Efeu - Die Kulturrundschau
Voller Technikmelancholie
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Musik
Für eine VAN-Reportage hat Hannah Schmidt bei den Orchestern nachgefragt, wie es um die Bilanzen und die Ausfallhonorare im Zuge der Pandemie steht - und ist dabei teilweise auf verblüffende Zahlen gestoßen, wobei nur knapp 30 Orchester überhaupt antworteten. "Gut 18 Orchester berichten von einer ausgeglichenen Bilanz, fünf sogar von einer deutlich positiven. Aus den Schilderungen von nur drei Orchestern lässt sich herauslesen, dass finanzielle Verluste gemacht wurden, die noch nicht kompensiert werden konnten. Die positiven Bilanzen belaufen sich auf Summen zwischen 100.000 und 350.000 Euro im Plus - zumindest bei denen, die ungefähre Zahlen genannt haben. Das mag zunächst paradox klingen, wo doch bekannt ist, dass seit Beginn der Krise deutlich weniger produziert und veranstaltet wurde", doch gleichzeitig sanken auch viele Ausgaben - "und sie sparten an einer weiteren, der wohl zentralsten Ressource überhaupt: Gehältern und Honoraren."
Große Orchester geben sich international, sind aber selten divers. Für eine Reportage in der NMZ hat sich Eva Morlang nach den Gründen umgehört und ist dabei auf eine Kultur der ausgrenzenden Stiche gestoßen, von der ihr zum Beispiel die Schlagzeugerin Linda-Philomène (Philo) Tsoungui erzählt "Im Klassikstudium sei ihr oft gesagt worden: 'Du spielst schon toll, aber wir sehen einfach keine schwarze Frau in einer Schlagzeuggruppe eines deutschen Orchesters'. An Sprüche wie 'spiel mal nicht so afrikanisch, spiel mal gerader', musste sie sich gewöhnen."
Weitere Artikel: In der NMZ berichtet Moritz Eggert vom Unterrichten in den Kompositionsklassen in der Pandemie. Weitere Nachrufe auf Françoise Cactus schreiben Mascha Jacobs (ZeitOnline), Harry Nutt (FR) und Joachim Hentschel (SZ). Besprochen werden das Rap-Album "Todesliste" von Audio88 und Yassin (ZeitOnline) sowie der von Stephan Mösch herausgegebene Band "Weil jede Note zählt. Mozart interpretieren" (FAZ).
Film
Literatur
Eher ratlos blickt die Schriftstellerin Olga Martynova in FAZ auf das Gendern im neuen Duden und den Furor, mit dem auf Kritik daran reagiert wird: "Vielleicht haben die Spracherneuerer recht. Schwer zu sagen, denn Sprache ist ein komplexes Gebilde. Jedoch sind sie voreilig. ... Beim 'Schluss jetzt!' helfen tatsächlich keine Argumente mehr. Weitere Aggression und Konfrontation wird aufgebaut. Man vergisst die einfachsten Regeln der Kommunikation, etwa, dass Menschen, die in einem Punkt verschiedene Meinungen haben, in anderen Fragen nicht zwangsläufig uneinig sind. Wie schnell kommt die Bereitschaft, die anderen auszugrenzen! So werden Menschen, die grundsätzlich die gleichen Vorstellungen und Überzeugungen haben, in verfeindete Lager aufgeteilt."
Mit Jürgen Brokoffs Studie "Literaturstreit und Bocksgesang" blickt Gustav Seibt in der SZ derweil zurück auf die literarischen Debatten im Deutschland der Wendezeit. Was die großen Wortführer in den Debatten um Christa Wolf und Botho Strauß damals übersehen haben, ergänzt Seibt Brokoff, war jedoch "der völlig neue Ton", den die Neue Frankfurter Schule rund um die Satiremagazine Pardon und Titanic angeschlagen hatten. "Insofern stimmte auch Schirrmachers Behauptung von 1990, in der westdeutschen Literatur sei seit den Sechzigerjahren nichts mehr passiert, höchstens zur Hälfte: Stehengeblieben war vor allem der Komplex von Großautoren und Großkritikern." Letztendlich waren es für Seibt gar nicht so sehr die Wendezeitdebatten, die den Typus des "moralisierenden Großschriftstellers" in die Knie zwangen. "Ätzender Spott, ein neuer Kanon im Untergrund mit 'Vollidioten' und 'Wörtersee', die Rezensionen im 'Raben' und die 'Briefe an die Leser' in der Titanic hatten ihr Werk schon getan."
Weitere Artikel: Franz Schuh verneigt sich in der NZZ vor Johann Nestroys Komik. In den "Actionszenen der Weltliteratur" erinnert Rainer Moritz daran, wie Siegfried Unseld einmal mit leeren Händen zu Max Frischs Geburtstag erschien. Gallimard veröffentlicht im März einen bislang unbekannten Proust-Text, meldet Sian Cain im Guardian.
Besprochen werden unter anderem Valeria Parrellas "Versprechen kann ich nichts" (Tagesspiegel) und Jakob Noltes "Kurzes Buch über Tobias" (ZeitOnline).
Bühne
Kunst

Weiteres: Luise Wolf macht für die taz "Zimmerreisen" mit der Berliner Künstlerin Stefie Steden durch fremde Wohnungen. Michael Wurmitzer annonciert im Standard das Medienkunstfestival Civa in Wien. Besprochen wird eine Ausstellung der abstrakten Malerin Tess Jaray in der Wiener Secession (Standard)