Zuzana Lizcová
unterhält sich mit dem jungen tschechisch-deutschen Regisseur
Štěpán Altrichter über dessen Film
"Schmitke", in dem ein deutscher Ingenieur ins tschechische Erzgebirge reist, um eine Windkraftanlage zu reparieren, und dort seltsame Dinge erlebt. "Meine Erfahrung ist", sagt Altrichter, der abwechselnd in Prag und Berlin lebt, "dass sich
Ostdeutsche und Tschechen in vielen Dingen näher sind als Ost- und Westdeutsche. Hinter dem eisernen Vorhang hatte man einfach eine andere Art zu denken, ist man anders aufgewachsen. Unsere tschechische Kultur beruht vielleicht auf etwas anderen Werten, aber es gibt doch mehr Gemeinsamkeiten." Nach Altrichter sind
äußerliche Widerstände der Kunst förderlich, deshalb kämen die besten Filme derzeit auch aus dem Iran. "Es erklärt auch, warum der tschechische Film der 60er- und 70er-Jahre so gut ist. Filmemachen war zu der Zeit schwierig, und das ist
immer ein Antrieb. (…) Der ungarische Regisseur István Szabó, der seine besten Filme ebenfalls vor 1989 gedreht hat, sagte einmal etwas Interessantes zu mir: Für ihn ist es ein Problem, dass die Zensur, die vor 1989 von außen Druck ausübte, in Westeuropa heute
im Kopf des Künstlers stattfindet. Man zensiert sich selbst, um Erfolg zu haben, um Geld zu kriegen. Das ist das Schreckliche am kapitalistischen System, dass sich jeder
ständig verkaufen muss. Es macht die Filme letztlich uninteressant." Dem
deutschen Filmbetrieb stellt Altrichter ein vernichtendes Zeugnis aus: "Eine unglaublich dekadente Situation. Massenhaft Fonds mit massenhaft Geld, aber das wird so hanebüchen verteilt, dass zum Beispiel junge Filmemacher überhaupt nichts davon haben. (…) Alles, was nicht gerade den aktuellen politischen Diskurs abbildet, hat es enorm schwer. Es ist das Gegenteil von dem, wie Filme in Tschechien oder in Frankreich begriffen werden. Dass etwas gut ist, wenn es
verrückt und neu ist, das sehen die Deutschen gar nicht."