Efeu - Die Kulturrundschau - Archiv

Literatur

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Efeu - Die Kulturrundschau vom 19.03.2024 - Literatur

Im Tagesanzeiger spricht der Schriftsteller Daniel Kehlmann im Interview mit Martin Ebel über die auf seinem Drehbuch basierende, Ende März in der ARD ausgestrahlte Miniserie "Kafka". Für ihn steht Kafka gleichbedeutend neben Shakespeare und Dante, die alle drei ihre jeweilige Zeit ganz und gar zu fassen bekamen, auch wenn Kafka im Gegensatz dazu "ein anti-enzyklopädisches Werk geschrieben hat. Es ist die Innenseite seiner Zeit." Denn "Kafka fasst etwas zusammen, was zu seiner Zeit gerade erst anfängt. Er hat die technologische Moderne, die bürokratische Moderne, in einer Weise gefasst, die aus einer ganz individuellen Innenperspektive heraus vollkommen gültig ist und für uns alle überzeugend, auch für Chinesen, Japaner, Afrikaner. ... Kafka muss wie ganz wenige Schriftsteller offen gewesen sein für das eigene Unterbewusste, für die eigene Traumwelt. Er hatte da einen unmittelbaren Zugang, und deswegen hat er auch so sehr an das Schreiben als eine Art rauschhaft-hypnotischen Vorgang geglaubt."

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Weitere Artikel: Michael Wurmitzer porträtiert für den Standard die Wiener Instagram-Satirikerin Toxische Pommes, die mit "Ein schönes Ausländerkind" ihren Debütroman vorgelegt hat. Die Comiczeichnerin Judith Vanistendael füllt den Tagesspiegel-Fragebogen zu ihrer Arbeit aus.

Besprochen werden unter anderem Didier Eribons "Die Arbeiterin" (Standard), Patrícia Melos "Die Stadt der Anderen" (Freitag), Gabriel García Márquez' Nachlassroman "Wir sehen uns im August" (online nachgereicht von der WamS), Inga Machels Debütroman "Auf den Gleisen" (Zeit, FR), Mathias Enards "Tanz des Verrats" (FAZ), Gaea Schoeters' "Trophäe" (Standard), Ulrich Peltzers "Der Ernst des Lebens" (NZZ) und Benjamin Koppels "Annas Lied" (SZ). Mehr ab 14 Uhr in unserer aktuellen Bücherschau.

Efeu - Die Kulturrundschau vom 18.03.2024 - Literatur

Abel Quentin. Foto: privat
Im Perlentaucher stellt Angela Schader in einem "Vorwort" den französischen Strafrechtler und Autor Abel Quentin vor, der sich mit "Der Seher von Etampes" ins Minenfeld der Woke-Debatten wagt. Der Roman um den linken Universitätsprofessor Jean Roscoff, dem sein Buch über einen schwarzen Dichter um die Ohren fliegt, ist wesentlich mehr als nur eine Polemik gegen den Zeitgeist, sondern auch "eine kritische Auseinandersetzung mit der Geschichte der französischen Linken. Roscoff unterzieht die eigenen Motive für sein Engagement bei SOS Racisme einer gründlichen Prüfung, zupft dabei auch weniger edle Antriebe - etwa die Hoffnung, hübsche Mädchen sonder Zahl flachlegen zu können - hervor. Er spricht sich aber zumindest vom eigentlichen Sündenfall der Organisation frei, dem Kalkül mit der politischen Karriere, das den Aufstieg vieler Linker in der Ära Mitterrand einleitete. 'Auf unseren jugendlichen Gesichtern', heißt es etwa, habe sich gelegentlich schon 'das mitterandsche Lächeln' abgezeichnet, das 'welke und uneindeutige Grinsen eines Spitzenmanns'; diese Linke, scheinbar so frisch und frei, habe Narzissmus und Selbstgefälligkeit 'wie unsichtbares Gift' im Blut getragen."

Den Leuten geht das Schreiben und Veröffentlichen von Büchern viel zu leicht von der Hand, meint Michael Krüger in der Kafka-Reihe der SZ. "Heute sind Skrupel als Symptom verschwunden. ... Warum sind viele der gegenwärtigen Bücher so leichtgewichtig, dass sie einem beim Lesen in der Hand zerfallen? Wer Kafka liest", der "wird unwillig gegenüber dem leichtfertigen Kitsch, der uns heute in immer größeren Wellen überschwemmt. ... Man muss nur einen Band seiner Werke oder Briefe an ein Bücherregal halten, dann kann man beobachten, wie die Bücher vor Schreck scharenweise von den Borden springen. Kafka immunisiert gegen eine bestimmte Literatur - so wie ihn das Schreiben gegenüber den Zumutungen des Lebens geschützt hat."

Außerdem: Alexander Menden berichtet in der SZ von Sandra Hüllers Herrndorf-Lesung bei der Lit.Cologne und schwärmt von der "traumwandlerischen Sicherheit, mit der sie den Ton trifft, den die jeweilige Textstelle und -sorte erfordern". Im Dlf Kultur sprechen Jörg Plath und Dorothea Westphal hier mit den für den Preis der Leipziger Buchmesse nominierten Übersetzerinnen und Übersetzern. Außerdem gibt es hier ein Gespräch mit den Autorinnen und der Autoren der nominierten besten Sachbücher und dort mit den für den besten Roman nominierten Schriftstellerinnen und Schriftstellern. Weiterhin befasst sich Ralph Gerstenberg im Literaturfeature für den Dlf Kultur mit Non-Binarität in der Literatur. Und der Dlf dokumentiert einen Vortrag der Schriftstellerin Jasmin Schreiber darüber, wie sich die Literatur dem Unvorstellbaren der Klimakrise nähern kann.

Besprochen werden unter anderem Michael Köhlmeiers "Das Philosophenschiff" (online nachgereicht von der FAZ), George Saunders' Kurzgeschichtenband "Tag der Befreiung" (online nachgereicht von der WamS), Andrea Petkovićs "Zeit, sich aus dem Staub zu machen" (FAS), Uwe Wittstocks "Marseille 1940. Die grosse Flucht der Literatur" (NZZ), Barbara Kingsolvers "Demon Copperhead" (online nachgereicht von der Welt), Gerhard R. Kaisers "Keller - Mansarde - Einsiedelei. Imaginäre Orte des Dichtens" (Standard) und neue Hörbücher, darunter eine Hörspieladaption von Nick Caves Tourtagebuch "The Sick Bag Song" (FAZ).

In der online nachgereichten Frankfurter Anthologie schreibt Ulrich Greiner über Erich Frieds "Fast alles":

"Ich habe meine Lehrzeit
hinter mir
Ich lernte hören und sehen ..."

Efeu - Die Kulturrundschau vom 16.03.2024 - Literatur

Jayrôme Robinet denkt in der taz über das Bearbeiten von Kinderbuch-Klassikern nach, um künftigen (Vor-)Lesegenerationen unliebsam gewordene Begriffe oder klischierte Illustrationen zu ersparen - und schlägt auf beiden Seiten der Kontroverse Entspannung, sowie eine "diachrone" Sichtweise vor: "Im 23. Jahrhundert werden die Menschen unsere heutigen Neufassungen als Zirkel benutzen können, um unsere Zeit zu umreißen, als Archiv für die Werte des beginnenden 21. Jahrhunderts - dazu gehören auch die Debatten darüber. Es findet also keine Geschichtsklitterung statt, sondern das Gegenteil: eine Geschichtsschreibung." So werden wohl die Leute irgendwann ""merken: Jim Knopf mit einer helleren Hautfarbe zu illustrieren, das hat einen Namen. Es heißt Colorism, eine Unterform des Rassismus, der schwarze Menschen mit hellerer Haut bevorzugt. Hat der Verlag in dem Versuch, Rassismus zu vermeiden, unbeabsichtigt eine andere Form von Rassismus reproduziert?"

In einem Essay für "Bilder und Zeiten" der FAZ denkt Isabel Fargo Cole über ihre Arbeit als Übersetzerin im Zeitalter der KI nach: "Eine standpunktlose Maschine, ein Abstraktum ohne Welterfahrung kann niemals wirklich schreiben oder übersetzen, glaubte und glaube ich." Und "man wird nicht müde, zu beteuern, der menschliche Arbeiter, der Übersetzer etwa, bleibe auf jeden Fall in the loop, nämlich als Bediener und Zuarbeiter der Maschinen. Also: aus der stumpfen Arbeit erlöst und in die Sphären der Ingenieure versetzt. Im entfesselten Markt werde das Verschwinden traditioneller Übersetzungsarbeit durch das Zehnfache an Postediting-Aufträgen kompensiert, händeringend werde nach Fachkräften gesucht. Derselben Fortschrittslogik entsprechend, zeichnet sich allerdings jetzt schon der Trend ab, auch das Postediting, sogar die Qualitätskontrolle der KI zu überlassen. Und was spräche dagegen? Heute verfassen Bots Bücher, die Amazon überschwemmen, um von Millionen weiterer Bots 'gelesen' zu werden."

Außerdem: Für die FAS porträtiert Susanne Romanowski Toxische Pommes, die mit ihrem lakonischen Humor auf Instagram die österreichische Alltagskultur aufspießt und jetzt mit "Ein schönes Ausländerkind" ihren ersten Roman geschrieben hat. Oliver Jungen resümiert in der FAZ die Diskussionen auf der Lit.Cologne. Der Schriftsteller Rayk Wieland denkt in "Bilder und Zeiten" der FAZ über den Umstand nach, dass sein Roman "Beleidigung dritten Grades" seit wenigen Monaten in Russland als Übersetzung erhältlich ist: Eingewilligt hatte er, weil er "sehen wollte, was passiert", doch "seitdem ist, um die Wahrheit zu sagen, nicht viel passiert". Rainer Moritz schreibt im Literarischen Leben der FAZ einen Liebesbrief an das häufig gering geschätzte und noch häufiger aus Texten herausredigierte Semikolon: Doch "das so oft beschimpfte, bemitleidete oder verabschiedete Semikolon feiert Wiederauferstehung - in der Literatur, wo das Ambivalente und Zwiespältige besonders gut aufgehoben ist." Zur Leipziger Buchmesse bringt die FAS ihre alljährliche Suada mit dem bösesten Gossip der Branche.

Besprochen werden unter anderem Omri Boehms und Daniel Kehlmanns Gesprächsband "Der bestirnte Himmel über mir" über Kant (taz), Mark SaFrankos Krimi "AmeriGone" (online nachgereicht von der FAZ), Fien Veldmans "Xerox" (taz), Inga Machels Debütroman "Auf den Gleisen" (taz), Irene Vallejos "Elyssa" (FAZ) und Elizabeth Strouts "Am Meer" (SZ). Mehr ab 14 Uhr in unserer aktuellen Bücherschau.

FAZ, Welt und SZ bringen außerdem heute ihre Beilagen zur Leipziger Buchmesse, die wir in den kommenden Tagen an dieser Stelle auswerten. Auch das Feuilleton der FAS steht ganz im Zeichen der Literatur.

Efeu - Die Kulturrundschau vom 15.03.2024 - Literatur

Besprochen werden unter anderem Anke Feuchtenbergers Comic "Genossin Kuckuck" (taz), Hans Jürgen von der Wenses "Routen I" (online nachgereicht von der FAZ), Daria Shualys "Lockvogel" (FR), Luna Alis "Da waren Tage" (Tsp), die Berliner Ausstellung "Das Fotoalbum der Familie Kafka" (NZZ, mehr dazu bereits hier) und der Schlüsselroman "Geheimnisse, Lügen und andere Währungen" von Andreas Scheuers Ex-Sprecher Wolfgang Ainetter (SZ). Mehr ab 14 Uhr in unserer aktuellen Bücherschau.

Efeu - Die Kulturrundschau vom 14.03.2024 - Literatur

Die öffentlich-rechtlichen Fernsehsender schmelzen ihre Literatursendungen ein oder verzwergen sie zu Häppchen-Formaten, zugleich erfreuen sich ausufernde Literatur-Podcasts immer größerer Beliebtheit, schreibt Andreas Platthaus in der FAZ und freut sich umso mehr, dass Insa Wilkes neues Format "Cafe Lit" als Video-Podcast das Beste aus den beiden Welten zu offerieren versucht: Länge und Ausdauer sowie einen visuellen Eindruck der Gesprächspartner. "Die durch den zeitlichen Rahmen (oder besser Rahmenverzicht) gebotene Möglichkeit, argumentativ auszuholen, bisweilen mehrere Minuten lang aus den diskutierten Texten vorzulesen, bisweilen auch Themen wiederaufzunehmen, die schon eine Stunde vorher zur Sprache kamen - das alles erinnert tatsächlich an Gesprächssituationen unter aneinander interessierten Menschen. Also an etwas, das man in Talkshows kaum noch sieht. Und im Alltag immer seltener erlebt." Und der Inhalt? "Diversität ist Trumpf, allerdings nicht generationell: Keiner von Wilkes Gästen ist älter als Anfang vierzig, entsprechend ist die Gesprächsdiktion: gendergerecht, woke, achtsam." Hier die erste Folge:



In der taz gibt der italienische Comiczeichner Manuele Fior Auskunft über seine Arbeitsweise. Unter anderem geht es um seine Neigung zu Science-Fiction-Themen und die Rolle der Architektur dabei: "Ich führe meist recht sanft in das spekulative Thema ein. Meist passiert eine leichte Verschiebung der Realität, sodass man auf die Wirklichkeit in veränderter Weise schaut. J. G. Ballard ist ein Meister darin. Architektur ist oft ein wesentliches Element in der SF, weil sie in sich selbst das Gewicht der Zeit trägt - wie Ruinen zum Beispiel, und manchmal kann Architektur die Ideen oder Formen der Zukunft verkörpern. Durch Architektur kann man den Fluss der Zeit wie durch eine Brille beobachten."

Weitere Artikel: Joachim Hentschel erzählt in der SZ von seinem Treffen mit dem Historiker Yuval Noah Harari, der sein Wissen in Form von Comics vermittelt. Sieglinde Geisel unterzieht für VAN Olga Tokarczuks Roman "Empusion" dem Page-99-Test. In der Kafka-Reihe der SZ widmet sich Michael Maar den humoristischen Aspekten in Kafkas Werk.

Besprochen werden unter anderem Gabriel García Márquez' Nachlassroman "Wir sehen uns im August" (NZZ), Paul Austers "Bloodbath Nation" (online nachgereicht vom TA für die SZ), Aleksandar Hemons "Die Welt und alles, was sie enthält" (Tsp), Mirriane Mahns "Issa" (online nachgereicht von der FAZ), Omri Boehms und Daniel Kehlmanns Gesprächsband "Der bestirnte Himmel über mir" über Kant (NZZ), Simone Meiers "Die Entflammten" (NZZ) und Nicole Hennebergs Biografie der Schriftstellerin Gabriele Tergit (NZZ). Der Zeit liegt heute außerdem eine Literaturbeilage zum Frühling bei, die wir in den kommenden Tagen an dieser Stelle auswerten.

Efeu - Die Kulturrundschau vom 13.03.2024 - Literatur

Völlig genervt ist Volker Weidermann in der Zeit von der Debatte um Otfried Preußler, nachdem ein Gymnasium in einer bayerischen Kleinstadt sich einstimmig dazu entschlossen hat, den Schriftsteller als Namenspatron aufzugeben, weil dieser in Nazi-Deutschland einen Jugendroman auf ideologischer Linie geschrieben hatte, darüber Zeit seines späteren Lebens in der Bundesrepublik aber stets geschwiegen hatte. Dass darum manche bereits "Das kleine Gespenst" oder "Die kleine Hexe" vor dem Giftschrank retten wollen, findet Weidermann absurd, würde sich für die Debatte aber auch "ein Bewusstsein für ein paar Dinge" wünschen: "Erstens, dass Literatur aus Widersprüchen gemacht wird, und moralische Eindeutigkeit kein Anforderungsprofil an ein literarisches Werk sein sollte. ... Zweitens: Wenn ein Mensch im Alter von 17 Jahren etwas möglicherweise Fatales geschrieben hat, in seinem späteren Leben dann aber alles dafür tut, um es zu korrigieren, ja, in seinem weiteren Schreiben geradezu einen Abwehrzauber für die nächsten Generationen erschaffen hat, damit diese eben nicht diesen fatalen Weg einschlagen - dann sollte man das diesem Menschen und seinem Wirken in der Welt zugutehalten."

Weitere Artikel: Der Philologe Jan Konst wirft für die FAZ einen Blick auf die Literatur aus den Niederlanden und Flandern, die bei der Leipziger Buchmesse besonders hervorgehoben wird. Michael Wurmitzer (Standard) und Lothar Müller (SZ) schreiben darüber, dass derzeit einige Bibliotheken und Archive ansehnliche Teile ihrer Bestände insbesondere aus dem 19. Jahrhundert für die Öffentlichkeit sperren, da bei ihnen das wegen Arsenbelastung giftige "Schweinfurter Grün" verwendet sein könnte.

Besprochen werden unter anderem Gabriel García Márquez' "Wir sehen uns im August" (FR), Lucie Bryons Comic "Die Diebin" (taz), Romane von Marie Vieux-Chauvet (Intellectures), Sandra Langereis' Biografie über Erasmus von Rotterdam (online nachgereicht von der FAZ), Aleksandar Hemons "Die Welt und alles, was sie enthält" (SZ) und Michael Köhlmeiers "Das Philosophenschiff" (FAZ). Mehr ab 14 Uhr in unserer aktuellen Bücherschau.

Efeu - Die Kulturrundschau vom 12.03.2024 - Literatur

Arno Widmann wirft für die FR einen Blick auf die Arbeit der vor 70 Jahren gegründeten Sahitya Akademi, die in Indien so ganz grob und nur sehr in etwa das ist, was in Deutschland die Akademie für Sprache und Dichtung in Darmstadt ist: Doch "es gibt immer ein Aber. Aber dieses ist besonders groß", denn die Sahitya Akademi "kümmert sich um die Pflege und Entwicklung von 24 der mehr als 120 in Indien gesprochenen Sprachen. ...  Allein schon die jährlichen Literaturpreise für 24 Sprachen! Das sprengt bei weitem unsere Vorstellungskraft."

Weiteres: Fridtjof Küchemann (FAZ) entnimmt einer Studie, was Kindern beim Lesen wirklich Freude bereitet. Besprochen werden unter anderem Olga Tokarczuks "Empusion" (Tell), Didier Eribons "Die Arbeiterin" (NZZ), Ilona Jergers "Lorenz" (taz), Rainer Wittkamps "Mit aller Macht" (Tsp), Ilona Hartmanns "Klarkommen" (Standard), Danya Kukafkas Krimi "Notizen zu einer Hinrichtung" (online nachgereicht von der FAZ) und Dana Grigorceas "Das Gewicht eines Vogels beim Fliegen" (FAZ). Mehr ab 14 Uhr in unserer aktuellen Bücherschau.
Stichwörter: Indische Literatur, Indien

Efeu - Die Kulturrundschau vom 11.03.2024 - Literatur

Buch in der Debatte

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Max Florian Kühlem berichtet in der SZ von Didier Eribons Aufritt bei der Lit.Cologne, wo dieser sein neues Buch "Die Arbeiterin" über die letzten Wochen seiner Mutter in einem Pflegeheim vorstellte. "Das deprimierende Thema spricht Eribon in aller Klarheit, persönlicher Betroffenheit und analytischer Schärfe an. Den Alten und Pflegebedürftigen sei es unmöglich, sich zu einer kollektiven Bewegung zusammenzuschließen, die für ihre eigenen Rechte eintreten könnte. ... Der Aktionsradius alter Menschen in der Welt ist maximal beschränkt. Deshalb sagt Eribon: 'Wir kennen das Leid dieses vulnerabelsten, unterdrücktesten und entrechteten Teils der Bevölkerung nur aus der Außenperspektive. ... Der Protestruf meiner Mutter war auch ein politischer Protestruf.' Ihre Proteste gingen auf der Mailbox des Telefons ihres Sohnes ein." Da klagte die Mutter, dass man ihr kaum noch helfe, aus dem Bett aufzustehen, sie nicht duschen lasse, ihre Windeln nicht wechsele."

Außerdem: Die Comiczeichnerin Elizabeth Pich füllt den Fragenbogen des Tagesspiegels aus. In den "Actionszenen der Weltliteratur" erinnert Elmar Krekeler daran, wie Graham Greene einmal gleich mit mehreren anonymen Einreichungen an einem Literaturwettbewerb teilnahm, bei dem es darum ging, Graham Greene zu simulieren.

Besprochen werden unter anderem Wladimir Sorokins "Doktor Garin" (online nachgereicht von der FAZ), Roberto Savianos "Falcone" (NZZ), Bora Chungs "Der Fluch des Hasen" (Jungle World), Georgi Demidows "Fone Kwas oder Der Idiot" (Standard) und Gabriel García Márquez' "Wir sehen uns im August" (SZ).

Und der Standard veröffentlicht das Gedicht "Schmetterlingseffekt" von Clemens J. Setz, dem zweiten Poeta Lauretus des Literaricums Lech:

"Dieser eine verheerende
Wirbelsturm letzte Woche
am anderen Ende der Welt:
Das war ich ..."

Efeu - Die Kulturrundschau vom 09.03.2024 - Literatur

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Kafka als Familienmensch - so lässt sich der Autor aktuell in einer vom Kafka-Experten Hans-Gerd Koch kuratierten Ausstellung in Berlin samt begleitendem Bildband erleben, schreibt Dirk Knipphals in der taz. "Tatsächlich tritt einem hier ein fröhlich miteinander kommunizierender Kosmos einer assimilierten jüdischen Familie entgegen, und Franz Kafka befindet sich mittendrin. ... In seiner großen Kafka-Biografie hat Reiner Stach von einer 'autoritär organisierten Familie' geschrieben. Das muss zur emotionalen Lebendigkeit, die einem jetzt bei Hans-Gerd Koch entgegenkommt, nicht unbedingt im Gegensatz stehen. Die emanzipativen Spielräume für Kafkas Schwestern waren eng, und der oberste Hemdknopf bei den Herren blieb - bis auf die Aufnahmen, die am Strand entstanden - durchgehend geschlossen. Aber innerhalb dieser Familienorganisation gab es offensichtlich Lücken, freie Momente, Hohlräume für Austausch und tatsächliches Interesse aneinander. Von Unterdrückung, gegenseitiger Verachtung und kleinfamiliären Machtverhältnissen à la 'Das weiße Band' von Michael Haneke sind diese Aufnahmen meilenweit entfernt."

In "Bilder und Zeiten" der FAZ blickt der ukrainische Schriftsteller Andrij Ljubka auf zwei Jahre Krieg in seiner Heimat zurück: "Das ist die erschreckendste Veränderung, denn wir haben uns an etwas absolut Abnormales und Schreckliches angepasst. Wir haben gelernt, zu leben, ohne den Krieg zu beachten. ... Der Tod hat die Züge einer antiken griechischen Tragödie angenommen, in der er nun von Schicksal und Fügung bestimmt wird, du hast fast keinen Einfluss auf ihn. Es kann passieren, dass heute eine Rakete in dein Haus einschlägt, das Café trifft, in dem du gerade deinen Cappuccino bestellst, oder den Bahnhof zerstört, an dem du deine Freunde treffen wolltest. Es ist praktisch unmöglich, sich davor zu schützen, also müssen wir es als tägliche Wahrscheinlichkeit akzeptieren. 'Dein Wille geschehe', wie wir Atheisten sagen."

Weitere Artikel: Der Schriftsteller John Burnside erzählt in der NZZ von seinem Besuch am Grab von James Joyce. Außerdem berichtet Roman Bucheli in der NZZ von seiner Begegnung mit Burnside, der ihm von seinem Beinahe-Tod durch einen Herzstillstand erzählt. Für das "Literarische Leben" der FAZ war Andreas Platthaus bei dem Schriftsteller Gerhard Henschel in Bad Bevensen zu Gast, der von dort aus (und auf Grundlage eines riesigen Kellerarchivs) die eigene Lebens- und Familiengeschichte in einem mittlerweile zehn Romane umfassenden Zyklus verewigt. Stella Schuhmacher hat für den Standard die Schriftstellerin Lore Segal in New York besucht. Paul Jandl berichtet in der NZZ von Ferdinand von Schirachs Auftritten mit seinem Buch "Regen". Klaus Hillenbrand unterhält sich für die taz mit dem Edel-Antiquar Heribert Tenschert. Für die WamS schlendert Richard Kämmerlings mit dem bosnisch-amerikanischen Autor Aleksandar Hemon durch Berlin. Christian Thomas erinnert in der FR an den ukrainischen, im Gulag gestorbenen Schriftsteller Wassyl Stus. Axel Weidemann (FAZ) und Martina Knoben (SZ) schreiben Nachrufe auf den Mangazeichner Akira Toriyama.

Besprochen werden unter anderem Nicole Hennebergs Biografie über die Schriftstellerin Gabriele Tergit (online nachgereicht von der WamS), Barbi Markovićs "Minihorror" (taz), Teju Coles "Tremor" (vom TA online nachgereicht für die SZ), Barbara Köhlers Band "SCHRIFTSTELLEN" mit ausgewählten Gedichten (FR), Charles Linsmayers "19/21 Synchron Global" (FR), Kurt Drawerts Lang-Gedicht "Alles neigt sich zum Unverständlichen hin" (FAZ) und Didier Eribons "Eine Arbeiterin" (SZ). Mehr ab 14 Uhr in unserer aktuellen Bücherschau.

Efeu - Die Kulturrundschau vom 08.03.2024 - Literatur

Der Schriftsteller Etgar Keret erzählt in der SZ von einem Lieder- und Geschichtenabend gemeinsam mit dem "Sänger mit den traurigsten Liedern der Welt" in einer israelischen Bibliothek, dessen Veranstalterin sehr darum gebeten hat, den Abend nicht zu traurig werden zu lassen, und die dies während der Veranstaltung immer wieder anmahnt. Schließlich "lässt der Sänger mit den traurigsten Liedern der Welt seine Gitarre erklingen und singt uns ein Lied über einen einsamen Mann, der im Bus sitzt und Joghurt mit Fruchtgeschmack isst. Der Joghurt in dem Lied enthält keine Früchte, nur deren Geschmack. Aber immerhin enthält er Joghurt. Auch das ist eine Art von Trost. ... Auf dem Heimweg höre ich in den Nachrichten, dass an diesem Abend zwei weitere israelische Soldaten in Gaza getötet wurden und Dutzende palästinensischer Zivilisten beim jüngsten IDF-Bombardement ums Leben gekommen sind. Und ich sehne mich zurück nach den Tagen, in denen dieser Radiosender Joghurt-Werbung anstelle von Todesmeldungen spielte und in denen man auf der Bühne die traurigsten Lieder der Welt singen durfte."

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Sandra Kegel plaudert in der FAZ mit Christiane Rösinger und Stefanie Sargnagel über deren gemeinsamen Aufenthalt in Iowa, über den Sargnagel auch ein Buch geschrieben hat. Unter anderem geht es in dem Gespräch auch um Generationenkonflikte im Feminismus, aber auch um Humor, den Wiener Humor, den Berliner Humor und den spezifisch weiblichen Humor. Sargnagel etwa findet "es immer lustig, Normen infrage zu stellen", denn "Tabus haben immer humoristisches Potential. ... Pädagogischer Humor ist einfach nicht witzig. Ich will mich auch weiterhin aus dem Fenster lehnen und geschmacklos sein. Gerade in politischen Szenen ist Humor schwierig. Weil die Leute glauben, sie müssten einen Witz lesen wie ein politisches Manifest. Dabei ist es eine Kunstform, die mit Ambivalenzen arbeitet und mit Widersprüchen und die Dinge, die man sagt, nicht unbedingt die Aussagen sind, die man tut, sondern auch Parodie sein können. ... Wenn man mir erklären kann, was verletzend ist, bin ich kritikfähig. Aber einfach nur zu sagen, ich bin verletzt, reicht mir nicht. Man kann ja immer sagen, das verletzt mich."

Weiteres: Für die WamS porträtiert Marc Reichwein den Verleger Albert Eibl, der auf entlegene und in Vergessenheit geratene Bücher spezialisiert ist. Die NZZ-Redaktion listet die zehn Bücher von Frauen, die sie geprägt haben. Besprochen werden unter anderem Marcia Nardis "Gesammelte Gedichte" (Tsp), Christina Röckls Kinderbuch "Bus" (FR) und Michael Lentz' "Heimwärts" (SZ).