Magazinrundschau

Ein echtes Rattennest von Komplexität

Ein Blick in internationale Magazine. Jeden Dienstag Mittag
16.02.2016. Hyperallergic erinnert an den großen schwarzen  Fotografen Louis Draper. Eugene Ostashevsky  singt in Music & Literature eine Hymne auf Galina Rymbu. In der New York Review of Books bespricht Robert Paxton zwei neue Bücher über die Résistance. Für La Vie des Idées duftet ein Roquefort nach der ganzen Geschichte der Lebensmittelindustrie in Frankreich. NPR stellt fest, dass das Wort "Establishment" fast wieder so en vogue ist wie im Jahr 1968. Und László Végel erklärt in Nepszabadsag, warum immer mehr serbische Ungarn nach Westeuropa kommen.

Music & Literature (USA), 02.02.2016

Zutiefst beeindruckt stellt der russisch-amerikanische Lyriker Eugene Ostashevsky die revolutionäre Lyrik der 1990 in Omsk, Sibirien, geborenen Dichterin Galina Rymbu vor. Insbesondere ihr Gedicht "the dream is over, Lesbia, now it's time for sorrow..." (englische Übersetzung hier, es ist das mittlere der drei Gedichte) lässt ihn nicht los. Parolen werden hier nicht geboten, im Gegenteil: Es geht um "das historische Jetzt, wann man sich genau an dem kurzen Moment wiederfindet, von dem an alles anders sein wird. Für die amerikanische Lyrik ist die Frage nach der Geschichte keine so natürliche. Auf einer Ebene denkt das Lesbia-Gedicht über das historische Jetzt nach: mittels Anspielungen auf Catull und - weniger offensichtlich - auf Horaz' Ode an den Tod Kleopatras. Anspielungen, die sich, indem russische und römische Situationen nebeneinander gestellt werden, gegenseitig erhellen. Auf einer anderen Ebene, wenn Rymbu zum dritten Mal das Wort 'Zeit' sagt, hören wir das Wort im Kontext des selben Themas (der Bestimmung eines historischen Wandels) wie bei Mandelstam. Ihre 'freien Verse' beschwören antikes Versmaß, wie im Echo auf Sappho, der ursprünglichen Lesbia, in Zeile vier. Doch trotz Rymbus Anspielungen auf die historische Vergangenheit ist ihre Sprache atemberaubend modern und flüssig und spielt dieses morphologische Spiel, das im Slang von Sprachen mit Flexionen möglich ist. Technologische Begriffe, die umgangssprachlich benutzt werden und politische Klischees wie den Putin-Slogan 'Russland erhebt sich von den Knien', dreht sie um gibt sie der lebendigen Sprache zurück."

Im Interview mit dem Übersetzer Jonathan Brooks Platt erklärt Rymbu, warum es ihrer Meinung nach Unsinn ist, von politischer Dichtung zu erwarten, sie solle "einfach" sein: "Man könnte glauben, die Unterdrückten hätten eine einfache Sprache, dass wir mit einer Serie von Reduktionen arbeiten sollten, damit wir uns als Künstler sprachlich verständlich machen können. Aber so etwas wie eine einfache Sprache gibt es nicht, sowenig wie es einfache Emotionen gibt. Hier ist alles sogar noch komplizierter - ein echtes Rattennest von Komplexität, gemacht aus den Sprachen der Gewalt, ideologischem Druck, Propaganda, biopolitischer Manipulationen, Resten aus der Vergangenheit, Fantasien, Hoffnungen und gewissen Samen der 'Emanzipation' - was bedeutet, teils gewalttätige Konzepte, die eine Vorstellung davon geben, was die 'einfachen Leute' zur Freiheit führen könnte. In diesem Sinne ist die Idee einer 'einfachen Sprache' einfach ein totaler syntaktischer, lexikalischer und diskursiver Kollaps. Damit kann man nicht arbeiten."

Nepszabadsag (Ungarn), 13.02.2016

Der in Novi Sad lebende ungarische Schriftsteller László Végel liefert immer wieder detaillierte Zustandsbeschreibungen der ungarischen Minderheit in Serbien. Heute warnt er vor der anhaltenden Abwanderung qualifizierter junger Ungarn nach Westeuropa, was zur kulturellen Verarmung in Serbien führen könne: "Seit der Einführung der doppelten Staatsbürgerschaft (für Auslandsungarn in Ungarn - d. Red.) ... verlassen immer mehr Jüngere und Fachkräfte, nun mit einem Schengen-Pass ausgestattet, massenweise Serbien - jedoch nicht mehr Richtung Ungarn, sondern Richtung Westeuropa. Der entscheidende Grund für die Ausreise sind nicht mehr Verfolgung oder die fehlenden Minderheitenrechte, sondern Perspektivlosigkeit. Dies ist irritierend für die Eliten der ungarischen Minderheit. Sie müssten sich ändern, doch sie wissen nicht in welche Richtung."
Archiv: Nepszabadsag

Slate.fr (Frankreich), 14.02.2016

In einer langen Reportage berichtet Frédéric Martel über Palästinenser, die seit Jahren außerhalb Palästinas in der Diaspora leben. Flüchtlinge in Jordanien, Ägypten, im Libanon oder anderswo pflegen Heimweh nach einem Land, das sie niemals kennengelernt haben. Zwischen Hoffnungen, Fantasievorstellungen, politischem Aktivismus, Integration und Resignation träumen nicht alle mehr vom gleichen Land. Martel schreibt: "Zu einem großen Teil verstärkt die Rechtlosigkeit dieser Palästinenser, die in ihren Aufnahmeländern oft als Bürger zweiter Klasse angesehen werden, ihre Verbitterung."
Archiv: Slate.fr

New York Review of Books (USA), 25.02.2016

Der große alte Historiker Robert Paxton hat in Frankreich einst selbst Geschichte geschrieben, weil seine Studie über Vichy "Vichy France: Old Guard and New Order 1940-1944" bei ihrem Erscheinen in Frankreich 1973 riesige Debatten um die Kollaboration auslöste, und nach Marcel Ophüls' Dokumentarfilm "Le chagrin et la pitié" (1969) Frankreichs glorifiziertes Bild von der Résistance ein zweites Mal erschütterte. Nun bespricht Paxton zwei neue Geschichten der Résistance, die aus viel größerem Abstand geschrieben wurden und kaum mehr für Debatten sorgen werden. Paxton spricht auch die wenig gewürdigte Rolle ausländischer jüdischer Kämpfer an, "die einen wichtigen Teil der Résistance bildeten. Viele junge Männer unter ihnen, die begierig waren, gegen Hitler zu kämpfen, waren 1939 in die Fremdenlegion gegangen. 1940 jedoch bot Vichy den entlassenen und mittellosen jüdischen Veteranen nur harsche Optionen, Dienst in Arbeitsbatallionen oder Internierung. Die Kommunisten unter ihnen gingen mit der 'Main-d'œuvre immigrée' (MOI) in den Untergrund, einer der aggressivsten Partisanentruppe der Partei. Die meisten MOI-Kämpfer wurden gefangen und exekutiert, und die kommunistische Führung scheint zu jener Zeit nicht viel getan zu haben, um ihnen zu helfen." Ein Buch nur über dieses Thema könnte in Frankreich vielleicht doch noch Debatten auslösen - Jorge Semprun hatte das Thema in seinen Romanen angesprochen.

Hyperallergic (USA), 07.02.2016

Schwarze Fotografen sind in der berühmten Sammlung des Moma immer noch unterrepräsentiert, schreibt John Yau bei hyperallergic und bricht eine Lanze für Louis Draper, der ungefähr zur gleichen Zeit fotografierte wie Robert Frank, der in seinem Buch "Les américains" das berühmte Bild eines segregierten Busses publiziert hatte. Ihm stellt Yau Drapers Fotos einiger Bettlaken in der Nacht an die Seite, dem Draper den Titel "Congressional Gathering" gegeben hat: "Drapers Foto ist immer noch verstörend und wird jedem, der es aufmerksam betrachtet, einen Schock des Wiedererkennens einjagen. Trotz des Urteils des Supreme Court von 1954 gegen Segregation in öffentlichen Schulen wusste Draper, dass er nach wie vor in einer Welt der Rassentrennung lebte, in der Kongressmitglieder dem Ku Klux Klan angehörten. Die Laken hängen schlaff von der Leine, die Ecken sind so beleuchtet, dass sie an die konischen Kapuzen des Klans erinnern. Drapers Bild ruft die tiefe Furcht wach, die Schwarze damals empfunden haben müssen." Noch bis zum 20. Februar ist Draper eine Ausstellung in der New Yorker Steven Kasher Gallery-Galerie gewidmet.
Archiv: Hyperallergic

New Yorker (USA), 22.02.2016

In der neuen Ausgabe des Magazins erkundet Jill Lepore das politische System in den USA und stellt fest: Hinter der Kritik am Parteiensystem, wie sie unter anderem Sanders und Trump vorbringen, steckt keine politische, sondern die Kommunikationsrevolution: "Wie jede andere überkommene Industrie oder Institution kämpft auch das Parteiensystem dagegen an. Beschleunigte politische Kommunikation kann alle möglichen positiven Effekte auf die Demokratie haben, rasche Informationen über Kundgebungen, die Möglichkeit, schnell viele Unterschriften für eine Petition zu sammeln und so weiter. Ein negativer Effekt ist zum Beispiel die Auflösung der Wählerschaft. Es gibt einen Punkt, ab dem politische Kommunikation den Weg der demokratischen Erwägung und des Einverständnisses durch den Wähler verlässt … Gut möglich, dass die auflösenden Kräfte dieser Revolution das Parteiensystem zu Sturz bringen und ein neues, weniger stabiles System etablieren."

Außerdem: Jiayang Fan porträtiert die neue Jeunesse dorée Chinas, die im Ausland ihr Glück sucht. Nicolas Schmidle schildert die geheimdienstähnlichen Praktiken der Celebrity-News-Site TMZ. Und Don Delillo steuert eine Kurzgeschichte bei.
Archiv: New Yorker

London Review of Books (UK), 18.02.2016

Hierzulande verschwanden die Enthüllungen der Journalisten Gianluigi Nuzzi (mehr hier) und Emiliano Fittipaldi über die millionenschweren Veruntreuungen im Vatikan schnell wieder aus der Öffentlichkeit. Dabei zweifelt Tim Parks keine Sekunde an der Echtheit der veröffentlichten Dokumente. Schon weil der Papst ihren Gehalt nicht dementiert hat: "Die Einzelfälle sind ohne Zahl: Der Monsignore, der sich einen Raum verschaffte, in dem er die Wände zu der Nachbarwohnung eines ärmeren Pristers einreißen lässt, während der im Krankenhaus liegt. Der Priester, der im Diplomatengepäck Mafia-Gelder über die Schweizer Grenze schmuggelt; das Missionswerk Propaganda Fide, das wenig Geld für seinen eigentlichen Zweck ausgibt, während es in und um Rom rund tausend Gebäude besitzt, die an Freunde und Günstlinge weit unter Marktwert vermietet werden. Es ist verblüffend, wie viele katholische Organisationen eine ganze Reihe von lukrativen Tätigkeiten ausüben können, die nichts mit ihrem ursprünglichen Auftrag zu tun haben, während sie als religiöse Institution von der Steuer befreit sind: Als Priester in Salerno 2,3 Millionen Pfund öffentliche Gelder gewährt wurden für ein Waisenhaus in einem verarmten Viertel, bauten sie stattdessen ein Luxuhotel."

Apropos Finanzen: Sonst geben die Briten wer weiß was auf ihre Tradition, aber auf einmal können sie sogar ihren guten alten Robin Hood umdeuten, staunt James Meek: "In dieser Version herrscht der Sheriff von Nottingham über ein ruchloses Reich der politischen Korrektheit, in dem die Häuser der ehrlichen Bauer geplündert werden, um die Wohlversorgten zu finanzieren: die Arbeitslosen, die Behinderten, die Flüchtlinge, alleinerziehende Mütter, die Drückeberger, Schnorrer, Proleten, Gauner und Schwindler. In dieser Version ist Robin Hood der Steuersenker und Gegner der Sozialhilfe. Er ist Jeremy Clarkson, Nigel Farage, Margaret Thatcher und Ronald Reagan. Im Pub steht er neben einem und erzählt vom Flüchtling, der gerade aus dem Sozialamt gekommen ist, mit einem Scheck über 1000 Pfund."

Außerdem: Adam Shatz erkennt Anflüge einer Putinisierung in Israel, wenn NGOs als ausländische Agenten gebrandmarkt werden und Kulturinstitute nur noch gefördert werden sollen, wenn sie ihre Loyalität zum Staat unter Beweis stellen. Sheila Fitzpatrick bespricht Julian Barnes' Schostakowitsch-Roman "The Noise of Time", und zwar nicht besonders gnädig.

Guernica (USA), 15.02.2016

Eine sehr schöne Hommage an die Straßenverkäufer in Istanbul bringt der türkische Schriftsteller Kaya Genç in Guernica. Von den Behörden drangsaliert, von den Gezi-Park-Demonstranten als Teil des kapitalistischen Systems angeklagt, haben es diese "wandernden Singvögel" so schwer wie nie. Dabei sind sie ein Symbol der Freiheit, so Genç: "Kürzlich las ich einen Artikel von Evrim Kavar über 'künstlerische Interventionen in Istanbul'. Der Autor zog eine Parallele zwischen den Straßenverkäufern und Istanbuls zeitgenössischen Künstlern. Beide stehen an den Rändern der Gesellschaft, wo sie aufregende, unsichere und instabile Existenzen fristen. 'Das Leben in informellen Netzwerken suggeriert informelle Wege, Kunst zu machen', schreibt Kavar. 'Wie die Straßenverkäufer, die jede neue Situation als Chance nutzen, etwas zu verkaufen, so nutzen die zeitgenössischen Künstler jede urbane Situation als Chance, Kunst zu machen.' Heute, wenn ich die Nacht durch in Kaffeehäusern geschrieben habe, träume ich von dem Nachtleben der Straßenverkäufer in Istanbul."
Archiv: Guernica

Rue89 (Frankreich), 15.02.2016

Alice Maruani hat einen der Islamisten besucht, die in Frankreich unter Hausarrest stehen, und lässt ihn unter dem Pseudonym Adam erzählen, was er seit drei Jahren den ganzen Tag so treibt. Denn arbeiten darf er nicht, sein einziger "Horizont" sind die sozialen Netze. "Adam kultiviert die Zweideutigkeit. Er prangert die 'Verwechslungen der Ignoranten' von IS und Scharia an, fragt sich jedoch, 'warum es illegale Dschihadisten gibt, wie die vom IS, und legale wie in Mali'. Als 'Autodidakt' hat er radikale Denker gelesen, keineswegs alle von der gleichen politischen Seite, wie etwa den anarchistischen Intellektuellen Noam Chomsky oder den Schriftsteller Marc-Edouard Nabe. Kurz, Adam mag es, den Schlaukopf zu geben, und sich in der Grauzone zu bewegen. Er teilt mir seinen Schocksatz mit: 'Nicht der IS hat die meisten Moslems getötet, sondern die amerikanischen Interventionskreuzzüge'."
Archiv: Rue89

Times Literary Supplement (UK), 12.02.2016

Nicht unbedingt überzeugend, aber sehr spannend findet Diane Purkiss Brian Copenhavers "Book of Magic", das den Übergang von Magie zu Wissenschaft erkundet: "Copenhaver beruft sich auf Max Webers Vorstellung von der 'Entzauberung der Welt' und nutzt die ungewöhnliche Form der Anthologie, um dem Bogen dieser Entzauberung zu folgen. Magie ist rituell, meinte Weber, Religion ist ethisch; Magie zwingt, Religion verführt'. Die Auswahl der Texte tut jedoch nichts, um die Annahme zu erschüttern, das Protestanten skeptisch seien. Wenn protestantische Polemiker alles daran geben, ihre katholischen Kontrahenten entweder als Gaukler oder Satan-Anbeter darzustellen, lässt sie das nicht rational erscheinen, sondern verängstigt. Später wurde die Vorstellung von den Dämonen-Anbetern in Hexenjäger umgewandelt, obwohl die meisten Hexenjagden in protestantischen Ländern stattfanden. Für die Whigs zerfiel Magie zu Wissenschaft, Alchemie zu Ökonomie und Merkantilismus, während die häusliche Theurgie ersetzt wurde durch Versicherungen und den Wohlfahrtstaat."

NPR (USA), 11.02.2016

Seit dem schönen Jahr 1968 war das Wort "Establishment" in der amerikanischen Politik nicht mehr so en vogue wie heute, schreibt Danielle Kurtzleben auf der Website des National Public Radio und untermauert ihre Behauptung mit Zahlen zur Häufigkeit des Wortes in den Zeitungen und Umfragen. An Hillary Clinton und Jeb Bush klebt es wie eine Nudel am Revers, Bernie Sanders und Donald Trump profitieren dagegen von ihrem Außenseiterstatus. "Die Amerikaner rennen der Mitte geradezu davon. Das Pew Research Center hat herausgefunden, dass die Amerikaner ideologisch polarisierter sind als früher. Noch irritierender ist, dass die Leute nach den Ergebnissen von Pew der jeweils anderen Partei nicht mehr nur mit Widerwillen gegenüberstehen, sondern sie in großer Zahl regelrecht als Bedrohung sehen. Sieht ein Kandidat wie ein Kompromissler aus, schreckt er viele Wähler ab (auch wenn dies mehr für die Anhänger der Repubilkaner gilt). Darüber hinaus ist das Misstrauen gegenüber der Regierung laut Pew größer denn je."
Archiv: NPR

Wired (USA), 09.02.2016

Wenn es darum geht, kommenden Entwicklungen einen Nährboden zu bereiten, ist Andy Rubin, der Entwickler des Android-Systems, das den Smartphone-Boom erst möglich gemacht hat, kein unbeschriebenes Blatt. Sein nächstes Ziel ist ein Hardware-Ökosystem für Künstliche Intelligenz, erklärt Jason Tanz in einem Wired-Porträt. Bisherige Versuche, eine KI zu entwickeln, basieren vor allem auf aus dem Netz akquirierten Daten - ein Denkfehler, meint Rubin: "Denn es gibt, auch wenn man dies schnell vergisst, eine Welt außerhalb des Internets. Damit KI ihr tatsächliches Potenzial ausschöpfen kann, sagt Rubin, müssen wir sie mit der physischen Welt verbinden. Zu diesem Zweck sollen Tausende Geräte entstehen, die aus ihrer Umwelt Informationen sammeln: Texte und Bilder, gewiss, aber auch Geräusche, Ortsangaben, Wetter und andere sensorische Daten." Rubin folge dabei der mit Android entwickelten Strategie, eine Grundlage zu schaffen, die von anderen aufgegriffen werden kann: "Das ist genau jene Art von Plattform, die ihm mit Playground vorschwebt, die all die grundlegende Hardware und Softwarekomponenten zur Verfügung stellt, damit Unternehmer sich darauf konzentrieren können, interessante Geräte zu entwickeln. ... 'Es handelt sich um modulare Hardware', sagt Rubin. 'In ein paar Jahren kann man hier mit einer Idee aufschlagen und wir arrangieren dann einfach die Module neu.'"
Archiv: Wired

La vie des idees (Frankreich), 12.02.2016

Alain Chatrio widmet der Dissertation "Le sacre du Roquefort" von Sylvie Vabre eine ausführliche Besprechung. Am Beispiel des weltberühmten Käses vergegenwärtigt Vabre in ihrer Arbeit die Entwicklung der Lebensmittelindustrie in Frankreich, die dort in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts verknüpft mit dem Aufkommen des Kapitalismus entstand. Dabei zieht sie die gleichermaßen die Veränderungen in Produktion, Kommerzialisierung und Konsum des Roquefort nach. So erhält das Nahrungsmittel Käse erst im 19. Jahrhundert die aufwertenden Weihen der Gastronomie. "Die Eroberung der Tische verlief für Käse langsam und schrittweise, lange Zeit wurde sie durch die englischen Käse und dann durch den Brie, bekannt als 'Käse der Könige' geprägt. Ihm folgten der Import von Schweizer und holländischen Käsen und erst dann die Entwicklung der französischen Produktion. Diesem Zuwachs kam der Aufschwung der Eisenbahnen zugute sowie der Rolle der Käsegroßhändler, welche die Waren auswählten. In diesem Zusammenhang ist der Roquefort ein Unikum: der Käse ist zwar alt, sein gutes Ansehen jedoch nicht."

Film Comment (USA), 08.02.2016

Für Film Comment hat sich Nicolas Raplold mit der Filmemacherin und Aktivistin Laura Poitras über ihre Schau "Astro Noise" im New Yorker Whitney Museum unterhalten. Naturgemäß geht es darin und auch im Gespräch um Fragen nach dem Subjekt im Zeitalter der informationsdienstlichen Überwachung, doch Poitras kommt auch darauf zu sprechen, was ihre Ausstellung mit dem Kino zu tun hat: "ich wollte hier nichts schaffen, zu dem das Publikum nur ein passives Verhältnis aufbauen würde. Ich wollte, dass es ein Narrativ hat, dass es also eine Weise geben würde, wie man die Schau betritt, und eine andere, wie man sie verlässt. Es gibt eine Art Spannungsbogen und eine Art von Aufdeckung, wie typische narrative Tropen. Entdeckungen, Offenbarungen, Herausforderungen. Auswahlmöglichkeiten. Wir teilten die Ausstellung also in diese Räume ein und ich begann damit, verschiedene Sorten von Werken herzustellen, und bemerkte darüber, wie sehr sie auf die Sprache des Kinos zurückgriffen (...) Wie etwa auch die Gucklöcher eine Reverenz an das frühe Kino darstellen. An einigen Stellen bemerkten wir also, wow, in gewisser Hinsicht hat das viel mit dem Kino zu tun. Und es geht auch um Verführung und die verschiedenen Arten, wie das Kino funktioniert."
Archiv: Film Comment

HVG (Ungarn), 08.02.2016

Der Dramaturg und Regisseur Ákos Németh war über zehn Jahre lang Kurator der Theater-Biennale in Wiesbaden. Seine Stücke wurden unter anderem in London, Berlin und in New York aufgeführt. Nach langer Zeit ist er jetzt wieder in der alternativen Szene in Ungarn tätig. Im Gespräch mit Zsuzsa Mátraházi denkt er über die Unterschiede der Stellung und Bewertung dieser Theaterszene in Ost und West nach: "In Ungarn werden entscheidende Akteure des professionellen Theaters in die alternative Szene verdrängt, obwohl gerade sie zu ausländischen Festivals eingeladen werden und nicht die etablierten Theaterhäuser. Letztere kommen den Publikumsbedürfnissen oft übertrieben entgegen. Sicher hat Boulevardtheater auch seinen Platz unter der Sonne, es ist nur traurig, dass es bei uns mit Steuergeldern gefördert wird. Während dessen vegetieren die Alternativen dahin, nur weil sie die Aufmerksamkeit auf unliebsame Fragen lenken. Sie tun genau das, was ich ansonsten vermisse. (...) Es gibt viele Tabus, die nicht berührt werden sollen. Wie unsere Großväter ihre Köpfe wegdrehten, als ihre Nachbarn verschleppt wurden, so drehen wir unsere Köpfe weg, wenn jemand an der Straßenbahnhaltestelle belästigt wird."
Archiv: HVG

New York Times (USA), 14.02.2016

Jonah Weiner freut sich über einen neuen Pee-wee-Herman-Film, dem ersten seit 28 Jahren. Weiner erläutert, was die von Paul Reubens erfundene Figur nach wie vor subversiv macht: "Reubens war seiner Zeit weit voraus, was Identitätsfragen betrifft, in heutiger Comedy das beherrschende Thema, nur dass Reubens sich ihnen ganz anders näherte. Geschlechternormen werden in heutigen Formaten, wie 'Broad City' oder 'Transparent' explizit angegangen, während Reubens' in seiner Kinderserie 'Playhouse' eine implizite Sabotage betrieb. Weil die radikaleren Elemente in einer gut gelaunten, quietschbunten Atmosphäre aufgehoben waren, konnte die Serie sowohl von Kennern konsumiert werden, als auch von Spießern und natürlich von deren Kindern, die Reubens still und heimlich zu wahren Freigeistern erzog."

Außerdem: Daniel Bergner schildert den Fall des Entwicklungshelfers Warren Weinstein, der in Pakistan erst entführt und dann in einem US-Drohneneinsatz getötet wurde. Und Rachel Kaadzi Ghansah erklärt, wo Chirlane McCray, die Frau des New Yorker Bürgermeisters, bei ihrem sozialen Engagement an Grenzen stößt.
Archiv: New York Times
Stichwörter: Spießer, Comedy