Efeu - Die Kulturrundschau
Die Geometrie ist nirgendwo dogmatisch
Die besten Kritiken vom Tage. Wochentags um 9 Uhr, sonnabends um 10 Uhr.
04.08.2021. Die FAZ erliegt dem Zen Tadao Andos auch in der Zentrale eines Karlsruher Bauunternehmers. In der nachtkritik wirft Barbara Frey, neue Intendantin der Ruhrtriennale, einen feministischen Blick auf das Industriezeitalter. Die SZ schwärmt von Dominik Grafs Kästnerverfilmung "Fabian oder der Gang vor die Hunde". Zu viel Romantik, beschwert sich dagegen die FAZ. Aber die SZ hat es heute mit den großen Gefühlen: Sie applaudiert unverfroren Theodor Currentzis, der in Salzburg Mozart mit einer Raserei am Rande des Möglichen aufführt.
9punkt - Die Debattenrundschau
vom
04.08.2021
finden Sie hier
Kunst

Besprochen werden außerdem eine Ausstellung mit dem Werk des Lübecker Künstlers Albert Aereboe in der Kunsthalle Kiel (taz), die Ausstellung "KI.Robotik.Design" in der Münchner Pinakothek der Moderne (taz), die Ausstellung "bê welat" mit Werken von 13 kurdischen Künstlern in der neuen Gesellschaft für bildende Kunst in Berlin (Tsp) und eine Ausstellung des argentinischen Fotografen Marcos Zimmermann in der Michael Horbach Stiftung in Köln, die ihn mit dem Fotopreis 2021 ausgezeichnet hat (taz).
Bühne
In diesem Monat tritt Barbara Frey mit einer Inszenierung von Edgar Allan Poes "Der Untergang des Hauses Usher" ihre Intendanz der Ruhrtriennale an. Im Interview mit der nachtkritik spricht sie über feministische Wahrnehmungen von Natur und Kultur und den weiblichen Blick auf das Industriezeitalter, wie es die Hallen der Ruhrtriennale verkörpern und Poe, der für sie die "Kante zur Industrialisierungs-Epoche" sichtbar machte: "Hinzu kommt etwas, das in diesen Hallen und bei Poe eine Rolle spielt: die Zeit-Sedimente, die neben- und übereinander liegen, in denen man sich verlieren kann. Deshalb gibt es bei Poe so viele Untote, wie Berenice, die kommt in unserem Abend auch vor. Das ist eben nicht nur Grusel-Grusel, sondern fragt nach der Grenze: Wo verläuft sie, gibt es sie überhaupt oder geht es ineinander über, und wir sind permanent von Toten umgeben? Wohin mit unserer Einsamkeit? Durch die Pandemie erhält das noch ein anderes Gewicht, obgleich wir die Idee zu Poe schon davor hatten."
In Russland sollen die Theater strenger reglementiert werden, berichtet Kerstin Holm in der FAZ: "Der Gesellschaftsrat des Kulturministeriums will Anfang September mit Theatervertretern des Landes darüber diskutieren, inwieweit die Spielpläne der Häuser der Strategie der nationalen Sicherheit entsprächen, die Präsident Putin am 2. Juli in Kraft gesetzt hat. Das hat der Vorsitzende dieses Rates, Michail Lermontow, erklärt. Der Beamte Lermontow, ein Spross desselben Adelsgeschlechts wie der gleichnamige klassische Dichter, sagte, es sei zu klären, ob die Aktivitäten der staatlich bezahlten Kulturträger mit der staatlichen Politik übereinstimmten, was schon etliche Mitglieder des Rates verlangt hätten."
Besprochen wird eine "halbszenische" Aufführung von Wagners "Rheingold" mit den Wiener Symphonikern bei den Bregenzer Festspielen (nmz).
In Russland sollen die Theater strenger reglementiert werden, berichtet Kerstin Holm in der FAZ: "Der Gesellschaftsrat des Kulturministeriums will Anfang September mit Theatervertretern des Landes darüber diskutieren, inwieweit die Spielpläne der Häuser der Strategie der nationalen Sicherheit entsprächen, die Präsident Putin am 2. Juli in Kraft gesetzt hat. Das hat der Vorsitzende dieses Rates, Michail Lermontow, erklärt. Der Beamte Lermontow, ein Spross desselben Adelsgeschlechts wie der gleichnamige klassische Dichter, sagte, es sei zu klären, ob die Aktivitäten der staatlich bezahlten Kulturträger mit der staatlichen Politik übereinstimmten, was schon etliche Mitglieder des Rates verlangt hätten."
Besprochen wird eine "halbszenische" Aufführung von Wagners "Rheingold" mit den Wiener Symphonikern bei den Bregenzer Festspielen (nmz).
Film

"Ein Meisterwerk", schwärmt in der SZ Kathleen Hildebrand von Dominik Grafs neuem Film "Fabian oder der Gang vor die Hunde", der nach seiner Berlinale-Premiere nun ab morgen in den Kinos zu sehen ist. Graf modelt Kästners Vorlage nicht nur im Modus des unzuverlässigen Erzählers sanft um, schreibt sie. Auch "sind die Frauen bei Graf noch viel wichtiger als bei Kästner. ... Die Zeiten überlagern sich in diesem Film so gekonnt, dass sie durchscheinend werden. Graf hat keinen reinen Kostümfilm gedreht, verlegt die Handlung aber auch nicht in die Gegenwart. Schilling, Rosendahl und der stattliche Schuch sehen zeitlos aus, als gingen sie gern in Vintage-Läden shoppen, steigen aber in Oldtimer. Unter den Füßen der Atelierdamen schimmern matt die Stolpersteine, die heute im Berliner Pflaster an die Opfer des damals kurz bevorstehenden Holocaust erinnern."
Furioser Auftakt, schwaches Ende: So lautet hingegen Andreas Kilbs FAZ-Fazit zu Grafs Film. So stark wie Graf die im Buch eher distanzierte Liebesgeschichte des Stoffs ausmelodramatisiert, breche dies das Genick seines Films. "Aus dem sachlichen wird ein sentimentaler Held", für Kilb "ein Unterschied ums Ganze. ... In der letzten seiner drei Filmstunden wirkt 'Fabian' beinahe so konventionell wie das Qualitätsfernsehen, das er bekämpft." Aber umso wuchtiger ist eben doch der Auftakt, schreibt Andreas Busche im Tagesspiegel: "Die Faszination der Zwanziger - Zerstreuung und kassandrahafte Prophetie, Hedonismus und Defätismus, politische Regression und künstlerische Avantgarde - sieht bei Graf nicht wie eine Postkarte aus der Vergangenheit aus. In seiner Verweigerungshaltung gegenüber jeder Form von Nostalgie (sprich: dem Produktionsdesign des deutschen Geschichtsfilms) steckt immer schon eine Analyse der Bilder - impulsiv, fiebrig, unverdaut. Wie dem Unbewussten entrissen. Wenn Graf diese Bilder mobilisiert, wird sein Kino selbst ekstatisch; es lässt dann auch die Versuchungen des Psychologisierens hinter sich."
Weitere Artikel: David Steinitz staunt in der SZ darüber, dass die Schauspielerin Reese Witherspoon ihre Produktionsfirma für satte eine Milliarde Dollar verkauft, um mit diesem Kapital überhaupt erst so richtig im Geschäft loszulegen und zwar mit dem "Ziel: Frauen in der amerikanischen Unterhaltungsindustrie zu stärken." Urs Bühler freut sich in der NZZ auf das Filmfestival Locarno, das heute beginnt.
Besprochen werden M. Night Shyamalans "Old" (Presse), die Doku "Alles ist eins. Außer der 0." über CCC-Mitbegründer Wau Holland (Standard, Welt), die Netflix-Doku "Shiny Flakes" (ZeitOnline) sowie Lisa Gottos und Dominik Grafs Buch über das osteuropäische Kino (FAZ).
Literatur
Renate Kraft begibt sich für die taz in der Literaturgeschichte auf die Suche nach Spuren des Elends der karibischen Sklaven. Tilman Spreckelsen wirft für die FAZ einen Blick in den "Krabat"-Nachlass von Otfried Preußler. Twitter hat einen Account, der vorgab, Cormac McCarthy zu sein, versehentlich zum offiziellen Account des Schriftstellers erklärt, amüsiert sich Nicolas Freund in der SZ. In der Dante-Reihe der FAZ schreibt Hans Jürgen Balmes darüber, wie Vögel die "Commedia" inspiriert haben.
Besprochen werden unter anderem Shida Bazyars "Drei Kameradinnen" (Freitag), Jami Attenbergs "Ist alles deins!" (FR) und Lavinia Braniștes "Sonia meldet sich" (SZ).
Besprochen werden unter anderem Shida Bazyars "Drei Kameradinnen" (Freitag), Jami Attenbergs "Ist alles deins!" (FR) und Lavinia Braniștes "Sonia meldet sich" (SZ).
Architektur

Musik
Currentzis-Skeptiker mögen sagen, seine Salzburger Aufführung der letzten beiden Mozart-Sinfonien, habe mal wieder gerummst, aber für SZ-Kritiker Egbert Tholl war es "einfach nur ein mitreißendes Konzert". Zu erleben gab es "den unabdingbaren Furor des Musizierens. Wie immer sehr profund von den Bässen und den Pauken vorangetrieben ist dies die Demonstration einer Raserei am Rande des Möglichen, durchgestaltet mit einer wogenden Dynamik, aber doch auch befallen von leichten Abnützungserscheinungen. ... Currentzis modelliert wie ein bildender Künstler mit seinen Händen aus Orchester und dem 'musicAeterna'-Chor in jedem Detail einen Klangkörper wie ein Individuum."
Weitere Artikel: Vom Lockdown-Elend junger Nachwuchsmusiker berichtet Marco Frei in der NZZ. Apokalyptische Szenarien waren in der populären Musik immer schon am ehesten im Metal zuhause, doch "der infernale Weltuntergang, der früher im Metal oft nur als Idee stattfand, rückt nun näher an die Realität", stellt Freitag-Kritiker Konstantin Nowotny beim Blick auf aktuelle Veröffentlichungen fest. Ljubiša Tošic mutmaßt im Standard, was die Zukunft wohl für Christian Thielemann, dessen Vertrag in Dresden bekanntlich nicht verlängert wurde, bringen mag: "Vielleicht erkennt er, dass die Konzentration auf Künstlerisches samt einer angebrachten Weitung des Repertoires mehr wiegt, als in Strukturen zu arbeiten, die Macht versprechen, allerdings auch Alltagslast und Organisatorisches bedeuten." Frederik Hanssen beugt sich für den Tagesspiegel über den in Berlin verwahrten Nachlass von Claudio Abbado, der künftig auch der Öffentlichkeit zugänglich werden soll. Eine neue Studie kommt zu dem Schluss, dass Billie Eilish (unser Resümee zum aktuellen neuen Album und eine Besprechung desselben heute in der NZZ) im Gegenwartspop den größten Wortschatz hat, berichtet Pia Benthin im Tagesspiegel. Für die FAZ besucht Jan Brachmann die Villa von Sergej Rachmaninow.
Besprochen werden die restaurierte Version von Bert Sterns und Aram Avakians Konzertfilm "Jazz an einem Sommerabend" aus dem Jahr 1958, der jetzt wieder in die Kinos kommt (Welt) und neue Popveröffentlichungen, darunter ein Remix-Album von Khruangbin, das zwar wenig "fortan unverzichtbares" bringe, dafür aber manches "schlau von der inneren Tagtraumcouch auf die Tanzfläche Geschubstes", schreibt SZ-Popkolumnist Jens-Christian Rabe. Wir hören rein:
Weitere Artikel: Vom Lockdown-Elend junger Nachwuchsmusiker berichtet Marco Frei in der NZZ. Apokalyptische Szenarien waren in der populären Musik immer schon am ehesten im Metal zuhause, doch "der infernale Weltuntergang, der früher im Metal oft nur als Idee stattfand, rückt nun näher an die Realität", stellt Freitag-Kritiker Konstantin Nowotny beim Blick auf aktuelle Veröffentlichungen fest. Ljubiša Tošic mutmaßt im Standard, was die Zukunft wohl für Christian Thielemann, dessen Vertrag in Dresden bekanntlich nicht verlängert wurde, bringen mag: "Vielleicht erkennt er, dass die Konzentration auf Künstlerisches samt einer angebrachten Weitung des Repertoires mehr wiegt, als in Strukturen zu arbeiten, die Macht versprechen, allerdings auch Alltagslast und Organisatorisches bedeuten." Frederik Hanssen beugt sich für den Tagesspiegel über den in Berlin verwahrten Nachlass von Claudio Abbado, der künftig auch der Öffentlichkeit zugänglich werden soll. Eine neue Studie kommt zu dem Schluss, dass Billie Eilish (unser Resümee zum aktuellen neuen Album und eine Besprechung desselben heute in der NZZ) im Gegenwartspop den größten Wortschatz hat, berichtet Pia Benthin im Tagesspiegel. Für die FAZ besucht Jan Brachmann die Villa von Sergej Rachmaninow.
Besprochen werden die restaurierte Version von Bert Sterns und Aram Avakians Konzertfilm "Jazz an einem Sommerabend" aus dem Jahr 1958, der jetzt wieder in die Kinos kommt (Welt) und neue Popveröffentlichungen, darunter ein Remix-Album von Khruangbin, das zwar wenig "fortan unverzichtbares" bringe, dafür aber manches "schlau von der inneren Tagtraumcouch auf die Tanzfläche Geschubstes", schreibt SZ-Popkolumnist Jens-Christian Rabe. Wir hören rein:
Kommentieren