Magazinrundschau
Hanna Schygulla: Ich pfeife auf die Kunst!
Ein Blick in internationale Magazine. Jeden Dienstag ab 10 Uhr.
18.09.2007. In Le Point fordert der Anthropologe Malek Chebel, das Tabu der Sklaverei im Islam zu brechen. The Atlantic flirtet mit Facebook. Der Economist widmet sich dem Web 2.0 in China. Im Espresso konstatiert der Schriftsteller Suketu Mehta eine Machtverschiebung in Indien zugunsten der Dalit. In der New York Review of Books beobachtet der Rechtsphilosoph Ronald Dworkin eine jakobinische Revolution am Obersten Gerichtshof der USA. In der London Review nimmt der Historiker Perry Anderson die Selbstgefälligkeit der Europäer aufs Korn. In der Weltwoche pfeift Hanna Schygulla auf die Kunst. In Le Monde diplomatique kommt der Sinologe Wolfgang Kubin nach dem Genuss zweier Liangs nicht mehr auf sein Pferd.
Point | Weltwoche | New Statesman | Le Monde diplomatique | DU | Guardian | Magyar Narancs | Times Literary Supplement | al-Sharq al-Awsat | Economist | New York Review of Books | Nepszabadsag | Das Magazin | New Republic | Espresso | The Nation | Outlook India | The Atlantic | London Review of Books
Point (Frankreich), 13.09.2007
![](https://www.perlentaucher.de/cdata/fliess/B2/Q39/A18318/point.jpg)
Auch im aktuellen Nouvel Observateur stellt Chebel seine Thesen vor, ergänzt um einen Appell an die muslimischen Führer, den "grauen" Markt der Sklaverei in ihren Ländern zu beenden. "Sie sollten wissen, dass wir viele sind, Intellektuelle und muslimische Bürger, entschlossen, Sie in Ihren Initiativen zu unterstützen."
Bernard-Henri Levy meldet sich aus der Sommerpause zurück und räsoniert in seinen Bloc-notes über den eigenwilligen Republikanismus-Begriff, den Regis Debray in seinem neuen Buch "L'obscenite democratique" (Flammarion) ausbreitet. Demnach sei dessen Traum eine Welt, "in der man endlich gemeinsam träumen, lachen und schaudern kann, Millionen Köpfe, ein Körper". Levy schaudert es tatsächlich: "Bei der Vorstellung von 'einem Körper' für 'Millionen Köpfe', diesem Gehabe, um jeden Preis 'gemeinsam träumen' zu wollen, also einer für den anderen, dieser Manie, unsere irreduzibelste Privatheit um jeden Preis kollektivieren zu wollen, läuft es mir kalt den Rücken runter."
New York Review of Books (USA), 27.09.2007
Der Rechtsphilosoph Ronald Dworkin beobachtet eine jakobinische Revolution, die George W. Bush mit der Ernennung erzkonservativer Richter am Obersten Gerichtshof der USA losgetreten hat. Ein Grundsatz nach dem anderen werde revidiert: "Diese Doktrinen zielten darauf, die Rassentrennung zu reduzieren, die Demokratie vom großen Geld zu emanzipieren, einen vernünftigen Rahmen für die Freiheit des Gewissens und der Rede zu etablieren, die Rechte der Frauen auf Abtreibung zu bewahren und zugleich Bedenken über die Ausübung dieses Rechts zu berücksichtigen, sowie schließlich faire und effektive Prozesse im Strafrecht zu ermöglichen. Wie Stephen Breyer in einer seltenen Klage von der Richterbank erklärte: 'Es kommt in der Justiz nicht oft vor, dass so wenige so viel so schnell verändert haben.' Es wäre falsch zu glauben, dass diese rechte Phalanx in ihrem Eifer von einer sehr konservativen juristischen oder politischen Ideologie getrieben ist. Sie scheint eher von überhaupt keinem juristischen oder politischen Grundsatz getrieben, sondern allein von parteilicher, kultureller und vielleicht religiöser Verpflichtung."
Weiteres: Janet Malcolm kann David Shipleys and Will Schwalbes Handbuch für den überlegten E-Mail-Gebrauch "Send" nur jedem dringend ans Herz legen, der mit diesem verhängnisvollen Hochleistungsgerät umgeht. Sanford Schwartz hat sich Neo Rauchs Ausstellung in New Yorks Metropolitan Museum angesehen und fühlt sich sehr an Bacon, Balthus und de Chirico erinnert, sieht aber auch Anklänge an Herge und Winsor McCay. Ian Buruma liest die Kampfschrift "World War IV: The Long Struggle Against Islamofascism" des neokonservativen Patriarchen Norman Podhoretz und findet darin eine "seltsame Sehnsucht nach dem Kriegszustand". Michael Tomasky ist sich zwar nicht sicher, ob Al Gore noch einmal als Präsidentschaftskandidat antreten sollte, aber über den neuen, von seinen politischen Beratern befreiten Citizen Gore (unter deren Ägide hatte er nicht einmal die Kreationismus-Lehre in den Schulen von Kansas kritisiert) kann er nur staunen.
Weiteres: Janet Malcolm kann David Shipleys and Will Schwalbes Handbuch für den überlegten E-Mail-Gebrauch "Send" nur jedem dringend ans Herz legen, der mit diesem verhängnisvollen Hochleistungsgerät umgeht. Sanford Schwartz hat sich Neo Rauchs Ausstellung in New Yorks Metropolitan Museum angesehen und fühlt sich sehr an Bacon, Balthus und de Chirico erinnert, sieht aber auch Anklänge an Herge und Winsor McCay. Ian Buruma liest die Kampfschrift "World War IV: The Long Struggle Against Islamofascism" des neokonservativen Patriarchen Norman Podhoretz und findet darin eine "seltsame Sehnsucht nach dem Kriegszustand". Michael Tomasky ist sich zwar nicht sicher, ob Al Gore noch einmal als Präsidentschaftskandidat antreten sollte, aber über den neuen, von seinen politischen Beratern befreiten Citizen Gore (unter deren Ägide hatte er nicht einmal die Kreationismus-Lehre in den Schulen von Kansas kritisiert) kann er nur staunen.
Espresso (Italien), 14.09.2007
![](https://www.perlentaucher.de/cdata/fliess/B2/Q17/A18307/espresso.jpg)
The Nation (USA), 01.10.2007
![](https://www.perlentaucher.de/cdata/fliess/B2/Q25/A18317/nation.jpg)
Outlook India (Indien), 24.09.2007
![](https://www.perlentaucher.de/cdata/fliess/B2/Q15/A18312/outlook.jpg)
Die Titelgeschichte widmet sich der indischen Haute Couture, Shefalee Vasudev fasst zusammen: "Ein bisschen Geschäft, viel Hype, einige furchtbare Kollektionen, einige wunderbare; eine Wiederbelebung indischer Textilien im Design, Manisha Arora und Anamika sind im nächsten Monat auf der Pariser Modewoche vertreten; ein wachsender lokaler Markt - und plötzlich ist das Glas der indischen Mode halb voll."
The Atlantic (USA), 01.10.2007
![](https://www.perlentaucher.de/cdata/fliess/B2/Q7/A18314/atlantic.jpg)
London Review of Books (UK), 20.09.2007
![](https://www.perlentaucher.de/cdata/fliess/B2/Q10/A18306/lrb.jpg)
Weitere Artikel: Der Übersetzungsexperte Tim Parks bespricht den nun in englischer Sprache erschienenen Roman "That Awful Mess on the Via Merulana" von Carlo Emilio Gadda, Hal Foster hat neue Bücher über den Star-Architekten Renzo Piano gelesen, Hilary Mantel schreibt über zwei Studien zum Umgang mit Aids in Afrika. Michael Woods hat Filme von Bergman und Antonioni wiedergesehen und findet, dass die Kino-Ära, für die die beiden standen, schon vor langer Zeit zuende ging. Elisabeth Ladenson denkt über Marie Darrieussecqs Roman "Tom est mort" und die Fallstricke der "Autofiktion" (also der Vermischung von Fiktionalem und Autobiografischem) nach.
Weltwoche (Schweiz), 13.09.2007
![](https://www.perlentaucher.de/cdata/fliess/B2/Q26/A18284/weltwoche.jpg)
Aus dem Irak berichtet Urs Gehriger vom Aufstand der Stämme im Irak gegen al Qaida: "Auslöser war ein Streit um eine Frau. Um in einer Region Fuß zu fassen, hat al-Qaida sich angewöhnt, die eigenen Führer mit Frauen aus den führenden lokalen Stämmen zu verheiraten. So tat sie es in Somalia, Indonesien und besonders erfolgreich in Pakistan und Afghanistan. Damit knüpfte sie eine Verbindung mit der traditionellen Gesellschaft, mit der Zeit wurde al-Qaida Teil der sozialen Landschaft, was ihr erlaubte, lokale Leute und Politik zu manipulieren. Im Irak jedoch verfing al-Qaidas Heiratstaktik nicht... Als ein Scheich in der Provinz Anbar sich weigerte, seine Tochter mit einem Al-Qaida-Kommandanten zu verheiraten, töteten die Terroristen den Scheich. Dies verpflichtete den Stamm zur Blutrache. Die Terroristen wiederum antworteten mit immenser Brutalität, töteten die Kinder eines prominenten Stammesführers. Dies war das Fanal für den Aufstand."
New Statesman (UK), 17.09.2007
![](https://www.perlentaucher.de/cdata/fliess/B2/Q28/A18316/newstatesman.jpg)
Le Monde diplomatique (Deutschland / Frankreich), 15.09.2007
Der Sinologe und Lyriker Wolfgang Kubin berichtet von einer Reise durch die Landstriche der Uiguren und Kirgisen in China. "Wer bei Kirgisen 'von einem Pferd absteigt', hat auch von Kirgisen beköstigt zu werden. Wir wissen, was das bedeutet. Während des Essens werden wir, die wir auf dem Boden hocken, in Zehnergruppen eingeteilt und sollen mit den Herren des Hauses im Wechsel große Schnapsschalen leeren. Jede Schale, gefüllt mit zwei Liang, ist auf einem Tablett in Empfang zu nehmen, ex zu trinken und wieder auf das Tablett zurückzustellen. Ich bin der Einzige, der in kleinen Schlucken trinkt. Bei der zweiten Runde geben die Ersten auf und müssen sich verziehen. Wer jetzt noch keine Probleme hat, wird noch welche bekommen. Doch wir wissen noch nicht, wann dies der Fall sein wird, da wir nie daran gedacht haben, dass, wer von einem Pferd steigt, auch wieder auf ein Pferd aufsteigen muss."
Außerdem resümiert Ana Maria Sanjuan acht Jahre Herrschaft von Chavez in Venezuela, während Pierre Daum französische Marokkaner auf den Jahresurlaub in der Heimat begleitet.
Außerdem resümiert Ana Maria Sanjuan acht Jahre Herrschaft von Chavez in Venezuela, während Pierre Daum französische Marokkaner auf den Jahresurlaub in der Heimat begleitet.
DU (Schweiz), 01.09.2007
![](https://www.perlentaucher.de/cdata/fliess/B2/Q86/A18321/du.jpg)
Außerdem in Auszügen online zu lesen ist Mareike Fuchs Interview mit Tatort-Erfinder Günter Witte, der sich immer noch königlich über einstige Coups amüsiert. "Manchmal waren wir sehr zufrieden. Franz Josef Strauss hatte nach dem sfb-Tatort 'Tod im U-Bahn-Schacht' richtiggehend Schaum vorm Mund. Da ging es um einen Gastarbeiter." Jana Scheerer von ihrer persönlichen Tatort-Konfrontationstherapie. Nur im Print kritisiert Mark Terkessidis die Darstellung der Provinz als unauthentisch, und Maxim Biller lernt etwas über die Demokratie.
Guardian (UK), 15.09.2007
![](https://www.perlentaucher.de/cdata/fliess/B2/Q75/A18319/guardian.jpg)
Magyar Narancs (Ungarn), 13.09.2007
![](https://www.perlentaucher.de/cdata/fliess/B2/Q91/A18308/narancs.jpg)
Times Literary Supplement (UK), 14.09.2007
![](https://www.perlentaucher.de/cdata/fliess/B2/Q23/A18285/tls.jpg)
Außerdem besprochen werden Clive James' Notate "Cultural Amnesia", Diana Pavlac Glyers Doppelporträt von C.S. Lewis und J.R.R. Tolkien "The Company They Keep" und eine Ausgabe von Harriet Martineaus "Collected Letters".
al-Sharq al-Awsat (Saudi Arabien / Vereinigtes Königreich), 12.09.2007
"Und schließlich wurde die Fatah zu einer islamischen Bewegung" - so lautet der lapidare Titel eines Berichts aus Gaza und Ramallah. Osama Alaysa schildert die dramatischen Veränderungen, die sich in der jüngeren Vergangenheit in der palästinensischen Gesellschaft abzeichneten. Sowohl die Hamas als auch die Fatah setzen auf massive Repressionen des politischen Gegners. Zeitungen, Forschungseinrichtungen und Kulturzentren, die dem anderen Lager zugeschrieben werden, werde oft kurzfristig jede weitere Arbeit untersagt. In diesem Konflikt bezieht sich die Fatah immer öfter auch auf die Religion als Argument gegen die Hamas, die als Handlanger des Iran dargestellt wird: "Das deutlichste Zeichen für das Aufweichen der säkularen Identität der Fatah und ihrer linken Bündnispartner könnte der Slogan sein, den ihre Anhänger während der Protestveranstaltungen gegen die Hamas rufen: 'Schia, Schia!' (?) Bei vergangenen Gelegenheiten, als der Konflikt zwischen Hamas und Fatah noch in den Anfängen steckte und noch nicht militärisch ausgetragen wurde, sind Führer der Fatah wie Mahmud Abbas eingeschritten, um die Menge aufzufordern, mit dem Rufen dieser Slogans aufzuhören. Die Menge hat nicht darauf gehört. Mittlerweile gibt es niemand mehr, der sie auffordert, diesen spalterischen Slogan zu unterlassen."
Economist (UK), 13.09.2007
![](https://www.perlentaucher.de/cdata/fliess/B2/Q14/A18304/economist.jpg)
Außerdem geht es um aus Russland eingewanderte Neo-Nazis in Israel, den Boom der Journalistenausbildung in den Entwicklungsländern, die arabischen Wurzeln der türkischen Musik, Sex-Erziehung in Indien, überwundene Mietprobleme für die Londoner Gelehrten-Gesellschaften, den neuen Karikaturenstreit in Schweden. Besprochen werden Martin Bells Buch "The Truth that Sticks", eine kritische Einschätzung der Ära Blair, Melvyn Pl. Lefflers Geschichte des Kalten Krieges mit dem Titel "For the Soul of Mankind" und Ann Patchetts neuer Roman "Run". Luciano Pavarotti wird eines Nachrufs gewürdigt.
Die Titelgeschichte widmet sich dem Irak-Krieg mit der programmatischen Überschrift: "Warum sie bleiben sollten".
Nepszabadsag (Ungarn), 11.09.2007
![](https://www.perlentaucher.de/cdata/fliess/B2/Q89/A18309/nepsabdszag.jpg)
Das Magazin (Schweiz), 15.09.2007
Warum erregt sich die westliche Friedensbewegung über den Irak-Krieg, aber nicht über den den Völkermord in Darfur?, fragt Peter Haffner. Dabei wäre Druck auf die UNO entscheidend: "Die Uno ist selten mehr als die Summe ihrer Teile, das heißt der im Sicherheitsrat vertretenen Großmächte. Diese müssen willens sein, wenn gehandelt werden soll, und das sind sie meist nur, wenn ihre vitalen Sonderinteressen gefährdet sind. Dazu gehören die allgemeinen Menschenrechte nicht. Damit sich diesbezüglich etwas bewegt, braucht es Druck von unten. Auf solchen Druck durfte die Bevölkerung von Darfur als Opfer nichtamerikanischer Bösewichter nicht zählen. Es ist müßig zu spekulieren, wie viele noch am Leben wären, hätte diese Katastrophe die Gemüter so erregt wie der Krieg im Irak."
New Republic (USA), 10.09.2007
![](https://www.perlentaucher.de/cdata/fliess/B2/Q27/A18320/newrepublic.jpg)
Aufmacher der letzten Printausgabe ist ein Kapitel aus einem Buch des TNR-Redakteurs Jonathan Chait, das beschreibt, wie die amerikanische Politik unter den Bann einiger Superreicher geriet: "Die amerikanische Politik ist von einem winzigen Klüngel rechter Wirtschaftsextremisten gekapert worden, einige von ihnen sind Fanatiker, andere nur gierig, und manche womöglich verrückt."
Point | Weltwoche | New Statesman | Le Monde diplomatique | DU | Guardian | Magyar Narancs | Times Literary Supplement | al-Sharq al-Awsat | Economist | New York Review of Books | Nepszabadsag | Das Magazin | New Republic | Espresso | The Nation | Outlook India | The Atlantic | London Review of Books