Takis Würger

Stella

Roman
Cover: Stella
Carl Hanser Verlag, München 2019
ISBN 9783446259935
Gebunden, 224 Seiten, 22,00 EUR

Klappentext

Es ist 1942. Friedrich, ein stiller junger Mann, kommt vom Genfer See nach Berlin. In einer Kunstschule trifft er Kristin. Sie nimmt Friedrich mit in die geheimen Jazzclubs. Sie trinkt Kognak mit ihm und gibt ihm seinen ersten Kuss. Bei ihr kann er sich einbilden, der Krieg sei weit weg. Eines Morgens klopft Kristin an seine Tür, verletzt, mit Striemen im Gesicht: "Ich habe dir nicht die Wahrheit gesagt." Sie heißt Stella und ist Jüdin. Die Gestapo hat sie enttarnt und zwingt sie zu einem unmenschlichen Pakt: Wird sie, um ihre Familie zu retten, untergetauchte Juden denunzieren? Eine Geschichte, die auf wahren Begebenheiten beruht - über die Entscheidung, sich selbst zu verraten oder seine Liebe.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 19.01.2019

Selbst als Debattengegenstand zu "schlecht", meint Rezensent Paul Jandl über Takis Würgers Roman "Stella". Er kann die Geschichte um den naiven Friedrich, der sich in die historisch inspirierte Figur der Stella Goldschlag, einer Jüdin, die im zweiten Weltkrieg andere Juden an die Nazis verriet, nur als billigen Holocaust-Kitsch lesen, so schwülstig erscheinen ihm die Sätze, so kostümhaft die Schilderungen der Nazis und ihrer Umwelt. Bei so viel "teflonhafter Nonchalance" im Umgang mit Geschichte findet Jandl: Vor solchen Nachgeborenen hätte man die Toten besser bewahrt.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 19.01.2019

Noch immer hält Takis Würgers "Stella" die KritikerInnen in Schach. Nachdem sein SZ-Kollege Fabian Wolff den Roman bereits mit Karacho verrissen hat, schaut sich auch Lothar Müller das Buch nochmal genauer an, um zu einem ähnlichen Ergebnis zu kommen. "Stella würzt eine im Kolportagestil erzählte Liebesgeschichte mit dem Aroma abgrundtiefen Verrats", meint er und erläutert: Wenn Würger hier die Akten aus dem Prozess einflicht, den die sowjetische Militärverwaltung der echte Stelle Goldstein im Frühjahr 1946 machte, Deportierte und Ermordete auf den Plan ruft und dennoch die Erzählmaschinerie seines Liebesromans ganz ohne Ruckeln weiterlaufen lässt, dann erscheint ihm nicht nur Würgers Erzählfigur "farbenblind" und "hastig zusammengebastelt", sondern Würger selbst missbraucht die realen Toten zur "ornamentalen Vernutzung" ohne der Brisanz der historischen Archive auch nur ansatzweise gerecht zu werden.
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Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 17.01.2019

Antonia Baum weiß und betont, dass sie nicht als erste Kritikerin über diesen Roman schreibt, und sie kennt das Phänomen der sich "kommandohaft" auf ein Opfer stürzenden Kritikerschar - aber sie kann nicht anders als einzustimmen und dieses Buch als eine absolute Katastrophe zu beschreiben. Sie nimmt sich viel Platz, um ihre Überlegungen glaubhaft auszuführen und bleibt bei aller Polemik argumentativ. Liest man als unschuldiger Zeitungskonsument diese Kritik, stellt sich als erstes eine Befürchtung ein, das ZDF könnte einen Film daraus machen. Das Stichwort "Unsere Mütter, unsere Väter" fällt - und Baum benennt hier also eine Tendenz zur Ausbeutung des Nazi- und Holocaustkontexts als Unique Selling Point deutscher Kulturproduktion. Was Baum am Roman stört, ist im Grunde die auftrumpfende Simplizität, das Schaudern bei Folterszenen und die billigen moralischen Konflikte, die hier für die komfortabel gebettete Nachwelt an einer historisch verbürgten Figur ausagiert werden. Baum erscheint es als obszöne Selbstinszenierung eines nach Ruhm schielenden, schriftstellernden Journalisten. Und sie fragt, "wie jene Kultur- und Sinnstiftungsmenschen drauf sein müssen, die einen solchen Text feiern, verlegen und als Top-Titel verkaufen".

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 15.01.2019

Carsten Otte ist verärgert. Takis Würgers Buch ist für ihn weder Roman noch Reportage. Für das eine stilistisch zu unbedarft, für das andere zu schlampig gemacht, scheint ihm das Buch am ehesten dem Genre der literarischen Hochstapelei zuzugehören. Als funktionsorientiertes Treatment für ein Drehbuch kann Otte es sich allerdings gut verstorellen. Dass Autor und Verlag den heiklen Stoff (die Geschichte der jüdischen NS-Kollaborateurin Stella Goldschlag) allerdings mit einem solchen Maß an moralischer Gleichgültigkeit behandeln, findet Otte obszön. Die Frage nach Schuld und Verantwortung lässt sich nicht in einen unreflektierten Kalenderspruch fassen, meint er.

Rezensionsnotiz zu Die Welt, 12.01.2019

Hannah Lühmann versteht die Verrisse von Takis Würgers neuem Roman nicht. Für sie ist Würgers Geschichte der Jüdin Stella Goldschlag, die für die Nazis Juden denunzierte, unterhaltsam und verdammt gut geschrieben (im Stil Hemingways, findet sie). Ob historisches Grauen in dieser Form in einem Roman behandelt werden darf, ist laut Lühmann eine der Fragen, die hinter der Ablehnung des Textes stehen könnten. Kitsch ist der Text für sie nicht unbedingt, eher schon die durchaus gekonnte Übertragung filmischer Dramatik ins Literarische. Auf die Debatte darüber freut sich die Rezensentin schon.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 11.01.2019

Jan Wiele hält Takis Würgers Roman über die NS-Kollaborateurin Stella Goldschlag für Schund und einen Tiefpunkt des Hanser-Verlags. Nichts Gutes kann er entdecken, wenn der Autor bei seinen historischen Ausflügen in das Berlin von 1942 kein Klischee auslässt und in TV-Trash-Ästhetik stilistisch unterirdisch vom Tanz auf dem Vulkan berichtet. Dieser Autor hat nichts zu erzählen, stellt Wiele schließlich fest, schon gar nicht das Unerzählbare, wie Daniel Kehlmann im Klappentext raunt.
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Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 11.01.2019

Fabian Wolff ist sich nicht sicher, ob Takis Würgers neuer Roman über die Geschichte der Judendenunziantin Stella Goldschlag nun ein Ärgernis, eine Beleidigung oder gar ein Vergehen ist. Fragwürdig findet er Würgers Umgang mit Geschichte und der moralischen Verantwortung gegenüber den Opfern allemal, derart unbedacht scheint ihm der Autor die Vergangenheit auszubeuten. Dass er dabei mit Klischees und Kitsch hantiert und es Wolff stellenweise so vorkommt, als synchronisiere Veronica Ferres ein aufs Exotische zielendes Nazidrama, lässt den Rezensenten ratlos zurück. Anstatt das Unerzählbare mit Sinn für Literarisierung und Geschichte zu erzählen, zeigt sich der Autor dem historischen Stoff nicht gewachsen, bedauert Wolff.
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Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk, 11.01.2019

Takis Würger hat sich für seinen Roman ein so komplexes wie sensibles Thema und eine ebenso interessante wie verstörende Figur ausgesucht. Laut Rezensent Christoph Schröder wird er jedoch beidem nicht gerecht. Die Geschichte von Kristin, die eigentlich Stella Goldschlag heißt und zur Verschleppung von etwa 300 Juden beigetragen hat, um ihr eigenes Leben zu schützen, ist berührend, schockierend und wirft einige wichtige moralische Fragen auf, weiß der Rezensent. Leider beschäftigt sich Würger jedoch nur oberflächlich mit seiner Figur, die nur so präsent erscheint, weil der Ich-Erzähler Friedrich neben ihr ein Winzling ist, urteilt der Rezensent. Wie Pappaufsteller schiebt der Autor seine zwei Figur gewordenen Klischees durch die protzigen Kulissen der deutschen Hauptstadt in den Vierzigern. Ihre Konflikte und ihr Leid bleiben reine "Behauptungen" und ihre Geschichte wirkt wie ein "Vehikel" für Würgers geschickt konstruierte, aufregend anrüchige kleine Erzählung, so der enttäuschte Rezensent.

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk Kultur, 11.01.2019

Durchaus wohlwollend bespricht Rezensent Gerrit Bartels Takis Würgers Roman "Stella". Wie sich der Spiegel-Reporter der jüdischen Sängerin und "Greiferin" Stella Goldschlag nähert, nämlich konzentriert auf das Jahr 1942, als Goldschlag selbst untertauchen musste und über eine Erzählfigur, die sich mit einem Urteil Stella gegenüber zurückhält, findet der Kritiker klug. Abgesehen von ein paar überflüssigen "Effekten" erscheint ihm die Geschichte angenehm "knapp und knackig" erzählt.