Efeu - Die Kulturrundschau

Die besten Kritiken vom Tage. Wochentags um 9 Uhr, sonnabends um 10 Uhr.

Mai 2019

Die Tragik der späten Avantgarde

31.05.2019. Die Welt erkundet mit Maria Lassnig und Martin Kippenberger weibliches und männliches Künstlersein. In der Berliner Zeitung fragt sich Schauspielerin und Regisseurin Steffi Kühnert, warum neue Stücke partout keine Dialoge mehr haben. In der Jungle World blickt Comic-Zeichner Ralf König befremdet auf "Scheinkämpfe" gegen Rassismus, die sich in der Kunst austoben. Im Film-Dienst spricht Regisseur Radu Jude über seinen Film "Mir ist es egal, wenn wir als Barbaren in die Geschichte eingehen", der sich mit der Shoah in Rumänien auseinandersetzt. 

Unter der Aufsicht von Binoche

29.05.2019. Arch+ widmet sich in seiner neuen Ausgabe Rechten Räumen in der Architektur und erhebt schwere Vorwürfe gegen Hans Kollhoff, der in seinen Walter-Benjamin-Platz ein Zitat des Erzantisemiten Ezra Pound eingelassen hat. Die FAZ verteidigt Kollhoff. Der Tagesspiegel feiert mit "High Life" das ganz unfeministische Körperkino der Regisseurin Claire Denis. Die taz verfolgt, wie das Theater von Freiberg um seine politischen Freiräume kämpft. Der Standard erfährt im Wiener Mak, wie Künstliche Intelligenz uns Kupfer verschafft.

Der Schwebewunsch der Moderne

28.05.2019. In der NZZ wirft Ai Weiwei der chinesischen Regierung vor, die eigene Nation nur noch per Überwachung und Kontrolle als Geisel zu halten. Als echtes Opernwunder feiert die SZ Sidi Larbi Cherkaouis Inszenierung von Glucks "Alceste". Außerdem geht sie zur Familienaufstellung mit Elton John. Die Welt stellt klar: Youtube-Popstars wie Billie Eilish brauchen die Musikindustrie nicht mehr, es ist umgekehrt.

Die Ankerkette des Lokalen war gekappt

27.05.2019. In Cannes ist das Filmfestival mit einer Goldenen Palme für Bong Joon-hos  "Parasite" zu Ende gegangen. Sehr vernünftig finden Tagesspiegel, taz und ZeitOnline die Entscheidung, mutiger wäre aber eine Palme für Mati Diops "Atlantique" gewesen. In der NZZ erklärt der bulgarische Schriftsteller Georgi Gospodinov die neunziger Jahre zum Goldenen Zeitalter Osteuropas. Als Triumph des Alltags feiert die SZ, dass der Architekturpreis Nike an das Kirchenzentrum Seliger Pater Rupert Mayer geht. Und aktuell: Der Louvre will dem Telegraph zufolge den "Salvator mundi" wieder deklassieren.

Die Bedarfsgruppe der Bienen

25.05.2019. Die Literaturkritiker sorgen sich um den Geisteszustand der Lyrikerin Katarina Frostenson, die in ihrem Tagebuch den Skandal um ihren Mann Jean-Claude Arnault als Verschwörung abtut und für die Schwedische Akademie nur noch das Kürzel "SA" übrig hat. Empört sind auch die Filmkritiker, nachdem sie sich in Abdellatif Kechiches in Cannes gezeigtem Film "Mektoub, My Love: Intermezzo" drei Stunden lang weibliche Hintern angeschaut haben. Die Presse taumelt beglückt aus einer Wiener Op-Art-Ausstellung. Und die SZ lernt in München die Aktualität von Ödön von Horvath kennen. 

Eros lebt in Brooklyn

24.05.2019. Die NZZ sucht nach dem Geheimnis der Spiegel und stößt auf den leeren Blick eines Buddhas. Die New York Review of Books feiert die schönen Knaben des Louis Fratino. SZ und nachtkritik stellen zwei neue Theaterleiter vor: Thorleifur Örn Arnarsson (Volksbühne) und Julia Wissert (Theater Dortmund). In der SZ geißelt der Geiger Frank Peter Zimmermann die miesen Geschäftspraktiken im Klassik-Betrieb. Und: Die Feuilletons verabschieden sich von der Kinderbuchautorin Judith Kerr.

Vom leichten Nichts nur derbe Nichtigkeit

23.05.2019. Die taz feiert Bertrand Mandicos Filmdebüt "The Wild Boys" als vulgär-befreiende Form von Gender Fluidity. In Cannes feiert der Tagesspiegel Margot Robbies innerlich leuchtende Sharon Tate in Quentin Tarantinos "Once Upon a Time in Hollywood". Nichts als Apokalypse, Verzweiflung, Fassungslosigkeit hörte die SZ bei der Uraufführung von Philippe Manourys Musikwerk "Lab.Oratorium". Die Zeit beklagt den neuen Kistizismus im deutschen Wohnungsbau. Der Guardian besucht im staubigen Taschkent ein Museum für verbotene Kunst.

Kitsch und kühle Konzeptkunst

22.05.2019. In der SZ fragt sich Ian McEwan, wen selbstfahrende Autos in China  retten werden.  In der NZZ stellt Sibylle Lewitscharoff klar, dass Gottfried Keller kein Gemütsspießer war, sondern ein Tiger. FAZ und Standard blicken mit gemischten Gefühlen auf die große Ai-Weiwei-Schau in Düsseldorf. Der Tagesspiegel fragt, ob jetzt René Pollesch Chef der Volksbühne wird. Eher lau reagieren die Kritiker in Cannes auf Quentin Tarantinos Sechzigerjahre-Film "Once Upon a Time in Hollywood".

Die Sonne scheint, der Esel schleppt

21.05.2019. Der Tagesspiegel entschwebt mit Céline Sciamma und Werner Herzog von Cannes aus in den Kinohimmel. In der SZ seufzt der Schriftsteller Mahmud Doulatabadi über das absehbare Ende der zaghaften Lockerungen im Iran. Der Guardian vermisst in den Mangas von heute die Wildheit und Kühnheit der großen Meister wie Kawanabe Kyōsai oder Tsukioka Yoshitoshi. ZeitOnline analysiert die nun zu Ende gegangene letzte Staffel von "Game of Thrones".

Gestopft und gedrungen

20.05.2019.  In Cannes mussten die Kritiker mit Terrence Malick der Anrufung Gottes beiwohnen, FAZ und Welt versichern aber, dass "A Hidden Life" kein Film für die Amtskirche sei, eher für den Naturglauben. Der Tagesspiegel bewundert, wie der ghanaische Künstler El Anatsui im Haus der Kunst Riesenechsen zum Tanzen bringt. In der SZ fragt Museumschef Achim Hochöfer: Welcher Stil herrscht eigentlich gerade? Die Nachtkritik feiert Max Simonischek, der in Frankfurt den "Peer Gynt" mit vollem Körpereinsatz gab.  SpOn und ZeitOnline resümieren betreten den ESC mit Madonnas schrägem Auftritt.

Poesie des Unheimlichen

18.05.2019. Die FAZ erkundet in Hannover und Basel das Zusammenspiel von KI und Kunst. Und Ian McEwan überlegt, wie Maschinen die besseren Menschen werden können. Die NZZ tritt in Zürich mit Barbara Frey und James Joyce in einen Dialog mit den Toten. Die Welt amüsiert sich mit einem Superflamingo in der New Yorker Camp-Ausstellung. Zeit online erinnert daran, dass Camp auch auf der Straße bestehen können muss. Die Filmkritiker in Cannes schwärmen für  Mati Diops Debütfilm "Atlantique".

Der schönste geplatzte Kopf

17.05.2019. In der SZ legt Ai Weiwei wenig Wert auf die Reinheit der Haltung. Die FR erinnert an die Neue Heimat und eine Zeit, als man noch technologieaffin, fortschrittsgläubig und megaloman baute. Die Filmkritiker werden noch nicht recht warm in Cannes - trotz Udo Kier auf Menschenjagd in Kleber Mendonça Filhos im Weltall angesiedeltem brasilianischen Neo-Western "Bacurau". Zeit online hört The National. Die Feuilletons trauern um den Kolumnisten und Kabarettisten Wiglaf Droste. Einen ersten Nachruf auf den Architekten I.M. Pei bringt die New York Times.

Weiches Raunen

16.05.2019. In Cannes haben die Filmkritiker mehr Spaß mit einer Wildlederjacke von Quentin Dupieux als mit den Zombies von Jim Jarmusch. Die FAZ blickt mit Rene Jacobs Einspielung der Missa Solemnis vom Boden aus staunend in den Himmel. Die Zeit schnauft, bebt und lebt mit  Sunn o)))s neuem Album "Life Metal". In der SZ erklärt uns Thomas Meinecke die ozeanische Schreibweise. Ausgerechnet eher rechts gewandte Künstler haben die Idee von der Kunstfreiheit von einer Linken übernommen, die davon kaum noch etwas wissen will, erkennt Wolfgang Ullrich in der Zeit.

Nachtarbeit ist nun für alle Pflicht

15.05.2019. Mit Jim Jarmuschs Zombie-Parabel "The Dead Don't Die" eröffneten gestern die Filmfestspiele in Cannes vielleicht etwas routiniert, aber mit einer einer supercoolen Tilda Swinton.  Die Welt ärgert sich, wie das Festival die Presse gängelt. In der NZZ bedauert Wim Wenders, dass mit dem feedbacklosen Streaming die Kinoerfahrung hopsgeht. Guardian und ArtNews werfen einen ersten Blick auf die bemerkenswert unkontroverse Whitney Biennale in New York. Die SZ lauscht dem dunkles Knarren von Kontrafagott und Horn in Erich Kongolds "Die Tote Stadt".

Orgelsoli - im Ernst?

14.05.2019. Die Feuilletons blicken nach  Cannes:  Für den Tagesspiegel sind die Filmfestspiele noch immer das Weltspitzenklassentreffen des Autorenkinos.  In der SZ berichtet Leila Slimani von der mühseligen Arbeit, prosaisch über Sex zu schreiben. Die NZZ erklärt: Otello muss schwarz bleiben, sonst ist sein Schicksal nicht mehr Drama, sondern Boulevardkomödie. Standard und FAZ dröhnt das das neue Rammstein-Album in den Ohren. Die Berliner Zeitung beobachtet betroffen, wie  der den digitalen Sturm gerade Verlagsmanager zersaust.  Und natürlich trauern alle um Doris Day.

Am Rande eines dunklen Ozeans

13.05.2019. Als Mahnmal kollektiver Dummheit feiern FAZ und Guardian Litauens Pavillon, der bei der Biennale mit dem Goldenen Löwen ausgezeichnet wurde. Auf dem Berliner Theatertreffen feiern taz und Berliner Zeitung mit Christopher Rüping ein zehnstündiges Antikenfest. Der Freitag erkundet mit The Caretaker das Ende der Zeit. Auf ZeitOnline spricht die Feminstin Vivian Gornick über den Kampf in den siebziger Jahren gegen die eigenen Mütter.

Unvermutet laut, direkt und brutal

11.05.2019. Geschmack- und gewissenlos finden SZ und NZZ das von Christoph Büchel bei der Biennale in Venedig ausgestellte tunesische Flüchtlingsboot, das 2015 vor Lampedusa mehr als 800 Migranten in den Tod riss. Der Tagesspiegel feiert derweil ein Fest mit überdimensionalen Vulven. Zeit Online erkennt erst auf den zweiten Blick, wie der chinesische Mega-Blockbuster "Die wandernde Erde" Xi Jinping ideologischen Flankenschutz gibt. Der Guardian rauft sich die Haare, wenn Philip Glass zum dritten Mal David Bowies Berlin-Trilogie sinfonisch umsetzt. Und die SZ lernt, wie man aus herumfliegenden Flusen nachhaltige Mode macht.

Dieser Verzicht auf Härte

10.05.2019. Die SZ lernt in Wien, dass Architektur schön, nachhaltig und günstig sein kann. Naiv finden SZ und Tagesspiegel Mohammad Farokhmaneshs und Frank Geigers Film "Kleine Germanen", Artechock dagegen lernt identifikatorisches Sehen. Die NZZ schwelgt bei den Badenweiler Musiktagen in Schumanns "Dichterliebe", vorgetragen von den beiden Hexenmeistern Christian Gerhaher und Gerold Huber.

Hadern, scheitern, trotzdem weiter machen

09.05.2019. Die Welt steht im Deutschen Pavillon der Biennale von Venedig und fragt verzweifelt: Warum können die Deutschen keine Verführung? In der SZ wollen die Designer Stefan Sagmeister und Jessica Walsh die Schönheit vor der Funktionalität retten. Die österreichischen Zeitungen freuen sich über die Auszeichnung von Michel Houellebecq mit dem Österreichische Staatspreis für Europäische Literatur. Der Tagesspiegel feiert Laurel und Hardy als Vorläufer von Becketts Clowns. Die Jungle World macht sich mit Stereolab eine radikale Idee von Pop.

Weg mit dem Curriculum Vitae!

08.05.2019. Die Berlinale bekommt mit der Sektion "Encounters" einen dritten Wettbewerb: Der Tagesspiegel quittiert etwas verwundert ein solches Bekenntnis zur Breite in bester Kosslick'scher Tradition. Die SZ erkennt in Oberhausen die Ortlosigkeit der heutigen Kurzfilmkultur. Die FR stellt die Biennale-Künstlerin Natascha Süder Happelmann vor. Wozu hat ein Intendant Macht?, fragt die FAZ den Frankfurter Schauspiel-Chef Anselm Weber. ZeitOnline verteidigt die solidarische Utopie, die  Identitätsfetischisten von Links und Rechts dem Pop gerade austreiben.

Revolutionär, aber nicht Avantgarde

07.05.2019. Die SZ honoriert den Mut der Ruhrfestspiele, Jean Raspails neurechtes Pamphlet "Das Heerlager der Heiligen" auf die Bühne zu bringen. Die taz bewundert den Stil, den Mary Quant dem Aufbruch der Frauen in den Sechzigern gab. Der Standard erlebt mit Christiana Perschon, wie Österreichs Künstlerinnen dennoch auf ihren Platz verwiesen wurden.  Die FAZ kann nicht bedauern, dass kein amerikanischer Verlag Woody Allens Memoiren drucken will. Ebenfalls in der FAZ bereitet sich der Bassist René Pape darauf vor, Schostakowitsch Requiem auf Babi Jar zu singen.

Müssen Künstler denn Helden sein

06.05.2019. Die Welt ist absolut einverstanden mit den sechs Lolas für Andreas Dresens "Gundermann". Pitchfork blickt auf die große Karriere Joni Mitchells zurück. Die SZ erlebt mit dem venezolanischen Performer Ariah Lester noch einmal, wie wahr Camp sein kann. Außerdem freut sie sich über die Rückkehr der Sattel-, Walm und Schleppdächer. Der Standard hört Anton Weberns Chöre von Subjekten durch das Rote Wien schallen. Die taz feiert die zornige Kunst Miriam Cahns. Und die NZZ legt mit den Flintenweibern der Kunst den Damenrevolver ab.

Delikat und ordinär, poetisch und gossig

04.05.2019. In der Kunstszene hat sich eine "Wagenburgmentalität" breit gemacht - wer kritisiert, fliegt, stellt die NZZ fest. Eine Frauenquote für Theater-Regisseurinnen ist nur "Machismo andersherum", meint der Tagesspiegel und fragt: Zählt die Basis nicht? Spiegel Online konstatiert derweil einen sanften Abstieg der Frauen im Filmbetrieb. So geht zeitgenössische Oper, ruft die Welt nach Berlin, nachdem sie in Calixto Bietos Antwerpener Inszenierung der "Wohlgesinnten" gelernt hat, wie man einen Pissstrahl in Musik umsetzt. Und Dezeen hat sich erste Entwürfe für den Wiederaufbau von Notre Dame angeschaut.

Wie schnell sie atmet

03.05.2019. Heute beginnt das Theatertreffen. Im Tagesspiegel sucht Matthias Lilienthal neue Konfliktbeschreibungen jenseits der alten Rechts-links-Schemata. Die NYRB sucht ein Zuhause in einer Londoner Ausstellung über tschechische Künstler, die im letzten Jahrhundert nach Britannien geflohen oder emigriert waren. Im Crime Mag erzählt Filmregisseur, Irakveteran und Bankräuber Nico Walker von seiner Opioidsucht. Zeit und Spon feiern Robert Bohrers und Emma Rosa Simons "Liebesfilm". Die SZ staunt über die Eleganz und die sportlich balletösen Sprungbewegungen der Dirigentin Joana Mallwitz.

Findling aus der Zukunft

02.05.2019. Die FR sucht Gott in den Tagebüchern des Leonardo da Vinci, der heute vor 500 Jahren starb. In der SZ erklärt Yvonne Büdenhölzer, Leiterin des Berliner Theatertreffens, warum es zwei Jahre lang bei der Auswahl eine 50-Prozent Frauenquote geben soll. Die Disneywalze drückt mit "Avengers" alles andere platt, klagt Moviepilot. Tagesspiegel und Berliner Zeitung begutachten den ersten fertiggestellten, 447 Millionen Euro teuren Bauabschnitt bei der Renovierung des Pergamonmuseums.