Magazinrundschau - Archiv

Merkur

228 Presseschau-Absätze - Seite 6 von 23

Magazinrundschau vom 05.03.2019 - Merkur

In Zeiten globalisierter Finanzströme, internationaler Migrationsbewegungen und supranationaler Netzwerke schwindet die Vorstellung, ein politisches und soziales Gemeinwesens könnte weiterhin mit der Nation deckungsgleich sein. Die Soziologin Conelia Koppetsch sieht die bürgerlichen Mittelschichten im aufkommenden Kultur- und Klassenkampf in zwei Lager gespalten: Das kosmopolitisch-neobürgerliche Lager mit seiner Vision eines digitalen oder 'grünen' Kapitalismus und das eher sozialdemokratische Lager mit seinem Ethos der nivellierten Mittelschichtsgesellschaft: "Worin sich die Positionen unterscheiden, ist die Frage, wo die Grenzen der Gemeinschaft imaginiert werden und wer im gesellschaftlichen Wir aufgehoben sein soll. Während die Vertreter der nivellierten Mittelschichtsgesellschaft sich aus den (unteren) Mittelschichten rekrutieren, deren Lebensführung und Lebenschancen in besonders hohem Maße an die Nation und die Funktionsfähigkeit des Wohlfahrtsstaates gebunden sind und die darum eher zur nationalen Schließung der Gemeinschaft neigen, orientieren sich die Vertreter des globalen Kapitalismus, die aus den stärker transnationalisierten Fraktionen der oberen Mittelschicht kommen ... stärker an Strukturen und Deutungsangeboten jenseits des Nationalstaats. Beiden gemeinsam ist jedoch der Rekurs auf soziale Schließung: Auch wenn sich die kosmopolitischen Milieus der akademischen Mittelklasse dies nicht eingestehen möchten, so verteidigen auch sie auf scheinbar offen-inklusive Weise einen exklusiven Lebensraum. Zwar sieht sich die obere Mittelschicht als Träger einer weltbürgerlichen und im globalen Maßstab repräsentativen Kultur (Friedrich Tenbruck) und fühlt sich einem Ideal universalistischer Teilhabe- und Aufstiegschancen verpflichtet... Gleichwohl bleibt die weltbürgerliche Kultur - vorläufig jedenfalls - zumeist auf ihre akademischen Trägergruppen beschränkt, die sich über kulturkosmopolitische Lebensstile vergesellschaften, dabei eine Verschmelzung mit hochgebildeten Migranten (expats) anstreben, sich aber zugleich nach unten abgrenzen."

Magazinrundschau vom 05.02.2019 - Merkur

Und was, wenn Westdeutschland gar nicht der Normalstandard wäre, an dem sich die Ostdeutschen ständig messen lassen müssen? In einem rhetorisch etwas anstrengenden Text erinnert der Historiker Jürgen Große, wie viel Verachtung und billige Stereotype die Ostdeutschen in den vergangenen drei Jahrzehnten über sich ergehen lassen mussten. Wen störte schon, dass selbst Angela Merkel in der CDU jahrelang nur als Zonenwachtel tituliert wurde? "Vieles, was die industrielle Moderne ausmacht, haben Ostdeutsche gründlicher absolviert: Glaubensschwund etwa oder Frauenemanzipation. Im Osten erregt der Kampf um Gender-Sterne oder gegen Gomringer-Gedichte bestenfalls Heiterkeit. Zu sehr dementiert er die Existenz jenes Selbstbewusstseins, das dadurch behauptet werden soll. Das gilt auch für andere Selbstzuschreibungen. Wenn es so etwas wie eine ostdeutsche 'Identität' geben sollte, dann würde diese sich in Identitätspolitik kulturlinken Typs wahrscheinlich auflösen. Nicht die Artikulation des eigenen Andersseins, sondern die Analyse jenes Daseins, das zu seiner Selbstvergewisserung so dringend dieses Andersseins bedarf, verspricht kognitiven Gewinn. Mehr dürfte für die ostdeutsche Minderheit vorerst nicht drin sein."

Außerdem: Heide Volkening schreibt über den plötzlich populär gewordenen, dabei tief in den Erfahrungen von Rostock und Greifswald verwurzelten Politpunk von Feine Sahne Fischfilet.

Magazinrundschau vom 08.01.2019 - Merkur

Robin Detje erinnert sich an seine Zeit als Schauspielschüler an der Münchner Otto-Falckenberg-Schule, wo er einem doppelten Trauma ausgesetzt war, der erdrückenden Spießigkeit der ZDF-Fernsehwelt und der scheinheiligen Bürgermoral der Kammerspiele: "Die Ausbildung ist so: Ich soll ganz ich selbst sein, aber auch verwertbar, und am verwertbarsten bin ich, wenn ich an einen Erfolgsschauspieler erinnere, das aber ganz aus meiner Mitte heraus. (Ich bin 'der neue Edgar Selge'.) Außerdem soll ich mich öffnen, auch das möglichst ganz. Ich soll meinen Körper kontrollieren, aber auch entgrenzen lernen, und zwar um die Fantasien eines Regisseurs zu verkörpern, der mich kontrollieren wird. Ich soll verfügbar sein, egal ob für Derrick oder Dieter Dorn. Ob man Fortschritte macht, entscheiden Lehrer und Lehrerinnen, die bei Bedarf durchaus auch mit einem schlafen wollen. Es fällt mir heute schwer, das alles nicht als Einübung von Missbrauchsbereitschaft zu verstehen."

Und Harun Maye beerdigt mit der Spex und den Printausgaben von New Musical Express, Intro, De:Bug, Neon und jetzt eigentlich auch gleich die Popkultur: "Sobald sich Nonkonformität und Dissidenz finanziell auszahlen, erzeugen sie kein symbolisches Kapital mehr. Die Popkultur wurde zur Avantgarde ihrer eigenen Abschaffung. Spätestens seit Kurt Cobain ist der Rock'n'Roll-Rebell, den David Bowie, Ozzy Osbourne und andere einst gefeiert haben, zum Idol der Kulturindustrie und des Mainstream geworden. Alternative Lebensmodelle, Nonkonformität und Dissidenz waren plötzlich mehrheitsfähig. Die ehemaligen Spex-Redakteure Tom Holert und Mark Terkessidis haben diese Entwicklung auf den Begriff 'Mainstream der Minderheiten' gebracht: 'Wo sich Dissidenz einmal des Konsums bediente, so bediente sich nun der Konsum der Dissidenz … Pop ist in diesem Sinne nichts anderes als eine Shopping Mall.'"

Magazinrundschau vom 04.12.2018 - Merkur

Mit #MeToo sind auch die letzten Burgen des Regietheaters unter Beschuss gekommen. Gut so, meint der Theaterwissenschaftler Kai van Eikels und holt zu einer Generalabrechnung mit einem Machtgefüge aus, in dem der Regisseur den Autor vom Thron stürzte, um sich selbst als Herrscher der Kunst zu installieren, der seine Vision von einer egalitären Gesellschaft mal subtil, mal krachig von der Bühne verkünden ließ: "Nachdem Begriffe wie Sexismus, Rassismus und Diskriminierung so verbreitet und populär verfügbar geworden sind, dass auch Schauspielerinnen und Assistentinnen sich in kritischer Absicht darauf zu berufen trauen, ruft das Herrschaftsgebaren von Regisseuren schließlich die Empörung hervor, die über Jahrzehnte ausgeblieben war, obwohl viele um die Gewalt im Arbeitsalltag der Stadt- und Staatstheater wussten. In den Reaktionen derer, gegen die Vorwürfe erhoben werden, hört man neben einer Mischung aus Larmoyanz und Anwaltsberatung echte Fassungslosigkeit darüber, dass so konkrete, unzweideutig wörtlich moralische Anschuldigungen auf einmal zählen sollen. Muss man das nicht reflexiver sehen? Nein, lautet die gegenwärtige Antwort, muss man nicht. Die Stärke dieser neuen Auseinandersetzung mit Theaterarbeit - und künstlerischer Arbeit überhaupt - liegt eben im Insistieren auf dem Recht des einfältig Realen, wie die Frage 'Ist das gut?' es zum Vorschein bringt. Das oft als Moralismus Geschmähte wendet sich im Namen von banalen, aber realen Einzelheiten gegen eine Souveränität, die ihre Übergriffe gerne damit legitimiert, einem komplexeren, anspruchsvolleren, Opfer erfordernden Ganzen zu dienen."

Wir müssen reden? Von wegen! Mündliche Kommunikation wird völlig überschätzt, findet Kathrin Passig, oft von Psychologen, aber auch von Leuten mit fiesen Privilegien: "Naturgemäß kommt die Verteidigung der Mündlichkeit vor allem aus Gruppen, die durch physische Anwesenheit Vorteile genießen, also von Personen mit unproblematischen Körpern, die redegeübt und sozialkompetent sind und es sich leisten können, zur richtigen Zeit lange genug am richtigen Ort zu sein."

Magazinrundschau vom 06.11.2018 - Merkur

Der Rechtsphilosoph Uwe Volkmann ist sich nicht sicher, ob eine demokratische Gesellschaft ohne normative Standards oder Werte auskommen kann. Aber wer soll diese Standards festsetzen? Oder sind "Werte" nur eine etwas unbeholfene Formulierung für Bürgersinn und demokratisches Ethos? In der Rechtswissenschaft jedenfalls erodiert Volkmann zufolge der Wertbegriff schon, im NPD-Urteil wollte das Bundesverfassungsgericht selbst die rechtsextreme Partei nicht mehr auf demokratische Werte verpflichten. Und der Aufstieg der Werte war schon in den fünfziger Jahren so ambivalent wie die Kritik an ihnen, weiß Volkmann: "Begleitet wurden dieser Aufschwung der Werte und ihre Verwandlung in eine amtliche Ethik allerdings immer schon von einem Grundrauschen der Kritik am ideologischen Charakter der ganzen Veranstaltung. Ihre bis heute maßgebliche Programmschrift hat sie in Carl Schmitts 'Tyrannei der Werte' gefunden, die den Hauptvorwurf schon in ihrem Titel trägt." So dubios man Carl Schmitt heute findet, sein Haupteinwand, so Volkmann, "steht in der Sache auch heute noch hinter aller Kritik: Die Werte, so schrieb er, hätten kein Sein, sondern nur eine Geltung, sie drängten auf fortlaufende Realisierung ihres Gehalts, immer wolle sich der höhere Wert gegen den niedrigeren durchsetzen, der Wert an sich gegen den Unwert, der am Ende ausgemerzt und vernichtet werden müsse. Auf diese Weise unterwerfen sich die Werte, sekundierten andere später, zuletzt auch die Freiheit, die nur noch auf Wertrealisierung hingeordnet wird."

Holger Schulze beobachtet in seiner Klangkolumne, wie Sprachassistenten nicht nur zu einer Merkantilisierung der Privatsphäre führen, sondern auch zu einer Domestizierung der Eigentümer: Alle sprechen mit erhobener Stimme und streberhaft überdeutlichem Duktus: "Mit der Zeit mag dieser sich abschleifen, doch die Erwartung an die Spracheingabe ist, dass sie eine erhöhte Klarheit und Deutlichkeit des Sprechens benötigt - ähnlich wie offenbar auch ein Hausherr seinem Dienstpersonal oder ein höherrangiger Militär seinen Untergebenen überdeutlich und unmissverständlich Befehle erteilt."

Magazinrundschau vom 02.10.2018 - Merkur

Anatol Schneider verbeugt sich vor dem Ahnherr der Sterneköche, vor François-Pierre de La Varenne, der 1651 mit seinem Kochbuch "Le Cuisinier français" die Haute Cuisine begründete. Dabei dürfe man sich die hohe Küche nicht einfach als Fortsetzung der höfischen Küche des Mittelalter oder der Renaissance vorstellen, erklärt Schneider, vielmehr verdanke sie sich der Rationalisierung der anbrechenden Neuzeit, der politischen Entmachtung des Adels, dem Buchdruck und der kolonialen Erschließung der Welt: "Was nun zeichnet diese neue Küche nach dem Ende der höfischen Bankettkultur des Spätmittelalters und der Renaissance aus? Da ist die Abkehr von den orientalischen Gewürzen, von denen zunächst nur wenige und in reduzierter und pointierter Verwendung überdauern - wie Zimt oder Nelke. An ihre Stelle treten in verstärktem Maß die auch heute noch gängigen Küchenkräuter, Petersilie, Thymian, Rosmarin und andere. Generell werden die dezentere Würzung und eine stärkere Hinwendung zum 'natürlichen Geschmack' favorisiert. Auch im Hinblick auf die Auswahl der Speisen ändert sich einiges - die großen Vögel verschwinden völlig, gleichzeitig nimmt die Differenziertheit bei der Verwendung von Schlachttieren zu. Das sind Entwicklungen, die sich auch in La Varennes Werk finden. Was ihn aber zum Ahnherrn der modernen Haute Cuisine macht, ist etwas anderes: Es ist die innere Organisation, die das neue Kochen auszeichnet - seine Modularität."

Außerdem verabschiedet jetzt auch der frühere Merkur-Herausgeber Karl Heinz Bohrer mit einem Nachruf seinen fremden Genossen Kurt Scheel, der nichts so verabscheute wie "Franzosenphilosophie" und französische Gedichte: "Auch dies entsprach seinem 'moralischen Pragmatismus': Roman-Sätze hörten sich 'wahr' an, wenn sie gut waren. Sie erfassten Menschen und ihre Wirklichkeit. Was in den französischen Gedichten stand, war ausgedacht, überkandidelt, zum Teil pompös, so sein Empfinden. Und pompöse Menschen, also eine ganze Reihe Intellektueller, mochte Kurt Scheel auch nicht."

Magazinrundschau vom 04.09.2018 - Merkur

Die Soziologin Cornelia Koppetsch glaubt nicht daran, dass sich der Aufstieg des Rechtspopulismus damit erklären lässt, dass die Linke die soziale Frage vernachlässigt habe. Sie sieht darin eher das Ergebnis einer gesellschaftlichen Schließung, mit dem CDU und AfD den von den 68ern eingeleiteten Öffnungsprozess beendet hätten: "Eliten und herrschende Gruppen schotten sich ab, und anstelle von Pluralisierungstendenzen finden sich verschärfte Anpassungs-, Vereinheitlichungs- und Konformitätszwänge. Auch das Politische befindet sich auf dem Rückzug. Die Idee der reflexiven Gestaltung des Sozialen, die durch die Jugendkultur der Alternativbewegungen in den 1980er Jahren in die Gesellschaft hineingetragen worden war, wurde zunächst aus dem Alltagsleben getilgt und schließlich auch durch die expertokratische Politik der Alternativlosigkeit und den Rückbau demokratischer Verfahren der Entscheidungsfindung aus den politischen Institutionen vertrieben. Die daraus entstandenen Mentalitäten sind zwar nicht explizit rechts, doch enthalten sie eine spezifische Grundbotschaft: Die Gesellschaftsordnung ist nicht verhandelbar und verlangt unbedingte Anpassung und Unterordnung."

Weiteres: In seiner Architekturkolumne geißelt der Architekt Philipp Oswalt die baupolitische Schizophrenie Baupolitiker in der Frankfurter Altstadt: "Es ist eine Medienarchitektur, die aus technischen Bildern generiert nun vor allem der Erzeugung neuer medialer Bilder dient."

Magazinrundschau vom 14.08.2018 - Merkur

Elena Meilicke denkt über "crazy walls" nach, womit keine architektonische Raffinesse gemeint ist, sondern die Diagramme und Mind-Maps, die in nahezu jedem gängigen, einigermaßen zeitgenössischen Kriminalfilm auftauchen, sobald die Kamera in die Büros der Ermittler wechselt und deren Ermittlungspartikel zu einer hoffentlich sinnstiftenden Struktur bündeln soll. Die klassischen Ermittler - von Dupin bis Miss Marple - kamen noch ohne solche Hilfsmittel aus. "Doch seit der Jahrtausendwende etwa befinden wir uns genretechnisch in einem neuen Zeitalter: im Zeitalter des 'Post-It Procedural' (Richard Benson), also des Klebzettel-Krimis. Seither werden zu jedem Verbrechen Überblicksdarstellungen und Schaubilder erstellt, seither wird geklebt und geheftet, gezeichnet und geschrieben: ein Großeinsatz von Schreibwaren und paper tools, Ermittlung als (Büro)Materialschlacht. ... Einem zeitgenössischen Publikum muss diese Form der Ermittlung, diese visuelle Aufbereitung von Wissen und Informationen sofort einsichtig und plausibel erscheinen - schließlich ist auch sein Alltag längst von diagrammatischen Bild- und Denkformen durchdrungen. Man hat sie lesen und deuten gelernt, man vertraut auf ihre Fähigkeit, Unsichtbares sichtbar zu machen und dem Formlosen eine Form zu geben."
Stichwörter: Krimi, Diagramme, Tool

Magazinrundschau vom 07.08.2018 - Merkur

In einem wirklich mitreißenden Artikel erklärt der Astronom Aleks Scholz, was für eine unglaubliche Datensammlung das auf den Satelliten Gaia montierte Teleskop für die Vermessung des Universums gebracht hat. Und übers Internet arbeiten Wissenschaftler und Laien auf der ganzen Welt an der Auswertung mit: "Alexey Mints vom Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung in Göttingen bestimmt das Alter und die Masse für dreieinhalb Millionen Sterne. Charlie Conroy und seine Kollegen aus Harvard verwenden Farben, Helligkeiten und Parallaxen, um weit entfernte Rote Riesen zu identifizieren und mit ihnen die Morphologie der Milchstraße zu untersuchen. Unsere Galaxie ist nicht nur irgendein Klumpen im Universum, sondern ein komplexes Gebilde mit Spiralarmen, Bändern und Strömen aus Sternen, Strukturen, die uns etwas über unsere Herkunft mitzuteilen haben. Marina Kounkel von der Western Washington University und ein internationales Team benutzen HRDs in Kombination mit Eigenbewegungen und Spektren, um die Sternentstehungsregionen im Orion neu zu kartieren. Seit zwanzig Millionen Jahren gebiert Orion neue Sterne. Die massivsten unter ihnen explodieren, und die Druckwelle der Explosion startet die nächste Welle der Sternentstehung. Gaswolken verwandeln sich in Sternhaufen. Eine neue Stadt mit Tausenden Lichtern steht am Himmel."
Stichwörter: Astronomie, Gaia, Scholz, Aleks

Magazinrundschau vom 03.07.2018 - Merkur

Christian Demand knöpft sich die Zeitschrift Arsprototo vor, in der die Kulturstiftung der Länder über Aktivitäten und neueste Erwerbung informiert, und zwar in einer für Demand schwer zu verkraftenden Mischung aus Renommierprosa, Expertengestus und sentimentaler Metaphorik: "Worüber auch immer die Zeitschrift berichtet, man kann darauf wetten, es ist 'einzigartig' und /oder 'legendär'. Einzigartig sind die Sammlungen, von denen die Rede ist, einzigartig ihre Qualität, einzigartig ihre Wirkung, einzigartig schließlich auch der Glücksfall, der die Erwerbung oder auch Instandsetzung möglich machte. Legendär sind Ausstellungen, Galeristen, Sammler, Kunsthistoriker. Exponate wiederum sind wenigstens 'hochkarätig' ('Fürstenkultur vom Feinsten')."

Politikwissenschaftler Herfried Münkler entwirft vom obersten Feldherrenhügel aus eine neue Weltordnung, in der die Geografie wieder in ihr Recht gesetzt wird. Denn jetzt ist Realpolitik gefragt, die Erzählung vom Westen als Wertebündnis hat ausgedient, wie Münkler instruiert: "Es ist eine Erzählung für diejenigen, denen es um politische Wärme und Wohlfühlen geht, also Geschichtspolitik für einfache Gemüter. Sie muss im Vorfeld politikstrategischer Überlegungen dekonstruiert werden."