9punkt - Die Debattenrundschau
In der gegenwärtigen Situation fatal
Rundblick durch die Feuilletondebatten. Wochentags um 9 Uhr, sonnabends um 10 Uhr.
23.10.2014. Laut Slate hat das Google-Auto ein "schmutziges Geheimnis": Es kann nur innerhalb von Google Maps fahren. Eine rote Ampel, die es nicht kennt, wird konsequent überfahren. Die taz fragt: Ist die Empörung über die IS-Miliz ungerecht? Die VG Media gibt gegenüber Google klein bei. Ihre Zeitungen wollen auf die Klicks von Google vorerst nicht verzichten. Andere Medien fordern mehr Vertrauen in folgende drei Player: Gott, Kultur und Journalismus.
Efeu - Die Kulturrundschau
vom
23.10.2014
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Medien
Die in der VG Media zusammengeschlossenen Verlage haben gegenüber Google klein beigegeben - zumindest vorläufig, berichtet turi2 und resümiert verschiedene Quellen. "Über die VG Media geben sie eine "widerrufliche Gratiseinwilligung" ab". Bis die Sache rechtlich geklärt ist, darf Google weiter Snippets zeigen, ohne die Verlage dafür zu bezahlen.
In der Pressemitteilung der VG Media heißt es: "Die ab dem 23. Oktober 2014 von Google umgesetzte deutliche Reduzierung der Textdarstellung und die Auslistung von Bilder-Darstellungen auf allen Google-Suchdiensten setzt die Presseverleger einem erheblichen wirtschaftlichen Druck aus. Sie sehen sich dadurch gezwungen, gegen ihren Willen die VG Media anzuweisen, Google eine "Gratiseinwilligung" zu erklären."
"Auf einmal hat sich Skepsis in Wut, ja sogar Hass verwandelt", konstatiert der Medienwissenschaftler Bernhard Pörksen in der Zeit und fordert wieder mehr Vertrauen der Leser in die Medien: "Was heißt es, wenn die Medien als vierte Gewalt durch eine fünfte Gewalt in Gestalt des Publikums ergänzt wird, eine Gewalt, die sich selbst massiv öffentlich artikulieren und eine eigene Agenda durchsetzen kann? ... Die Mode einer grassierenden Medienverdrossenheit ist in der gegenwärtigen Situation fatal. Sie vergiftet das Beziehungsklima, von dem guter Journalismus lebt."
In der FR erinnert Julia Gerlach daran, dass sich die Journalisten Peter Greste, Mohammed Fahmy und Baher Mohammed bereits seit 300 Tagen in Ägypten in Haft befinden.
In der Pressemitteilung der VG Media heißt es: "Die ab dem 23. Oktober 2014 von Google umgesetzte deutliche Reduzierung der Textdarstellung und die Auslistung von Bilder-Darstellungen auf allen Google-Suchdiensten setzt die Presseverleger einem erheblichen wirtschaftlichen Druck aus. Sie sehen sich dadurch gezwungen, gegen ihren Willen die VG Media anzuweisen, Google eine "Gratiseinwilligung" zu erklären."
"Auf einmal hat sich Skepsis in Wut, ja sogar Hass verwandelt", konstatiert der Medienwissenschaftler Bernhard Pörksen in der Zeit und fordert wieder mehr Vertrauen der Leser in die Medien: "Was heißt es, wenn die Medien als vierte Gewalt durch eine fünfte Gewalt in Gestalt des Publikums ergänzt wird, eine Gewalt, die sich selbst massiv öffentlich artikulieren und eine eigene Agenda durchsetzen kann? ... Die Mode einer grassierenden Medienverdrossenheit ist in der gegenwärtigen Situation fatal. Sie vergiftet das Beziehungsklima, von dem guter Journalismus lebt."
In der FR erinnert Julia Gerlach daran, dass sich die Journalisten Peter Greste, Mohammed Fahmy und Baher Mohammed bereits seit 300 Tagen in Ägypten in Haft befinden.
Kulturpolitik
Das Bayerische Nationalmuseum (BNM) hat das Ergebnis seiner Erforschung der Provenienz von 72 Skulpturen aus dem Besitz Hermann Görings präsentiert, das laut Ira Mazzoni (SZ) "desillusionierend" ausfällt: nur bei drei Stücken konnte die Herkunft lückenlos aufgeklärt werden. "Doch hat das Museum seit kurzem einen Beauftragten für Provenienzforschung, der sich seiner Aufgabe systematisch stellt. Denn das ist auch im BNM eine Aufgabe für Generationen und nicht für Zweijahresverträge. Eine öffentliche Institution steht moralisch und politisch in der Pflicht, Aufklärung zu suchen. Auch fast siebzig Jahre nach Ende der Nazi-Diktatur."
Religion

Weiteres: Im Interview mit Lucas Wiegelmann in der Welt verspricht der von der Bischofssynode zurückkehrende Kardinal Walter Kasper: "Wir werden einen Schritt auf Schwule zu machen."
Politik
"Im Durchschnitt sterben jeden Tag zehn Kinder durch die Bomben Assads. "Abstoßend" und "menschenverachtend" finden wir jedoch nur das, was der IS macht", empört sich die Nahost-Journalistin Kristin Helberg in der taz. So verspielen die USA und ihre Verbündeten die Unterstützung der Syrer: "Im Internet fragen syrische Araber, warum alle auf den Kampf der PYD (Partei der Demokratischen Union) in Kobani schauen und nicht auf den Widerstand anderer Rebellengruppen gegen den IS bei Aleppo, in Deir al-Sor und Raqqa. Seinen Kämpfern sei bislang niemand zur Hilfe gekommen, sagt ein Oberst der Freien Syrischen Armee (FSA), dabei bekämpfe die FSA den IS doch "stellvertretend für die ganze Welt"."
Internet
Nach der jüngsten Kolumne von Paul Krugman in der New York Times wird in den USA heftiger denn je diskutiert, ob Amazon zu mächtig ist und zerschlagen werden sollte. Ulrike Herrmann äußert sich in der taz skeptisch, ob diese Maßnahme den erwünschten Effekt hätte: "Der Ruf nach der Kartellbehörde ist verlockend. Aber was ist gewonnen, wenn aus einem Riesen-Amazon zehn kleine werden, die gemeinsam den Markt beherrschen?"
Cory Doctorow drückt es auf Boingboing nicht sehr freundlich aus: das selbstfahrende Google-Auto hat ein "schmutziges Geheimnis". Es ist 700.000 Meilen gefahren, aber immer dieselben - es kann sich nur in dreidimensional und aktuell vermessenen Räumen bewegen. Doctorow bezieht sich auf einen Bericht von Lee Gomes in Slate: "Alle Ampeln, Stopschilder, Spurmarkierungen und Zebrastreifen, die jeden Tag zugefügt oder entfernt werden, in einer riesigen Datenbank auf dem Laufenden zu halten ist recht schwierig. Hier geht"s um Sicherheit. Chris Urmson, Direktor des Google Car Teams, hat mir gesagt, dass das Auto eine rote Ampel überfahren würde, wenn es sie nicht kennt, denn es würde diese Ampel gar nicht zur Kenntnis nehmen."
Cory Doctorow drückt es auf Boingboing nicht sehr freundlich aus: das selbstfahrende Google-Auto hat ein "schmutziges Geheimnis". Es ist 700.000 Meilen gefahren, aber immer dieselben - es kann sich nur in dreidimensional und aktuell vermessenen Räumen bewegen. Doctorow bezieht sich auf einen Bericht von Lee Gomes in Slate: "Alle Ampeln, Stopschilder, Spurmarkierungen und Zebrastreifen, die jeden Tag zugefügt oder entfernt werden, in einer riesigen Datenbank auf dem Laufenden zu halten ist recht schwierig. Hier geht"s um Sicherheit. Chris Urmson, Direktor des Google Car Teams, hat mir gesagt, dass das Auto eine rote Ampel überfahren würde, wenn es sie nicht kennt, denn es würde diese Ampel gar nicht zur Kenntnis nehmen."
Überwachung
Die Bundesregierung hat es amerikanischen Unternehmen gestattet, im Rahmen einer Geheimdienstkooperation Bürger in Deutschland auszuspionieren - die ZDF-Sendung Frontal 21 hat zuerst darüber berichtet. Sascha Lobo kommentiert diesen Skandal und Angela Merkels Stummheit in der Aufklärung der Geheimdienstaffäre in seiner Spiegel-Online-Kolumne. "Die Bundesregierung ... hat beschlossen, die selbst mitverschuldete Totalüberwachung wegzuignorieren. Sollte es bei der SPD noch Kräfte geben, die den eigenen Aussagen aus dem Wahlkampf ("Grundrechtsbruch!", "Bruch des Amtseids der Kanzlerin!" und so weiter) noch irgendeinen Wert beimessen - sie wehren sich nicht mehr. Zu besichtigen auch im unsäglichen Vorgehen der Regierung gegenüber dem NSA-Untersuchungsausschuss."
Weiteres: Netzpolitik meldet, dass Rechtsanwalt Niko Härting seine Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht wegen der Überwachungsaffäre zurückgezogen hat - Grund ist eine zu dünne Aktenlage. Aber er bereitet eine neue Klage vor.
Weiteres: Netzpolitik meldet, dass Rechtsanwalt Niko Härting seine Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht wegen der Überwachungsaffäre zurückgezogen hat - Grund ist eine zu dünne Aktenlage. Aber er bereitet eine neue Klage vor.
Gesellschaft
Die Zeit hat sich unter ihren Lesern umgehört und festgestellt, dass das von Apple und Facebook angebotene "Social Freezing" durchaus nicht so einhellig abgelehnt wird, wie es die Reaktion in den Medien vermuten lässt: "Vor allem die Gruppe der 40- bis 49-Jährigen zeigt sich interessiert: 30 Prozent könnten es sich vorstellen." In einem flankierenden Artikel erklärt Elisabeth Niejahr, die selbst Eizellen einfrieren ließ, warum sie das Angebot kritisch sieht: "Ich möchte, dass sich die Arbeitswelt an weibliche Lebensläufe anpasst, nicht umgekehrt. Je mehr Frauen ihre Fruchtbarkeit manipulieren, desto weniger wird sich ändern."
Europa
Beim Konflikt in der Ukraine steht auch die Zukunft Europas auf dem Spiel, mahnt der polnische Germanist Adam Krzeminski in der Zeit. Er stellt die gegenwärtige Krise in die Kontinuität osteuropäischer Freiheitsbestrebungen, die mit dem Jahr 1989 keineswegs abgeschlossen sind: "Die Frage ist nur, ob die ostmitteleuropäische Revolution mit dem militärischen Zugriff auf die Ostukraine und der Demontage bürgerlicher Freiheiten in Russland selbst in ihre "konterrevolutionäre" Phase abdriftet, die - wie Timothy Snyder warnt - nicht allein die russische Unterwerfung der Ukraine anvisiert, sondern die Lähmung, Spaltung und letztlich Auflösung der Europäischen Union als erfolgreiches Projekt und globale Entität in statu nascendi zum Ziel hat."
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