Magazinrundschau
Die Magazinrundschau
Ein Blick in internationale Magazine. Jeden Dienstag ab 10 Uhr.
25.10.2005. Prospect beklagt den Niedergang der Theaterkritik. In Reportajes lobt Mario Vargas Llosa die Spendierhosen im bankrotten Berlin. Im Espresso erklärt Umberto Eco den Unterschied zwischen Bullshit und Stuss. Der New Yorker porträtiert den Architekten Santiago Calatrava. In Plus-Minus erzählt Adam Zagajewski, wie es sich als Dichter in Paris lebte. Im Guardian fürchtet der Dramatiker Dave Edgar die Folgen des Rufs "Feuer!" Al-Ahram hofft, dass der Nobelpreis für Harold Pinter ägyptischen Intellektuellen Mut macht. Der Spectator betrachtet die Todeszuckungen Russlands. Nichts als Psychosen und Perversionen im Theater, klagt Regis Debray in Le Point.
Prospect | Point | Przekroj | Al Ahram Weekly | Weltwoche | Economist | Literaturen | Elet es Irodalom | Plus - Minus | New Yorker | Outlook India | Reportajes | Guardian | Nepszabadsag | Espresso | Spectator
Prospect (UK), 01.11.2005
![](https://www.perlentaucher.de/cdata/fliess/B2/Q22/A12128/prospect.jpg)
Die Leser von Prospect und Foreign Policies haben sich entschieden: Weltberühmtester Intellektueller ist - mit Abstand - Noam Chomsky. Prospect reagiert dialektisch: Während Robin Blackburn Chomskys Talent zur fundierten Vereinfachung von Wissenschaft und Politik rühmt, sieht Oliver Kamm darin nur eine pathologische Manipulation von Fakten. (Die vollständigen Ergebnisse der Wahl sind hier einzusehen.)
Weitere Artikel: Rory Stewart, ehemaliger Gouverneur zweier Provinzen im Südirak, klärt uns über Gemeinsamkeiten und Unterschiede der drei islamistischen Parteien auf und macht aus seiner Enttäuschung über die politische Entwicklung im Irak keinen Hehl. Was für die asiatischen Tiger galt, gilt auch für Afrika, behauptet Matthew Lockwood: Nicht finanzielle Hilfe ist entscheidend für das Vorankommen eines Entwicklungslandes, sondern ein funktionierender Staat. Soziale Mobilität ist zwar in aller Munde, doch was genau, fragt John Goldthorpe, ist darunter zu verstehen? Zweierlei, wie Goldthorpe anhand des Modells von "Schumpeters Hotel" deutlich macht.
Plus - Minus (Polen), 22.10.2005
Ein sehr lesenwertes Interview mit dem polnischen Dichter Adam Zagajewski bringt das Magazin der Tageszeitung Rzeczpospolita. Zagajewski erzählt, wie er 1982 nach Frankreich emigrierte, weil er nicht der "Barde der Opposition" gegen die Kommunisten werden wollte - auch wenn er ihre Ziele unterstützte. In Frankreich angekommen, stellte er dann fest, dass ihn niemand ernst nahm. "Einmal sollte ich im Radio ein Interview geben. Ich stellte mich vor: Ich bin Dichter, woraufhin die Sprecherin erwiderte: Na gut, aber was machen Sie wirklich im Leben? Ich begriff, dass man in Frankreich nicht einfach nur Poet sein kann, das reicht nicht." Sein Leben in Paris, so Zagajewski, glich "der Tragikomödie vieler Exilanten aus Osteuropa. Sie kamen nach Paris mit dem Gefühl einer großen Mission, oft als Helden, und wurden mit der Trivialität des westlichen Alltags konfrontiert: Arbeitslosigkeit, Inflation, Korruption, Modeschauen, Filmpremieren und der Ölpreis."
New Yorker (USA), 31.10.2005
Paul Goldberger porträtiert den Architekten Santiago Calatrava, der in Chicago am Michigansee den höchsten Wolkenkratzer der USA bauen wird: einen korkenzieherförmigen Turm mit 115 Stockwerken, in dem Eigentumswohnungen und ein Hotel untergebracht werden sollen. Am Beispiel von Calatravas erstem Wohnturm, dem "Turning Torso? in Malmö, skizziert Goldberger die Vision des spanischen Architekten: "Von Wolkenkratzern erwartet man eigentlich nicht, dass sie tanzen, der 'Turning Torso' neigt allerdings dazu. Anders als die meisten Wolkenkratzer, die auf Unbeweglichkeit hin entworfen werden, unabhängig davon, wie stark sie doch schwanken mögen, hat dieser Turm etwas seltsam Kinetisches - als ob er versuchte, in die Horizontale zu gelangen. Normalerweise haben Wolkenkratzer eine vertikale Achse: gekrönt von originellen Spitzen ähneln sie Schlössern oder Raketen. Die meisten Wolkenkratzerarchitekten konzentrieren sich dabei auf zwei ästhetische Probleme: wie sie dem Erdboden und dem Himmel gleichermaßen gerecht werden. Calatrava dagegen interessiert sich einzig und allein für die Mitte. Für ihn ist ein Wolkenkratzer keine Säule mit einem Sockel, einem Pfeiler und einem Kapitell. Er ist nur Pfeiler - wodurch er ihm Dynamik und Energie verleiht."
Weiteres: Jeffrey Toobin porträtiert Stephen Breyer, Richter am Obersten Gerichtshof, und seine Ideen zu einer "progressiven Belebung" dieser Institution. George Packer kommentiert den Prozess gegen Saddam Hussein. Kate Julian berichtet über eine Massenhochzeit, die eine ledige, kinderlose Buchautorin für zehn Paare mit Kindern ausrichtete. Paul Slansky veranstaltet ein Bush-Quiz. Zu lesen ist außerdem die Erzählung "The Children" von William Trevor.
George Packer bespricht ein Buch von Stephen Koch über die gemeinsame Zeit von Hemingway und Dos Passos im spanischen Bürgerkrieg ("The Breaking Point: Hemingway, Dos Passos, and the Murder of Jose Robles", Counterpoint). Die Kurzbesprechungen widmen sich unter anderem der Studie "The Moral Consequences of Economic Growth" des Reagan-kritischen Ökonomen Benjamin N. Friedman. John Lahr stellt Neuinszenierungen von "A Soldier?s Play", Charles Fullers Melodram, das 1981 den Pulitzer Prize gewann, und von Alan Ayckbourns Erfolg von 1973 "Absurd Person Singular" vor. Anthony Lane sah im Kino "Kiss Kiss, Bang Bang" von Shane Black mit Robert Downey jr. und "North Country? von Niki Caro mit Charlize Theron, Sissy Spacek und Frances McDormand.
Nur in der Printausgabe: ein Essay von Oliver Sacks über das, was nach einem Sprachverlust noch bleibt, ein Porträt von Brent Scowcroft, dem ehemaligen Nationalen Sicherheitsberater von George Bush senior, sowie das Porträt eines nicht näher genannten amerikanischen Künstlers; außerdem Lyrik von Robert Bly, Elizabeth Spires und Elizabeth Macklin.
Weiteres: Jeffrey Toobin porträtiert Stephen Breyer, Richter am Obersten Gerichtshof, und seine Ideen zu einer "progressiven Belebung" dieser Institution. George Packer kommentiert den Prozess gegen Saddam Hussein. Kate Julian berichtet über eine Massenhochzeit, die eine ledige, kinderlose Buchautorin für zehn Paare mit Kindern ausrichtete. Paul Slansky veranstaltet ein Bush-Quiz. Zu lesen ist außerdem die Erzählung "The Children" von William Trevor.
George Packer bespricht ein Buch von Stephen Koch über die gemeinsame Zeit von Hemingway und Dos Passos im spanischen Bürgerkrieg ("The Breaking Point: Hemingway, Dos Passos, and the Murder of Jose Robles", Counterpoint). Die Kurzbesprechungen widmen sich unter anderem der Studie "The Moral Consequences of Economic Growth" des Reagan-kritischen Ökonomen Benjamin N. Friedman. John Lahr stellt Neuinszenierungen von "A Soldier?s Play", Charles Fullers Melodram, das 1981 den Pulitzer Prize gewann, und von Alan Ayckbourns Erfolg von 1973 "Absurd Person Singular" vor. Anthony Lane sah im Kino "Kiss Kiss, Bang Bang" von Shane Black mit Robert Downey jr. und "North Country? von Niki Caro mit Charlize Theron, Sissy Spacek und Frances McDormand.
Nur in der Printausgabe: ein Essay von Oliver Sacks über das, was nach einem Sprachverlust noch bleibt, ein Porträt von Brent Scowcroft, dem ehemaligen Nationalen Sicherheitsberater von George Bush senior, sowie das Porträt eines nicht näher genannten amerikanischen Künstlers; außerdem Lyrik von Robert Bly, Elizabeth Spires und Elizabeth Macklin.
Outlook India (Indien), 31.10.2005
![](https://www.perlentaucher.de/cdata/fliess/B2/Q15/A12127/outlook.jpg)
In der Titelgeschichte fragt Mariana Baabar, ob das Erdbeben in Kaschmir die verfeindeten Konfliktparteien wirklich einander angenähert hat.
Reportajes (Chile), 23.10.2005
![](https://www.perlentaucher.de/cdata/fliess/B2/Q46/A12124/reportajes.jpg)
Pablo Marin hat den Schriftsteller Ian McEwan interviewt, dessen neuer Roman "Saturday" auch in der spanischen Übersetzung viel gelesen und diskutiert wird: "Es ging mir vor allem um die Darstellung der seltsam widersprüchlichen Gefühle der Bewohner westlicher Großstädte: Einerseits genießen sie große Privilegien und relativen Frieden, auf der anderen Seite steht die Furcht vor dem Terrorismus. Viele Dinge betrachten wir als selbstverständlich gegeben, und zugleich bedrückt uns das Wissen, dass wir soviel zu verlieren haben."
Guardian (UK), 22.10.2005
![](https://www.perlentaucher.de/cdata/fliess/B2/Q75/A12126/guardian.jpg)
Der Schriftsteller Ian McEwan freut sich über die Neuausgabe von Peter Schneiders (mehr) Erzählung "Die Mauerspringer". In Bezug auf psychologische Genauigkeit gebe es zu der 28 Jahre andauernden Ära des antifaschistischen Schutzwalls nichts Vergleichbares. "Im Jahr 1987 war ich in Berlin, um für den Hintergrund eines Romans zu recherchieren, den ich in der Stadt spielen lassen wollte. Ich fragte einige Freunde, wer von den westdeutschen Autoren denn gute Romane über die Mauer geschrieben habe. Es war das perfekte Thema - eine fast komische Monströsität, ein weltweites politisches Schisma, das sich in Beton und Stacheldraht verwandelt hatte und durch Hinterhöfe und sogar Wohnzimmer schnitt, Familien, Liebende teilte und zwei Staaten in einer andauernden Umarmung voller Liebe und Hass festhielt. Nur Schneiders Name wurde genannt."
Und Tariq Ali lobt Reza Aslans moderate und differenzierte Darstellung des Islam in "No God But God" als besonders benutzerfreundlich für westliche Leser. Nur die Darstellung der Schiiten ist ihm zu unkritisch geraten. "Ein iranisches Pendant zu Monty Pythons 'Life of Brian' (mehr) wird das alles eines Tages auseinanderpflücken."
Nepszabadsag (Ungarn), 22.10.2005
Anlässlich des Jahrestags des ungarischen Aufstandes von 1956 macht Peter Szigeti darauf aufmerksam, dass seine Generation "aus oppositionellen Foren der so genannten 'zweiten Öffentlichkeit' und aus den Mythenfabriken der Eltern und Großeltern nichts mehr, und aus den Schulbüchern noch nichts über die Revolution erfahren konnte." Es fehle immer noch an der historischen Distanz, aus der heraus man ein Ereignis objektiv betrachten könne: "1956 ist und bleibt solange ein primär politisches Thema, wie jene, die die Revolution so oder so erlebten, politisch aktiv sind. Die heute Zwanzig- oder Dreißigjährigen interessieren sich wenig für Politik. Solange jedes Jahr am 23. Oktober in diesem oder jenem Politiker der schlummernde Revolutionär erwacht, wird meine Generation mit der echten Interpretation nicht beginnen."
Espresso (Italien), 21.10.2005
![](https://www.perlentaucher.de/cdata/fliess/B2/Q17/A12111/espresso.jpg)
Gianni Perelli besucht den arabischen Nachrichtensender Al-Jazeera, der ab April 2006 mit einem englischsprachigen Programm auf Sendung gehen will. Die Absicht? "Zehn Millionen neue Zuschauer im ersten Jahr und die Revolution des weltweiten Nachrichtenwesens. Das vorrangige Ziel sind die USA, wo unsere Website schon heute die meisten Aufrufe verzeichnet", sagt Nigel Parsons, der designierte Chef des internationalen Ablegers. Und Cesare Balbo empfiehlt Alex Gibreys Dokumentarfilm über den Fall "Enron".
Im Titel feiert Edmondo Berselli Romano "Tsunami" Prodi, der vor einer Woche mit großer Mehrheit von Mitgliedern und Anhängern zum Spitzenkandidaten des linken Oppositionsbündnisses bei der Parlamentswahl im kommenden Mai gekürt worden ist. Leider nur im Print gibt es eine Geschichte über die leisen Reformen des neuen Papstes innerhalb des Vatikans.
Spectator (UK), 21.10.2005
![](https://www.perlentaucher.de/cdata/fliess/B2/Q62/A12129/spectator.jpg)
Rod Liddle freut sich schon allein aus patriotischen Gründen über den Literaturnobelpreis für Harold Pinter, seiner Ansicht nach der wichtigste englische Literat der vergangenen fünfzig Jahre. Doch wird Pinter wirklich für sein Werk ausgezeichnet? "Pinter hat seit 1960 gute Sachen geschrieben, aber nie mehr ähnlich gute wie in den Jahren davor. Sein letztes wichtiges Stück war 'No Man's Land' von 1974 - vor dreißig Jahren - aber er hat den Preis jetzt bekommen. Lehnt man sich also zu weit aus dem Fenster, wenn man behauptet, dass die Nobelleute eher von Pinters jüngsten, unerbittlichen und scharfen Attacken gegen die amerikanische Außenpolitik beeindruckt waren?" Wie etwa folgendem launigen Vierzeiler:
"There's no escape,
The big pricks are out,
They'll fuck everything in sight,
Watch your back."
Point (Frankreich), 21.10.2005
![](https://www.perlentaucher.de/cdata/fliess/B2/Q39/A12130/point.jpg)
Przekroj (Polen), 20.10.2005
![](https://www.perlentaucher.de/cdata/fliess/B2/Q116/A12123/przekroj.jpg)
Zwei Publizisten, Jacek Zakowski und Piotr Najsztub, sprechen über die Präsidentschaftswahl in Polen: "Wenn ich könnte, würde ich aus Donald Tusk und Lech Kaczynski einen Präsidenten, einen 'Donald Duck' (kaczka heißt Ente) basteln. Bei Kaczynski wissen wir ziemlich genau, was uns erwartet und was für ein Mensch er ist, bei Tusk besteht noch die Chance, dass nach der Wahl etwas Besseres entsteht. Es gibt Stimmen, wie die von Lech Walesa, dass man Kaczynski wählen sollte, nur um die Brüder endlich regieren und sich kompromittieren zu lassen. Dann wäre endlich diese Epoche vorbei - wie eine Krankheit, die wir durchleben müssen, damit es später besser wird."
Al Ahram Weekly (Ägypten), 20.10.2005
![](https://www.perlentaucher.de/cdata/fliess/B2/Q73/A12125/ahram.jpg)
Homer wird zu Omar, Bart zu Badr, Marge zu Mona - und die Simpsons werden als Familie Al-Shamshoon auf den ägyptischen Fernsehbildschirmen zu sehen sein, allerdings in einer arabisierten Version, wie Hicham Safieddine informiert: mit den Stimmen bekannter ägyptischer Schauspieler, und ohne Anspielungen auf Sex und Alkohol.
![](https://www.perlentaucher.de/cdata/fliess/B2/Q73/A12125/cbr.jpg)
Außerdem berichtet Fayza Hassan von einem Überraschungserfolg auf dem amerikanischen Buchmarkt: die englische Übersetzung einer Auswahl ägyptischer Folktales mit dem populären Antihelden und "weisen Narren" Goha. Eine davon steht hier.
Weltwoche (Schweiz), 20.10.2005
![](https://www.perlentaucher.de/cdata/fliess/B2/Q26/A12132/weltwoche.jpg)
Margrit Sprecher porträtiert den Chef der Deutschen Bank, den Schweizer Josef Ackermann, der in Deutschland wegen seinen radikalen Maßnahmen immer mehr unter Beschuss gerät. "Doch Josef Ackermann sieht aus wie immer: heiter. Die volle Tolle über der Stirn ist frisch geföhnt, der Rücken scheint breiter denn je. Und neben den schmalschädligen, schmallippigen und schmalnasigen Vorstandsherren der Deutschen Bank wirkt er wie ein Bonvivant, der darauf wartet, dass endlich der gemütliche Teil beginnt. Das, allerdings, dauert lange."
Economist (UK), 23.10.2005
![](https://www.perlentaucher.de/cdata/fliess/B2/Q14/A12134/economist.jpg)
Weitere Artikel: Geradezu ehrfurchtsvoll schreibt der Economist über "Wasser", den dritten Teil der Film-Trilogie von Deepa Mehta, in dem sich die indische Regisseurin kritisch mit dem Schicksal der indischen Witwen (die nach dem Tod ihres Ehemannes als halb tot gelten und genötigt werden, unter Verschluss zu leben) auseinandersetzt. Und noch einmal Indien: Schlichtweg gefährlich nennt der Economist die Zugeständnisse, die George Bush entgegen dem Nichtverbreitungs-Vertrag für Nuklearwaffen an Indien gemacht hat. Weiter trauert der Economist um Arthur Seldon, der als Ideengeber des IEA (Institute of Economic Affairs) die wirtschaftspolitische Kultur Großbritanniens entscheidend geprägt hat. Aus vier mach drei - AOL steht zum Verkauf und der Economist spekuliert über den letztendlichen Käufer: Yahoo!, Google oder Microsoft? Und: Viel Lärm um Nichts? - Der Economist berichtet von einer kontroversen Studie, die bewiesen haben will, dass es doch keine "Dunkle Materie" gibt.
Und schließlich: Im Dossier geht es um Patente und die Auswirkungen, die eine Reform des Patentrechts auf die Entwicklung der Wirtschaft haben könnte.
Literaturen (Deutschland), 01.11.2005
![](https://www.perlentaucher.de/cdata/fliess/B2/Q21/A12135/literaturen.jpg)
Sigrid Löffler porträtiert den mit "Weltgier" geschlagenen Reiseschriftsteller Cees Noteboom als Kartografen und Geschichtsschreiber, der in seinen Notizbüchern - seinem "externen Gedächtnis" - die Ungleichzeitigkeiten dieser Welt einfängt. "Die Kladden sind die Essenz seines Reise-Universums. Zweimal sind ihm seine Notizbücher gestohlen worden - einmal mitsamt der Reisetasche auf der Insel La Gomera, das andere Mal in einem überfüllten Stadtbus in Buenos Aires. Weil in diesen Kladden aufgehoben ist, was sonst vom großen Vergessen zermalmt würde, erlebte er ihren Diebstahl wie eine Amputation - ein unwiderbringlicher und schwer behindernder Verlust."
Weitere Artikel: Franz Schuh rät zu Andrea Camilleris sizilianischem Maigret "Der falsche Liebreiz der Vergeltung", auch wenn diesem das A und O des Kriminalromans fehlt: das Mordopfer. Sybille Berg versucht sich an alltäglicher Sinnstiftung und scheitert. Henning Klüver sinniert über das italienische Verhältnis zwischen Wein und Literatur. Eigentlich war es schon abgegrast, das Leben des Charles Bukowski, meint Manuela Reichart. Doch Bent Hamers Filmbiografie ist "eine einfache, fast stille, jede Minute überzeugende Geschichte: Ein Mann will schreiben und dafür überleben". Und in der Netzkarte stellt Aram Lintzel das "conference hunting" vor, eine globale Schnitzeljagd, die in ihrer mathematischen Formalisierung das erlebnisfreie Reisen auf die Spitze treibt.
Elet es Irodalom (Ungarn), 21.10.2005
Das ES-Magazin druckt mehrere Nachrufe auf Istvan Eörsi (mehr hier): "Ein draufgängerischer Intellektueller, ein intellektueller Draufgänger, der es liebte, zu widersprechen. Er liebte Situationen, Entscheidungen und Begründungen des Dennoch und Trotzdem" - schreibt Andras B. Vagvölgyi. "Es war gut, dass er Veränderungen wollte und an ihnen teilnahm. ... Es war gut, dass er sich durch die Jahre im Gefängnis lachte und seine Wächter in den Wahnsinn trieb. Es war nicht gut, dass die ungarische Gesellschaft auf den ersten Ruf mit Janos Kadar ins Bett stieg, aber es war gut, dass Eörsi auch dazu eine andere Meinung hatte. Gleich am Tag seiner Freilassung. Es war gut, dass die Demokratische Opposition, die Samisdat-Zeitschriften, die Menschenrechte, die Forderung nach einer demokratischen Gesellschaftsordnung, das Verlangen nach dem freien Leben ohne Istvan Eörsi damals unvorstellbar war."
"Er war einer der Begründer der neuen Ordnung, aber das wird meistens nicht anerkannt - wer hat schon über einen ironischen Gründungsvater gehört? Gründungsväter grinsen nicht. Eörsi war einer der größten ungarischen Satiriker, weil er nicht alles auslachte. Nur fast alles" - meint der Philosoph Miklos Gaspar Tamas.
Weiteres: Zwei Beiträge feiern den Nobelpreis von Harold Pinter (hier und hier) und György Konrad feiert den von den Nazis ermordeten und zu Unrecht in Vergessenheit geratenen ungarischen Maler Istvan Farkas.
"Er war einer der Begründer der neuen Ordnung, aber das wird meistens nicht anerkannt - wer hat schon über einen ironischen Gründungsvater gehört? Gründungsväter grinsen nicht. Eörsi war einer der größten ungarischen Satiriker, weil er nicht alles auslachte. Nur fast alles" - meint der Philosoph Miklos Gaspar Tamas.
Weiteres: Zwei Beiträge feiern den Nobelpreis von Harold Pinter (hier und hier) und György Konrad feiert den von den Nazis ermordeten und zu Unrecht in Vergessenheit geratenen ungarischen Maler Istvan Farkas.
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