Allenthalben wird in den deutschen Zeitungen mal wieder das "geistige Eigentum" verteidigt. Aus dem Internet schlägt diesen Artikeln, anders als zur Zeit der Print-versus-Blog-Debatte kaum mehr Widerstand entgegen – zumindest publizistisch nicht, denn natürlich sind die Artikel in den Zeitungen selbst Reaktion auf den erfolgreichen Protest gegen Acta.

Fassen wir zusammen, wo überall das "geistige Eigentum" in Anschlag gebracht wurde. Zunächst natürlich im Handelsblatt-Artikel des CDU-Abgeordneten Ansgar Heveling, der geradezu triumphierend den Sieg der wirklichen Welt über das Internet annoncierte. Darauf ergoss sich ein internettypischer Shit Storm über Heveling, der zeigte, dass auch die meisten Netzaktivisten nach dem üblichen Links-Rechts-Schema funktionieren. Heveling ist CDU, also meint man, er stehe für die Unfähigkeit der "Rechten", sich den neuen Gegebenheiten anzubequemen.

Aber es steht noch schlimmer um diese Debatte: Die Frage Pro oder Kontra Netz und Pro oder Kontra "Geistiges Eigentum" wird nicht entlang parteipolitischer, sondern sozialer Positionen beantwortet. Es ist wichtig zu verstehen, dass sich die Konfliktlinien in Internetdebatten durch alle politischen Richtungen ziehen. Es gibt Internetfeinde in der klassischen wie ökologischen Linken, bei den Liberalen und den Konservativen.

Wer in einer Zeitung gutes Geld verdient, wird verständlicher Weise ihre traditionelle Position verteidigen. Auch der Linke Heribert Prantl beklagt in einem Leitartikel für die SZ das "Unverständnis dafür, dass das geistige Eigentum ein richtiges Eigentum ist, seinen Wert hat und Schutz braucht". Ebenso Clemens Wergin in der Welt, der sich zwar als Liberaler versteht, aber doch gerne selbst definieren will, wie man Freiheit richtig und falsch versteht. Und "falsch verstandene Freiheit im Internet würde uns zurück ins kulturelle Mittelalter führen". Und es gilt natürlich für als konservativ angesehene Organe wie die FAZ, wo man sich ganz allgemein schon freut, dass das Internet nicht so ernst zu nehmen sei, wie man ursprünglich befürchtete: "Das Internet verwirklichte keine deliberative Demokratie. Die Wünsche nach neuen gesellschaftlichen Partizipations- und Repräsentationsformen bleiben unerfüllt. Weder stellen Weblogs einen gesellschaftlich folgenreichen Diskursraum dar, noch lassen sich per 'Liquid Democracy' politische Entscheidungen finden", schreibt Stefan Schulz auf den Geisteswissenschaftenseiten. Also alles war halb so schlimm mit dem Internet, und die üblichen Verdächtigen bleiben an den Hebeln?

Jedenfalls pauken sie der Öffentlichkeit wie ein Morgengebet den Begriff des "geistigen Eigentums" ein. Es stimmt ja, dass dieser Begriff rechtlich verankert ist als Analogiebildung zum materiellen Eigentum - aber gerade Repräsentanten einer angeblich freien Öffentlichkeit sollten doch nicht vergessen zu erwähnen, wie schräg, verzerrend - ja gefährlich - diese Analogie eigentlich ist.

Kann es ein Eigentum an Geistigem geben?

Eigentum bezeichnet die Verfügungsgewalt über eine Sache, also eigentlich das Recht, sie zu zerstören. Den Stuhl, den ich besitze, kann ich auch zerhacken und verheizen.

Nicht einmal der Urheber eines Werkes aber hat diese Gewaltoption und dieses Recht, zumindest wenn das Werk veröffentlicht ist. Ist ein Werk in der Welt, gehört es ihr auch. Thomas Mann kann nicht in die Nationalbibliothek gehen und auf die Herausgabe des "Zauberbergs" drängen, weil er den Schluss überarbeiten will. Er kann Leser nicht auffordern, das Werk zu vernichten, weil es ihm nicht mehr gefällt. Anders als Prantl behauptet, hat nicht einmal der Urheber ein "richtiges Eigentum" an seinem Werk. Ein Werk ist Übereignung: Diesen Kuss der ganzen Welt.

Was der Autor allenfalls hat und unbedingt haben soll, ist ein Monopolrecht an der Nutzung seines Werks für eine bestimmte Zeit. Das hindert aber nicht, dass Geistiges im emphatischen Sinne ein Allgemeingut ist, mit dem möglichst jeder sich frei auseinandersetzen können sollte: Der freien Zirkulation der Ideen sollten sich die Medien verpflichten, nicht ihrer Beschlagnahme durch die Verwerter.

Die Zeitungen verstoßen selbst als erste gegen ihre frommen Reden. Der Springer Verlag, in dessen Institut Clemens Wergin gegen "falsch verstandene Freiheit" im Internet eintritt, verliert gerade einen Prozess nach dem anderen, weil er seinen freien Autoren in seinen Verträgen so viele Freiheiten wie nur irgend möglich abknöpft. Nicht dass die Autoren dafür ein entsprechendes Schmerzensgeld kriegen. Freie Autoren und Zeitungen streiten seit Jahren darum, was als "angemessene Vergütung" zu verstehen ist. Selbst die Gewerkschaften lassen sich dabei, so die Freischreiber, auf Honorarsätze ein, die unter denen von Putzleuten liegen.

Ein Autor von Reiseberichten beschreibt auf der Seite der Freischreiber, wie etwa die Stuttgarter Zeitungen, deren Verlag ja auch die SZ gehört, in ihrer Beilage Sonntag Aktuell die Vergütungsregeln interpretieren:

"Sie zahlen den Satz für 'Nachrichten und Berichte', wohlgemerkt, nicht den für Reportagen. Sonntag Aktuell könnte also - wenn sie uns das mitteilen und unser Einverständnis einholen, wie jetzt auch im Fall der Abendzeitung geschehen - eines Tages auch den Reiseteil des Hamburger Abendblatts produzieren. Und den des Tagesspiegel in Berlin. Und den der WAZ. Und den der Badischen Zeitung. Und mit Verweis auf die Vergütungsregeln müssten sie uns dafür keinen Cent extra bezahlen."

Die Verteidiger des "geistigen Eigentums" sind die ersten Enteigner.

Gutgläubige Politiker wie Ansgar Heveling, der nebenbei Mitglied der Enquete-Kommission Internet und Digitale Gesellschaft im Bundestag ist, müssen das ja nicht wissen.

Der triumphale Ton Hevelings kam nicht von ungefähr. Man hat tatsächlich das Gefühl eines Rollbacks in Deutschland. Die etablierten Medien sind abgesichert. Die Zeitungskrise ist ausgestanden. Im deutschen Internet konnten keine Medien hochkommen, die nicht Ableger von Printmedien sind. Einige der bekanntesten Blogger – Stefan Niggemeier, Don Alphonso etwa – arbeiten jetzt selbst bei diesen Medien. Robin Meyer-Lucht ist tot. Die publizistische Gegenwehr im Netz ist erlahmt. Bleibt der diffuse Widerstand in der Netzbevölkerung, der die etablierten Kräfte in Gestalt der Piratenpartei und Anti-Acta-Demos immer neu verblüfft. Nur, leider, die Piratenpartei, deren Aufgabe es wäre, hat es bisher nicht geschafft, hörbar intelligente Positionen zur Zukunft der Öffentlichkeit zu formulieren.

Denn es geht um mehr als das "geistige Eigentum" einiger freier Zeitungsautoren. Es geht um die Idee der Öffentlichkeit und einer freien Kultur überhaupt.

Die Tendenz zur Beschlagnahme frei zirkulierender Information lässt sich an einem kleinen Satz von Christoph Keese, dem Cheflobbyisten des Springer Verlags und der deutschen Zeitungsszene illustrieren. Er beschwert sich im Interview mit dem Wiener Standard, dass die Klickraten von Google-Links, die zu Zeitungen seines Konzerns führen, zu gering sind und zieht daraus einen wahrhaft erstaunlichen Schluss: "Der traditionelle Tausch 'Content gegen Traffic' erscheint zunehmend aus der Balance zu geraten. Damit besteht Anlass, die kostenlose Bereitstellung von Inhalten in Frage zu stellen."

Was meint er damit genau? Dass Springer sich aus dem Netz zurückzieht, so dass Google nicht mehr auf Springer-Inhalte verlinken kann? Das würde das Netz möglicher Weise verkraften. Oder dass Google für Links bezahlen soll? Gerade weil sich niemand dafür interessiert?

Informationen zirkulieren im Netz durch Links. Wer an dieser Stelle die Hand aufhält, der kann sich natürlich eine Menge Eigentum durch Geistiges zuschanzen. Und der Öffentlichkeit droht, dass sie sich in ihrem angeblich freien Deliberieren noch mehr als jetzt durch ein Gestrüpp von Verboten schlagen muss: Darf ich diesen Link jetzt setzen? Darf ich weitersagen, was die Welt erzählt? Ist es ein Verbrechen, wenn ich die Überschrift "Kanzlerin und Westerwelle sind sich einig" als ganzes verlinke? Schon jetzt droht jedem stolzen Vater, der ein Youtube-Video mit der Geburtstagstorte seines Kinds hochlädt, ein Urheberrechtsprozess, wenn sie mit Disney-Motiven verziert ist.

Und schon jetzt bedeutet das Urheberrecht - entgegen den Behauptungen Prantls, Wergins und Hevelings - in unendlich vielen Fällen gerade keine Ermöglichung, sondern eine Verhinderung von Kultur. Warum wohl kommen genau jetzt Dramatisierungen von F. Scott Fitzgerald ins Kino und Theater? Weil die Urheberrechte frei wurden (mehr hier, in der Welt). Das Erlöschen der Rechte auf ein Werk ist oft eine Befreiung. Brecht und Beckett wurden von ihren Nachlassverwaltern zu Museumsmumien gemacht. Aber es vergeht noch ein Weilchen, bis sie siebzig Jahre tot sind. Auch das Beispiel Gustav Mahlers sollte zu denken geben, dessen Sinfonien erst in dem Moment weltberühmt wurden, als die Urheberrechte erloschen: Damals war das noch fünfzig Jahre nach seinem Tod. Wenn den Gelüsten der Verwerterindustrien stattgegeben wird, muss ein Komponist demnächst neunzig Jahre lang tot sein.

Schon haben willige Politiker auch die Leistungsschutzrechte an Tonaufnahmen von fünfzig auf siebzig Jahre verlängert. Dagegen haben die Zeitungen nicht protestiert. Das alles führt dazu, dass große Teile der Kultur des 20. Jahrhunderts in den Regalen verschimmeln. Welche Schätze liegen in den Archiven der öffentlich-rechtlichen Anstalten, die nicht mehr ausgestrahlt werden dürfen, weil niemand mehr weiß, wer die Rechte an diesem oder jenem Musikschnipsel oder eingeflochtenen Zitat hat?

Vieles kommt auch einfach gar nicht mehr zustande: Man lese, wie der Produzent und Regisseur C. Cay Wesnigk bei irights.info die Anforderungen an einen Dokumentarfilmer beschreibt, der für jedes Zitat eine Erlaubnis einholen muss: für jeden Popsong, der zufällig bei einem Gespräch im Hintergrund gespielt wird, für den Klingelton eines Handys, an das der interviewte Politiker während des Gesprächs geht, für jede Skulptur, die in einem nicht-öffentlichen Raum, zum Beispiel dem Innenhof des Kanzleramtes, steht: "Andere Szenen, die nicht verwendet werden dürfen, sind Archivmaterialien wie beispielsweise Ausschnitte von Filmen oder Fotografien, bei denen die Rechteinhaber nicht geklärt werden können oder die Rechte zu teuer sind. Man kann diese Beispiele fast beliebig fortsetzen und wird feststellen, dass man eigentlich immer, wenn man die Kamera anschaltet, um die Wirklichkeit - wie man sie gerade erlebt - abzubilden, mit einem Bein im Knast steht."

Heveling und seine Vorbeter in den Medien flunkern auch, wenn sie behaupten, das "geistige Eigentum" sei eine Errungenschaft der Französischen Revolution. Das stimmt allenfalls zur Hälfte. Die Französische Revolution ist viel eher die Frucht einer Zirkulation der Ideen wider alle Schranken als dieser Schranken selbst. Denn die revolutionären Ideen wurden in Form von Schwarzdrucken aller Autoren von Descartes bis Diderot aus den Niederlanden nach Frankreich zurückgeschmuggelt, wo sie oft genug verboten waren: Diese "Piraterie" war es, die die Revolution beflügelte. Die Verleger handelten im Eigennutz – und bewirkten doch das Gute!

Revolutionäre wie Thomas Jefferson formulierten zwar am Ende Urheberrechte, standen ihnen aber zugleich skeptisch gegenüber. Denn es handelt sich um Monopolrechte, die die freie Zirkulation schließlich behindern. Man entschied, sie für eine gewisse Zeit nach Erscheinen des Werks dennoch zu gewähren, um den Autoren eine wirtschaftliche Existenz zu ermöglichen: 14 Jahre, einmal erneuerbar. Ausschlaggebend war der Zeitpunkt der Veröffentlichung des Werks, nicht der Tod des Autors.

Erst heute ist der Tod des Autors wirklich der Tod des Autors.

Denn wessen Werk überlebt die Schutzfrist von siebzig Jahren nach dem Tod des Autors, die es umstellt? Ganz wenige Klassiker wie Thomas Mann und Franz Kafka spülen ihren Verlagen Jahrzehnte lang Millionen in die Kasse und ernähren nebenbei ein paar Erben, die nicht das geringste Verdienst daran haben. Aber die riesige Mehrheit der Autoren wird durch diese Schutzfrist endgültig in den Abgrund des Vergessens gezogen. Sie selbst dürften sich nichts sehnlicher gewünscht haben, als dass Nachlebende sich mit ihren Werken auseinandersetzen, sie zugänglich machen, mit ihnen arbeiten. Aber nun, wo es möglich wäre, sie für die gesamte Weltöffentlichkeit zu erschließen, liegen sie wie Blei in den Regalen der Nationalbibliotheken.

Die allermeisten dieser Autoren wären wohl mit der Opt-out-Lösung zufrieden gewesen, die Google für die "verwaisten Werke" vorgeschlagen hatte: Rechteinhaber und -nachfolger hätten jederzeit die Schranke wieder hochziehen dürfen. Aber nun ist die Idee als ganzes verwirkt. Google selbst hat inzwischen die Politik der Offenheit aufgegeben und verlangt auch für viele seiner eigenen Angebote, wie zum Beispiel die Einbindung von Google Maps, Geld.

Netzaktivisten mögen über Heveling herziehen, aber sie verkennen, wo in Deutschland der Hammer hängt. Ein Artikel in der Bild, dem Spiegel der oder FAZ ist für Politiker in Deutschland immer noch weitaus sexier als jede Facebook-Seite. So gesehen haben die Medien in Deutschland durchaus gute Chancen, die Landschaft in ihrem Sinne zu parzellieren. Je näher die Wahlen kommen, desto weicher werden die Knie der Politiker.

Zugleich sind die Medien natürlich selbst in der Defensive. Genau wie im Streit mit den Öffentlich-Rechtlichen geht es in Deutschland vor allem daraum, die Machtverhältnisse der vordigitalen Zeit ins Netz zu übertragen und den Status quo so lange wie möglich zu erhalten. Wenn sich die Politik etwa in der Frage der Leistungsschutzrechte auf das Gejammer einlässt, betoniert sie - nach der automatischen Existenzgarantie für die Öffentlich-Rechtlichen - die deutsche Medienlandschaft um so mehr - und macht sie am Ende nur um so angreifbarer.

Die tektonischen Verschiebungen finden aber ganz wo anders statt. Der Springer Konzern macht einen Jahresumsatz von 3 Milliarden Euro. Apple verbuchte allein im letzten Quartal einen Gewinn von 13 Milliarden Dollar! Mathias Döpfner wollte vor Steve Jobs niederknien, als dieser den Ipad brachte, aber aus Jobs' Perspektive ragte er auch damals schon kaum aus dem Staub zu seinen Füßen auf. Es war der Öffentlichkeit noch nicht so bekannt: Zu sehr war man daran gewöhnt, Apple als das gallische Dorf zu sehen, das sich als einziges gegen den jahrelang verhassten Bill Gates verteidigte. Nun ist Apple selbst bald in der Position des Big Brother, die es sich 1983 in dem berühmten Werbespot noch erträumte. Selbst Amazon und Google hecheln hinterher. Amazon macht Verlust. Google macht seine bescheidenen Milliarden mit hässlichen Kleinanzeigen.

Und alle lieben Apple. Der Konzern bedient die Instinkte kulturkonservativer Journalisten mit ihrer Sehnsucht nach einer spiegelblanken Dingästhetik ebenso wie die der Internetavantgardisten, die immer das Neueste wollen. Apple liebt man schon deshalb, weil man jedes Mal für eines dieser Geräte ein Opfer bringen muss: Iphone, Airbook, Ipad: Macht dreimal 600 Euro oder mehr. Apple hat die Logik des Luxus verstanden: Je höher die Marge, desto größer die Sehnsucht und die Dankbarkeit der Konsumenten.

Und wie viel eleganter flutschen nicht die Seiten auf dem Ipad mit seinen approbierten Inhalten als im grauen Computer mit den aufplatzenden Popups, den Viren und dem Kindersex! Auf dem Ipad wird die Welt, die im Internet noch so groß und gefährlich, aber auch so frei erschien, wieder beherrschbar. Das ist wohl auch der Grund, warum Mathias Döpfner niederknien wollte. Steve Jobs wollte Kontrolle – und hat sie bekommen. Und seltsamerweise fällt auf ihn nicht ein Schatten jener Kritik, die Bill Gates – der anders als Jobs immerhin für plattformübergreifende Offenheit stand – einst ertragen musste.

Jobs hasste alles Offene. Seine Geräte lassen sich nicht öffnen, ohne sie gleichzeitig zu zerstören. In seiner geplanten kreisrunden Konzernzentrale, berichtet Jobs' Biograf Walter Isaacson, wird niemand ein Fenster aufmachen können. Itunes ist ein Gegenbild zum Internet: hermetisch, kontrollierbar, Geld ausschwitzend.

Einen großen Teil seiner obszönen Gewinne macht Jobs' Konzern mit 30 Prozent Provision auf "geistiges Eigentum". Er schaffte es, den Kulturindustrien seinen eigenen Hass aufs Offene als Lösung ihres Problems zu verkaufen. Es passte allzu gut zusammen! Stets gab sich Jobs als Verteidiger des "geistigen Eigentums".

Die traditionellen Kulturindustrien haben in der Digitalisierung versagt und sich aufs Jammern verlegt. So konnte ihnen Jobs Itunes als Ersatz jener Plattform hinstellen, die sie selbst im Interesse der Urheber hätten bauen müssen, um den Internetnutzern überhaupt erst die Möglichkeit zu bieten, Inhalte legal herunterzuladen. Aus Angst vor den Möglichkeiten der neuen Technik, die ihnen das tradierte Geschäftsmodell zerstörten, haben sich die Inhalteindustrien freiwillig in die Hände der neuen Herrn über die Infrastruktur begeben: Apple, Google, Amazon und Facebook. Apple und die drei, vier anderen sind es, die sich schon längst an der Rendite des "geistigen Eigentums" mästen, während die Lobbyisten aus den Medien noch mit dem Finger auf 14-jährige Lady-Gaga-Fans und ihre Kostenlosmentalität zeigen.

Kriminalisieren die Medien die Nutzer, um möglicher Weise von der heißen Scham abzulenken, dass sie die Schlacht schon verloren haben und nur noch die schützende Hand des Staates suchen? Es ist jedenfalls fatal, dass die Medien in der bedrohlichen Konstellation, die sich jetzt abzeichnet, Partei sind - wenn auch eine der schwächeren. Die fällige Debatte über den Wandel der Öffentlichkeit können sie jedenfalls nicht führen. Zu stark werden sie regiert von ihren eigenen Interessen und Ängsten. Die Medien behaupten, für die Öffentlichkeit zu stehen. Aber sie stehen in der zentralen Debatte über die Öffentlichkeit selbst nur für deren Version 1.0.

Die Konstellation, die sich abzeichnet, wäre aber folgende: Die traditionelle Inhalteindustrie und die großen Infrastrukturkonzerne werden verschmelzen. Apple und Google haben Abermilliarden auf dem Konto: Die Medienkonzerne wären für sie nur ein amuse gueule. Die Medienkonzerne haben den Urhebern so viele Rechte wie möglich abgeknöpft, um sie am Ende den neuen Herren hinterherzuschmeißen. Am Ende gehört das "geistige Eigentum" in die Verfügungsmasse der Internetkonzerne. Zwei Gruppen sind die eigentlichen Verlierer: die Urheber, die keinen Weg mehr aus diesen Verwertungsketten finden, und die Nutzer, die sich ebenfalls nur noch in den von diesen Konsortien vorgezeichneten Bahnen bewegen dürfen. Dem "geistigen Eigentum" würde auf diesem Weg unter anderem auch die geistige Freiheit geopfert.

Inzwischen steht das Internet selbst auf dem Spiel. Dessen großartiger, anarchistischer, wilder Aufbruch droht, reprivatisiert zu werden. Richard Stallman hat schon vor Jahren eine negative Utopie entworfen, in der jeder Leser für jede Seite, die er liest, Gebühren entrichten muss. Die jetzigen Verteidiger des "geistigen Eigentums" in den heutigen Medien mögen dann schon kleine Angestellte in den neuen Konsortien sein. Geistiges Eigentum? There's an app for that!

Thierry Chervel

twitter.com/chervel