptkünstler Joseph Kosuth.

Der formale Habitus der Kanne

16.09.2014. Die Berliner Zeitung besucht die großartige neue Philharmonie in Stettin und begutachtet schlecht erwerbbare Kunst auf der Berlin Art Week. Odysseus sind wir, meint Rolf Riehm in der FR über seine neue Oper "Sirenen / Bilder des Begehrens und des Vernichtens". Hollywood ist tot, erklärt David Cronenberg in der Welt. Die NZZ bewundert den Designer Wilhelm Wagenfeld.

Zwischen Bett und Sandkasten

15.09.2014. Laut SZ sehnen sich deutsche Schriftsteller nach ihrer guten alten bürgerlichen Öffentlichkeit. Harmlos-gemütlich laut Welt auch der Pop von Blumfeld. Die FR blättert sich konzentriert durch die pornografische Kunst aus dem Japan des 18. Jahrhunderts. Nicht viel Neues aus dem Sexleben der Großstädter melden die Theaterkritiker aus dem Gorki.

Geschliffen wie ein gutes Tranchiermesser

13.09.2014. In der FAZ erzählt Michael Ballhaus, wie ihm Hörbücher das schwindende Augenlicht ersetzen. Die FR bejubelt die neuen Romane von Olga Grjasnowa, Anita Augustin und Karen Köhler. Ein uneinheitliches Echo tönt zu Barbara Freys Züricher Tschechow-Inszenierung "Drei Schwestern" aus den Feuilletons. Die taz erinnert an den zu Lebzeiten geschmähten, inzwischen kanonisierten finnischen Dichter Aleksis Kivi. Und die Welt würdigt den vor 250 gestorbenen Komponisten Jean-Philippe Rameau als Woody Allen des Barock.

Ich liebe es, wenn es singt

12.09.2014. Alexander Fest gibt seinen Verlegerposten bei Rowohlt auf, meldet die Welt. Die Feuilletons begutachten gesellschaftskritische Eingreifkunst bei René Polleschs "House for Sale" an der Berliner Volksbühne. Pasolini heute? Wäre Amok gelaufen, glaubt der Tagesspiegel. Die NZZ informiert über Chancen und Risiken der 3D-Drucker für die Bauindustrie. Die SZ lässt sich von Georg Baselitz erzählen, welchen Preis er eigentlich verdient hätte - und nicht Günter Grass. Und in der Welt trägt Wolfgang Rihm eine Menge Energie weiter.

Bläser in extremen Lagen

11.09.2014. Der Tagesspiegel feiert den unwiderstehlichen Energiestrom der Musik von Iannis Xenakis' "Orestia". Die Shortlist des Deutschen Buchpreises findet proporzmäßig wenig Gefallen in den Feuilletons, die Autoren schon eher. Die Berliner Zeitung nimmt Judith Hermann vor den Übersprungshandlungen der Rezensenten in Schutz. Die SZ staunt über die bonohafte Bonohaftigkeit Bonos. Die FAZ besucht die Pasolini-Ausstellung in Berlin. Die taz bewundert die skulpturenhafte Inszenierung der Modelle von Horst P. Horst.

So kurz und kalt und winzig

10.09.2014. Die SZ fragt, was die freundschaftlichen Musikwettbewerbe eigentlich mit der kalten Realität des Musikbetriebs zu tun haben. Die NZZ feiert den Einzug des DDR-Designs in Museum. Im Standard erklärt David Cronenberg, dass Hollywood im Gegensatz zu anderen Stammeskulturen auch gegenüber Insidern keine Gnade kennt. Der Tagesspiegel erschauert unter dem feinen Lächeln von Philip Seymour Hoffman, der ein letztes Mal in Anton Corbijns "A Most Wanted Man" zu sehen ist. Und die Welt huldigt der inneren Wahrheit der beinahe unsterblichen Operndiva Magda Olivero.

Deutsche Standardästhetik

09.09.2014. In der Berliner Zeitung erzählt Christian Petzold von seinem neuen Film "Phoenix" und der Falle der Kulissenhaftigkeit. Die Welt heizt die Debatte um Judith Hermann noch etwas weiter an: Hat sie gar nicht ihre eigene Geschichte geschrieben? Im Standard schreibt Georg Seeßlen Galeristen wie Journalisten ins Stammbuch: Man kann nicht ein bisschen subversiv und ein bisschen angepasst zugleich sein.

Der Evidenzblödsinn der visuellen Gegenwart

08.09.2014. Nach einem mauen Wettbewerb gibt es immerhin allgemeine Zustimmung zum Goldenen Löwen für Roy Anderssons Groteske "A Pigeon Sat on a Brench Reflecting on Existence". Der Tagesspiegel freut sich gar über Venedigs klares Bekenntnis zur Filmkunst. Die SZ vermisste allerdings Glamour und rote Teppiche. Die NZZ erlebte an der Wiener Burg einen wuchtigen Saisonauftakt. Nach der "Woyzeck"-Premiere am Berliner Ensemble prüft die Berliner Zeitung Leander Haußmann auf seine Tauglichkeit fürs Intendantenamt. Und im Standard spricht Angelika Klüssendorf über die kalten gekachelten Wände des Westens.

Es mangelt am richtigen Boing

06.09.2014. Ein wenig müde schauen die Feuilletons der Vergabe der Löwen in Venedig entgegen: "Pasolini" fällt weiterhin durch, einzig taz und Negativ Film machen sehenswerte Entdeckungen. Der Tagesspiegel ärgert sich über den Umgang der FAZ mit Judith Hermann: Erst zum Covergirl machen, dann zerfleischen. Pfui. Die Welt macht Mut für den Roman der digitalen Zukunft. Der Freitag sorgt sich hingegen um die Zukunft der Stadttheater. Und die Art spricht mit Sheikha Hood Al Quasimi über schwindende Unterschiede zwischen arabischer und westlicher Kunst.

Soll ich bei den Peschmerga Socken waschen?

05.09.2014. In der taz gibt Jürgen Brocan dem Literaturbetrieb die Schuld an der sinkenden Bedeutung der Lyrik, nicht dem Publikum. In der Presse erklärt Burg-Schauspielerin Elisabeth Orth, wie gut spitze Knie für die Sprechtechnik sind. Die NZZ huldigt dem Licht und Pathos der amerikanischen Vormoderne. Und der Tagesspiegel enthüllt: Ikea hat keine überzeugende Aufbewahrungslösungen für die Probleme der Welt. Außerdem: Endspurt in Venedig.

Das merke ich mir!

04.09.2014. Die Zeit verteidigt Judith Herrmann gegen die literaturpolizeilichen Oberwachtmeister von FAZ und Spiegel. Die FAZ erlebt im Kölner Museum Ludwig einen Akt der kreativen Zerstörung am Klavier. Der Tagesspiegel wiegt sich zu den sanften Klängen der Generation Selfie. Die NZZ schöpft wieder Hoffnung für das italienische Kino. Die Berliner Zeitung feiert die GIF-Art. Und Jan Svankmajer bringt die Steaks zum Tanzen.

Dann klatscht das Publikum

03.09.2014. Etwas durchsichtig findet die SZ das neue Berliner Denkmal für die Opfer des nationalsozialistischen Euthanasie-Programms, die Dokumentation aber sehr gelungen. Die Berliner Zeitung erinnert an die langen Zeiten des Beschweigens. Wie einen Schlag in den Magen erleben Presse und Standard die Retrospektive Arnulf Rainers in der Wiener Albertina. Die Welt feiert die vollkommen unspielbaren Stücke des Wolfram Lotz.

Fleiß. Respekt. Anstand. Toleranz.

02.09.2014. Die taz bewundert in einer Bonner Austellung die Meister der Elfenbeinküste. Die Welt lässt sich von Ost-Rapper Hagen Stoll bei einem Paar Mozzarella-Stäbchen proletarische Werte vermitteln. Die NZZ beobachtet, wie die neuen Bürgerbühnen die Wirklichkeit ins Stadttheater schmuggeln. In der Huffpo.fr spricht Dan Franck über seine Netflix-Serie "Marseille" und die soziale Architektur der Stadt. Die FAZ besucht das finnische Lummerland. Außerdem freuen sich alle auf das heute beginnende Berliner Musikfest.

Knallig, grell, feucht

01.09.2014. Erst haben sie die Erwartungen an Fatih Akins Armenien-Film "The Cut" erfolgreich hochgeschraubt, nun übertreffen sich die Feuilletons in ihren enttäuschten Reaktionen. Nur die Welt entdeckt in ihm eine gewisse Verwegenheit. Zeit Online erkennt im neuen Trend zur Langzeitbeobachtung die Symptome der selbstsüchtigen Zeit. Die NZZ schwärmt von der Klangvielfalt auf dem Lucerne Festival. Die Welt portätiert den Bariton Georg Nigl als uneitlen Kamikaze-Sänger.