Efeu - Die Kulturrundschau
Sie haucht, rollt, hetzt durch Text
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17.01.2019. FAZ und SZ freuen sich über den Ernst-von-Siemens-Preis für die bewegten Hörlandschaften der Komponistin Rebecca Saunders. Die Berliner Zeitung erinnert daran, dass das Bauhaus auch Theater konnte, woran uns heute vor allem amerikanische Künstler erinnern. Der neue "Maria Stuart"-Film ist feministisch ganz auf der Höhe der Zeit, loben die Filmkritiker. Die NZZ wandert auf den Spuren Arthur Schnitzlers durch Wien. Und: die Feuilletons trauern um Kinderbuchautorin Mirjam Pressler.
9punkt - Die Debattenrundschau
vom
17.01.2019
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Musik
Der Ernst-von-Siemens-Preis geht in diesem Jahr an die Komponistin Rebecca Saunders, überhaupt erst die zweite weibliche Preisträgerin. Nicht nur für die Gleichberechtigung, sondern insbesondere für die Musik ist diese Auszeichnung erfreulich, schreibt Henrik Oerding in der SZ voller Bewunderung für Saunders' intensive Arbeiten, etwa das Stück "Yes", das von Molly Blooms Schlussmonolog in James Joyce' "Ulysses" inspiriert ist: "Saunders lässt eine Sopranistin Textschnipsel singen, 19 Instrumentalisten begleiten sie. ... Es gibt Momente, in denen die Sopranistin feine Netze aus Tönen spinnt und andere, in denen sie heiser zu ersticken scheint. Sie haucht, rollt, hetzt durch Text. Alles strebt auf die tiefen Basstöne, die die letzten Worte der Sopranistin begleiten. Und dann: Stille. Stille so laut, dass sie diesen höchsten Preis sehr verdient hat."
Auch FAZ-Kritiker Clemens Haustein erinnert sich mit größtem Vergnügen an die Uraufführung von "Yes" vor zwei Jahren in Berlin: "Mit großer Eleganz errichtete sie darin eine ständig sich wandelnde Klangskulptur, in deren Mitte sich der Hörer selbst befand: Die Architektur des Kammermusiksaals in der Berliner Philharmonie nutzend, verteilten sich die Musikerinnen und Musiker auf die Emporen und Erkerchen rundherum. Es ging dabei nicht nur um Raumeffekte, sondern um den Versuch, den Klang zu dezentralisieren und dadurch seine Perspektive zu vertiefen. ... Bewegte Hörlandschaften können dabei entstehen, die auch im Abrupten und Aggressiven (was nicht selten vorkommt in den Stücken der äußerlich sehr ruhig wirkenden Komponistin) noch logisch und organisch erscheinen in ihrem Bau." Auf der Website des Siemens-Preises unternimmt Björn Gottstein "fünf Versuche über Rebecca Saunders".
Besprochen werden Daniel Barenboims Klavierkonzert in Zürich (NZZ), ein Auftritt von Jens Friebe (FR), ein Konzert der Staatskapelle und Pianistin Elisabeth Leonskaja (Tagesspiegel) und ein Konzert der Jungen Deutschen Philharmonie unter der Leitung von Wilson Ng (FR).
Auch FAZ-Kritiker Clemens Haustein erinnert sich mit größtem Vergnügen an die Uraufführung von "Yes" vor zwei Jahren in Berlin: "Mit großer Eleganz errichtete sie darin eine ständig sich wandelnde Klangskulptur, in deren Mitte sich der Hörer selbst befand: Die Architektur des Kammermusiksaals in der Berliner Philharmonie nutzend, verteilten sich die Musikerinnen und Musiker auf die Emporen und Erkerchen rundherum. Es ging dabei nicht nur um Raumeffekte, sondern um den Versuch, den Klang zu dezentralisieren und dadurch seine Perspektive zu vertiefen. ... Bewegte Hörlandschaften können dabei entstehen, die auch im Abrupten und Aggressiven (was nicht selten vorkommt in den Stücken der äußerlich sehr ruhig wirkenden Komponistin) noch logisch und organisch erscheinen in ihrem Bau." Auf der Website des Siemens-Preises unternimmt Björn Gottstein "fünf Versuche über Rebecca Saunders".
Besprochen werden Daniel Barenboims Klavierkonzert in Zürich (NZZ), ein Auftritt von Jens Friebe (FR), ein Konzert der Staatskapelle und Pianistin Elisabeth Leonskaja (Tagesspiegel) und ein Konzert der Jungen Deutschen Philharmonie unter der Leitung von Wilson Ng (FR).
Architektur
"Bauhausfans, nun freuet euch!", ruft in der Berliner Zeitung Petra Kohse, die dabei war, als Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier in Berlin Bauhaus-Feierlichkeiten eröffnete.
Nicht nur Architektur, auch Tanz und Theater sollen bei dem Jubiläum eine Rolle spielen, erklärt Bettina Wagner-Bergelt, neue Leiterin des Wuppertaler Tanztheaters und künstlerisch verantwortlich für das Festival "Bauhaus100", im Interview mit der Berliner Zeitung: "Die Bauhausbühne ist in Deutschland seit den dreißiger Jahren fast ganz vergessen worden. Wichtiger war da die durchgehende Rezeption in den USA, wo etwa Xanty Schawinskis Theater und Tanz an das Black Mountain College gebracht hat. Und von dort aus ist es zurückgekehrt nach Europa, erweitert, verändert durch amerikanische Künstler. Auch das soll deutlich werden: Das Erbe des Bauhauses muss immer neu entdeckt werden, es verändert und erweitert sich je nach Kontext." Das Video zeigt Oskar Schlemmers "Triadisches Ballett" von 1922 in den Originalkostümen. Kaum bekannt ist es in Deutschland auch, weil Schlemmers Enkel, der die Urheberrechte geerbt hatte, Aufführungen hierzulande verhinderte.
Außerdem: In der Zeit möchte Hanno Rauterberg die Bauhaus-Feiern am liebsten auf dessen Formen beschränken. Alle anderen Wesenszuschreibungen - innovativ, freisinnig, revolutionär - hält er für Unsinn. "Die Welt ist mit dem hundert Jahre alten Bauhaus bis heute noch nicht fertiggeworden", meint Christian Thomas in der FR.
Nicht nur Architektur, auch Tanz und Theater sollen bei dem Jubiläum eine Rolle spielen, erklärt Bettina Wagner-Bergelt, neue Leiterin des Wuppertaler Tanztheaters und künstlerisch verantwortlich für das Festival "Bauhaus100", im Interview mit der Berliner Zeitung: "Die Bauhausbühne ist in Deutschland seit den dreißiger Jahren fast ganz vergessen worden. Wichtiger war da die durchgehende Rezeption in den USA, wo etwa Xanty Schawinskis Theater und Tanz an das Black Mountain College gebracht hat. Und von dort aus ist es zurückgekehrt nach Europa, erweitert, verändert durch amerikanische Künstler. Auch das soll deutlich werden: Das Erbe des Bauhauses muss immer neu entdeckt werden, es verändert und erweitert sich je nach Kontext." Das Video zeigt Oskar Schlemmers "Triadisches Ballett" von 1922 in den Originalkostümen. Kaum bekannt ist es in Deutschland auch, weil Schlemmers Enkel, der die Urheberrechte geerbt hatte, Aufführungen hierzulande verhinderte.
Außerdem: In der Zeit möchte Hanno Rauterberg die Bauhaus-Feiern am liebsten auf dessen Formen beschränken. Alle anderen Wesenszuschreibungen - innovativ, freisinnig, revolutionär - hält er für Unsinn. "Die Welt ist mit dem hundert Jahre alten Bauhaus bis heute noch nicht fertiggeworden", meint Christian Thomas in der FR.
Film

Christian Seidl findet den Film in der Berliner Zeitung "bemerkenswert", mit seinen feministischen Aspekten ist dieser Stoff trotz seines Alters "ganz auf der Höhe der Zeit" und auch die Kino-Schauwerte kommen nicht zu kurz. NZZ-Kritikerin Christina Tilmann beobachtet, dass in letzter Zeit die Zahl der Filme, "die mit starken Protagonistinnen unverhohlen die Macht-Frage stellen", zugenommen hat. In der SZ heißt Kathleen Hildebrand das feministische Anliegen des Films als Debattenbeitrag zwar gut, "als Kunstwerk ist er aber nicht sehr subtil." Andreas Busche hat sich mit Hauptdarstellerin Saoirse Ronan zum Gespräch getroffen. Im Dlf Kultur sprach die Regisseurin ausführlich über ihren Film.
Weitere Artikel: Auf critic.de lassen zahlreiche Autorinnen und Autoren - darunter auch die Perlentaucher-Kritiker Nicolai Bühnemann, Katrin Doerksen, Lukas Foerster, Thomas Groh und Michael Kienzl - den 18. Hofbauerkongress Revue passieren, der Anfang Januar in Nürnberg stattgefunden hat. Fabian Tietke empfiehlt in der taz eine dem sowjetisch-jüdischen Filmemacher Michail Kalik gewidmete Schau im Berliner Kino Arsenal.
Besprochen werden M. Night Shyamalans "Glass" (Standard, SZ), Debra Graniks auf Heimmedien veröffentlichter Film "Leave no Trace" (taz), Michael Moores "Fahrenheit 11/9" (FR, mehr dazu hier), Eva Trobischs "Alles ist gut" (NZZ), Jason Reitmans "Der Spitzenkandidat" (taz, FR), Benedikt Schwarzers Dokumentarfilm "Die Geheimnisse des schönen Leo" (taz), der Horrorfilm "Polaroid" (Presse) und die von Harald Schmidt angeregte SWR-Serie "Labaule & Erben" (Freitag).
Design
Im Freitag wünscht sich Lena Grehl mehr Taschenraum in Frauenhosen: "Weshalb werden Handtaschen durch die fassungsbeschränkten Hosentaschen zum Must-have, wenn ich gar keine Handtaschen tragen, geschweige denn überhaupt kaufen mag?"
Literatur


Drei Wochen nach dem Tod von Amos Oz ist auch dessen deutsche Übersetzerin, die Kinderbuchautorin Mirjam Pressler gestorben. Mit ihren Büchern wollte die Schriftstellerin "bei ihren jungen Lesern und Leserinnen das Verständnis für besondere und schwierige Lebensverhältnisse wecken - und dass es fast nie die Schuld der Kinder ist, damit konfrontiert zu werden", erklärt Gerrit Bartels im Tagesspiegel. "Sie konnte Kindern Weisheiten ins Herz schmuggeln in einer Art, die ihnen gemäß war, sie konnte tiefe Gefühle in ihnen wecken und sie doch mit dem Gefühl hinterlassen, eine richtig schöne, packende Geschichte gelesen zu haben", würdigt Anne-Catherine Simon die Verstorbene in der Presse. Dlf Kultur hat ein ausführliches Gespräch mit der Schriftstellerin aus seinem Archiv geholt.
Weitere Artikel: Thomas Steinfeld sieht in der SZ keinen Anlass zur Hoffnung, dass der Neustart der Schwedischen Akademie ihre Glaubwürdigkeit in absehbarer Zeit wieder herstellen kann. Klaus Dermutz gibt im Hundertvierzehn-Blog des S.Fischer-Verlags Einblick in die Recherchen zu Gerhard Roths neuem Roman "Die Hölle ist leer - die Teufel sind alle hier". In der SZ gestatten diverse Bestseller-Übersetzer einen Blick in ihre Werkstatt, in der es aufgrund des gesteigerten Drucks auf zeitnahe Publikationen erheblich stressiger zugeht als früher. Für den BR2 spricht Achim Bogdahn mit der Schriftstellerin Deborah Feldman. Gerrit Bartels (Tagesspiegel), Anne-Catherine Simon (Presse) und Roswitha Budeus-Budde (SZ) schreiben zum Tod der und Übersetzerin Mirjam Pressler.
Besprochen werden Kristen Roupenians Erzählband "Cat Person" (ZeitOnline, FAZ), Fernando Pessoas "Ich Ich Ich - Selbstzeugnisse und Erinnerungen von Zeitgenossen" (Zeit), Stephen Kings "Erhebung" (Tagesspiegel), Teresa Präuers Essay "Tier werden" (SZ), neue Bücher von Franz Josef Czernin (FAZ) und eine Ausstellung im Centre Pompidou über den Comicautor Riad Sattouf (FAZ).
Bühne
Rainer Moritz wandert für die NZZ auf Arthur Schnitzlers Spuren durch Wien und notiert: "Während man heutzutage gern in den leicht verranzten Bräunerhof in der Stallburggasse pilgert, um bei Debreczinern mit Kren Thomas Bernhard und Ilse Aichinger im Geiste nah zu sein, zog es die aufstrebenden Dichter und Denker des Fin de Siècle ins alte Café Griensteidl, das 'Hauptquartier der jungen Literatur', wie es bei Stefan Zweig heißt, und ins Café Central. Schnitzler war anders als Altenberg kein leidenschaftlicher Besucher der Kaffeehäuser, wo, wie er schrieb, alle Literaten, 'denen vormittags nichts eingefallen war, am Nachmittag ihre Gedanken austauschten'."
Weitere Artikel: Astrid Kaminski berichtet in der taz über das Nachwuchsfestival Tanztage Berlin. Daniele Muscionico nimmt in der NZZ anlässlich von Katja Frühs und Patrick Freys neuem Stück "Sei kein Mann!" die Männlichkeitskrise im Theater aufs Korn. Janis El-Bira stellt in der Berliner Zeitung die Dramatikerin Maja Zade vor, die an der notorisch männerbesetzten Schaubühne zwei ihrer Stücke zeigen darf. Die nachtkritik veröffentlicht ein Kapitel aus Andreas Wilinks Schleef-Biografie. Außerdem kann man auf der nachtkritik die wichtigsten Theaterinszenierungen des vergangenen Jahres wählen.
Besprochen werden Alexander Nerlichs Inszenierung von "Kleiner Mann - Was nun?" am Staatstheater Mainz (FR), Mercedes Echerers Inszenierung von Árpád Schillings und Éva Zabezsinszkijs Stück "Tag des Zorns" im Wiener Theater Drachengasse (Presse), Hakan Savaş Micans Adaption von Remarques "Die Nacht von Lissabon" am Gorki-Theater und Claus Guths Inszenierung von Beat Furrers Oper "Violetter Schnee" an der Staatsoper in Berlin (Zeit).
Weitere Artikel: Astrid Kaminski berichtet in der taz über das Nachwuchsfestival Tanztage Berlin. Daniele Muscionico nimmt in der NZZ anlässlich von Katja Frühs und Patrick Freys neuem Stück "Sei kein Mann!" die Männlichkeitskrise im Theater aufs Korn. Janis El-Bira stellt in der Berliner Zeitung die Dramatikerin Maja Zade vor, die an der notorisch männerbesetzten Schaubühne zwei ihrer Stücke zeigen darf. Die nachtkritik veröffentlicht ein Kapitel aus Andreas Wilinks Schleef-Biografie. Außerdem kann man auf der nachtkritik die wichtigsten Theaterinszenierungen des vergangenen Jahres wählen.
Besprochen werden Alexander Nerlichs Inszenierung von "Kleiner Mann - Was nun?" am Staatstheater Mainz (FR), Mercedes Echerers Inszenierung von Árpád Schillings und Éva Zabezsinszkijs Stück "Tag des Zorns" im Wiener Theater Drachengasse (Presse), Hakan Savaş Micans Adaption von Remarques "Die Nacht von Lissabon" am Gorki-Theater und Claus Guths Inszenierung von Beat Furrers Oper "Violetter Schnee" an der Staatsoper in Berlin (Zeit).
Kunst

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