Efeu - Die Kulturrundschau
Das Mädchen aus Kreta
Die besten Kritiken vom Tage. Wochentags um 9 Uhr, sonnabends um 10 Uhr.
14.10.2014. In der Welt erklärt Fatih Akin, warum es in seinem Film über den armenischen Genozid kaum Gewaltszenen gibt. Das TLS stellt die russische Dichterin Regina Derieva vor, die das Meer liebte, aber in einer staubigen Ecke Kasachstans leben musste. Die Berliner Zeitung lauscht ganz ohne Ohrstöpsel dem grell leuchtenden Klanggewitter von Glenn Branca. Die taz singt der schönen Nana Mouskouri ein Geburtstagsständchen.
9punkt - Die Debattenrundschau
vom
14.10.2014
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Film

In der Welt erklärt Fatih Akin im Interview über seinen neuen Film "The Cut", der den Genozid an den Armeniern zum Thema hat, warum er sehr sparsam mit Gewaltszenen war, was von einigen Kritikern als Trivialisierung kritisiert wurde: "Das finde ich unverantwortlich. Es ist ein anderer Völkermord, für den man Bilder finden muss. Ich hatte ein bisschen die Befürchtung, Armenier könnten den Film zu harmlos finden. Aber ich habe bisher noch von keinem den Vorwurf gehört, wir seien zu lasch vorgegangen. Ich habe noch bei keinem Film so viel an die Zielgruppen gedacht, nämlich Armenier und Türken, die man fast nicht zusammenbringen kann. Wir wollten mit unserer Darstellung keinen neuen Hass schüren."
Auch im asiatischen Kino wird China immer mehr zum bestimmenden Faktor, stellt Sebastian Handke im Tagesspiegel nach dem Besuch des Filmfestivals im südkoreanischen Busan fest. Die Unterschiede zwischen den einzelnen Kinematografien werden durch Ko-Produktionen mit dem mächtigen China eingeebnet, meint er: "Südkorea hat in den letzten 20 Jahren die modernste Filmindustrie Asiens aufgebaut, China mit seinem boomenden Markt will davon profitieren. Also schließt man Handelsverträge, die länderübergreifende Koproduktionen fördern. Gut für Südkorea: China hat eine strenge Importquote, Koproduktionen aber gelten als Inlandsware. Die Sache hat einen Haken. Hongkongs Filmszene büßte auf diese Weise ihre Eigenständigkeit ein."
Jetzt online aus der gestrigen SZ: Tobias Kniebe freut sich, dass Jonathan Glazers Kunst-Science-Fiction-Film "Under the Skin" nach Protesten von Cinephilen nun doch noch in ausgewählten Kinos läuft, statt bloß auf DVD veröffentlicht zu werden. David Steinitz unterhält sich in der SZ mit Regisseurin Lone Scherfig über ihren (von Tobias Kniebe besprochenen) Film "The Riot Club". In der taz hält Matthias Dell diesen für einen "mehr faszinierten denn reflektierten Die-da-oben-Porno".
Außerdem: Udo Kier wird 70 - Gratulation!
Kunst

Wow, das hat der Palast der Herzöge von Marlborough aber auch noch nicht gesehen, meint Thomas Kielinger, der für die Welt die Ausstellung "Weiwei at Blenheim Palace" in Woodstock bei Oxford besucht hat. Es ist "eine Invasion mit schalkhaften Elementen. Kaum hat der Besucher in den Churchill-Räumen den Wortkaskaden des Kriegspremiers lauschen können, begegnet das Auge auf dem Sims vor einem großflächigen Gemälde der Familie des ersten Herzogs einer in Grau getauchten Vase aus der Han-Dynastie, bemalt mit dem roten Logo "Coca-Cola". Das ist nicht nur Zitat der Warenwelt-Entlarvung, wie sie Andy Warhol einst zu seinem Markenzeichen machte. Es ist auch eine gewollte Provokation gegenüber dem Stil der Heldenverehrung, wie sie in Blenheim seit Jahrhunderten gepflegt wird."
Weitere Artikel: Über die Versteigerung von Tracey Emins "My Bed" berichtet in der NZZ Georges Waser. Mit ihren Provinzablegern verzeichnen die Pariser Museen einen beachtlichen Publikumserfolg, berichtet Bernhard Schulz im Tagesspiegel. Klaus Englert stellt in der FAZ die neue, von MVRDV konzipierte Markthalle in Rotterdam vor, die wie "eine Art Stadt in der Stadt" angelegt ist.
Besprochen werden eine Ausstellung über Todes- und Jenseitsvorstellungen aus fünf Jahrhunderten im Schweizer Haus für Kunst Uri (NZZ), eine Ausstellung von Arbeiten des afrikanischen Künstlers Meshac Gaba in der DB KunstHalle Unter den Linden in Berlin (Berliner Zeitung), die Ausstellung "Germany - Memories of a Nation" im British Museum in London (SZ) und die Fotoausstellung "Venedig sehen..." in der Neuen Pinakothek in München (FAZ).
Literatur
Im Times Literary Supplement stellt Cynthia L. Haven die in Deutschland praktisch unbekannte russische Dichterin Regina Derieva vor. Die in Odessa geborene und letzten Dezember im Alter von 64 Jahren verstorbene Dichterin "enjoyed the shifting rhythms of the sea: "Water is the ideal apparel. However many times you get into it, it"s the same". Her passion for water was shared by her epistolary friend, Joseph Brodsky, who grew up alongside St Petersburg"s canals and spent as much time as he could in Venice, where he is buried on the cemetery island of San Michele. Derieva, whom Brodsky called "a great poet", viewed a very different landscape, however: from the age of six, she lived obscurely in Karaganda, Kazakhstan, "perhaps the most dismal corner of the former Soviet Union - once the centre of a vast prison camp universe, later just a gloomy industrial city", according to the distinguished Lithuanian poet Tomas Venclova. For him, Derieva"s precise, epigrammatic poems limn "the concentration camp zone, where space is turned into emptiness, and time turned into disappearance"."
Hier kann man Derieva eins ihrer Gedicht vortragen hören - erst spricht sie selbst auf Russisch, dann ein Übersetzer auf Englisch.
Weiteres: Julia Bähr meldet in der FAZ, dass 2015 Indonesien Gastland der Frankfurter Buchmesse sein wird.
Besprochen werden Lena Dunhams "Not That Kind of Girl" (NZZ), Reiner Stachs Band über Kafkas frühe Jahre (NZZ), Raoul Thalheims "Hirnhunde" (Jungle World), der Briefwechsel zwischen Stefan Berg und Günter de Bruyn (FAZ) und die Ausstellung "Terror and Wonder - The Gothic Imagination" über Schauerliteratur in der British Library in London (SZ).
Hier kann man Derieva eins ihrer Gedicht vortragen hören - erst spricht sie selbst auf Russisch, dann ein Übersetzer auf Englisch.
Weiteres: Julia Bähr meldet in der FAZ, dass 2015 Indonesien Gastland der Frankfurter Buchmesse sein wird.
Besprochen werden Lena Dunhams "Not That Kind of Girl" (NZZ), Reiner Stachs Band über Kafkas frühe Jahre (NZZ), Raoul Thalheims "Hirnhunde" (Jungle World), der Briefwechsel zwischen Stefan Berg und Günter de Bruyn (FAZ) und die Ausstellung "Terror and Wonder - The Gothic Imagination" über Schauerliteratur in der British Library in London (SZ).
Musik
Über die Jungspunde, die sich beim Gitarrenkrach-Konzert von Glenn Branca in der Volksbühne besorgt Ohropax in die Gehörgänge schoben, kann Alt-Punk Jens Balzer von der Berliner Zeitung nur lässig lachen. Er selbst hat sein Gehör den dissonanten Kaskaden nämlich mit dem allergrößten Vergnügen schutzlos ausgeliefert: "Schicht um Schicht wurden Stimmungen und Vibrationen, Klangideen und ungleichläufige Tempi übereinander gelegt und gegeneinander verschoben, bis sich daraus grell leuchtende Gewitter entluden: große, gerade gegen Ende des Abends erhabene Momente. ... Bis heute vermag niemand anders als er so kunstvoll krawallhaften Krach und kompositorische Komplexität, kontemplativen Klangrausch und kristalline Klarheit zu kombinieren." Klaro, Kritiker!
Jan Feddersen schreibt in der taz eine schöne Hommage auf Nana Mouskouri, die mit Bob Dylan und Harry Belafonte befreundet war und doch auch Schlager sang. Er bewundert gerade an ihr, "dass sie sich ohne Proklamation jeder Mode entzog und als "Body Language" stets nur dies parat hatte: sich selbst mit einer Ernsthaftigkeit zu inszenieren, an der jede Ironisierung zerschellen musste. Nana - das Mädchen aus Kreta, die Elvis verehrte und Ella Fitzgerald und die Künstler für ihr Heischen um das schnelle Geld mit stummem Eifer hasste, war deshalb immer auf ihre Art eine ziemlich schöne Frau." Nana Mouskouri ist achtzig und auf Welttournee."
Damit fing alles an - "San Sfirixis Tris Fores":
Weitere Artikel: Stefan Schickhaus schreibt in der FR zum 40-jährigen Bestehen der Jungen Deutschen Philharmonie. Uwe Roßner war für den Tagesspiegel beim Usedomer Musikfestival. In der SZ stellen Kathleen Hildebrand und Sebastian Gierke neue Popveröffentlichungen vor, darunter das Solo-Debütalbum vom Kele Okereke.
Besprochen werden das neue Album von Caribou (ZeitOnline), das neue Album der Barr Brothers (FAZ) und eine neue CD der Bremer Kammerphilharmonie mit Beethoven-Aufnahmen (Tagesspiegel).
Jan Feddersen schreibt in der taz eine schöne Hommage auf Nana Mouskouri, die mit Bob Dylan und Harry Belafonte befreundet war und doch auch Schlager sang. Er bewundert gerade an ihr, "dass sie sich ohne Proklamation jeder Mode entzog und als "Body Language" stets nur dies parat hatte: sich selbst mit einer Ernsthaftigkeit zu inszenieren, an der jede Ironisierung zerschellen musste. Nana - das Mädchen aus Kreta, die Elvis verehrte und Ella Fitzgerald und die Künstler für ihr Heischen um das schnelle Geld mit stummem Eifer hasste, war deshalb immer auf ihre Art eine ziemlich schöne Frau." Nana Mouskouri ist achtzig und auf Welttournee."
Damit fing alles an - "San Sfirixis Tris Fores":
Weitere Artikel: Stefan Schickhaus schreibt in der FR zum 40-jährigen Bestehen der Jungen Deutschen Philharmonie. Uwe Roßner war für den Tagesspiegel beim Usedomer Musikfestival. In der SZ stellen Kathleen Hildebrand und Sebastian Gierke neue Popveröffentlichungen vor, darunter das Solo-Debütalbum vom Kele Okereke.
Besprochen werden das neue Album von Caribou (ZeitOnline), das neue Album der Barr Brothers (FAZ) und eine neue CD der Bremer Kammerphilharmonie mit Beethoven-Aufnahmen (Tagesspiegel).
Bühne

Thomas Halle (Edward Snowden). Foto: Felix Grünschloß
Mit ihrem am Staatstheater Karlsruhe uraufgeführtem Stück "Ich bereue nichts" bringen Jan-Christoph Gockel, Thomas Halle und Konstantin Küspert Edward Snowden und die NSA-Affäre auf die Theaterbühne. So recht begeistert verlassen die Kritiker das Haus indessen nicht gerade. Das Stück bedient sich zuweilen einer etwas arg naheliegenden Symbolik, meint Georg Patzer in der Nachtkritik: "Der nackte Mensch mit einem Bildschirm, durchleuchtet und sichtbar. Oder der "Ritter von der traurigen Gestalt", der genau sieht, dass die Windmühlen in Wirklichkeit böse Riesen sind. Oder am Schluss, als Snowden abtauchen muss und Halle sich einen altertümlichen Taucheranzug anziehen lässt. ... Vieles an diesem Abend bleibt eine dröge Angelegenheit." Auch Martin Halter von der FAZ fühlt sich hier manchmal wie in "einer "Sendung mit der Maus" über den Überwachungsstaat." Aber immerhin: "Das Bild, das in Karlsruhe von Edward Snowden entworfen wird, ist zwar verwackelt und unscharf, aber mehr als nur ein kryptologisches Skript für Nerds."
Außerdem: Für den Tagesspiegel trifft sich Sandra Luzina mit dem Ballettstar Polina Semionova, die nach Berlin zurückkommt.
Besprochen werden Christian Spucks "Anna Karenina"-Choreografie am Opernhaus Zürich (NZZ), eine Komödie über Beschneidungen im Kreuzberger Ballhaus Naunynstraße (Welt), Franz Lehárs "Zarewitsch" an der Staatsoperette Dresden (Welt) und Keith Warners "Hänsel und Gretel"-Oper an der Oper Frankfurt (FR, FAZ).
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