Efeu - Die Kulturrundschau
Eingesperrt zwischen Käse und Freiheit
Die besten Kritiken vom Tage. Wochentags um 9 Uhr, sonnabends um 10 Uhr.
Architektur

Mit seiner Rotunde und seiner großen Freitreppe sollte Stephan Braunfels' wunderschönes Lüders-Haus an die athenische Demokratie erinnern, aber er bleibt durch und durch Berlin. Weil Wasser einsickert, kann der Abgeordneten-Bau nicht fertiggestellt werden, vielleicht muss er sogar abgerissen werden. In der FAZ macht Niklas Maak aber noch eine weitere Beobachtung: "Der Ton wird rauher, auch gegenüber Häusern. Die Abstände zwischen der Fertigstellung eines Gebäudes und den ersten Forderungen nach seinem Abriss werden immer kürzer. Der Palast der Republik brachte es immerhin auf fast dreißig Jahre Lebensdauer, das Technische Rathaus in Frankfurt sogar auf 35 Jahre, bei der Rotunde der 1986 fertiggestellten Frankfurter Schirn forderte der Frankfurter Architekt Christoph Mäckler aber schon gut zwanzig Jahre später einen Teilabriss, weil sie der neuen Altstadt im Weg sei."
Korrigiert: Zum hundertsten Bauhaus-Jubiläum wird nicht nur in Dessau, sondern auch in Weimar ein neues Bauhaus-Museum eröffnet. Das Gebäude steht am Rand des ehemaligen "Gauforums" und hätte mit der geplanten Glasverkleidung den alten Nazi-Bau gespiegelt. Deswegen, und natürlich weil es billiger ist, gibt es eine Betonfassade, wie Ronald Berg in der taz berichtet: "Jetzt sieht der 22,6 Millionen Euro teure, von Bund und Land bezahlte Klotz allerdings fast so aus, als würde er als Luftschutzbunker aus der Bauzeit des 'Gauforums' stammen. Details wie ein angedeuteter Sockel und mächtige Tür- und Fenstergesimse sprechen die Sprache trutzig-monumentalen Bauens." Irritierend, was Berg weiter ausführt: "Der Bauplatz des Bauhaus-Museums liefert eine dezidiert politische Aussage: Die Moderne war eine umkämpfte Angelegenheit und hatte 'Beziehungen zum extremistischen Lager', so formuliert es Hellmut Seemann, Präsident der Klassik Stiftung Weimar, die das neue Bauhaus-Museum unter ihre Fittiche nehmen wird."
Literatur
Weitere Artikel: Ralph Trommer (taz), Wenke Husmanns (ZeitOnline) und Andreas Platthaus (FAZ) schreiben zum Tod von Comicautor Stan Lee. Besprochen werden Ulla Berkéwiczs Essay "Über die Schrift hinaus" (Freitag), A.L. Kennedys und Gemma Corrells Kinderbuch "Onkel Stan und Dan und das fast ganz ungeplante Abenteuer" (Tagesspiegel), Adam Zamoyskis Napoleon-Biografie (SZ) sowie Roswitha Quadfliegs und Burkhart Veigels "Frei" (FAZ).
Mehr auf unserem literarischen Meta-Blog Lit21 und ab 14 Uhr in unserer aktuellen Bücherschau.
Film

Paolo Sorrentinos Berlusconi-Drama "Loro - Die Verführten" ist wenig aufschlussreich, seufzt Fabian Tietke in der taz: Der Regisseur ackert sich auch in diesem Film bloß wieder an seinem Motiv des lüsternen alten Mann ab, der jungen Frauen nachsteigt, "ohne daraus wirklichen Mehrwert für den jeweiligen Film entwickeln zu können und ohne dass es darin Analysezugänge oder Brechungen gab. In 'Loro' kommt die erhebliche Schwäche hinzu, dass es zwar durchaus Spaß macht, Toni Servillo dabei zuzusehen, wie er Berlusconi spielt, der Film aber nie über den Allgemeinplatz von Berlusconis System der persönlichen Abhängigkeiten als politisches Herrschaftskonstrukt hinauskommt."

Sein Remake von Dario Argentos Horrorklassiker "Suspiria" - prominent besetzt mit Tilda Swinton, Dakota Johnson, Ingrid Caven und Angela Winkler - hat Luca Guadagnino in einer Ballettschule im West-Berlin des Jahres 1977, vor der Kulisse des Deutschen Herbsts angesiedelt. Eine sinnfällige Entscheidung, meint Philipp Stadelmaier in der SZ: "Es geht um die zerstörerischen Kräfte in Kollektiven, in einem Land ebenso wie in einer Tanzgruppe. So tanzen die okkulten Kräfte im neuen 'Suspiria' auf dem Abgrund der deutschen Geschichte, aus dem alte Gewalt und alter Schmerz in die Gegenwart zurückkehren."
Weitere Artikel: Dominik Kamalzadeh (Standard) und Bert Rebhandl (FAZ) berichten von der Duisburger Filmwoche. Ein "veritabler Schatz" ist es, dass die Filmwoche ihre Filmgesprächsprotokolle online veröffentlicht, schreibt Rebhandl, der weiterhin Kristina Konrads "Unas Preguntas" und Andreas Goldsteins Klaus-Gysi-Porträt "Der Funktionär" als Entdeckungen des Festivals preist. Im Tagesspiegel empfiehlt Jan-Philipp Kohlmann das Festival "Afrikamera" im Berliner Kino Arsenal. 2018 ist ein hervorragendes Jahr für den Horrorfilm, meint Mat Colegate auf The Quietus.
Besprochen werden der zweite Teil der "Phantastischen Tierwesen" (ZeitOnline) und die TV-Adaption von Patrick Süskinds "Das Parfüm", die vom ZDF zwar breit lanciert und von den Medien breit besprochen wird, dabei aber im wesentlichen auf mäßige Resonanz stößt (NZZ, taz, SpOn).
Kunst

Weiteres: Christian Thomas freut sich in der FR über die Wiederentdeckung des Malers Walter Ophey, dem der Düsseldorfer Kunstpalast eine Ausstellung widmet. Rolf Brockschmidt porträtiert im Tagesspiegel den syrischen Maler Khaled Al Saai, der zur Zeit als Artist in Residence im Museum für Islamische Kunst gastiert. Besprochen wird die Ausstellung "Berlin in der Revolution" im Museum für Fotografie (Berliner Zeitung).
Bühne
Musik
Weitere Artikel: Gerhard Felber schreibt in der FAZ über die logistische Anstrengung der morgigen Aufführung von Benjamin Brittens "War Requiem" in Berlin, für die sich Ensembles aus Vorpommern, Stettin und Klaipeda zusammengetan haben, um an das Ende des Ersten Weltkriegs vor 100 Jahren zu erinnern. Josef Engels plaudert in der Welt mit Jeff Goldblum über dessen Jazzdebüt. Jürgen Moises freut sich in der SZ auf das heutige Münchner Konzert von Gewalt. In der SZ porträtiert Michael Stallknecht den Schlagzeuger Simone Rubino.
Besprochen werden die Deluxe-Neuausgabe des "White Albums" der Beatles (Standard), ein Konzert der Geigerin Patricia Kopatchinskaja (NZZ), David Lynchs und Angelo Badalamentis Album "Thought Gang" (Pitchfork), neue Rossini-Editionen (online nachgereicht von der FAZ), eine BR-Doku über Georg Ringsgwandl, der morgen 70 wird (FAZ), das neue Karies-Album "Alice" (Jungle World), der Berliner Auftritt von Human League (Tagesspiegel), das Frankfurter Konzert von Vijay Iyer und Nik Bärtsch (FR) und weitere neue Popveröffentlichungen, darunter das Comeback der Smashing Pumpkins (SZ). Daraus ein aktuelles Video: