Efeu - Die Kulturrundschau

Die besten Kritiken vom Tage. Wochentags um 9 Uhr, sonnabends um 10 Uhr.

Februar 2015

Schutzraum und Gefängnis in einem

28.02.2015. Hört mehr Klassik, fordert Daniel Barenboim im TagesspiegelJérôme Ferrari erläutert in der taz das literarische Potenzial der Quantenphysik. In der FAZ äußert der Architekt Marc Jordi Bedenken gegen ein Spaßbad an der Berliner Museumsinsel. Welt und SZ besichtigen beeindruckt die Installationen von Louise Bourgeois in München. Und Welt und Welt nehmen Abschied von Leonard Nimoy.

Eine kleine, sehr mobile Orgie

27.02.2015. Die Feuilletons trauern um den Kritiker Fritz J. Raddatz, der sich gestern mit 83 Jahren das Leben genommen hat: Die FR würdigt sein intellektuelles Feuerwerk, die FAZ seine Liebesfähigkeit. So einen wie ihn wird es nicht mehr geben, erklärt die SZ. Außerdem: Die NZZ stellt den ghanesisch-britischen Architekten David Adjaye vor. Die FAZ feiert den viktorianischen Maximalismus der Londoner Modedesignerin Mary Katrantzou. Pitchfork hört die ultimative Zombieband.

Mehr Wein!

26.02.2015. Auf nach Rudolstadt, in den "Faust", ruft eine hypnotisierte Zeit. Die Literaturkritik ist in ihrer Schwundphase, geißelt Zeit online. Banksy dreht ein Gaza-Video mit Katze. In der Spex bittet Fatima Al Qadiri, doch bitte mal zehn Minuten ihren Migrationshintergrund zu vergessen. Der Freitag feiert den Afrofuturismus von Celine Sciammas Banlieue-Film "Girlhood".

Akt der Verwilderung

25.02.2015. Viel diskutiert wird heute Clint Eastwoods Film "American Sniper" über den Scharfschützen Chris Kyle. Die NZZ erzählt derweil die tragische Geschichte des Kriegsveteranen Eddie Ray Routh, der Kyle im Wahn erschoss. Und sie liest ein schon 1967 erschienenes Buch von Pierre Guyotat, "Grabmal für fünfhunderttausend Soldaten", das vom Rausch des Mordens singt. Die Zeit versucht den Deutschen den berühmtesten lebenden Dramatiker der Welt schmackhaft zu machen. Die FAS unterhält sich mit Björk über ihre Moma-Retrospektive.

Tiefer Blick fürs Nebensächliche

24.02.2015. Dezeen freut sich auf das neue Glasmuseum in Meisenthal. Alain Claude Sulzer empfiehlt in der NZZ Martin Suters neuen Roman über die Verstrickungen eines Journalisten in die Machenschaften Schweizer Banken. Die Berliner Zeitung bewundert den untrüglichen Blick der Fotografin Vivian Maier. Der Freitag schreibt einen Nachruf auf die Videothek. Und: alle schreiben über die Oscars.

Augenweide und Anschauungsbeispiel

23.02.2015. Martin Kušejs Inszenierung der "Jagdszenen aus Niederbayern" bescherte den Theaterkritikern ein bleischweres, jedoch atmosphärisch sehr dichtes Wochenende. Im Tages-Anzeiger erklärt der Maler Hans Erni (106) was man vom Hosenlupf eines Schwingers lernen kann. Im Quotidien d'Oran erklärt der algerische Autor Kamel Daoud, warum Schriftsteller im Algerischen Exilant bedeutet. Die Jungle World empört sich über die Reheterosexualisierung queerer Musik durch den Austropop. Und natürlich die Oscars.

Maximaler Tiefenblödsinn

21.02.2015. In der Welt erklärt der kamerunische Schriftsteller Patrice Nganang die Macht des Schriftstellers und Leander Haußmann fragt angesichts des Streits um den "Baal" von Castorf, warum Theaterregisseure sich überhaupt mit der "dünkelhaften Einfältigkeit" von Autoren und ihren Erben herumschlagen müssen? Die SZ sieht die Kunst der sowjetischen Avantgarde in einer Flut von Fälschungen untergehen. Die FAZ wünscht sich Oscars für Laura Poitras und Clint Eastwood - auf dass die Mitte auseinander fliegt.

Die Stücke anderer Leute

20.02.2015. Die NZZ bewundert den Japonismus in der französischen Kunst. Die Theaterkritik ist hingerissen von Herbert Fritschs sprachakrobatischer Konrad-Bayer-Inszenierung an der Volksbühne. Wenig Sympathie ernten Suhrkamp und Brecht-Erben für ihren Prozess gegen Castorfs "Baal"-Inszenierung. In der Nachtkritik fragt allerdings Jura-Prof Rupprecht Podszun: Wer will schon, dass seine Texte mit Texten eines Nazi-Juristen wie Carl Schmitt gemischt werden? Die Jungle World trauert um den Niedergang der Gang of Four. Die SZ feiert einen literarischen Frühling in Frankreich.

Über jeden Zweifel erhaben

19.02.2015. In der taz erklärt die Filmregisseurin Ava DuVernay, warum sie die Reden Martin Luther Kings für ihren Bürgerrechtsfilm "Selma" neu schreiben musste: Copyright. Die SZ erklärt, warum Frank Castorfs "Baal"-Inszenierung nur noch zwei Mal gezeigt werden darf: Copyright. Der Freitag erzählt am Beispiel der Band Kante, wie man Musik vom Staat subventionieren lässt. Die Presse staunt über die Licht- und Schatteneffekte des Modefotografen Edward Steichen. Und: das erste englischsprachige Video von Pussy Riot über den Tod von Eric Garner.

Jedes Tier ist eine Künstlerin

18.02.2015. Der Guardian lernt von Edouard Manet, warum Kunst Präzision braucht. Die Welt lernt von Niccoló Jommelli, wann Kunst nicht überlebt. Die taz lernt von Clint Eastwood, wie man einen Kulturkrieg anzettelt. Der Freitag lernt aus einer Studie, wer in der Musikindustrie von wem profitiert.

Energie! Energie! Energie!

17.02.2015. Der Tagesspiegel fordert vom Theater: Mehr konkreten politischen Aktivismus. In der Welt erklärt T.C. Boyle, was ein amerikanischer Waffennarr mit einem arabischen Islamisten gemein hat. Die taz bewundert die goldene Dekade des schwulen Sex in den Fotografien Leonhard Finks. Bei Buzzfeed rümpft man die Nase: Die weibliche Hauptfigur in "Fifty Shades of Grey" ist ja gar keine echte Masochistin.

Der Künstler strebt ins Universelle

16.02.2015. Die Filmkritiker sind sich einig: Der Goldene Bär für Jafar Panahis trotz Berufsverbot mit Guerilla-Methoden entstandenen Film "Taxi" war verdient - aus künstlerischen, nicht aus politischen Gründen. In der Zeit versteht Iris Radisch nicht, warum Literaturkritiken unfreundlich sein sollen. Die Jungle World porträtiert den Experimentalmusiker Thomas Köner. Die Theaterkritiker freuen sich über große Auftritte und schlechte Witze in Christoph Marthalers Hamburger Inszenierung von John Osbornes "Der Entertainer".

Schwebende Farbräume

14.02.2015. Die Berlinalekritiker ziehen erschöpft erste Bilanzen und warten auf die Bärenvergabe heute Abend. Die NZZ lernt in einer Hamburger Ausstellung, welche Rolle die Poesie in Joan Mirós Werk spielt. In der Welt erklärt der Altorientalist Stefan Maul den Witz im "Gilgamesch"-Epos. In der Berliner Zeitung denkt Marcel Ophüls über Kameras nach. Die taz porträtiert den palästinensischen Rapper Rafeeq Hamawi, der Scheichs und Götter hinterfragt. In der FAZ erklärt Feridun Zaimoglu, warum ihm kein Computer auf den Schreibtisch kommt.

Kino? Theater? Kinater!

13.02.2015. Das Fischer-Blog Hundertvierzehn resümiert mit vielen Videos die von Jörg Sundermeier ausgelöste Debatte über Literaturkritik. Die SZ analysiert den Afrofuturismus. Die Welt leidet auf der Berlinale mit Oliver Hirschbiegels "Elser". Der Freitag porträtiert den Dortmunder Intendanten Kay Voges und seinen Pluralismus der Perspektiven. NZZ und Perlentaucher hüpfen zu Terry Rileys "In C", eingespielt vom Africa Express.

Wie unterfordert Reitgerte, Lederfessel, Handschelle

12.02.2015. Die nachtkritik möchte den Streit um ein Theaterstück über den Romanisten und SS-Mann Hans Robert Jauß in Konstanz nicht unter den Teppich kehren. Schwer gelitten haben die Filmkritiker bei "Fifty Shades of Grey". Neu besprochen werden außerdem der neue Greenaway und Radu Judes Western "Aferim!". Die FR gönnt sich einen Augenblick Ruhe mit den Bildern Jean-Jacques de Boissieus. In der Zeit weckt die Dresdner Pegida-Bewegung bei Durs Grünbein unschöne Erinnerungen.

Ich bin Künstler

11.02.2015. Auf der Berlinale hatte Wim Wenders' "Everything will be Fine" seinen Auftritt - dessen Motiv laut FAZ den Wettbewerb prägt: Reumütige Männer auf Sinnsuche. Zeit online begeistert sich für den Deutschrap von "Zugezogen Maskulin". Die SZ bewundert eine On-Kawara-Retrospektive in New York. Die NZZ stellt den Fotografen Hiroshi Sugimoto als Architekten vor.

Mit dem Gesicht zur Wand

10.02.2015. Auf der Berlinale scheiden sich die Geister an Andreas Dresens Wettbewerbsbeitrag "Als wir träumten": Weltklassekino, ruft die FAZ. Putzig und possierlich, mault die taz. Der Tagesspiegel staunt über die Entvertrautmachung der Berliner Philharmoniker mit Sibelius. Die NZZ hebt ab mit Adam Zagajewskis Essayband "Die kleine Ewigkeit der Kunst".

Ein 'Nein' allen Gleichmachern

09.02.2015. Poetische Sinnsuche oder Selbstfindungssirup? Terrence Malicks Wettbewerbsfilm "Knight of Cups" hat die Berlinale-Kritiker fast zerrissen. Den Theaterkritikern ging es kaum besser mit Thomas Ostermeiers Inszenierung von "Richard III.": Quasimodo mit Kinderseele oder doch nur fataler Gedankenleere? Die SZ fragt: Warum sollen Autoren keine Literaturschulen besuchen? Pitchfork hört Schlaflieder von Jeff Bridges. Techcrunch stellt neue Bildschirmkunst vor. Und: alle trauern um die algerisch-französische Schriftstellerin Assia Djebar.

Was nicht wächst, wird eingepflanzt

07.02.2015. Von den mit Spannung erwarteten Berlinale-Beiträgen von Werner Herzog und Jafar Panahi kann nur einer überzeugen. Die Welt erliegt in Düsseldorf dem Sog von Günther Ueckers Nagel-Bildern. Äußerst skeptisch betrachtet die SZ die prosperierende Kunstszene in Saudi-Arabien und ärgert sich über eine Pause nach dem Ersten Satz von Mahlers Dritter Sinfonie in Frankfurt. Christopher von Deylen alias Schiller ärgert sich gleich über den kompletten Klassikbetrieb.

Präkarnevaleskes Gaudium

06.02.2015. Intellektuell eher simpel fanden die Filmkritiker Isabel Coixets Berlinale-Eröffnungsfilm "Nobody wants the Night". Die FAZ schert es nicht, solange Juliette Binoche dabei ist. Der Guardian sah insgesamt noch nie so zahnlose Filme wie in diesem Jahr. Die taz fragt: Warum schreiben Frauen keine Essays? Die FR lässt sich von Franco Moretti erklären, was Distant Reading ist. Flüchtlinge machen das beste Theater über Flüchtlinge, lernt die NZZ in Amsterdam.

Ich werde informiert

05.02.2015. Vorfreude auf die Berlinale, die noch größer wäre, hätten die einzelnen Sektionen etwas künstlerisches Profil. Die Zeit plädiert für mehr kuratorisches Profil der Museumsbestände - auch durch Verkaufen. Die NZZ protokolliert die Überwachung des Brecht-Erbes. Der Freitag beklagt den Verfall der Kulturindustrie. Die Welt erzählt die traurige Geschichte von Harper Lees angeblich neuem Roman.

Aufklärung sähe anders aus

04.02.2015. In der Welt erklärt Luc Bondy, warum Tschechows antisemitischer Iwanow so viel interessanter ist als sein humanistischer Gegner Lwow. Der Tagesspiegel wirft dem Chef des Verbrecher Verlags bildungsbürgerliche Sehnsucht nach dem Großkritiker vor. Zeit online ergibt sich tanzflurvermitteltem Antifaschismus von Alec Empire. Die Filmkritiker staunen: Zwischen digitale und reale Welt passt kein Blatt in Michael Manns Film "Blackhat".

Der Bass. Der Bass. Der Bass

03.02.2015. Verdis "Räuber" als Pegida-Comic? Aber ja, warum nicht, ruft die taz. Die Berliner Zeitung schießt bei der Transmediale ins All. Die Welt bewundert die im Depot des Pariser Musee d'Orsay schlummernden Obsessionen. Große Bewunderung erregen auch zwei muskulöse nackte Rücken von Michelangelo.

Die Zartheit der Deutschen

02.02.2015. Jubel, Triumph, Wahnsinn! - Barrie Kosky bringt mit seiner Inszenierung der Oskar-Straus-Operette "Eine Frau, die weiß, was sie will" den Saal zum Kochen. Die Brecht-Erben machen lieber Stimmung im Gerichtssaal. Im Magazin Filmlöwin erklärt die Filmemacherin Gloria Endres de Oliveira, wie trügerisch Mädchenhaftigkeit sein kann. In der NZZ warnt Kenzaburo Oe vor dem neuen Nazismus in Japan.