Mit Joseph Haydns "Die Schöpfung" gab Simon Rattle sein Auftaktkonzert als neuer Chef des BR-Symphonieorchesters. SZ-Kritiker Reinhard J. Brembeck hat der Abend überzeugt: Den oft als spröde geltenden "Haydn zu animieren, zu beseelen, zu beleben scheint unheimlich schwer. Rattle hat damit keine Mühe. Schon das langsam sich bis zur Form- undLichtwerdung hinschleppende Intro mit seinen Klanganschärfungen, Ausbrüchen, Akzenthämmereien und Fragezeichen ist bei Rattle verständlich fesselnde Programmmusik." Doch "Rattle ist nicht nur der Chef der BR-Sinfoniker, sondern auch des fulminanten BR-Chores, der sich an diesem außergewöhnlichen Abend wunderbar einfügt in den Klang. Endlose schnelle Tonfolgen klingen genauso souverän lässig wie dunkle Abgrundklänge, hell gejuchztes Halleluja, fulminantes Schöpferlob. ... Sie beweisen sich denn in Klangkultur, Kollegialität und Understatement als gleichauf mit ihren Sinfoniker-Kolleginnen. Über allen schwebt der Sopran von LucyCrowe, immer aufmerksam auf die Mitmusiker eingehend, sich trotz aller Virtuosität und Klangschönheit stets nur als ein Rädchen in einer großen Musikmaschine verstehend." Dieses Video gestattet einen Einblick von den Proben:
Weitere Artikel: Detlef Diederichsen erinnert in der taz an den Beatnik TuliKupferberg, der vor hundert Jahren auf die Welt kam. In der FAZ gratuliert Paul Ingendaay JulioIglesias zum 80. Geburtstag.
Besprochen werden Kylie Minogues neues Album "Tension" (Standard, mehr dazu bereits hier), ein Auftritt der Londoner R&B-Künstlerin Tirzah in Berlin (taz), ein Konzert des hr-Sinfonieorchesters (FR) und OliviaRodrigos "Guts" (SZ).
KylieMinogue ist die Kaiserin des turnusmäßigen Comebacks, auch wenn der Turnus verlässlich einige Jahre umfasst, schreibt Jakob Biazza in der SZ mit der ganzen Herablassung, die männliche Musikkritiker so gern gegenüber weiblichen Popstars pflegen. Aus den langen Phasen, in denen sie deutlich unter dem Radar fliegt, meldet sich Minogue aber eben doch immer wieder mit einem Coup zurück. Aktuell ist es der Song "Padam Padam", mit dem der 55-jährigen Popsängerin nun ausgerechnet auf der Teenie-Plattform TikTok die Herzen und also der Chartserfolg zuflogen. Ansonsten enthält das dazu gehörige Album "Tension" für Biazza "eher unterschiedlich egale Versionen von BegattungslyrikzutanzbaremGeglitzer." Zu erleben ist "teure Mimikry von echter Musik. Bäckchenwärme, wo Lenden gemeint sind."
2017 sang der russische Rapper Face noch gegen den Westen (was wohl aber eher parodistisch gemeint war), doch seit er den Angriff auf die Ukraine kritisierte und von Russland als "ausländischerAgent" eingestuft wurde, ist er aus der Öffentlichkeit geflohen, berichtet Johann Voigt in der taz. Bis jetzt, denn nun, auf seinem neuen Album, "rappt Face, dass er zurück nach Russland kommen und MolotowcocktailsaufdenKreml werfen will. ... Er gibt sich wütend auf den Staat, auf die Scheinheiligkeit der Mitläufer, auf die Kriegsunterstützer und die Schweigenden. 'Das Problem ist, dass der Staat nicht nur nervt, sondern auch beißt', rappt er an einer Stelle und umschreibt damit die Angst, die viele russische Künstler*innen davon abhält, sich kritisch zu äußern. Face beißt mit seiner Musik immerhin zurück."
Außerdem: Johann Voigt berichtet in der taz von einem Verfahren wegen Verdachtsberichterstattung gegen den Rapper Cr7z. Besprochen werden ein Auftritt von ElvisCostello und SteveNieve in Hamburg (taz), das überraschend veröffentlichte Album "Laugh Track" von The National (SZ-Kritiker Jakob Biazza erlebt dabei "eine Art Re-IntensivierungderEmotionen") und Gaikas Album "Drift" (tazler Christian Werthschulte findet sich wieder auf einem "Trip, bei dem die Grenzen von Soundsystemkultur, Punk und Londoner HipHop-Underground nicht mehr existieren").
Zeigt, was im musikalischen Austausch geschieht: "Music for Black Pigeons" Jørgen Leths und Andreas Koefoeds Dokumentarfilm "Music for Black Pigeons" über den dänischen Jazzgitarristen JakobBro und dessen zahlreiche Mitstreiter sollte man sich vielleicht nicht unbedingt wegen der Testimonials ansehen, meint Gregor Dotzauer im Tagesspiegel: "Das Stockende und Verstummende der Auskünfte (...) dient vielmehr dazu, den Blick auf die materielle Ereignishaftigkeit und das Drumherum von Jakob Bros Musik zu rechtfertigen. Das Klicken seiner Effektgeräte, die im Flugzeug schnell hin- und hergereichten Notenskizzen, die Begrüßungsrituale im Studio, Motians geradezu täppische Beckenakzente, Palle MikkelborgsTrompetenventile, das Stimmen von Midori Takadas Trommelfellen vor dem Auftritt im Berliner Pierre Boulez Saal: Die Kamera beobachtet das alles mit einem Geschick, das im rhythmisierten Schnitt zu spiegeln versucht, was im musikalischen Austausch passiert." Auch Filmdienst-Kritiker Ulrich Kriest fand bestrickend, wie entwaffnend offen der Film mit den porträtierten Menschen umgeht. Der ganze Film handele "vom Fluss des Lebens ... und von bekannten Musikern, die selbst staunen müssen, wenn sie erzählen, dass sie ihr ganzes Leben lang wenig mehr und doch kaum weniger als 'nur' Musik gemacht haben."
Weitere Artikel: Tim Caspar Boehme resümiert in der taz die letzten Konzerte des MusikfestsBerlin. Ane Hebeisen wirft für den Tages-Anzeiger einen Blick auf den aktuellen Hype um den Schweizer Rapper JuleX. In der Zeit versucht Jolinde Hüchtker mit hochernster Miene zu verstehen, wie Taylor Swift zum erfolgreichsten Popstar der Gegenwart wurde und kommt zu dem Ergebnis, sie sei "eine Art Angela Merkel des Pop". Und Ulrich Stock schreibt in der Zeit einen Nachruf auf den Jazzproduzenten JostGebers.
Besprochen werden Björks Auftritt in Wien (Standard) und der Auftakt von HeleneFischers fünfteiliger Konzertserie in Zürich (NZZ).
Andreas Hartmann unterhält sich für den Tagesspiegel mit der Kunsthistorikerin Marie Arleth Skov über das am Freitag beginnende 1. Berliner Punk Symposium, das sie mitorganisiert hat. Gewisse Widersprüche gehören zum Punkleben dazu, findet sie: "Vielleicht gibt es heute mehr Achtsamkeit im Punk, ich hoffe das. Aber die Authentizität von Punk kommt gleichzeitig natürlich auch davon, dass da Leute aktiv in Bands sind, die Aggressionen haben und das auch ausdrücken wollen. Vielleicht geht es darum, diese auszuleben in einem Raum, in dem niemand verletzt wird."
Benno Schirrmeister unterhält sich für die taz mit der Altistin Julie Comparini über die Barockkomponistin Isabella Leonarda. Tolle Musik, die nach 300 Jahren neu zu entdecken ist, versichert Comarini, und erst die total unachtsamen Texte: "Um mal den Inhalt der Motetten des Konzerts zusammenzufassen: Wir leiden auf Erden und Gott liebt es, wie wir leiden. Das ist sein Wille, weshalb wir gerne leiden. Wir lieben das Leiden, und es fühlt sich gut an, wenn Jesus uns peinigt. Denn Jesus, der uns quält, ist der beste und treueste und tollste Liebhaber aller Zeiten. ... Das Ausmaß an schwelgendem Masochismus und sublimierter Sexualität ist, selbst für die immer extremistischen Verhältnisse des katholischen Barock, bemerkenswert. Dadurch gibt uns diese Dichtung einen Einblick sowohl in Leonardos eigenen Glauben als auch in die Vorstellungswelt eines Nonnenklosters ihrer Zeit."
Weiteres: Nina Rehfeld berichtet in der FAZ über herabsetzende Äußerungen des früheren Chefs des Musikmagazins Rolling Stone, Jann Wenner, der in einem Interview Frauen und schwarzen Musikern mangelndes intellektuelles Niveau bescheinigt hatte und sich jetzt dafür entschuldigte. Urs Bühler schreibt in der NZZ den Nachruf auf Roger Whittacker. Besprochen werden ein Konzert des Ensembles Stegreif beim Musikfest Berlin (Tsp) und Puccinis "La Rondine" am Opernhaus Zürich (NZZ).
Nachbau der Band-WG in Edith Grove, Chelsea, wo die Stones 1962-63 lebten.
Wer die Rolling Stones liebt, wird seinen Spaß haben an der hagiografischen Stones-Ausstellung "Unzipped" im Groninger Museum, meint Benjamin Moldenhauer in der taz. Er selbst hätte sich einen etwas genaueren Blick auf die Band gewünscht, "weil in der Geschichte der Rolling Stones, das Befreiende und das Repressive, das im Rockmythos steckt, konzentriert enthalten ist", schreibt er. Dazu gehört die "Abwertung von Weiblichkeit, die sich durch das gesamte Werk der Stones zieht und nicht nur in notorischen Songs wie 'Under my Thump' zu finden ist... Auf dem Cover des 1978 erschienenen Albums 'Some Girls' - in dessen Titelsong behauptet Jagger unter anderem, 'Black girls just wanna get fucked all night' - sind Bilder aller Bandmitglieder von Frauenperücken umrahmt, ergänzt mit kurzen Fakebiografien auf der Coverrückseite. 'Jede dieser erfundenen Frauen steht ohne Mann da', schreiben Joy Press und Simon Reynolds [in ihrem Buch "The Sex Revolts"]. 'Für die Stones offensichtlich die ultimative Schmach.' Jene Gleichzeitigkeit von Machismo, Misogynie und Befreiungsversuch wäre pophistorisch interessanter gewesen als in Vitrinen aufgebahrte Gitarren, die Keith Richards mit seinen eigenen Händen berührt hat."
Weiteres: In der tazschildert Philipp Rhensius Eindrücke vom Berliner Festival Atonal. In der Zeit schreibt Jens Balzer den Nachruf auf den Sänger Roger Whittacker. Besprochen werden Hans Werner Henzes "Das Floß der Medusa" im Flughafen Tempelhof (Welt, nmz), ein Konzert des Pianisten Víkingur Ólafsson mit Bachs Goldberg-Variationen auf Schloss Elmau (SZ) und ein Haydn-Konzert beim Musikfest Berlin (Tsp).
Szene aus Henzes "Floß der Medusa". Foto: Jaro Suffner
Am Wochenende wurde auf dem Berliner Flughafen Tempelhof von der Komischen OperHans Werner Henzes Oratorium "Das Floß der Medusa" gegeben. Tobias Kratzer setzte dafür die Szene mit einem großen Wasserbassin inmitten der Publikumsreihen. Nett, aber hätte man auch drauf verzichten können, meint Wolfgang Schreiber in der SZ. Henze hat hier eine wahre Begebenheit vertont, erinnert er: Als 1816 die Militärfregatte "Meduse" unterging, retteten sich die Offiziere in die Beiboote und überließen "154 Unterschichtsmenschen" auf einem Floß ihrem Schicksal. Henze "hat daraus ein packendes Diskursoratorium gemacht mit dunklen und todessatten Klängen, mit fulminantem Chor und nur drei Protagonisten. Für Henze ist der Fall ein Musterbeispiel für das Entstehen von Revolutionen." Die Botschaft kam an, was das Publikum "im Schlussjubel für die Sänger und Musiker beweist, die Henzes emotional aufpeitschende, aber durchaus avantgardistischen Klangfindungen nie als nur ästhetisch gelungen, sondern immer auch als humanitäre Botschaften beglaubigen. Das gilt für Dirigent Titus Engel, der das Orchester im viel zu großen Hangar trotzdem zu feinsten Differenzierungen anleitet." In der Berliner Zeitungschreibt Peter Uehling zur Aufführung, im Tagesspiegelliefert Isabel Herzfeld die Kritik.
Weitere Artikel: Sarah Johanna Theurer resümiert im Tagesspiegel das Berliner AtonalFestival.Swantje Karich unterhält sich für die Welt mit der Songwriterin Arlo Parks anlässlich ihrer Europatournee über deren Gedichte und Songs. In der Weltpostet Manuel Brug einen Verzweiflungstweet der Münchner Philharmoniker, die mit der Deutschen Bahn zu einem Konzert nach Berlin wollten und dort mit 4,5 Stunden Verspätung ankamen.
Liebe @DBBahn, wir sind sprachlos, auch 3 Tage danach: Was ist bloß los mit Dir? Für uns gibt es nichts Schöneres: Menschen mit Musik zu begeistern, egal ob in München oder auf Tournee. Nachhaltigkeit ist wichtig für uns-wir wollen Reisen so klimafreundlich wie möglich gestalten. pic.twitter.com/g2kJP1R3H5
Besprochen werden das Antrittskonzert des neuen Frankfurter Generalmusikdirektors Thomas Guggeis in der Alten Oper mit einer Uraufführung von Lucia Ronchetti und Mahlers Siebter (FR), eine Ausstellung zur DDR-Tournee von Louis Armstrong 1965, an die das Minsk in Potsdam erinnert (taz)
Albrecht Selge hat sich für VAN den zweiten Auftritt von JoanaMallwitz als neue Chefdirigentin des BerlinerKonzerthausorchesters angehört: Beim Musikfest Berlin wurde Beethoven gegeben. Der Enthusiasmus, mit dem sich Dirigentin und Klangkörper ins Zeug legen, ist ansteckend, schreibt Selge - da liegt Aufbruchstimmung in der Luft. Dieser Beethoven "ist bei aller Forciertheit oft tänzerisch elegant statt ekstatisch. Am besten funktionieren für mich die Rahmenteile des Scherzos. Großartig auch die eröffnenden markanten Bässe im zweiten Satz, aus deren Crescendo ein früher Sog entsteht. Freilich führt im ganzen Symphonieverlauf die Dichte von schnellen Höhepunkten auch zu einem gewissen dramaturgischen Defizit." Wünschenswert wäre da vielleicht eher "Atem statt Takt. Musikalisch konkreter wäre anzumerken, dass die Balance der Orchestergruppen mitunter noch durchaus heikel ist. Man wünscht der Dirigentin und ihrem Orchester Zeit und Ruhe, um nach dem Rausch des Beginns miteinander zu arbeiten, ohne den Zwang, jeden Termin zu einem Spektakel werden lassen zu müssen."
Aufs Freudigste umgeblasen fühlt sich ZeitOnline-Kritikerin Juliane Liebert beim Hören von Mitskis neuen Album: "The Land Is Inhospitable and So Are We": "Es ist, als wäre Mitski in ihren unscheinbarsten Klamotten mit ihrer abgewetzten Gitarre losgezogen, hätte sich durch den Hintereingang in ein prunkvollesTheater geschlichen, sich die Grand opéra gekrallt, sie wie einen gestrandeten Blauwal nach Hause geschleppt und so lange an ihr herumgeknetet, bis sie irgendwie ins einsame Einzimmerapartment passte. Auch eine Art von Singularität. Geduldig lässt Mitski, so könnte man es sich vorstellen, ihre zarte Songidee reifen, bis die Akkorde und Verse entwaffnend einfach werden. Um dann die Wände einzureißen und mit einem Schlag die Oper freizusetzen, vom Kleinsten ins Kosmische. Ja, so transzendiert richtig gute Popmusik die schäbige private Vergeblichkeit. Was ist das anderes als das Urknallprinzip?" Auch das Video zu "Bug Like an Angel" findet Liebert richtig, richtig gut:
Weitere Artikel: Max Nyfeller resümiert in der FAZ die SettimaneMusicali in Ascona. Christiane Peitz annonciert im Tagesspiegel die Auftritte iranischerMusikerinnen beim Musikfest Berlin. Universal wird das neue Album von TillLindemann nun doch nicht rausbringen, melden Gerrit Bartels (Tsp) und Clara Westhoff (SZ). Besprochen werden das Konzert der BerlinerPhilharmoniker unter KirillPetrenko beim Musikfest Berlin (Tsp), ein Konzert von ChristianThielemannsStaatskapelle in Frankfurt (FR) und ein Auftritt von Apache 207 in Berlin (Tsp).
In der tazannonciert Robert Mießner einen Film und ein neues Album des Künstlers und Elektronikproduzenten Carsten Nicolai: Das Album "HYbr:ID Volume 2" erscheint im Oktober, der Film "Betonschiff ohne Namen" wird heute und morgen auf dem Axis-Festival im Volkstheater Rostock gezeigt. Das neues Soloalbum von Till Lindemann wird im Eigenverlag erscheinen und nicht wie seine früheren bei Universal Music, berichtet Dirk Peitz bei Zeit online: "Hintergrund seien die damals noch laufenden Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Berlin gegen Lindemann gewesen, die Ende August dann eingestellt wurden." Berliner Zeitung (hier) und SZberichten vom nicht enden wollenden Rechtsstreit Kraftwerks gegen Moses Pelham.
Besprochen werden ein Bruckner-Konzert zum Saisonauftakt des Tonhalle-Orchesters mit Paavo Järvi am Pult (NZZ), Jaimie Branchs CD "Fly Or die Fly Or die Fly Or die ((World War))" (taz), Popalben von Irreversible Entanglements, The Chemical Brothers, Corinne Bailey Rae und Mitski (Tsp), ein Konzert der Ärzte in der Berliner Columbiahalle (Tsp), ein Konzert der Münchner Philharmoniker mit Mahlers "Auferstehungs"-Symphonie, dirigiert von Mirga Gražinyte-Tyla beim Musikfest Berlin (Tsp) sowie das Album "Anfang der Liebe", für das Reinhardt Repke Gedichte von Eva Strittmatter vertont hat (BlZ).
Techno wurde in Frankfurt geboren - mit diesem selbstbewussten Claim hat sich das Museum of Modern Electronic Music (MOMEM) in Frankfurt zur Eröffnung letztes Jahr ziemlich in die Nesseln gesetzt. "Whitewashing" war da nur einer von vielen Vorwürfen. Die aktuelle, zuvor in Berlin gezeigte Ausstellung "The Birth of Techno - From Detroit to Berlin" ist somit auch als Bußesignal zu verstehen, schreibt Klaus Walter in der taz. "Mit Fotos, Zeichnungen, Plattencovers und Videos betreibt Kurator Salehi ein Reclaiming of History und betont das Schwarze Kontinuum der Techno City Detroit: Ein Motownregal im Plattenladen, ein Album von Funkadelic, Rückgriffe auf Blues und Jazz in 'one of the largest Black communities in the United States' in instruktiven Begleittexten. Was sagt uns das heute? 'An Ford interessieren mich nur die Roboter', verkündet Juan Atkins in den Achtzigern. Mit Derrick May und Kevin Saunderson prägt der Techno-Pionier den zweiten 'Sound of the City' von Detroit. Aber: Ist mit Fordismus nicht auch das popromantische Konstrukt vom 'Sound of the City' gestorben? Wenn das Laptop gleichermaßen der Produktion wie der Reproduktion dient, dem Ernähren wie dem Begehren, ist dann nicht egal, wo diese Maschinen stehen? Kann 'Detroit'-Techno nicht auch inDetmold, Ditzingen, Dortmund entstehen?"
Außerdem: In der FAZ gratuliert Claudius Seidl dem Bossa-Nova-Meister MarcosValle zum 80. Geburtstag.
Besprochen werden ein Konzert von FredAgain in Berlin (Tsp), eine Arte-Doku über UdoLindenbergsPanikorchester (FR) und OliviaRodrigos Album "Guts" (Presse).
In der tazporträtiert Tobias Grießbach das in Leipzig unter dem Stichwort "Ukrainian Diaspora Soul" an einer Fusion aus Jazz, Soul und ukrainischer Vokalmusik arbeitende Duo Moloch & Nadiya. Mit "Ether" liegt nun das Debütalbum vor, das sich durch seinen kollaborativen Charakter auszeichnet: Die Sängerin Melanka ist zwar in Deutschland geboren, aber drei Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine, "Mariia Kryvets, Kateryna Safonova und Ira Lazer (alias Mavka) sind an 'Ether' beteiligt: 'Wir singen und sprechen nicht nur über die Ukraine, wir machen die Ukraine in der Musik hörbar', beschreibt Melanka die Idee, Exilukrainer in die Produktion aufzunehmen. ... Moloch & Nadiya nehmen Impulse der ukrainischen Folklore auf, bringen damit eine Momentaufnahme in der Musik zum Klingen, eine persönliche Geschichte und auch die Geschichte einer Gesellschaft im Kampf um ihre bloße Existenz und ihr Vermächtnis." Wir hören rein:
Weitere Artikel: Christian Schachinger gratuliert im Standard dem Schlagersänger MichaelHolm zum 80. Geburtstag. Besprochen werden der Saisonstart im Wiener Musikverein mit der SächsischenStaatskapelle unter ChristianThielemann (Standard), ein Strauss- und Berg-Konzert des BayerischenStaatsorchesters unter VladimirJurowski beim Musikfest Berlin (Tsp), ein Album mit allen Aufnahmen von FolkImplosion für Larry Clarks Film "Kids" (Standard), die ARD-Dokuserie "Exzess" über die BerlinerClubszene (taz) und neue Popveröffentlichungen, darunter "For that Beautiful Feeling" der ChemicalBrothers, die in den Neunzigern die Dancefloors mit ihrem Big Beat auf den Kopf stellten ("revolutionär ist daran heute nichts mehr", stellt Standard-Kritiker Karl Fluch allerdings fest).