Efeu - Die Kulturrundschau - Archiv

Musik

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Efeu - Die Kulturrundschau vom 18.03.2024 - Musik

Bei der Berliner Maerzmusik wird heute Jessica Ekomanes computerbasierte Kirchenglockenkomposition "Bonds" uraufgeführt. Maxi Broecking hat sich für die taz mit Ekomane getroffen. "'Das gesamte Projekt untersucht Verbindungen im öffentlichen und damit mit der Gemeinschaft geteilten Raum. Gemeinschaft kann Stärke und Schutz bieten, aber auch Beschränkungen auferlegen.' In der Vergangenheit seien Glocken genutzt worden, um mit der Gemeinschaft zu kommunizieren, den Tag zu strukturieren, aber auch als Ausdruck der politischen Macht der Kirche. Die Stücke ... beziehen durch den Klang die Nachbarschaft und die Vorbeigehenden ein. In ihrer Idealvorstellung mische sich Kunst mit dem täglichen Leben. 'Ich experimentiere viel mit musikalischen Stimmungen, oft auch aus Westafrika. Dies ist für mich eine Art von Freiheit, die ich auch mit spezifischer Computermusiktechnik verbinde. Das ist das Herzstück meiner Arbeit im Allgemeinen, ich arbeite viel mit musikalischen Vokabeln. Auch liebe ich Grauzonen und Dinge zu definieren, die sich zwischen verschiedenen Kontexten bewegen. In Museen, Konzerträumen, Clubs oder, wie jetzt, in Glockentürmen.'"

Um deutliche Kommentare ist der Komponist und Pianist Moritz Eggert selten verlegen. "Viel zu lange habe sich die klassische Kunst 'in einer Nostalgie-Blase eingekuschelt'". sagt er gegenüber Dorothea Walchshäusl in der NZZ. "Dabei sei er absolut dafür, alte und ältere Musik aufzuführen. 'Aber wir brauchen gleichberechtigt auch die heutige Musik, denn nur diese kann einordnen, was heute passiert. Sie kann Visionen für die Zukunft entwickeln, Vergangenheitsbewältigung sein und Kommentar zur Gegenwart.'"

Außerdem: Für die Presse spricht Wilhelm Sinkovicz hier mit Simon Rattle über sein Ankommen in Bayern ("ein völlig anderes Deutschland") und dort mit ihm über Gustav Mahler. Dagmar Leischow spricht für die taz mit Don Was, der seit 2011 Labelchef von Blue Note Records ist. Karl Fluch plaudert für den Standard mit der Popsängerin Christina Stürmer. In der SZ gratuliert Peter Richter Dieter "Maschine" Birr von den Puhdys zum 80. Geburtstag. Philipp Krohn gratuliert auf FAZ.net John Sebastian zum 80. Geburtstag.

Besprochen werden die Auftaktveranstaltung von André Hellers "Reflektor"-Festival in der Hamburger Elbphilharmonie mit Peter Sloterdijk, der über Franz Schuberts "Winterreise" philosophierte ("Es war mehr ein unterhaltsames Verirren in hochkulturelle Anekdotenschnipsel und lustige Formulierungen", hält Till Briegleb ind er SZ fest), ein Konzert des RIAS Kammerchors und der Kammerakademie Potsdam in der Berliner Philharmonie (VAN), ein Auftritt der Postpunk-Band The Idles in Berlin (Tsp), ein Konzert des ukrainisch-deutschen Orchesters Memento Odesa (Tsp) und die Wiederveröffentlichung von Martin Carthys Debütalbum von 1965 (NZZ).

Efeu - Die Kulturrundschau vom 16.03.2024 - Musik

Der Berliner Techno ist Teil des immateriellen Kulturerbes. "Wenn also irgendwo 'Nzz, nzz, nzz' aus Lautsprechern oder Kopfhörern böllert, gilt es nun, nicht mehr gleich ein Schnoferl zu ziehen, es ist ab sofort amtlicherweise Kulturverständnis gefordert", flachst Karl Fluch im Standard, der diese Entscheidung aber dennoch "völlig gerechtfertigt" findet: Techno ist eine, wie es so schön heißt, gelebte Kulturtechnik" und "im Vergleich zu den nun ebenfalls als Kulturerbe ausgerufenen Errungenschaften wie 'Bergsteigen in Sachsen', der 'Finsterwalder Sangestradition in Brandenburg', dem 'Kirchseeoner Perchtenlauf' in Bayern, der 'Schwälmer Weißstickerei' aus Hessen oder der 'Weinbereitung aus Äpfeln, Birnen oder Quitten' im moselfränkischen Raum ist Berliner Techno schon um einiges geiler."

Diese Entscheidung dient vor allem den Geschäften von Loveparade-Mitbegründer und -Betreiber Dr. Motte, auf dessen Lobbyarbeit sie auch zurückgeht, stöhnt hingegen Julian Weber in der taz. Doch "schlimmer ist die gesellschaftspolitische Botschaft der Unesco-Entscheidung. Ohne die afroamerikanische Techno- und Housekultur in den Metropolen Chicago und Detroit, die den elektronischen Dancefloor-Sound begründet hatte, ohne die queere Clubszene im New York der 1970er und 1980er, die Ausgehkultur in der Discoepoche eingeleitet hatte, wäre all das undenkbar, was als 'Techno in Berlin' läuft. Leider hat der Vatikan ja nicht zeitgleich Disco-DJ Larry Levan heiliggesprochen, Detroit und Chicago wurde auch nicht das 'Weltkulturerbe House und Techno' zuerkannt: So bleibt 'Techno in Berlin' ein provinzieller Rollback in die 1990er."

Weitere Artikel: Marin Bail spricht für VAN mit dem Dirigenten und Cembalisten Trevor Pinnock unter anderem über die Geschichte und die Folgen der historischen Aufführungspraxis. Für die Berliner Zeitung führt Michael Maier ein großes Gespräch mit dem Pianisten Lang Lang. Christian Schachinger erklärt im Standard, wie alte Songs via TikTok wieder in die Charts kommen: "Den Alten kann es recht sein. Sie müssen sich nicht mit Neuem beschäftigen und können sich ganz auf den geistigen Verfall in der Nostalgie konzentrieren." In der FAZ gratuliert Jan Brachmann dem Dirigenten Roger Norrington zum 90. Geburtstag.

Besprochen werden das neue Album des Jazzbassisten Henning Sieverts (Tsp), Justin Timberlakes neues Album "Everything I Thought I Was" (Welt), das Comeback-Album von The Gossip (WamS) und Brennan Wedls EP "Kudzu" (taz).

Stichwörter: Techno, Clubkultur, Berlin, Kulturerbe

Efeu - Die Kulturrundschau vom 15.03.2024 - Musik

Ziemlich enttäuscht ist tazler Dirk Schneider davon, "wie dünn die Gedanken sind", die US-Noiserockerin Kim Gordon beim Webcam-Gespräch anlässlich ihres neuen Solo-Albums "zu ihrer Kunst entwickelt. Dieser Kunst, die ästhetisch so ansprechend ist. Vielleicht etwas zu ansprechend. Es erhärtet sich der Verdacht, dass es sich bei Kim Gordons neuem Soloalbum um wasserdichte, längst etablierte Ästhetik handelt, die zwar Spaß macht, aber eines nicht hat: Sprengkraft. Kim Gordon ist selbst zur Marke geworden."



Außerdem: Tresor-Gründer Dimitri Hegemann freut sich im Gespräch mit der Berliner Zeitung, dass die Berliner Technokultur nun Teil des immateriellen Kulturerbes ist. In der Schweiz hegt und pflegt man die eigene Technokultur schon seit 2017, informiert Philipp Gollmer in der NZZ. Deutlich weniger unter Schutz stehen die der Reihe nach schließenden Musikinstrumente-Fachgeschäfte, um die Tobi Müller auf Zeit Online trauert. Das Rap-Trio Kneecap verklagt die britische Staatssekretärin Kemi Badenoch, weil diese zugesagte Exportfördermittel zurückhält, berichtet Ralf Sotschek in der taz. Im großen SZ-Magazin-Gespräch befragen Thomas Bärnthaler und Jo Metson Scott Nick Cave ausführlich zu dessen im Zuge der Pandemie neu entfachten Liebe zur Keramikkunst. In der FAZ gratuliert Wolfgang Sandner dem Freejazzer Joachim Kühn zum 80. Geburtstag.

Besprochen werden Jan Hecks Kino-Doku "Otze und die DDR von unten" über die DDR-Kultpunkband Schleimkeim (ND) sowie neue Alben von Justin Timberlake (Presse, SZ) und dem Nino aus Wien (Zeit Online).

In der Frankfurter Pop-Anthologie schreibt Stephan Sura über Paco de Lucías wirklich wunderbare Flamenco-Künste:

Stichwörter: Gordon, Kim, Kulturerbe

Efeu - Die Kulturrundschau vom 14.03.2024 - Musik

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Großtreffen der Poptheoretiker in der Zeit: Jens Balzer interviewt Diedrich Diederichsen. Anlass: Letzterer hat seine gesammelten Texte aus dem 21. Jahrhundert als 1100 Seiten starken Wälzer veröffentlicht. Der Titel: "Das 21. Jahrhundert". Das lässt Fragen aufkommen, wie sich die Popmusik des 20. Jahrhunderts, in der sich Diederichsen einen Namen als Popkritiker machte, von der des 21. unterscheidet. Vielleicht ja im Begriff der Utopie: "Die Utopien der Popmusik wollten selten tragfähige Modelle sein. Meistens ging es erst mal nur um das Abhauen, um das Flüchten, also darum, sich einem unmittelbaren Zwang zu entziehen. Das ist, wenn nicht zeitlos, so doch heute immer noch ein wichtiger Motor von Popmusik", meint Diederichsen. "Anders als früher gibt es aber keine Perspektive für eine positive Entwicklung. Sondern es geht nur noch um die Frage: Soll man die Apokalypse abzuwehren versuchen, oder soll man es lassen? Es ist auffällig, dass die Bewegungen, die sich noch an der Verhinderung der Apokalypse versuchen, der Klimaaktivismus zum Beispiel, keine Hymnen besitzen, keinen Soundtrack. Der Widerstand gegen den Untergang läuft, anders als zu Zeiten von Joy Division und Einstürzende Neubauten, weitgehend ohne Popmusik."

Weiteres: Im Standard gratuliert Christian Schachinger H. P. Baxxter von Scooter zum 60. Geburtstag. Besprochen werden Jan Hecks Kino-Dokumentarfilm "Otze und die DDR von unten" über die DDR-Punkband Schleimkeim (FD) sowie Konzerte von Lucinda Williams (Presse, Standard) und The 1975 (Tsp).

Efeu - Die Kulturrundschau vom 13.03.2024 - Musik

"Afropop - das ist das nächste große Ding", ruft Sarah Obertreis in der FAZ: "Im Jahr 2022 wuchs kein Musikmarkt so schnell wie der in Subsahara-Afrika. Im September erreichte der erste afrikanische Musiker eine Milliarde Streams auf Spotify. Remas Song 'Calm Down' hatte es auch auf mehr als eine Million Playlists geschafft. ... In diesem Februar wurde das erste Mal ein Grammy für 'Best African Music Performance' vergeben. Die neue Kategorie sei nötig geworden, weil sich die Musiklandschaft verändert habe, erklärte die Jury. Es gewann Tyla aus Südafrika. Ihren Song 'Water' summt in Windhoek ständig irgendwer.  ... Tyla steht für das, was Afropop in aller Welt so anschlussfähig macht: Sie singt, als käme sie aus dem R&B, über Rhythmen hinweg, die in afrikanischen Klubs gespielt werden. ... Was Afropop so interessant macht für die westliche Welt? Das sind wohl die Hintergründe, von denen Lioness spricht. Die afrikanische Moderne ist wilder, lebendiger und intensiver als all das, was man im globalen Norden kennt."



Weitere Artikel: Harry Nutt schreibt in der FR einen Nachruf auf Karl Wallinger. Andrian Kreye schreibt in der SZ (online gestellt vom Tagesanzeiger) zum Tod von Eric Carmen. Besprochen werden ein Konzert des Ensemble Modern in Frankfurt (FR) und das neue Album von Norah Jones (Standard).
Stichwörter: Afropop, Afrikanische Musik

Efeu - Die Kulturrundschau vom 12.03.2024 - Musik

Besprochen werden ein Berliner Konzert des Deutschen Symphonie-Orchesters unter Aivis Greters (Van), das Auftaktkonzert der Berliner Maerzmusik (taz), ein Auftritt von Pharcyde (SZ) und Andreas Doraus Album "Im Gebüsch" (FR).

Stichwörter: Maerzmusik

Efeu - Die Kulturrundschau vom 11.03.2024 - Musik

Zumindest das erste Stück auf Igor Levits unter den Eindrücken des 7. Oktobers entstandene Aufnahme von Mendelssohns "Lieder ohne Worte" kann den FAZ-Kritiker Jan Brachmann nicht überzeugen: "Wäre der Klavierklang als solcher nicht so sensibel abschattiert, würde man keinen lebendigen Menschen mehr dahinter vermuten." Schon besser findet er "die drei Gondellieder mit ihrem sanft vernebelten Klang und der bleiernen Melancholie" sowie das Bonusstück "Chanson de la folle au bord de la mer" von Charles-Valentin Alkan: "Hier gibt Levit der Apathie eine gespenstische Ausdrucksqualität, wohingegen Mendelssohns übrige Lieder ohne Worte bei ihm keinerlei Spuren des Impulsiven, Spontanen oder der Hingabe an den lyrischen Moment zeigen. In seinem Geleitwort zur CD schreibt Levit, er habe die Wochen nach dem Anschlag 'in einer Mischung von Sprachlosigkeit und totaler Paralyse verbracht'. Aber Mendelssohns Kunst ist doch auf gar keinen Fall Kundgebung einer apathischen Seele?!"

Jack Antonoff hatte bei "fast der gesamten Neoklassik des mehrheitsfähigen Pop" der letzten Jahre seine Finger im Spiel, beziehungsweise auf den Reglern, schreibt Joachim Hentschel in seinem SZ-Porträt des Produzenten. "Der naheliegende Defätismus, Antonoff habe halt ein narrensicheres Rezept gemixt, ungefähr wie Phil Spector oder in den traurigen Mittachtzigern Dieter Bohlen, ist freilich Blödsinn. Seine Produktionen decken eine immense Farbskala ab, vom straff flippernden Jahrmarktspop bis zur jenseitigen Versenkung mit Klavier und unter Wasser brennenden Kerzen. Was Antonoff zu dem Charakter macht, an dem man in bewohnten Sphären derzeit nicht vorbeikommt, sind weniger die Ergebnisse. Es ist der Prozess. 'Für mich ist eine Aufnahme dann perfekt, wenn der Song sich wie ein Traum anfühlt', sagt Antonoff an einer Stelle, und so redet er eigentlich die ganze Zeit. 'Den Klang einer Band eins zu eins abzubilden wird ja oft als clevere Back-to-the-roots-Haltung verkauft, aber ich finde es sterbenslangweilig."

Besprochen werden ein Konzert in Wien des Swedish Radio Symphony Orchestras mit dem Sänger Christian Gerhaher (Standard), Ariana Grandes Album "Eternal Sunshine" (dessen "inflationär behauptete "'Selbstermächtigung'" laut Standard-Kritiker Karl Fluch "von einer Musik begleitet wird, deren Charakter sich in der Erfüllung der Form erschöpft, die angepasster und austauschbarer nicht sein könnte"), Asmik Grigorians Aufnahme von Strauss' "Vier letzten Liedern" (FAZ) und Norah Jones' Album "Visions", der es darauf laut FAZ-Kritiker Peter Kemper gelingt, "Alltagsphrasen in bedeutsame Kunst-Codes zu transformieren". Wir hören rein:

Efeu - Die Kulturrundschau vom 09.03.2024 - Musik

Detlef Diederichsen mag in seiner taz-Kolumne nicht in den Chor der Apokalypse einstimmen, der sich zum angekündigten Ende des Onlinemagazins Pitchforks erhoben hat: Ärgerlich ist es allemal, dass diese Pop-Institution eingestellt wird, "das Ende des Musikjournalismus ist das aber nicht. Dazu hat dieser weise alte Mann zu oft selbiges Ende überlebt und kopfschüttelnd im Gewerk weitergewerkt. ... Lebbe geht weider." Denn "die interessanteren Auseinandersetzungen zu den Topics, denen sich Pitchfork widmete, finden sich als User-Generated Content in Threads auf Social Media, in Podcasts, Newslettern, wo sie sicher sind vor der permanenten Bedrohung durch Anzeigenkunden, Sponsoren oder verängstigte Gatekeeper. Was allerdings heißt: Geld ist damit nicht zu verdienen. Da geht es den Schreiberlingen allerdings nicht anders als den Musiker*innen oder Labelbetreiber*innen." Einige US-Autoren würden aber wohl widersprechen, dass sich mit Newslettern per se kein Geld verdienen lässt.

Außerdem: Sharon Su wirft für VAN einen kritischen Blick auf die mitunter schlecht edierten Notenausgaben der Musik von Florence Price. Karin Jirsak porträtiert für die taz Ulli Koch, die Putzkraft im Pudel Club auf St. Pauli.

Besprochen werden Hani Mojtahedys und Andi Thomas Album "HJirok" (taz), das Album "We'll Rise" des Anke Helfrich Trios (FR), ein Konzert des Arditti-Quartetts (Tsp), Ariana Grandes Album "Eternal Sunshine" (SZ) und das neue Album der Punkband Pissed Jeans, die Standard-Kritiker Karl Fluch mit ihrem "herrlich hinterwäldlerisch isolierten" Sound zuweilen an "Black Flag im Nahkampfmodus" erinnert. Wir hören vorsichtig rein:

Stichwörter: Musikjournalismus, Pitchfork

Efeu - Die Kulturrundschau vom 08.03.2024 - Musik

Arno Lücker sieht für VAN den aktuellen Forschungsstand zu Bedřich Smetana durch. Jean-Martin Büttner freut sich im Tagesanzeiger über den Erfolg der aus der Schweiz stammenden Musikerin Raye bei den Brit Awards. Teresa Rübel porträtiert im Tagesspiegel das Kreuzberger DJ Duo Balagan Sisters. In der FAZ gratuliert Max Nyffeler dem Komponisten Christian Wolff zum 90. Geburtstag.

Besprochen werden ein Bruckner-Abend mit Christian Thielemann und den Berliner Philharmonikern (VAN), die Gastauftritte der Organistin Iveta Apkalna mit Paavo Järvi in der Tonhalle Zürich (NZZ) und ein Konzert von Fever Ray (Tsp).

Efeu - Die Kulturrundschau vom 07.03.2024 - Musik

Nicholas Potter wirft für den Tagesspiegel einen Blick auf die seit kurzem kursierende, antiisraelische Kampagne "DJs against Apartheid", die in ihren Aufrufen das Hamas-Massaker vom 7. Oktober von Grund auf obszön relativiert: Die Pogrome seien Widerstand und eine "direkte und natürliche Reaktion", heißt es da. Nicht nur international, sondern auch in der Berliner Szene - und insbesondere in der queeren Club-Szene, welche von der Hamas ohne mit der Wimper zu zucken als nächstes massakriert würde - gilt es als schick, den Aufruf zu unterzeichnen. "Der Antisemitismusforscher Jakob Baier findet die Radikalität der Kampagne erschreckend, er sei aber nicht überrascht. 'Statt einer Solidarisierung mit den zivilen Opfern der Hamas und - allen voran - mit den ermordeten Besuchern des Musikfestivals schreiben die Initiatoren, dass es sich bei den Angriffen der Hamas um einen scheinbar legitimen 'bewaffneten Widerstand' auf israelische Politik handeln würde. ... Dies ist Ausdruck eines sich zunehmend radikalisierenden antizionistischen Aktivismus, der den islamistischen Terrorismus - mitsamt seinen genozidalen Absichten gegenüber Jüdinnen und Juden - relativiert.'"

Eine mit viel Aufsehen vorgestellte neue Studie legt nahe, dass die Musikindustrie, die dank Streaming zumindest nominal wieder so viel Geld verdient wie in den Neunzigern, auch die Künstler an diesem Geldsegen im großen Stil teilhaben lässt. Auftraggeberin der Studie ist allerdings die Industrie selbst. Simon Schwarz vom Tagesspiegel äußerst eine gewisse Skepsis: "Dass die bei Plattenfirmen unter Vertrag stehenden Künstler, wie vom BVMI kommuniziert, nominal und auch anteilig an der Umsatzentwicklung profitieren, mag in der Summe stimmen, allerdings fehlen in der Studie mehrere Kenngrößen, die ein differenzierteres Bild ergeben hätten: Unter anderem rechneten die Studienautoren lediglich mit den Industrieeinnahmen und nicht mit Gewinnen. Zudem sind bei den Zahlungen Durchschnittswerte angegeben und nicht der Median. Aus der Studie lässt sich insofern nicht ableiten, ob sich die insgesamt gestiegenen Anteile gleichmäßig auf die Künstlern verteilen - oder ob wenige überproportional haben zulegen können. Letzteres liegt nahe, weil das Streaming-Geschäft bekannte Musiker bevorteilt."