Magazinrundschau
Unerlässliche Amnesien
Ein Blick in internationale Magazine. Jeden Dienstag Mittag
02.02.2016. Die New York Review of Books und der Merkur lesen Ta-Nehisi Coates' Essay über den Rassismus in Amerika. In Telerama beschreibt Omar Sy die unterschiedlichen Erfahrungen amerikanischer und französischer Schwarzer. Im New Yorker denkt Elif Batuman über die Verlockungen der Unterwerfung nach. In Hospodarske noviny warnt der Komponisten Miroslav Srnka: Achtung, gleich kommt zeitgenössische Musik! Im New Republic ruft Werner Herzog das Jahrhundert der Einsamkeit aus. Himal porträtiert die Künstlerin Faiza Butt.
Himal (Nepal), 27.01.2016
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In Himal stellt Nauman Khalid die pakistanische Künstlerin Faiza Butt vor, die sich als explizit pakistanische Künstlerin nicht verstehen will, sondern Einflüsse westlicher und östlicher Kunst in ihren Arbeiten vereint. "Als pakistanische Künstlerin mag Butt vielleicht nicht bezeichnet werden, doch paradoxerweise sind es gerade die sozialen Normen und Codes, die das Ausmaß dessen begrenzen, wogegen sie aufbegehren kann. In einer ihrer Arbeiten zeigt sie einen Schmuckanhänger, auf dem 'Allah' steht, ein Stück muslimischer Kitsch. Er kommt aus einem leuchtenden, rot bemaltem Mund, womit es Butt auch schon auf sich bewenden lässt. Das ist schon für sich genommen ein rebellisches Bild. Hätte sie es noch buchstäblicher gemacht, wäre das als Ketzerei zu weit gegangen. Als weibliche Künstlerin aus Pakistan kann sie nur innerhalb bestimmter Grenzen eine Rebellin sein, würde man meinen. Der Mund mit dem Allah entspricht dem aus Exkrementen erstellten Kreuz, ohne dabei explizit zu werden. Und ihr Leuchtkasten mit Mullahs und bärtigen Taliban stellt ein Äquivalent zu Gilbert und Georges Bombenbildern dar. Doch ein geschmückter Dildo, über den ich bei meinen Recherchen in ihrem Frühwerk stolpere, steht quer zu dem Verdacht, dass sie sich zurückhält. Man kommt mental ins Schleudern bei dem Gedanken, wie es ihr wohl gelingen mag, die Mitgliedschaft in jener illustren Gruppe aus Südasien zu vermeiden, die mit einer Fatwa belegt wurden."
New York Review of Books (USA), 11.02.2016
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Auch im Merkur-Blog setzt sich Samir Sellami mit Coates' Essay auseinander, der gestern auch auf Deutsch erschienen ist. Sein Resümee: "Rasse ist nicht das Problem. Nicht einmal Rassismus. Das Problem ist, dass große Teile der amerikanischen Gesellschaft nicht bereit sind, die Ursachen der aktuellen Probleme in der eigenen Geschichte zu suchen."
Außerdem in der New York Review of Books: Edward Mendelson liest neue Bücher über T.S. Eliot.
Telerama (Frankreich), 31.01.2016
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New Yorker (USA), 15.02.2016
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Außerdem: Sam Knight porträtiert den Genfer Kunsthändler Yves Bouvier, der wegen massiven Betrugs angeklagt ist. Yoshua Yaffa besucht ein Tschetschenien außer Rand und Band, aber unter russischer Kontrolle. Patricia Marx stellt neue Gadgets gegen Schlaflosigkeit vor. Und George Saunders schickt eine literarische Botschaft zum Muttertag.
Magyar Narancs (Ungarn), 21.01.2016
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London Review of Books (UK), 04.02.2016
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Weitere Artikel: Jonathan Meades liest Martin Kitchens stählerne Albert-Speer-Biografie, die weder Hitlers Architekten noch seinen späteren Bewunderern etwas durchgehen lässt. Der frühere Labourchef Ed Miliband wirbt für sein Programm gegen die wachsende Ungleichheit.
Hospodarske noviny (Tschechien), 31.01.2016
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Eurozine (Österreich), 27.01.2016
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Eurozine hat außerdem ein Gespräch der polnischen Zeitschrift Kultura Liberalna mit dem deutschen Soziologen Wolfgang Streeck über die Reform der Europäischen Union und deutsche Obsessionen übersetzt. Die alles entscheidende Frage sei die Beziehung zwischen Nationalstaaten und den Institutionen der EU, sagt Streeck: "In dieser Debatte müssen die Deutschen endlich verstehen, dass sie die einzigen sind, die ihre nationale Identität der europäischen Einheit opfern wollen. Ironischer Weise liegt gerade darin ein Programm zur deutschen Hegemonie. Je mehr Deutschland die anderen Nationen bedrängt, ihm in seiner antinationalen Obsession zu folgen, desto mehr werden Parteien wie der Front National, die Wahren Finnen, UKIP und so weiter gewinnen."
New Republic (USA), 29.01.2016
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Merkur (Deutschland), 01.02.2016
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Christian Demand setzt der erwartungsgemäß schnell wieder abgeklungenen Aufregung um die Bronze-Pferde aus Hitlers Reichskanzlei ein Plädoyer für eine heitergelassene Umcodierung entgegen.
Time (USA), 24.01.2016
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In diesem Zusammenhang ebenfalls zur Lektüre empfohlen sind der Rückblick von zehn arabischen Autoren auf den arabischen Frühling (wir haben letzten Montag bereits in 9punkt darauf hingewiesen) sowie ein langer Auszug aus Jack Shenkers gerade erschienenem Buch "The Egyptians: A Radical Story", beides im Guardian.
Elet es Irodalom (Ungarn), 28.01.2016
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New York Times (USA), 31.01.2016
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Außerdem: Matthew Shaer dokumentiert die schlimmste Zugkatastrophe in den USA seit Jahrzehnten. Charles Aaron wittert ein Comeback für Phil Colllins. Und Robert Draper erklärt, wie der Republikaner Ted Cruz mit religiösen Themen Stimmen sammelt.
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