Magazinrundschau - Archiv

Ceska pozice

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Magazinrundschau vom 08.11.2016 - Ceska pozice

Der südafrikanische Schriftsteller und Nobelpreisträger J.M. Coetzee ist dafür bekannt, keine Interviews zu geben, doch für Přemysl Houda hat er eine Ausnahme gemacht. Nach seinem Aufwachsen im weißen Umfeld der Afrikaaner befragt, äußert Coetzee seine Schwierigkeiten mit diesem Begriff, auch Jahre nach der Entmachtung der National Party und dem Ende der Apartheid. "Noch heute gibt es Millionen von Südafrikanern, die sich dagegen wehren würden, dass man sie Afrikaaner nennt. Sie wollen keine Afrikaaner sein, weil sie nämlich denken, dass dieser Begriff, auch wenn Afrikaans ihre Sprache ist, vergiftet ist." - Houda: "Vergiftet auf ewig? Oder ich frage anders: Tragen wir die Schuld an den Sünden, die unsere Vorfahren begangen haben, sei es an indianischen Ureinwohnern oder an den Schwarzen im Zuge der Apartheid?" - Coetzee: "Wir sind nicht verantwortlich für die Vergehen unserer Vorfahren - und können es nicht sein. Wir können jedoch die Verantwortung für die Folgen übernehmen, die ihre Taten hatten, und dort, wo dies auch nur ansatzweise möglich ist, sollten wir diese Folgen beseitigen oder zumindest ihre Auswirkungen so weit wie möglich mildern." Was der heute in Australien lebende Coetzee seiner alten Heimat gegenüber persönlich empfindet, dafür hat der wortkarge Autor nur eine Antwort: "Keinen Kommentar."

Magazinrundschau vom 03.05.2016 - Ceska pozice

"Der Islam gehört zur Moderne", sagt die amerikanische Philosophin und Gender-Expertin Judith Butler im Gespräch mit Přemysl Houda. "Sie haben eben gesagt, die Linksintellektuellen würden zur Toleranz gegenüber dem Islam auffordern. Ich bin mir aber nicht sicher, ob das Wort 'Toleranz' stark genug ist für die ethischen und politischen Erfordernisse, um die es hier geht. Wenn Sie etwas tolerieren, ist es Ihnen gewöhnlich unangenehm. Um den Rassismus zu bekämpfen und für ein vielfältiges Europa der Gegenwart zu werben, benötigen wir etwas anderes als Toleranz religiöser und ethnischer Unterschiede - ihre Anerkennung." Auch zum Problem der weiblichen Verschleierung findet Butler klare Worte: "Menschen müssen die Freiheit haben, verschiedene Glaubenssymbole zu tragen - das ist ein Bestandteil der modernen Freiheit, für den wir immer kämpfen müssen. Wir sollten für eine Welt kämpfen, in der Menschen das gleiche Recht haben, einen Hidschab zu tragen wie einen Bikini."

Magazinrundschau vom 01.12.2015 - Ceska pozice

Der Terror in Syrien und Irak hat nichts mit dem Islam zu tun, beteuert der iranische Schriftsteller Mahmud Doulatabadi in einem Anfang November geführten Gespräch mit Přemysl Houda, und bezeichnet die IS-Dschihadisten als "neuzeitliche Gladiatoren". Auch die früheren Gladiatoren, freilich Sklaven, "stammten aus den verschiedensten Kulturen, sprachen unterschiedliche Sprachen und glaubten an alles Mögliche. Nach Syrien und in den Irak kommen jetzt ebenfalls Menschen aus allen Ecken der Welt. Wir wissen nicht genau, woher und wie viele es sind. Wir wissen nur, dass sie kämpfen - aber wofür kämpfen sie eigentlich? Vielleicht kämpfen sie nur für den Kampf selbst, ich weiß es nicht. Ich weiß aber, dass es unter ihnen keine Iraner gibt. Unter ihnen sind Leute aus Russland, Deutschland, Frankreich oder Großbritannien. Aber aus dem Iran? Ich habe von keinem Einzigen gehört! Aber zur Vereinfachung wird ein Etikett darauf geklebt - in diesem Fall der Islam. Leider. Mich würde viel mehr interessieren, was sich unter diesem Etikett verbirgt. Das interessiert aber kaum jemanden. Dabei gibt es einen Unterschied zwischen dem, was sich auf der Flagge, und dem, was sich im Herzen befindet. Sicher ist, dass sie den Islam auf ihre Flaggen schreiben."

Magazinrundschau vom 24.11.2015 - Ceska pozice

Auf dem diesjährigen Czech Internet Forum in Prag verglich der britisch-amerikanische Internet-Kritiker Andrew Keen das Internet mit dem Kommunismus - eine gewagte These in einem ehemaligen Ostblock-Land. Im Gespräch mit Ondřej Vyhnanovský verteidigt Keen seinen Vergleich: "Der Kommunismus hat ein politisches Monopol geschaffen. Er zerstörte die Freiheit und übte eine kulturelle Überwachung aus. Das heutige Internet ist nicht einzelner Big Brother, es besteht aus viele kleinen Brüdern, aber das Ergebnis ist das gleiche. Wir haben eine kulturelle Überwachung, haben neue Arten von Monopolen, das Individuum verliert seine Rechte, wir erleben neue Arten der Ausbeutung…" Sind die digitale Revolution und der freie Markt also nur ein Mythos? "Der Markt ist alles andere als frei. Die Monopolisierung ist heute schlimmer als im Industriezeitalter, wo bestimmte Branchen immerhin von verschiedenen Firmen beherrscht wurden. Heute haben wir in den sozialen Medien Facebook, im Suchbereich Google, im e-Kommerz Amazon. Es handelt sich hier nicht um eine Revolution, sondern um eine Kolonisierung, denn wir haben keine größere ökonomische Demokratie. Einfluss und Stärke dieser Firmen sind größer als jemals zuvor, sie sind in vieler Hinsicht mächtiger als die Regierungen."

Magazinrundschau vom 17.11.2015 - Ceska pozice

"Unklare Herkunft" stempelte man dem unsteten tschechischen Emigranten und Fotografen Josef Koudelka in England in den Pass, bevor er Jahre später die französische Staatsangehörigkeit erhielt. Eine Madrider Ausstellung in der Fundación Mapfre würdigt das Werk des späteren Magnum-Mitglieds, das in den 60er-Jahren durch seinen "Zigeuner"-Zyklus über die Roma in Rumänien, vor allem aber durch die Aufnahmen vom russischen Einmarsch in die Tschechoslowakei 1968 bekannt wurde. In all seinen großen Foto-Serien findet sich "das Motiv der Unbehaustheit, der Entwurzelung und des Umherirrens", wie Pavel Besta berichtet. "Als Josef Koudelka vor vielen Jahren in einer Romasiedlung fotografierte, kam ein Mann auf ihn zu und fragte ihn, welcher Ort auf der Welt für ihn der beste sei, und der Fotograf antwortete: 'Ich bemühe mich verzweifelt, diesen Ort nicht zu finden.'"

Magazinrundschau vom 13.10.2015 - Ceska pozice

Přemysl Houda unterhält sich mit dem amerikanischen Psychologieprofessor Philip Zimbardo, der in den 70ern durch das aufsehenerregende Stanford-Prison-Experiment bekannt wurde, bei dem sich Studenten in eine simulierte Gefängnissituation hineinsteigerten und einander quälten. Zimbardo berichtet, wie seine zukünftige Frau ihm damals vorwarf, er sei selbst zum "Gefängnisdirektor" geworden, und ihn dazu brachte, das Experiment abzubrechen. Die Frage, was den Menschen zum Guten oder zum Bösen treibt, beschäftigt den Wissenschaftler indes auch weiterhin. Sein derzeitiges Heroic Imagination Project führe ihn oft nach Ungarn, dem er die "schlimmste Regierung" Europas bescheinigt. "Ich war im Mai dort und habe - vom Flughafen bis nach Budapest hinein - die Plakatwände gesehen, auf denen sinngemäß stand: "Die Immigranten kommen euch die Arbeit wegnehmen." Hunderte dieser Plakate entlang der Straße. (…) Es ist Orbáns Regierung, die dort Angst produziert." Befragt nach der Unmenschlichkeit im Umgang mit Flüchtlingen antwortet Zimbardo: "Schon wenn Sie "Flüchtlinge" sagen, ist das eine Entmenschlichung. Es sind doch Menschen, oder? Es sind "Menschen, die flüchten", keine "Flüchtlinge"."
Stichwörter: Zimbardo, Philip, Psychologie

Magazinrundschau vom 06.10.2015 - Ceska pozice

Eine Ausstellung im Prager Museum Kampa widmet sich der tschechischen Avantgarde-Künstlerin Toyen (1902-1980). Radan Wagner erinnert an die "so berühmte wie geheimnisvolle" Künstlerin, die nur in der männlichen Form von sich sprach, niemals Interviews gab und nur selten Besuch empfing. "Sie besaß eine ungewöhnliche Offenheit für traumhafte, unheimliche und erotische Visionen, die die Pfeiler ihres Werks bildeten, das vom Primitivismus, über den Poetismus zum Surrealismus führte" und sie auch mit der Pariser Gruppe um André Breton zusammenbrachte. Heute erzielen ihre Werke hohe Preise auf dem Kunstmarkt - im Prag des Zweiten Weltkriegs galten sie unweigerlich als "entartete Kunst" und zwangen ihre Schöpferin in die Illegalität. Die Frau, die von sich behauptete, weder Familie noch Vergangenheit zu besitzen, "entschied sich damals zu einem mutigen Schritt. In den Jahren 1941-1945 versteckte sie im Bad ihrer Wohnung im Stadtteil Žižkov den jüdischen Dichter Jindřich Heisler, der so dem Konzentrationslager entging." (Bild: Toyen, Olejomalbu Opuštěné doupě vytvořila Toyen v roce 1937. Galerie výtvarného umění v Chebu)

Magazinrundschau vom 28.07.2015 - Ceska pozice

Sie kam nach Tschechien, um über den Funktionalismus zu schreiben, dann faszinierten sie die Plattenbausiedlungen aus kommunistischer Zeit. Die amerikanische Architekturhistorikerin Kimberly Elman Zarecor von der Universität Iowa nimmt im Gespräch mit Marie Vejvodová die sogenannten "paneláky" in Schutz: "Die Menschen konnten in modernen Wohnungen mit Heizung und Heißwasser wohnen, umgeben von Grün. Ich will nicht sagen, dass der Kommunismus als System richtig war, aber manche Versprechen, wie das, den Menschen eine höhere Wohnqualität zu bieten, wurden doch gehalten. Ich habe den Eindruck, die Plattenbauen werden oft als Strafaktion der Kommunisten wahrgenommen oder als Beweis dafür, dass ein schlechtes System schlechte Architektur erschafft. Aber meiner Meinung nach muss man sehen, dass diese Art zu bauen aus der gegebenen wirtschaftlichen Situation resultierte und nicht nur aus dem kommunistischen Regime. (…) Bis heute wohnen fast 40 Prozent der tschechischen Bevölkerung in Plattenbauten, und das sagt doch etwas aus. (…) Ein Vorteil dieser Siedlungen ist, dass sie keine soziale Isolation bedeuten wie in westlichen Ländern, etwa in Frankreich oder Schweden. Hier leben völlig normale Menschen miteinander. Heute sieht man die Siedlungen auch nicht mehr so negativ, da hat sich die Stimmung gewandelt."

Magazinrundschau vom 14.04.2015 - Ceska pozice

Zuzana Lizcová unterhält sich mit dem jungen tschechisch-deutschen Regisseur Štěpán Altrichter über dessen Film "Schmitke", in dem ein deutscher Ingenieur ins tschechische Erzgebirge reist, um eine Windkraftanlage zu reparieren, und dort seltsame Dinge erlebt. "Meine Erfahrung ist", sagt Altrichter, der abwechselnd in Prag und Berlin lebt, "dass sich Ostdeutsche und Tschechen in vielen Dingen näher sind als Ost- und Westdeutsche. Hinter dem eisernen Vorhang hatte man einfach eine andere Art zu denken, ist man anders aufgewachsen. Unsere tschechische Kultur beruht vielleicht auf etwas anderen Werten, aber es gibt doch mehr Gemeinsamkeiten." Nach Altrichter sind äußerliche Widerstände der Kunst förderlich, deshalb kämen die besten Filme derzeit auch aus dem Iran. "Es erklärt auch, warum der tschechische Film der 60er- und 70er-Jahre so gut ist. Filmemachen war zu der Zeit schwierig, und das ist immer ein Antrieb. (…) Der ungarische Regisseur István Szabó, der seine besten Filme ebenfalls vor 1989 gedreht hat, sagte einmal etwas Interessantes zu mir: Für ihn ist es ein Problem, dass die Zensur, die vor 1989 von außen Druck ausübte, in Westeuropa heute im Kopf des Künstlers stattfindet. Man zensiert sich selbst, um Erfolg zu haben, um Geld zu kriegen. Das ist das Schreckliche am kapitalistischen System, dass sich jeder ständig verkaufen muss. Es macht die Filme letztlich uninteressant." Dem deutschen Filmbetrieb stellt Altrichter ein vernichtendes Zeugnis aus: "Eine unglaublich dekadente Situation. Massenhaft Fonds mit massenhaft Geld, aber das wird so hanebüchen verteilt, dass zum Beispiel junge Filmemacher überhaupt nichts davon haben. (…) Alles, was nicht gerade den aktuellen politischen Diskurs abbildet, hat es enorm schwer. Es ist das Gegenteil von dem, wie Filme in Tschechien oder in Frankreich begriffen werden. Dass etwas gut ist, wenn es verrückt und neu ist, das sehen die Deutschen gar nicht."

Magazinrundschau vom 24.03.2015 - Ceska pozice

Einigen Unmut erregte der tschechische Philosoph und Soziologe Václav Bělohradský bei den Intellektuellen des Landes, als er kürzlich auf dem Parteitag der Bewegung ANO des Oligarchen Andrej Babiš als Redner auftrat. Im Gespräch mit Petr Kamberský verteidigt er seine Haltung: "Ich praktiziere politische Philosophie als Dialog mit der Macht, nicht mit der Ohnmacht. Politische Philosophie, die konsequent als Dialog mit der Ohmacht begriffen wird, ist Revolutionsphilosophie. (…) Aber ich führe den Dialog mit der Macht, wirke absichtlich in ihrem Schatten. Meiner Überzeugung nach ist die Demokratie ein System, in dem jede Form der Macht eine potentiell positive, kreative Kraft ist." Als politische Bewegung fange ANO die naive antipolitische Wut der Tschechen ein, "doch vielleicht kann sie ihr eine politische Richtung geben und sie in politische Energie verwandeln. (…) Ich nehme das Wort Populismus nicht nur negativ wahr, es ist auch eine Innovation der Demokratie. Der Philosoph und Dissident Daniel Kroupa interpretiert "Populismus" als Nutzung von Massenvorurteilen zur Erreichung eines politischen Konsenses. Ich glaube, auch das ist Populismus, aber nicht nur. Ich glaube, was Populismus charakterisiert, ist das Überspringen gewohnter Kommunikationsmodelle, des strukturierten Informationsflusses, der Verhandlungshierarchien, der Bürokratie und so weiter. Natürlich gefährdet das auch die Machtteilung, aber gleichzeitig setzt es eine große positive Energie frei."