Efeu - Die Kulturrundschau
Aber singen Sie es fortissimo
Die besten Kritiken vom Tage. Wochentags um 9 Uhr, sonnabends um 10 Uhr.
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Literatur
Weiteres: Im Standard erinnert Gerhard Strejcek daran, wie Hermann Hesse vor 100 Jahren als Autor des zunächst unter Pseudonym veröffentlichten Romans "Demian" aufflog. In seiner "Lahme Literaten"-Kolumne knöpft sich Magnus Klaue diesmal Raoul Schrott vor, dem er "ein Monopol auf dem Produktsegment Terra X für Altphilologen" attestiert. Dlf Kultur bringt ein Feature von André Hatting über den expressionistischen Lyriker August Stramm. Und der Standard reist mit zahlreichen Autoren - Tex Rubinowitz, Gertraud Klemm, Tanja Paar, Manfred Rebhandl und Christopher Wurmdobler - an den Strand.
Besprochen werden unter anderem Gunter Hofmanns Biografie über Marion Dönhoff (NZZ), Sally Rooneys "Gespräche mit Freunden" (Presse), Katerina Poladjans "Hier sind Löwen" (online nachgereicht von der FAZ), Martin Puchners "Die Macht der Schrift. Wie Literatur die Geschichte der Menschheit formte" (online nachgereicht von der FAZ) und die Neuauflage von Richard Wrights "Sohn dieses Landes" (SZ).
In der online nachgereichten Frankfurter Anthologie schreibt Joachim Sartorius über Günter Herburgers "Belle de Jour"
"Die Peitschen der bürgerlichen Zucht,
die Leistungen der bürgerlichen Macht,
die Messen der bürgerlichen Sehnsucht,
..."
Kunst

Taz-Kritiker Aklexander Diehl hatte großen Spaß in der Ausstellung "Whose Jizz Is This?", die der Hamburger Kunstverein die Musikerin Peaches ausrichten ließ: "Eine Emanzipationsgeschichte will Peaches erzählen, in der eben doch wieder vieles von dem aufscheint, was die Menschen von ihr kennengelernt haben können in den vergangenen 20 Jahren: Sexspielzeuge sind's, "double masturbators", die sich da befreien; denen es nicht mehr reicht, Mittel zum Zweck zu sein, begrapscht und benutzt zu werden und am Ende schamhaft verwahrt in schmuddeligen Abseiten. In 14 'Szenen' ist ihr Weg in Szene gesetzt, ein Weg von passiv zu aktiv, vom sex toy zum 'Fleshie'. Oder genauer: vom Einzelnen zum Kollektiv, den 'Fleshies', so nennen sich in frischem Selbstbewusstsein die befreiten Silikonobjekte."
Weiteres: Im Standard unterhält sich Sabine Scholl mit dem Künstler Edmund de Waal über seine in Venedig gezeigte Bibliothek des Exils.
Besprochen werden eine "strahlend-opulente" Schau altägyptischer Kunst: "Pharaonengold" in der Völklinger Hütte (SZ), die Ausstellung "Garten der irdischen Freuden" über Idyllen im Berliner Gropiusbau (taz), die Ausstellung "Weissenhof City" in der Staatsgalerie Stuttgart (taz), die vielfach gefeierte Ausstellung "Point of No Return" im Leipziger Museum der Bildenden Künste (Tsp), die Schau "Wege des Barock" im Postdamer Museum Barberini (Standard), Ausstellungen zum zweihundertsten Geburtstag von Queen Victoria in Londons Palästen (FR), die Schau "In einem neuen Licht" mit kanadischem Impressionismus in der Kunsthalle München (FAZ).
Film

"Sprechen ist in Schanelecs Filmen kein Motor der Erzählung, sondern wird als filmische Konvention in Frage gestellt", schreiben Dennis Göttel und Dierk Saathoff in einem für die Jungle World erstellten Gutachten über Angela Schanelecs neuen Film "Ich war zuhause, aber...". Der Film handelt von einer Frau im Berliner Kulturmilieu, die den Tod ihres Mannes verarbeiten muss. Doch "Schanelecs Filme sind nicht nach der Narration, sondern nach Bildern gebaut. Was passiert, muss sich nie veränderten Bildausschnitten fügen. Die montierten Bilder ergeben meist keinen kohärenten Raum. In der Strenge der Anordnung ähnelt der Film bisweilen tableaux vivants."
Besprochen werden Quentin Tarantinos "Once Upon a Time in Hollywood" (Tagesspiegel, NZZ, Presse, der Standard hat mit Tarantino gesprochen, mehr zum Film bereits hier), Malik Baders Thriller "Killerman" (SZ), Rainer Kaufmanns Beziehungskomödie "Und wer nimmt den Hund?" (taz), İlker Çataks Scheinehendrama "Es gilt das gesprochene Wort" (Freitag) und der auf DVD veröffentlichte Film "Extremely Wicked, Shockingly Evil and Vile" über den Serienmörder Ted Bundy (SZ).
Bühne

In der Nachtkritik weiß Falk Schreiber die Treue zu schätzen, mit der das Sommerfestival der Hamburger Kulturfabrik Kampnagel seit 2014 ein Handpuppen-Musical namens "The Season" fortlaufen lässt. In dessen dritter Folge "Space" nun soll der Bär vom Planeten Flausch abgeschoben werden, weil er nicht einstimmig singen will, erklärt Schreiber: "Harmonieästhetik wird zur politischen Ideologie - als Thema für ein Musical, das sich unter anderem an Kinder richtet, ist das zwar verblasen, beweist aber zumindest Diskurshöhe. Zumal die Geschichte funktioniert: Auch ohne akademische Musikbildung fiebert man mit dem verliebten Bär, freut man sich über Tinas Kratzbürstigkeit. Und wippt spätestens nach fünf Minuten zu den Songs, die leichthändig HipHop, Tropicalismo und Klassik mixen." In der taz schreibt Katja Kullmann vom Sommerfestival, SZ-Autor Till Briegleb kann ihm allerdings nichts Positives abgewinnen.
Weiteres: In der FAZ berichtet Marc Zitzmann vom riesigen Erfolg der Pariser Produktion "Ça ira (1) Fin de Louis", in der Joël Pommerat die Französische Revolution mit heutigen politischen Debatten kurzschließt. Revolutionären Zorn nähren dabei die konservativen Stimmen von Edmund Burke bis Alain Finkielkraut oder gar Éric Zemmour: "'Ça ira' ist rauscherzeugend wie eine böse Fernsehserie und stimulierend wie ein blitzender philosophischer Essai."
Besprochen werden Händels Barockoper "Alcina" mit einer großartigen Cecilia Bartoli in Salzburg (SZ), Rossinis "Petite Messe solennelle" beim Rheingau Musik Festival (FR) und Benjamin Millepieds "L.A. Dance Project" beim Festival Movimentos in Wolfsburg (FAZ).
Musik
Weiteres: In der Welt kommentiert Manuel Brug den Streit zwischen Gerhard Nachbauer, dem Leiter des Kammermusikfestivals im Vorarlberger Schwarzenberg, und dem Pianisten András Schiff, der Schubert auf einem Hammerflügel spielte und sich über die Reaktionen seiner Kritiker ärgerte: "Da ist viel gekränkte Eitelkeit zweier Alphatierchen mit im schlammigen Spiel." Außerdem berichtet Manuel Brug in seinem Welt-Blog von seiner Reise zum Kammermusikfestival im norwegischen Rosendal. Für den Standard hat sich Frank Herrmann nach Bethel auf die Spuren des Woodstock Festivals begeben. Für die FAZ hat Jannik Schäfer beim Radio-DJ Gilles Peterson angerufen, der das auf progressive Musik spezialisierte Festival "We Out Here" in Huntingdon kuratiert. In der FAZ gratuliert Jan Wiele Mark Knopfler zum 70. Geburtstag.