Magazinrundschau

Ideen waren immer im Fluss

Ein Blick in internationale Magazine. Jeden Dienstag Mittag
22.03.2016. Jerome Charyn untersucht in longreads das Rätsel Emily Dickinson. Der Baffler testet die Firewall zwischen Marketing und Redaktion. Im Guardian fordert Amit Chaudhuri eine Entkolonialisierung des britischen Bildungssystems. Im New Yorker denkt der Schriftsteller und Arzt Siddhartha Mukherjee über Vererbung und Identität nach. Telerama studiert das Genie. Outlook India sucht die Spuren der ersten Menschen in Indien. Die New York Review of Books beugt sich über das deutsche Originalmanuskript von Arthur Koestlers "Sonnenfinsternis".

Longreads (USA), 15.03.2016

Jerome Charyn, Autor einer fantastischen Krimireihe um den Polizisten und Mörder Isaac Sidel, hat ein Buch über die amerikanische Dichterin Emily Dickinson geschrieben: "The Loaded Gun", der Titel sagt schon alles. Erschienen ist es vor einer Woche bei der Bellevue Literary Press. Einen langen Auszug kann man bei longreads lesen. Noch immer ist die vor 185 Jahren geborene Dichterin, die Charyn direkt neben Shakespeare stellt, ein Rätsel, schreibt er: "Wir haben die kleinen Booklets - Faszikel - wieder zusammengesetzt, die Mabel Loomis Todd zerriss. Wir haben die Veränderungen in ihrer Handschrift studiert. Wir haben ihre geheimen Gedichtlager und die Briefe, die wir finden konnten - Jay Leyda, ein Mann fast so kryptisch wie Dickinson, glaubte, dass wir nur eine winzige Anzahl ihrer Briefe gefunden haben, weniger als ein Zehntel. Und ihre Briefe sind mindestens so verwirrend wie ihre Gedichte, vielleicht sogar noch mehr, denn sie geben vor, uns ein klareres Bild von der Dichterin zu vermitteln. Bald stellen wir jedoch fest, dass sie eine Kollektion von Masken benutzt - manchmal ist sie Kleopatra und eine unscheinbare Maus in demselben Brief."
Archiv: Longreads

The Baffler (USA), 31.03.2016

In einer haarsträubenden Geschichte gibt Jacob Silverstein einen Einblick in die ganz und gar unglamouröse Gegenwart des Journalismus. Nach vergeblichen Versuchen als freier Autor festen Fuß zu fassen und von seiner Arbeit zu leben, verdingte er sich als Schreiber für gesponserten Inhalt: das heißt für Werbetexte, die in Aufmachung und Text anmuten wie Zeitungsartikel (in deutschen Zeitungen wird das als "Verlagsbeilage" annonciert). Diese Werbeform, stellt er am Ende fest, untergräbt nicht nur die Grenze zwischen Werbung und redaktionellem Inhalt, sie kannibalisiert den Journalismus: "Wer soll The Atlantic noch eine Story für hundert Dollar anbieten, wenn er als Werbetexter das zwanzigfache verdient? Und warum sollte der Manager eines großen Unternehmens die Fragen eines Journalisten beantworten, wenn er bei The Atlantic einfach ein glänzendes Advertorial in Auftrag geben und dann ein paar Tweets kaufen kann, die für Verbreitung sorgen? Die Vorstellung, ein Medium könne Zugang zu seiner Redaktion verkaufen, ohne gleichzeitig die Regeln dieses Zugangs zu ändern, ist lächerlich. Während die New York Times darauf besteht, dass es eine undurchdringliche Firewall zwischen ihrem T Brand Studio und ihrem heiligen Nachrichtenraum gebe, machen andere Herausgeber die Überlappung zu einem Verkaufsargument." So wie bei der FAZ zum Beispiel oder der SZ.
Archiv: The Baffler
Stichwörter: Journalismus, Medienwandel

HVG (Ungarn), 09.03.2016

Der junge Schriftsteller Péter Geröcs erhielt für seinen Roman "Győztesek köztársasága" (Republik der Sieger) einen wichtigen unabhängigen Literaturpreis. Zsuzsa Mátraházi sprach mit dem Autor über die Intellektuellen in Ungarn, das zentrale Thema seines Romans. "Mich beschäftigt, wie solche Persönlichkeiten trotz oppositioneller Haltung selbst unter Einfluss geraten. (...) Die letzten zwanzig Jahre habe ich in intellektuellen Kreisen verbracht. Da habe ich viel Betrug und Selbstbetrug mitbekommen. Ein gebildeter und ausgebildeter Mensch hat wesentlich mehr Möglichkeiten, sich selbst zu betrügen, aber auch andere zu manipulieren."
Archiv: HVG

Guardian (UK), 16.03.2016

Bei der Kampagne "Rhodes Must Fall" an britischen Universitäten geht es nicht allein darum, in Oxford eine Statue abzureißen, erklärt der indische Schriftsteller Amit Chaudhuri in einem umfangreichen Essay. Es gehe darum, ein Bildungssystem zu entkolonialisieren, das die westliche Geschichte als eine der Kultur, der Wissenschaft und Moderne denkt, jede andere aber in Begriffen von Rasse und Krieg: "Ein Problem ist auch, dass sich Postkolonialismus-Theorien in ihrer Deutung des kolonialen Aufeinandertreffens fast ausschließlich auf Fragen imperialer Verzerrungen fokussieren: sie ignorieren weithin, was in den nicht-westliche Kulturen in den vergangenen zwei Jahrhundert geschehen ist, sofern es nicht um den Widerstand gegen Kolonisatoren ging. Postkolonialismus-Theorien habe den Rahmen implizit auf die Frage begrenzt - 'Hat das Empire Gutes bewirkt?' -, worauf die Antwort negativ war. Diese Fragestellung haben sich jetzt revisionistische Historiker wie Andrew Robert und Niall Ferguson angeeignet. Ihre Antwort ist ein schallendes Ja."

Frankreichs Gefängnisse sind eine Brutstätte des Dschihadismus, nun sollen Salafisten in gesonderten Abteilungen mit Hilfe von Psychologen, Soziologen und Historikern dekontaminiert werden. Ein extrem skeptischer Christopher de Bellaigue trifft im Gefängnis von Fresnes Geraldine Blin, "eine Frau, deren sanftes Wesen ihre Position als Antiradikalisierungskommissarin Lügen zu strafen scheint": "Der Schlüssel zum Erfolg liegt in der genauen Beobachtung und Auswertung. In den ersten Wochen sind Häftlinge besonders gefährdet - entweder durch Selbstmord oder durch Missionierung. Der interne Aufklärungsdienst der Gefängnisse muss herausfinden, ob ein Häftling einen schädlichen Einfluss auf andere hat (wenn ja, wird er aus der Abteilung entfernt). Doch Blin denkt ambitionierter, sie hat die Risse der Gesellschaft insgesamt im Blick: 'Wenn wir diesen Leuten zeigen können, dass sich die Gesellschaft für sie interessiert' sagt sie, 'dann können diese Risse gekittet werden'. Blins Enthusiasmus und Verständnis zum Trotz gelten in diesen neuen Einheiten nicht die Regeln der Philanthropie, sondern des Pragmatismus."
Archiv: Guardian

New York Review of Books (USA), 07.04.2016

Kaum ein Thema war in den deutschen Feuilletons, dass der Germanist Matthias Weßel voriges Jahr in Kassel ein deutsches Originalmanuskript von Arthur Koestlers "Sonnenfinsternis" entdeckt hat. Der Koestler-Biograf Michael Scammell findet den Fund dagegen bedeutsam: "Die Auswirkungen von Weßels Entdeckung sind beträchtlich, denn 'Sonnenfinsternis' gehört zu den wenigen Büchern, die der Welt nur in Übersetzung bekannt sind. Diese Besonderheit ist bisher wenig diskutiert worden in der Literatur zu Koestler und seinem berühmten Roman, auch in meiner langen Biografie berühre ich das Thema kaum. Doch ist die Sache umso außergewöhnlicher, wenn man bedenkt, dass der Roman in mehr als dreißig Sprachen übersetzt wurde, und alle Übersetzungen basieren auf der englischen Ausgabe, was bedeutet, dass sie nicht nur Übersetzungen sind, sondern Übersetzungen einer Übersetzung. Das betrifft auch die deutsche Version, die Koestler selbst 1944 ins Deutsche zurück übersetzte."

In einem bitteren Artikel beschreibt David Shulman, wie israelische Menschenrechtsaktivisten von der Regierung unter Druck gesetzt und von rechten Siedler-Organisationen regelrecht verfolgt werden. Shulman berichtet von verdeckten Operationen, Polizeiwillkür, Unterwanderung und Schmutzkampagnen. Ein wichtiges Instrument dabei ist ein neues Gesetz, das NGOs zwingt, bei jeder Stellungnahme ihre ausländische Finanzierung offen zulegen, was besonders Peace Now, Breaking the Silence und B'Tselem treffen würde, die von der EU unterstützt werden: "Friedensaktivisten wurden von Protestlern, die zumindest theoretisch durch das Recht geschützt sind, zu Dissidenten befördert, das heißt zu legitimen Angriffszielen der Regierung."

Besprochen werden außerdem zwei Bücher über Hillary Clinton und ihre weiblichen Wähler bzw. Nichtwähler sowie eine Biografie Jakob Fuggers.

Telerama (Frankreich), 18.03.2016

Juliette Cerf unterhält sich mit dem amerikanischen Historiker Darrin M. McMahon über dessen Buch "Divine Fury", eine Kulturgeschichte des Genies, das jetzt in Frankreich erschienen ist. Seine These: Das Genie, eine Figur, die in ihrer modernen Form im 18. Jahrhundert entstand und den Heiligen ablöste, ist zu einem reinen Marketinginstrument geworden. Und gleichzeitig wurde es banalisiert, "verdrängt von einer Kultur der Berühmteit, die keinen Unterschied macht zwischen einem Genie im Fußball, in der Mode, der Geschäftwelt oder der Küche. In allen Bereichen gibt es brillante und kreative Menschen, die den Medien gerade recht kommen." Tja, aber vielleicht sind sie ja tatsächlich genial!
Archiv: Telerama
Stichwörter: Genie, McMahon, Darrin M.

Chronicle (USA), 13.03.2016

Nichts kann so leicht zurückfeuern wie die Vorstellung, man müsse im akademischen Diskurs bestimmte Ideen unterdrücken, um ein "sicheres" Umfeld für Studenten zu schaffen, meint der Anglistikprofessor Robert Boyers. "Ideen waren immer im Fluss. Der Standard, negativ besetzt durch das Wort 'Vorurteil', wurde im Laufe der Jahrhunderte immer wieder in Frage gestellt durch Denker wie Edmund Burke und später T.S. Eliot ... MacIntyre veränderte die Art wie wir über 'Identität' denken, indem er behauptete, dass die Rebellion gegen die eigene ererbte Identität häufig nur eine machtvolle Methode sei, sie auszudrücken. Herbert Marcuse, keineswegs allein damit, regte eine Generation von Radikalen an zu überlegen, ob Toleranz nicht selbst ein Instrument oder Symptom der Repression sei und verwandelte so diese freundliche, von John Stuart Mill und anderen liberalen Denkern gefeierte Idee in etwas anderes."
Archiv: Chronicle

New Yorker (USA), 28.03.2016

In der neuen Ausgabe des Magazins erinnert sich der amerikanisch-indische Schriftsteller und Arzt Siddhartha Mukherjee an eine Reise zu den Stätten seiner Kindheit in New Delhi und Kalkutta, zu den Mitgliedern seiner Familie, die an Schizophrenie erkrankt sind, und denkt über Erblichkeit und Identität nach: "Spricht man über Vererbung im herkömmlichen Sinn, meint man die Vererbung von besonderen Merkmalen über Generationen hinweg: die Nase des Vaters oder die Anfälligkeit für eine bestimmte Erkrankung, die in der Familie vorkommt. Doch das Rätsel der Vererbung ist ein viel allgemeineres: Wie sieht die Anleitung aus, nach der ein Organismus eine Psyche ausbildet oder eine Nase, eine beliebige Nase? Bei dem C4-Gen, das für Schizophrenie mitverantwortlich ist, handelt es sich um dasselbe Gen, mit dem unser Gehirn Synapsen trimmt und also für Wahrnehmung und Erkenntnis sorgt, die Adaption unserer Gedanken an die Wirklichkeit, adaptives Lernen. Ab einem gewissen Punkt, jenseits einer bestimmten Grenze bewirkt das Gen Schizophrenie. Zu weit in die andere Richtung und wir verlieren unsere adaptive Lernfähigkeit und werden zurückkatapultiert zu den kindlichen Schaltkreisen, blühender kindlicher Verwirrung und Naivität. Unsere einzigartige Existenz findet statt in der ausbalancierten Mitte zwischen über- und unterbearbeiteten Gehirnverschaltungen, zu viel und zu wenig getrimmten Synapsen."

Außerdem: George Packer berichtet, wie der Arabische Frühling und seine Folgen junge Tunesier dazu ermuntert, in den Dschihad zu ziehen. David Sedaris geht Shoppen in Tokio. Andrew O'Hagan trifft den Bühnenbildner Es Devlin. Und Ian McEwan liest seine Short Story "My Purple Scented Novel".
Archiv: New Yorker

Novinky.cz (Tschechien), 17.03.2016

Novinky beschäftigt die aktuelle Radikalisierung der Gesellschaft und befragte zu diesem Thema eine Reihe tschechischer Intellektueller. Der Medienexperte Josef Šlerka etwa meint, Leute mit rassistischer Gesinnung gebe es immer etwa gleich viele, nur können sie sich jetzt über die sozialen Netzwerke verbünden und sichtbarer werden. "Das Online-Milieu beschleunigt nur, was in der Gesellschaft schon lange existiert. Wir sind keine realen Jekylls und virtuellen Hydes." Der Historiker Michal Kopeček erinnert daran, dass eine funktionierende Demokratie auch ermüdende, oft frustrierende Diskussionen zwischen Vertretern verschiedener Meinungen einschließt, "und die müssen fortgesetzt werden, selbst wenn es ausweglos erscheint. Resilienz und Zähigkeit müssen neben Toleranz, Gewaltfreiheit und Dialogbereitschaft die vorrangigen Eigenschaften von Demokraten jeder Couleur sein, wenn die Demokratie lebensfähig sein soll. Allerdings sollte man auf die dichotomische Konstruktion von Gut und Böse verzichten (nach dem Motto Faschisten versus Demokraten, naive Gutmenschen versus Realisten), zu der eine Reihe 'Liberaler' der Neunzigerjahre beigetragen hat..." Und der Philosoph Václav Bělohradský befindet: "Angst als Bestandteil bürgerlicher Subjektivität und der Konsens, der aus der Verbreitung von Hass gewonnen wird, sind die effektivsten Mittel zur Vernichtung der Demokratie. Und vergessen wir nicht: Die Maßnahmen zu ihrer Vernichtung treten immer als Maßnahmen für ihren Schutz auf."
Archiv: Novinky.cz

The Atlantic (USA), 01.04.2016

Nicholas Dames, Professor für Literaturwissenschaft an der Columbia University, legt einen höchst gewichtigen Essay über William Eggintons' Cervantes-Biografie "The Man Who Invented Fiction" und anti- oder autofiktionale Romane von Chris Kraus und besonders Karl-Ove Knausgard vor. Folie ist die Romantheorie Richard Rortys, die besagt, dass uns Romane Empathie lehren, was Dames durch Egginton bestätigt sieht: "Eggintons Cervantes ist ein psychologischer Porträtmaler, seine Schlüsseltechnik ist ein Parallaxe-Effekt. Unser Leserstandpunkt wird dreidimensional, indem er zwischen das Missverständnis einer Situation durch einen Protagonisten und das ganze andere Verständnis dieser Situation durch eine zweite Romanperson positioniert wird. So gewinnt das fikionale Universum Tiefe. Wir lernen, wie unterschiedlich Dinge wahrgenommen werden, je nachdem wo und in wessen Schuhen wir stehen." Genau dieser Effekt aber wird von Knausgard durch sein radikal persönliches Schreiben verweigert: "Warum sollten wir einer Stimme lauschen, die unsere Empathie nicht will? (...) Weil diese Erfahrung daran erinnert, wie die Welt ohne Bewusstsein der Perspektiven anderer aussieht, egal, wie tröstend oder belastend sie sind."

Außerdem: Ta-Nehisi Coates freut sich über Neuausgaben von Comics mit schwarzen Superhelden.
Archiv: The Atlantic

Elet es Irodalom (Ungarn), 17.03.2016

Vergangene Woche ist die Schauspielerin Irén Psota mit 87 Jahren verstorben. Zahlreiche Sendungen und Beiträge in den Medien erinnerten an die "wohl letzte ungarische Diva", wobei immer wieder das freizügige Liebesleben und die acht Abtreibungen von Psota thematisiert wurden. Der Kunsttheoretiker Péter György kritisiert die sensationsheischende Berichterstattung über die Schauspielerin: "Es gab eine Zeit, in der es keine ernsten sexuellen Krankheiten mehr gab aber noch keine Verhütungsmittel, und in dieser Zeit lebte eine herausragende Schauspielerin, die wohl ein freies Liebesleben hatte, auch wenn sie den Preis dafür zahlen musste. (...) Wir Ungarn behaupten, unsere Frauen vor den Einwanderern schützen zu wollen und sind nicht Mal in der Lage, unsere Schauspielerinnen, die Größen unserer Kultur, vor uns selbst zu schützen."

Vanity Fair (USA), 31.03.2016

Es sollte mit dem Teufel zugehen, wenn man sich in Hollywood noch nicht um die Rechte an der Geschichte zankte, deren Details Mark Seal in einer großen Vanity-Fair-Reportage ausbreitet: Es geht um den großen Einbruch im Londoner Diamantenviertel Hatton Garden im vergangenen April, der die Medien des Landes eine ganze Weile mit genüsslich ausgebreiteten Thesen zum Ablauf des Verbrechens beschäftigte. Schon sah man das Einbruchsgewerbe zum verloren geglaubten Glamour vergangener Dekaden zurückgekehrt, als noch agile Gentlemendiebe mit listigen Manövern zur Kasse baten. Doch die Überraschung folgte auf dem Fuße, als die Delinquenten (bis auf einen, dessen Identität bislang unbekannt geblieben ist) dingfest gemacht wurden: "Wie sich herausstellte, ging der Hatton Garden Bruch auf das Konto einer bunt zusammengewürfelten Gruppe betagter Krimineller, die das letzte Überbleibsel des 'traditionellen britischen Ganoventums' darstellen, wie es Polizeichef Spindler ausgedrückt hat. Die meisten von ihnen waren jenseits der 60 und 70, stammen also eher aus der Zeit des Films 'Das Glück kam über Nacht' als aus der James-Bond-Ära. 'Abhauen? Geh, die können ja kaum laufen', schrieb Danny Jones aus dem Gefängnis an Sky-News-Reporter Martin Brunt. 'Einer hat Krebs - der ist 76. Ein anderer hat es mit dem Herz, 68. Noch ein anderer, 75, hat seinen Namen vergessen. Ein 60jähriger mit zwei neuen Hüften und Knien. Morbus Crohn. Mehr sage ich nicht. Es ist lachhaft.' Und doch haben sie dem Alter, physischen Einschränkungen, Alarmanlagen und sogar Scotland Yard eins ausgewischt, um sich ihren Weg durch Wände aus Beton und massivem Stahl zu bahnen für einen Preis, der jetzt auf mehr als 20 Millionen Dollar geschätzt wird - von denen mindestens noch 15 Millionen vermisst werden."
Archiv: Vanity Fair

Outlook India (Indien), 19.03.2016

Etwas sensationsheischend, aber interessant liest sich, was Siddhartha Mishra und Priyadarshini Sen über Ausgrabungen im indischen Ort Masol in den Vorgebirgen des Himalaya erzählt. Ein indisch-französisches Team um die Paläontologen Mukesh Singh und Anne Dam­bricourt-Malasse hat Spuren sehr früher Menschen gefunden, die an diesem Ort nicht vermutet worden wären: "Der Eureka-Moment kam 2008. Da wurde das erste Zerkleinerungswerkzeug gefunden, etwa 2,58 Millionen Jahre alt. Die 'Out-Of-Africa-Theorie' (die besagt, dass sich der frühe Mensch von Afrika kommend verbreitet hat, d.Red.) begann schon nach Funden in China und Java im Jahr 1994 in Frage gestellt zu werden. Dann passierte sogar noch etwas größeres: Dreißig Meter von Singhs Fundstelle (wurde) das Wadenbein eines rinderartigen Tiers, eines Vorläufers der heutigen Kuh, geborgen. Es hatte Schnittmarken und die Steine drumherum hatten dasselbe atemberaubende Alter. Die Gemeinschaft der Gelehrten geriet in große Aufregung. Captain Karnail Singh, Direktor des Regierungs- und Kunstmusems in Chandigarh ist überzeugt, dass die Vorgeschichte ihre Geheimnisse preisgibt. 'Die Funde haben ein großes Interesse an Vorgeschichte ausgelöst und daran, dass Indien die Wiege der Zivilisation sein könnte', sagt er." Die Autoren des Artikels zitieren allerdings auch wesentlich skeptischere Stimmen, auch aus Indien. Das Dossier wird um ein Interview mit der Forscherin Dam­bricourt-Malasse ergänzt.
Archiv: Outlook India

New York Times (USA), 20.03.2016

Im aktuellen Magazin der New York Times erkundet Kim Tingley die alten, instrumentlosen Navigationskünste der Segler in der Republik Marshallinseln: "Bis in die 1960er Jahre waren westliche Wissenschaftler der Meinung, dass indigene Navigationsmethoden mittels Sternen, Sonne, Wind und Wellen nicht akkurat genug wären und die Boote der Einheimischen auch nicht seetüchtig genug, um die teilweise winzigen Inseln mit Vorsatz zu erreichen. Archäologische Funde, DNA und nachgestellte Reisen haben allerdings inzwischen bewiesen, dass diese Pazifik-Inseln vorsätzlich von den Nachfahren früher Seefahrer vor rund 2000 Jahren besiedelt wurden. Die Geografie des Archipels, die die Wellennavigation ermöglichte, machte diese ebenso lebensnotwendig als einziges Mittel, an Nahrung und andere Güter zu gelangen, Kriege zu führen oder nicht verwandte Sexualpartner zu treffen. Die Stammesführer bedrohten jeden mit dem Tod, der das Navigationswissen ohne Erlaubnis weitergeben wollte … Wellennavigation heißt die Kunst, mittels Gefühl und Sicht Wellenmuster zu erkennen. Kleinste Unterschiede in einer Wasserbewegung ausmachen zu können, die für den Laien wie eine Umdrehung in der Waschmaschine aussieht, erlaubt es, einem 'ri-meto', also einem Seemann der Marshall-Inseln, festzustellen, wo der nächste Grund liegt und wie weit entfernt er ist, lange bevor er sichtbar wird."

Außerdem: Guy Lawson rekapituliert die fast zufällige Nordpolexpedition eines Versicherungskaufmanns und Arztes. Leanne Shapton berichtet von Überbleibseln der Nordwestpassage durch Sir John Franklin, die Stück für Stück in der kanadischen Tundra wieder auftauchen. Samanth Subramanian erzählt die Geschichte eines britischen Spions, der in Tibet hängenblieb. Und Robert Kolker folgt dem norwegischen Nationalhelden Jan Baalsrud auf seiner unglaublichen Flucht vor den Deutschen 1943 durch die wilde Fjordlandschaft Nordnorwegens.
Archiv: New York Times