Efeu - Die Kulturrundschau

Die besten Kritiken vom Tage. Wochentags um 9 Uhr, sonnabends um 10 Uhr.

Oktober 2019

Geschwindigkeit, Eleganz und Kohärenz

31.10.2019. In der SZ warnt Jagoda Marinić vor Peter Handkes scheinbarer Naivität. Die taz feiert die sinnliche Reflexion der Blickwechsel in Céline Sciammas Film "Porträt einer jungen Frau in Flammen". Cargo fragt, warum das DOK.Leipzig-Filmfestival von einem Westdeutschen geleitet werden muss. Die SZ bewundert Charlotte Perriands Chaise longue B 306. Die FAZ lässt sich von Intendant Matthias Schulz versichern, dass die Musiker der Berliner Staatsoper nach Einrichtung von Konfliktberatern, Ombudsstelle und Personalrat wieder gern zur Arbeit kommen. Die Jungle World hört den traurigsten und lustigsten Rocksong des Jahres.

So haben wir Kathedralen gebaut

30.10.2019. Der Guardian erlebt in der englischen Provinz eine Revolution des sozialen Wohnungsbaus. In der NZZ fordert Bjarke Ingels einen Masterplan der Nachhaltigkeit. Die Welt wagt einen Ausfluf in Moskaus Schlafstädte. Die SZ lernt auf der Design-Biennale in Porto, dass Millennials beim Gestalten schon ans Wegwerfen denken. Der Standard bewundert die klirrende Klarheit in der Stimme des Burgschaupielers Frank Pätzold. Und es wird weiter erbittert über Peter Handke gestritten.

Die Bodenständigkeit der Kartoffelnasen

29.10.2019. In der SZ erzählt Werner Herzog, wie er Musikern das Schweben beibrachte. Außerdem erlebt sie an der Pariser Oper, wie bei Crystal Pite Männer ohne jede Lieblichkeit zu Tode getanzt werden. Die taz lernt von Zach Bas, dank Body Hacking ihre Produktivität zu erhöhen. Die Nachtkritik pfeift mit Jürgen Kruse auf Düsternis und Tristezza und kommt glücklich aus Ödon von Horvaths "Glaube, Liebe, Hoffnung". In der NZZ fürchtet Nick Cave, dass mit der Woke-Kultur der wilde, renitente Geist der Jugend flöten geht.

Wenn Bügelbierflaschen im Kanon ploppen

28.10.2019. Die SZ tanzt in Theaster Gates' "Black Chapel" zu den Platten von Jesse Owens und Frankie Knuckles. Außerdem freut sie sich bei den Hofer Filmtagen über "Underground in Oberfranken".  NZZ und Tages-Anzeiger erleben in Zürich, wie Christopher Rüping John Steinbeck modernisiert. Die Welt beerdigt Kanye West. Bei Tagesspiegel und DlfKultur sorgt Peter Handkes Interview mit den Ketzerbriefen weiterhin für Bestürzung. Handke reagiert mit einer Erklärung.

Auf Romanverführer reagiert mein Körper allergisch

26.10.2019. Die Literarische Welt beobachtet unbehaglich, wie sich die westdeutsche Kulturbourgeoisie Hubert Fichte einverleibt. Die SZ trifft einen heiteren Woody Allen, der immer noch "Pictures" macht. Hyperallergic bewundert die kühnen marokkanischen Frauen in den Fotos von Hassan Hajjaj. Die FAZ reist durch die Theaterlandschaft Thüringens. Zeit online wird von Kanye West in Grund und Boden hallelujat.

Öffentlicher Problembauherr

25.10.2019. Peter Handke hat noch im Jahr 2011 das Massaker von Srebrenica relativiert, berichten Perlentaucher und FAZ unter Bezug auf eine bisher unbekannte Quelle. Der serbische Essayist Dejan Ilic bescheinigt Handke in der FAZ intellektuelle Faulheit. Die Presse annonciert die Viennale in Wien, die mit weniger Regisseurinnen auskommen muss als gewünscht. Die SZ fragt, warum Bauherren wie die TU München so oft preisgekrönte Bauten verhunzen lassen. Und: Die Musikkritiker trauern um den Komponisten und Dirigenten Hans Zender.

Warum kann es hier nicht schön sein?

24.10.2019. FAZ und SZ kommen berauscht aus dem Louvre, der einen frischen Blick auf Leonardo da Vinci wirft. In der taz erklärt Gorki-Chefin Shermin Langhoff das Motto ihres Herbst-Salons, "De-Heimatize it". In der FAZ vermisst der Musikwissenschaftler Christian Ahrens Frauen in Spitzenorchestern und leitende Funktionen. Die Filmkritiker feiert eine Retro-Party mit "Terminator 6". Die Literaturkritiker von FAZ und Presse beugen sich über den neuen Asterix-Comic "Die Tochter des Vercingetorix".

Ein sehr wundervolles Licht

23.10.2019. Die Debatte um Peter Handke lässt die Feuilletons nicht in Ruhe: In der FAZ verteidigt ihn Eugen Ruge auch gegen seine eigene "idiotische Ehrlichkeit". In der taz pocht Nora Bossong auf die Autonomie poetologischer Fragen auch im Angesicht von Kriegsverbrechen. Der Tagesspiegel dagegen geißelt seine wehmütige Weltfremdheit. Außerdem lernt die FAZ von Carsten Nicolai Radioaktivität zu hören. Die FR huldigt dem Maler der Sonne und der Kornfelder. Und die SZ bewundert den makellosen Countertenor Kangmin Justin Kim.

Die Maske der Unscheinbarkeit

22.10.2019. In der SZ erinnert Art Spiegelman daran, dass es oft jüdische Comic-Künstler waren, die in Superhelden-Reihen amerikanische Übermenschen schufen. Die Welt fragt, welche Bauwerke die Digitale Stadt hervorbringen soll. Die Berliner Zeitung meldet einen neuen Kunstfälscherskandal. Die NZZ stöbert im Vintageladen "The Way We Were". Außerdem trauern die Feuilletons um die Fischer-Verlegerin Monika Schöller.

Sich lustvoll dem Ende nähern

21.10.2019. In der SZ rät John Le Carre, sich bei allem absurden Brexit-Fanatismus nicht von den wichtigen Dingen des Lebens ablenken zu lassen. In der FAS beklagt Thomas Melle eine Hetzjagd auf Peter Handke. Außerdem feiert die SZ die Fotopionierin Lucia Moholy. Der Standard spürt den Geschmack der Scheinheiligkeit in der angesagten Klimakunst. Welt und FAZ trauern um die Máxima Lider des Balletts, die kubanische Startänzerin Alicia Alonso. Die taz lauscht berückt, wie Rocko Schamoni die Zeit verschrammelt. 

Finale Rasereien

19.10.2019. Der Freitag erklärt, weshalb Olga Tokarczuk Leser unter den polnischen PiS-Politikern findet. In der FAZ und in der Rhein-Neckar-Zeitung springen Jürgen Kaube und Claus Peymann Peter Handke zur Seite. In der SZ warnt Sebastiao Salgado vor der Zerstörung der Amazonasgebiete unter Jair Bolsonaro. In der taz fordert Milo Rau eine "Revolte der Würde". Und Zeit-Online erkennt das emanzipatorische Potenzial von elektronischer Musik.

Der Junge blickt schon sehr lässig in die Kamera

18.10.2019. Mats Halm, Ständiger Sekretär der Schwedischen Akademie,  und Henrik Petersen vom Nobelpreiskomitee verteidigen die Entscheidung für Peter Handke. Der Tagesspiegel staunt in der großen Wolfsburger Robin-Rhode-Retrospektive über das Leuchten von Josef Albers' Quadraten in südafrikanischen Brennpunktvierteln. In der SZ erklärt Andreas Beck vom Münchner Residenztheater, warum Dramaturgen sich besonders gut zu Intendanten eignen: Sie bleiben vor Ort.

Ihr Stilideal ist das der Engel

17.10.2019. In der Zeit macht Slavoj Zizek an Peter Handke die Interpassivität der westlichen Linken fest: Authentisch sein durch andere. Handke ist moralisch gesehen ein Würschtl, meint die Schriftstellerin Angela Lehner im Tagesspiegel, aber wir sind keinen Deut besser. Die Welt stöhnt über den Selbstbeweihräucherungsmodus, in dem die Buchmesse startete. Die Filmkritiker lernen mit Maryam Zarees "Born in Evin", wie sich die frühe islamische Republik des Iran ihrer Kritiker entledigte. In der nachtkritik stellt Tobias Rausch eine Basilikumpflanze auf die Bühne.

Insel der verweigerten Adoleszenz

16.10.2019. Peter Handke ist der Bob Dylan der Völkermord-Apologeten, ätzt Alexandar Hemon in der New York Times. Die Welt stellt klar: Handkes Welt ist das Poetische. In der FAZ hat Handke-Übersetzer Georges-Arthur Goldschmidt für dessen Serbienkommentare zwar nichts übrig, aber seine Kritiker bittet er, doch mal in den Spiegel zu gucken. Die SZ feiert Asmik Grigorian als Manon Lescaut im üblen Osteuropa-Chic. Zeit online betrachtet wohlgefällig schöne junge schwule Männer in Georg Schmidingers Debütfilm "Nevrland". Plastik ist der Stoff aus dem Designträume sind, versichert die FAZ.

Auf geistigen Zehenspitzen

15.10.2019. Heute Abend eröffnet die Frankfurter Buchmesse. Einhellig erfreut zeigen sich die Kritiker über den Deutschen Buchpreis für Saša Stanišić, der in seiner Dankesrede scharfe Kritik am Nobelpreis für Peter Handke übte. Die SZ saust mit Bjarke Ingels die Kopenhagener Müllverbrennungsanlage hinab. Die NZZ feiert die Blutschnägg, die Shigeru Ban durch den Uhrencampus von Biel ziehen lässt. Welt und Tagesspiegel deklinieren mit Bong Joon-hos Hochstaplerkomödie "Parasite" die Klassenfrage durch.

'Ich' sagt das arme Kind

14.10.2019. In der anhaltenden Debatte um Peter Handke wirft Bora Cosic in der NZZ die Frage auf: Gibt es ein Verbrechen des Denkens? Die NZZ bewundert zudem, wie Helmut Lachenmanns "Mädchen mit den Schwefelhölzern" in Zürich die kalte Realität überwindet. Die SZ lernt in der Alten Nationalgalerie, dass die Kunstgeschichte die größte Feindin der Künstlerin ist. In der FAZ verrät der Pianist Daniil Trifonov, dass sich Rachmaninow am besten unter Wasser übt. Und der Freitag stellt uns den französischen Ken Loach vor: den Regisseur Louis-Julien Petit.

Wir belohnen Adjektive

12.10.2019. Gestern Hurra, heute Buh. Die schwedische Akademie hat mit ihrer Entscheidung für Peter Handke klargemacht, dass Menschenleben sie nicht interessieren, kritisiert Saša Stanišić auf Twitter. Das ist ein Missverständnis, glaubt der Standard: Handkes Serbien-Äußerungen seien seiner Sprachkritik geschuldet. Die NZZ stellt das Buchmessengastland Norwegen vor. In der nachtkritik fordert Thomas Schmidt, Professor für Theater- und Orchestermanagement, eine Anhebung der Mindestgage und Reformierung des Führungsmodells an deutschen Theatern. Die Kunstkritiker bewundern eine Ausstellung zur Kultur der Azteken in Stuttgart.

Im Gleichschritt einsam

11.10.2019. Die Literaturkritiker streiten über die Literaturnobelpreise für Olga Tokarczuk und Peter Handke. Die Auszeichnung zweier Europäer zeigt der Welt, dass sich das Nobelkomitee nicht von außerliterarischen Kriterien leiten ließ. Die NZZ sieht in der Entscheidung eine äußerst herablassende Geste an andere Literaturen: Sorry, Stilhöhe nicht erreicht! Der amerikanische PEN protestiert scharf gegen den Preis für Handke - wegen seiner Leugnung des Massakers von Srebrenica. Die Kunstkritiker entdecken in Frankfurt eine große amerikanische Malerin: Lee Krasner.

Ich kann das nicht lesen

10.10.2019. Die taz erlebt vor den Fotos Jan Groovers einen Moment der ophthalmologischen Orientierungslosigkeit. In der Zeit sieht Salman Rushdie dem Ende seiner Zeit entgegen. Und die Schauspielerin Beatrice Richter erzählt, was sie in der Bochumer Theaterkantine von Fassbinders Truppe gelernt hat. Die taz erwartet sich vor allem politische Korrektheit bei der Vergabe der zwei Literaturnobelpreise heute mittag um 13 Uhr. Die SZ beobachtet das sich wandelnde Geschäft im Klassik-Markt.

Roboterkühle Überlegenheit

09.10.2019. Der Standard sucht mit Philipp Weiss die Literatur, die uns in die Zukunft trägt. Die SZ fröstelt vor einem Leichentuch aus Rosenblättern, das die kolumbianische Bildhauerin Doris Salcedo in der Kunsthalle Lübeck ausbreitet. Der Guardian erkennt im British Museum, welche Faszination die Osmanen auf das Europa der Renaissance ausübten. Der Freitag lernt vom DDR-Gestalter Rudolf Horn das Wohnen als offenes System. Die NZZ erliegt dem Sog der Afrobeats aus Nigeria. Und die Filmkritiker liegen weiterhin Todd Philips "Joker" zu Füßen.

Keine Feinde und keine Gewinnwarnung

08.10.2019. Die Welt lernt von Banksy, dass Trash im Auktionshaus alles verliert, was an ihm böse und stinkig ist.  Einen Puccini der Extraklasse bejubelt die FR mit der Frankfurter "Manon Lescaut". Die Berliner Zeitung wirft einen Blick auf das Elend der Fast Fashion. Pitchfork kürt schon die wichtigsten Songs der zehner Jahre. Und: Sigourney Weaver wird siebzig, die Feuilletons feiern den Appeal ihrer Intelligenz

Kostüme des Nonkonformismus

07.10.2019. Die FAZ besichtigt die Osmolowskis in der sozialistischen Mustermetropole Minsk. Im Freitag erklärt Michi Strausfeld das lateinamerikanische Genre der Crónicas zum Gegenstück des magischen Realismus. Die Welt sehnt sich nach einer Wiederbelebung der Deutschen Spieloper. Und die SZ genießt Ingmar Bergmans "Sehnsucht der Frauen" in Karlsruhe wie einen Serienmarathon.

Denken, Schwitzen, Wahnsinn

05.10.2019. Kafka und Trakl hätten gemalt wie Richard Gerstl, staunt die FAZ im Wiener Leopoldmuseum. Hyperallergic bewundert in San Francisco afrikanische Kunst jenseits eurozentrischer Stereotype. Zeit Online rauft sich nach einer neuen Studie zu Frauen im Film die Haare. Der Standard lässt sich von Nick Caves "narbenreichem Optimismus" anstecken. Verhalten applaudieren die Kritiker David Böschs "Lustigen Weibern von Windsor" in der Staatsoper. Immerhin Daniel Barenboim war ungewohnt freundlich, wundert sich die Berliner Zeitung. Und die NZZ erkundet die Brandlöcher in Schriftsteller-Schreibtischen.

Alles, was so rosarot war

04.10.2019. Die New York Times begutachtet die junge Gesellschaft, in der sich Picassos "Demoiselles" im neuen Moma befindet. Der Tagesspiegel zuckt entsetzt zurück vor Ang Lees mit digitalen Tricks aufgemotztem Actionfilm "Gemini Man": Fernsehästhetik, schimpft er. Die SZ würdigt den türkischen Schriftsteller Ahmet Altan, der den Geschwister-Scholl-Preis nicht entgegen nehmen kann, weil er im Hochsicherheitsgefängnis von Silivri sitzt. Die Musikkritiker trauern um den letzten Schlagerstar: Karel Gott.

Mode-Frohsinn à la Gucci

02.10.2019. Mit zitternden Knien stehen Guardian und SZ vor Kara Walkers Brunnenallegorie Fons Americanus, bei der einer afrokaribischen Venus das Blut aus der Kehle spritzt. Monopol beobachtet, wie sich der Boykott-Virus im Kunstbetrieb ausbreitet. Die Zeit bewundert die planen Flächen in der Mode des Künstlers Sterling Ruby. Die taz geht zur Post aufs Anti-Mietwucher-Festival. Außerdem trauern die Feuilletons um Jessye Norman, erinnern aber auch daran, dass sie erst 1983 an der New Yorker Met singen durfte.

Welche Abwehrstrategien sind akut?

01.10.2019. Netlix hat das Lösegeld für einen König bezahlt, kommentiert Variety Martin Scorseses erste Produktion für den Streamingdienst, das Mafia-Epos "The Irishman". Milo Rau erkundet mit dem Aktivisten Yvan Sagnet in Matera die moderne Sklaverei unter dem biopolitischen Diktat der Mafia. In der Nachtkritik fordert Silvia Stolz eine größere Teilhabe der Provinz am Theater. Die SZ versucht in Nürnberg herauszufinden, mit welcher Zauberkraft die Dirigentin Joana Mallwitz den Klang aus dem  Orchester herauszieht. Die FR verehrt ungebrochen Rembrandts Mut zu Melancholie und Hässlichkeit. Und: Jessye Norman ist tot.