Efeu - Die Kulturrundschau

Die besten Kritiken vom Tage. Wochentags um 9 Uhr, sonnabends um 10 Uhr.

August 2015

Jeder solitär für sich alleine

31.08.2015. Literaturdebatten? Gibts nicht mehr, die Kritiker sind zu beschäftigt, sich als Autor und Juror in Szene zu setzen, diagnostiziert die Welt in Erlangen. Die taz porträtiert den phänomenalen Hornisten Felix Klieser. In der FR staunt Detroit-Techno-Pionier Jeff Mills nach zwanzig Jahren immer noch über die Deutschen, die beim Tanzen nicht flirten. In der FAS gibt Byung-Chul Han Nachhilfe im chinesischen Denken.

Der Gesang der Deutschen als Gesang für die Deutschen

29.08.2015. Schlachten um Flüchtlingsboote und Kinder vor der Terroristenfotowand - der Standard amüsiert sich in Banksys Vergnügungspark "Dismaland". Der Tagesspiegel fordert: Emeka Ogbohs Soundinstallation "Brüderlich mit Herz und Hand" muss ins Humboldt-Forum. Die taz fragt: Warum schreiben Schriftsteller?. Welt und Standard erliegen der unterirdischen Wirkungsweise der Sprache von Clemens Setz. Die SZ sucht nach einem schönen Auto.

Gegen Vorstellungen des Formvollendeten und Runden

28.08.2015. Die NZZ schwebt selbstbewusst als Schmetterling über einem Spargel von Adriaen Coorte. Die FAZ schwärmt von der großen Piero-di-Cosimo-Schau in den Florentiner Uffizien. Die Welt berichtet über die Hintergründe des neuesten Fälschungsskandals bei dadaistischer Kunst. Die Filmkritiker trauern um Peter Kern. Die taz bestaunt die Kreuzbestäubung von Disco und Punk durch Ebony Bones. Ohne Klassiker verkümmert das deutsche Theater, ruft die SZ besorgt. Die Welt winkt ab: der Beweis des Puddings liegt im Essen!

Kapitalismus ist schon in Ordnung

27.08.2015. Die Zeit lässt sich von Clemens Setz erklären, wie man einen leistungsstarken Orgasmus bekommt. Der Standard besucht die Foto-Ausstellung "Black & White" in der Albertina. Die SZ hinterfragt die Ambitionen des Musicboards Berlin. Und die Welt sorgt sich um die Chancen von Sebastian Schippers Film "Victoria" bei den Auslandsoscars.

Kunst und Quatsch

26.08.2015. In der Welt dichtet Peter Wawerzinek schon mal vorausschauend letzte Gedichte von Günter Grass. Der Freitag würde Aischylos' Drama "Die Schutzflehenden" gern mal wieder im Urtext hören. Tiefe und Witz findet die SZ in Banksys Freizeitpark "Dismaland". Die Berliner Zeitung beobachtet die Entpolitisierung des HipHop im Biopic "Straight Outta Compton". Und: Benedict Cumberbatch kann Hamlet, melden NZZ und Welt.

Sägt die Säge einen Ton

25.08.2015. In der NZZ fragt Literaturkritiker Rainer Moritz seine Kollegen, wie sie Feridun Zaimoglus Roman besprechen wollen, nachdem sie mit dem Autor durch Istanbul flaniert sind. Im Blog Kwerfeldein dokumentiert Samaneh Khosravi Schönheitsideale im Iran. Witz und Ehrlichkeit findet die Welt in den Porträts des Gesellschaftsmalers John Singer Sargent. Das Literaturcafe erinnert: Es gibt auch gute Romane außerhalb der Longlist für den Deutschen Buchpreis. Die Musikkritiker stellen sich den Klangerzeugungsgeräten beim Atonal Festival in Berlin.

Polnisch müsste man können!

24.08.2015. In der taz erzählt Mohammad Rasoulof, wie man im Iran einen Film dreht. Die SZ lernt in der New Yorker Sneakers-Ausstellung, wie sich der Turnschuh im Lauf der Zeit in einen Schwellkörper verwandelte. Rue89 geiert das kooperative Potenzial der Soundcloud, das von der Musikindustrie bedroht wird. Krzysztof Warlikowskis Stück "Die Franzosen", eine Bearbeitung von Prousts "Recherche", riss die Theaterkritiker vom Stuhl.

Was die Lyriker da haben, das will ich auch!

22.08.2015. Hat die Literaturkritik ihre Maßstäbe verloren?, fragt die NZZ, die Ralf Rothmanns gefeierten Kriegsroman "Im Frühling sterben" für reinste Landserromantik hält. Robin Detje erkennt bei Zeit Online eher auf Puritanismus angesichts der Vorwürfe gegen Tex Rubinowitz. Jonathan Franzen möchte sich lieber nicht bei Twitter anmelden. FAZ und Nachtkritik wagen sich bei der Ruhrtriennale in Susanne Kennedys Zombie-Puppenwelten. Die Welt blickt an Bauten von Paul Schneider-Esleben bewundernd zur Vorstandsetage hinauf.

Im Dunst verbleichenden Himmels

21.08.2015. Die NZZ entdeckt Giacometti in einem winzigen Ort in der Bretagne. Der Schriftsteller Giorgio Fontana erkundet die Peripherie Mailands. In Tokio wurde nach Protesten Zaha Hadids Entwurf für ein neues Olympiastadion geschrumpft, berichtet die SZ. Die Presse hört Gluck und denkt an Guantanamo. Die taz freut sich beim Berliner Atonal Festival auf den interessantesten Menschen der Welt: Tony Conrad.

Krispe Digitalität

20.08.2015. Der Standard erwandert sich das Kunstprojekt "Politische Landschaft" im Salzkammergut. In der Zeit erklärt der Architekt Rainer Hascher, warum Großprojekte in Deutschland nicht mehr funktionieren. Der taz gefällt die souveräne Longtailhaftigkeit der Longlist für den Bücherpreis. Die Filmkritiker diskutieren Peter Bogdanovichs "Broadway Therapy".

Das höhere Abschreiben

19.08.2015. Tex Rubinowitz hat aus einem Lexikon abgeschrieben? SZ und Presse zucken die Schultern: Das haben auch Thomas Mann oder Michel Houellebecq. In Boston zeigt derweil eine große Ausstellung über den Einfluss asiatischer Kunst auf die Amerikas, dass alles neue mit Kopieren beginnt. Auf Zeit online nimmt sich Florian Werner Dr. Dre zur Brust: Gibts in Compton keine Hispanics und keine Frauen? Die taz kommt enttäuscht aus Peter Bogdanovichs erster Komödie seit fünfzehn Jahren.

Keineswegs so tot

18.08.2015. Die FAZ wirft dem Bachmannpreisträger Tex Rubinowitz vor, ein Wikipedia-Abschreiber zu sein. Der Guardian erinnert sich mit Genuss an die Zeiten, als Intellektuelle wie Gore Vidal und William F. Buckley im Fernsehen noch drohten, dem jeweils anderen die Fresse zu polieren. In der SZ erklären Laibach, warum sie in Nordkorea auftreten werden: zum Zwecke der Diskussion. Toast erinnert an die großartige Shirley Jackson.

Das gnadenlos Persönliche

17.08.2015. Die Eröffnung der Ruhrtriennale mit Johan Simons' Inszenierung von Pasolinis "Accatone" lässt die Kritiker kalt: Zuviel Schauspielerschweiß, kritisiert die SZ, zuviel Deluxe-Kunst, moniert die Welt. In der Presse erklärt der Komponist HK Gruber, warum ihm Weill näher ist als Schönberg. Die NZZ stellt Veteran-Writers vor, die über den Irakkrieg schreiben. Die FAZ staunt vor spanischen Skulpturen über die Zumutungen des Christentums. Die Filmkritiker ziehen Bilanz in Locarno.

Immerhin steht das Publikum noch

15.08.2015. Die FAZ feiert den poetischen Realismus Wilhelm Raabes: Wie bei Country muss man nur dranbleiben. Außerdem besucht sie das Fort Knox der Gegenwartskunst. Popmatters feiert die viel gescholtene zweite Episode von "True Detective" als rabenschwarz. Die taz verliert sich in den Klangsphären industriell bestimmter Arbeitsrhythmen Christina Nemecs. Die Welt feiert den neuen Roman von Henning Ahrens.

Versehentliche Unverschämtheit

14.08.2015. Birnenförmig und sexlos: In der Welt erzählt die Autorin Miranda July von ganz normalen Menschen. In der NZZ wartet Cees Nooteboom auf eine Audienz beim Papst und unterhält sich derweil mit Arvo Pärt. FR und nachtkritik wundern sich über das Salzburger Publikum, das bei "Mackie Messer" mitklatschte. In Das Filter kritisiert Buchautor Stefan Goldmann den Handwerksbegriff in der elektronischen Musik. Die Filmkritiker verlieben sich in Amy Schumer.

Spiegelung, Mimesis, historische Aufarbeitung

13.08.2015. Die NZZ feiert mit Francesco Munzis neorealistischem Mafiafilm "Anime nere" endlich wieder großes italienisches Kino. Die taz begibt sich staunend in die Parallelwelt der Youtube-Stars und -Fans. Der Tagesspiegel bewundert das mathematische Hirn der Choreografin Lucinda Childs. Im Blog Freitext ficht Ulrike Draesner gegen das Relevanzdiktat in der Kunst.

Der Vernunft trauen

12.08.2015. Die NZZ lernt in Paris denken mit Gottfried Honegger. Der Tagesspiegel bewundert die zackigen Figuren und Frisuren der Achtziger im Städel. Der Standard lernt bei Impulstanz, wie sehr auch Künstler in exotische Klischees verfallen. Die Filmkritiker feiern Mohammed Rasoulofs im Untergrund entstandenen Politthriller "Manuscripts Don't Burn".

Familienfest im Grünen

11.08.2015. Ohne Zigarette lässt es sich schlecht in einen Technologie-Wissenszustand anno 1966 versetzen, lernt der Standard in einer Ausstellung über die Kollaboration von Ingenieuren und Künstlern. Die taz liegt barfuß auf einer uckermärkischen Wiese und plaudert mit Schriftstellern. Die Musikkritiker heben mit der Doom-Metal-Band Sunn O))) ab in erikative Sphären.

Nichts gleicht hier seiner Kleinheit

10.08.2015. Eine fantastische Anna Netrebko hat in Salzburg Konkurrenz bekommen, freuen sich Presse und Standard. Der SZ imponiert das krasse Tosen in Olga Neuwirths "Eleonore"-Suite. Mit all den Flüchtlingen vor der Tür kann die Zeit ihren Salzburger Aufenthalt leider nicht so recht genießen. Auf ihrem Tumblr sucht Essayistin Kathrina Talmi die Sprachkritik in der Literaturkritik. Wolf Wondratschekt erzählt in der SZ warum auch Atheisten gern in Kirchen sitzen. Die Welt würde im Kino lieber nicht nass werden.

Merkwürdige Katerstimmung

08.08.2015. Auf einem bayerischen Schulhof stöbert die SZ eine von Josef Thoraks Pferdeskulpturen für Hitler auf. Ein Tango war die Begleitmusik zu Stalins Schreckensherrschaft, erzählt die taz. Im Interview mit der Welt erklärt der kürzlich verstorbene E.L. Doctorow, warum er keine historischen, sondern eternalistische Romane schreibt.

Die Kunstwelt entschärft das furchtbare Objekt

07.08.2015. Die FAZ lernt, dass Gewalt stärker ist als Kunst. Die NZZ lässt sich von Filmcutter Walter Murch erklären, warum Flaubert und Beethoven Väter des Films sind. In der SZ hat die Mezzosopranistin Elisabeth Kullman keine Lust mehr, der Selbstfindung von Regisseuren zu dienen. Der Standard tanzt Dabke mit Omar Souleyman.

Das Ohr ist ein islamisches Organ

06.08.2015. Die Musikkritiker halten den Atem an, wenn Jonas Kaufmanns Schrei "Gott, welch Dunkel hier!" ertönt. Autorin Ursula Le Guin verteidigt in ihrem Blog Atticus Finch gegen Vorwürfe, er sei zum Rassisten mutiert. Autor Amit Chaudhuri feiert im Guardian den Kritiker James Wood als Enthusiasten. In der New York Times fordert David Byrne mehr Transparenz bei der Verteilung der Erlöse aus Musikverkäufen. In Bayreuth zwingt Wagner Peter Sloterdijks Ohr in die Knie.

Kochlöffel und Wecker

05.08.2015. Salzburg und die Presse liegen dem peruanischen Tenor Juan Diego Flórez zu Füßen. Der Standard lässt sich erklären, wie Kunst im Öffentlichen Raum uns alle zu Philosophen macht. Die FAZ schwärmt vom neuen postnationalen Tom-Cruise-Film. Im Logbuch Suhrkamp denkt Rachel Cusk über "weibliches Schreiben" nach. Die Zeit porträtiert Krautrock-Pionier Hans-Joachim Roedelius.

Dieses Ozeanische

04.08.2015. Im Wiener Kurier erklärt Franz Welser-Möst, warum der derzeit beste italienische Tenor wohl nie ein Star wird. Im Freitag protestiert der Filmhistoriker Dirk Alt blass vor Entsetzen gegen die Zerstörung originaler Filmdokumente durch das Bundesfilmarchiv. Der Schriftsteller Thomas Meinecke (Freitag) und die Historikerin Marion Detjen (114) erklären, warum sie FeministInnen sind. Die taz bewundert den unstillbaren Zorn der Malerin Joan Mitchell. The Quietus hört Cashmere Radio aus Lichtenberg.

Exzesse des Zusammenbrechens

03.08.2015. Die NZZ prophezeit den Münchnern mit dem neuen Kammerspiel-Intendanten Matthias Lilienthal eine Berliner Spezialität: freies, unangepasstes, engagiertes und lebendiges Theater. Albert Ostermaiers "Gemetzel" in Worms enttäuscht die Kritik: Wo ist denn das Gemetzel, fragt die SZ. Nur der Unterhaltungswert zappelt, klagt die FR. In der Presse erzählt Regisseur Mathieu Amalric, wie er seine Geliebte neu entdeckte. Die Welt reist von Bayreuth nach Wacken. Und: Alle trauern um den Bühnenbildner Bert Neumann.

Kunst auf der eigenen Haut

01.08.2015. In der taz fragt Philipp Ruch vom Zentrum für Politische Schönheit: Wer malt bessere Staatsstempel? Thomas de Maizière oder André Breton? Die SZ stürzt sich mit Sepp Werkmeister ins kodacolor-schrille New York der sechziger Jahre. In der Welt steigt Clemens Meyer noch einmal mit Ulrich Ziegler in die Tiefe der Literaturbrunnens. Der Standard huldigt dem Tätowiermeister Mircea Cartarescu. Die Zeit fragt, wann die Neue Musik diszipliniert wurde. Außerdem bekommt Ai Weiwei jetzt doch sein Visum.