Ekkehard Knörer
kommt in seiner Literaturkolumne noch einmal auf
Clayton Childress' letztes Jahr erschienene literatursoziologische Studie
"Under the Cover" zurück. Childress untersucht in seiner Pionierarbeit die Entstehung eines literarischen Werkes, von der Kreation über die Produktion zur Rezeption. Unter anderem erfährt Knörer aus der Studie, wie
tendenziell instabil das Verlagssystem ist und welche Asymmetrien es hervorbringt: "Eine Zahl, nicht von Childress selbst erhoben, ohnehin schwer zu erheben, von ihm auch eher nebenbei erwähnt, aber für alle erstaunlich ist, die sich nicht auskennen: Das Geschäft mit dem Buch ist in der großen Mehrzahl der Fälle ein Verlustgeschäft.
85 Prozent der belletristischen Bücher spielen die mit ihnen verbundenen Ausgaben nicht wieder ein. (Das ist die Zahl für die Vereinigten Staaten, in Deutschland sieht es wohl ähnlich aus.) Das heißt: Wenige erfolgreiche Titel müssen das
weite Feld des schlecht Verkäuflichen querfinanzieren. Jedes Verlagsprogramm ist also eine
recht riskante Wette darauf, dass es ein oder zwei oder drei solcher weit überdurchschnittlich erfolgreicher Titel enthält. Und wenn nicht dieses Programm, dann doch das nächste."
Außer vielleicht in den Gedichten von
Marion Poschmann und
Anja Utler interessiert sich die zeitgenössische Literatur nicht für das
Sterben der Arten,
bedauert der in Newcastle lehrende Germanist
Bernhard Malkmus. Das Anthropozän werde intellektuell wegkuratiert, Klimawandel, Bodenerosion und Meeresversauerung spielten keine Rolle: "Im Hinblick auf ökologische Fragestellungen ist die literarische Imagination eingeschnürt in ein Korsett aus strengen Sprach- und Diskursregeln: Vermeidung jeder affirmativen Haltung zur Natur, die nichts weiter sei als ein soziales Konstrukt;
bloß keine Misanthropie, an der unveräußerlichen Vernunftbegabung des Menschen ist nicht zu zweifeln; Ironie ist in Ordnung, aber bitte keine Satire."