Magazinrundschau
Die Kunst des guten Kopierens
Ein Blick in internationale Magazine. Jeden Dienstag ab 10 Uhr.
20.04.2010. In Salon erklärt Viktor Jerofejew, was Katyn für die Russen bedeutet. In n+1 bewundert Brian Ferneyhoughs Willen zur Avantgarde. Open democracy prophezeit Europa eine stürmische Zeit mit Viktor Orban. In Elet es Irodalom bewundert Laszlo Krasznahorkai die Weisheit Peter Eötvös'. The Nation feiert die badenden Schönheiten des tschechischen Fotografen Miroslav Tichy. "Pissoirliteratur" ruft in Le Monde Michel Onfray all denen zu, die im Internet ein Buch verrissen haben, das ihm gefällt. In der London Review würdigt Benjamin Kunkel den majestätischen Stil des marxistischen Denkers Fredric Jameson. Der Boston Globe singt ein Loblied auf die Copycats.
Salon.eu.sk (Slowakei), 17.04.2010
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Polityka (Polen), 16.04.2010
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Krytyka Polityczna (Polen), 19.04.2010
Das Unglück von Smolensk bleibt das wichtigste Thema in Polen. Es herrscht kollektive Trauer, aber einige scheren aus und äußern sich auf der Webseite der linksintellektuellen Zeitschrift Krytyka Polityczna. "Schon seit Samstag habe ich den Eindruck, dass wir einen absurden Herdentrieb beobachten, nicht Trauer", schreibt etwa die Regisseurin Malgorzata Szumowska. "Trauer, wie ich sie auf dem polnischen Land erlebt habe, soll den Tod zähmen. Sie hat nichts von Hysterie oder Erhebung. Die Trauer, die ich im Fernsehen sehe, in den polnischen Straßen, hat mit der Zähmung des Todes nichts zu tun. Es ist eine kollektive Hysterie, ein Gemeinschaftsakt, den die Polen wie die Luft zum Atmen brauchen. Wir sind wohl die einzige Nation in Europa, die zu so etwas fähig ist, im Namen der eigenen Exaltiertheit, des Erlebens von etwas Großem, im Namen des Patriotismus."
Außerdem: Auch die Schriftstellerin und feministische Aktivistin Manuela Gretkowska versucht sich an einer psychologischen Deutung der Ereignisse: "Die Polen fühlen sich nicht als Bürger, sie haben keinen Anteil am Regieren; die nationale Trauer ist ein außergewöhnlicher Moment, in dem sie sich bedeutend und geeint fühlen können." Und in einem Gastkommentar prophezeit der konservative Publizist Cezary Michalski, dass die nationale Einheit nicht lange anhalten wird: "Mit der Beschwörung des Ereignisses, das über jegliche Politik hinaus geht, wird gnadenlose Politik betrieben werden. Es wird ein brutaler Machtkampf stattfinden. In Ausschnitten publiziert werden ferner die Stellungnahmen Olga Tokarczuks für die New York Times (hier auf Polnisch) und Slawomir Sierakowskis für den "Freitag" (hier auf Polnisch, hier auf Deutsch).
Außerdem: Auch die Schriftstellerin und feministische Aktivistin Manuela Gretkowska versucht sich an einer psychologischen Deutung der Ereignisse: "Die Polen fühlen sich nicht als Bürger, sie haben keinen Anteil am Regieren; die nationale Trauer ist ein außergewöhnlicher Moment, in dem sie sich bedeutend und geeint fühlen können." Und in einem Gastkommentar prophezeit der konservative Publizist Cezary Michalski, dass die nationale Einheit nicht lange anhalten wird: "Mit der Beschwörung des Ereignisses, das über jegliche Politik hinaus geht, wird gnadenlose Politik betrieben werden. Es wird ein brutaler Machtkampf stattfinden. In Ausschnitten publiziert werden ferner die Stellungnahmen Olga Tokarczuks für die New York Times (hier auf Polnisch) und Slawomir Sierakowskis für den "Freitag" (hier auf Polnisch, hier auf Deutsch).
n+1 (USA), 17.04.2010
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Open Democracy (UK), 15.04.2010
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Elet es Irodalom (Ungarn), 16.04.2010
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Espresso (Italien), 16.04.2010
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The Nation (USA), 03.05.2010
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Und: In einem sehr langen Artikel kommt Jonathan Blitzer dem uruguayischen Schriftsteller Juan Carlos Onetti nicht auf die Spur, ja, er wird nicht einmal richtig warm mit ihm.
Le Monde (Frankreich), 17.04.2010
Die Internet-Kommentare von Lesern seien das zeitgenössische Pendant zur "Pissoirliteratur" früherer Zeiten, schäumt der Philosoph Michel Onfray in einem Debattenbeitrag. Anlass sind hämische und beleidigende Leserkommentare zu einem Buch der Journalistin Florence Aubenas, das er selbst als "rein wie ein Diamant" gelobt und mit Stendhal, Zola und Celine verglichen hat. Und dann stehen im Netz plötzlich die "Rülpser irgendwelcher Zwerge", die das Buch - weil ein Bestseller - nicht einmal gelesen hätten: "Der Sykophant lässt seinen traurigen Affekten freien Lauf: Neid, Eifersucht, Bosheit, Hass, Ressentiment, Verbitterung, Groll etc. Da vernichtet der gescheiterte Koch die Küche eines erfolgreichen Kollegen...; der verhinderte Schriftsteller hält Vorlesungen über ein Buch, das er nur aus dem Fernsehauftritt seines Autors kennt... Der anonyme Kommentar im Internet ist eine virtuelle Guillotine. Er lässt den Impotenten einen abgehen, die nur jubeln, wenn Blut fließt. Morgen ist auch ein noch ein Tag, es reicht, ein bisschen dieses Fernsehen zu schauen, das man angeblich so verabscheut, aber vor dem man sich räkelt, um ein neues Sühneopfer für seine eigene Mittelmäßigkeit, seine Leere, seine geistige Armseligkeit zu finden."
London Review of Books (UK), 22.04.2010
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Weitere Artikel: Neue Bücher über die - derzeit ja noch nicht endgültig vollzogene - Wiederkehr der Konservativen in Großbritannien hat der Philosoph John Gray gelesen. Jonathan Raban ereifert sich über ein für seine Begriffe sehr unoriginelles konservatives Pamphlet von Phillip Blond mit dem provokativen Titel "Red Tory" (Rote Tories). Der Ökonom und Nobelpreisträger Joseph Stiglitz kritisiert in einer lesenswerten, aber für den ökonomietheoretisch unbeschlagenen Leser auch nicht ganz anstrengungsfreien Rezension Robert Skidelskys Buch "Keynes: The Return of the Master". Jenny Disky beschäftigt sich in ihrer Tagebuch-Kolumne mit allem, was krabbelt und fleucht.
MicroMega (Italien), 08.04.2010
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Boston Globe (USA), 18.04.2010
Erfindungen sind schön und gut, meint Drake Bennett im Boston Globe, aber Nachahmungen, erklärt ihm Oded Shenkar, Professor für Management und Autor des Buchs "Copycats: How Smart Companies Use Imitation to Gain a Strategic Edge", sind mindestens genauso wichtig. "Wir mögen Imitationen als den bequemen Weg herabsetzen - vor allem verglichen mit wegweisenden Erfindungen - aber es gibt auch eine Kunst des guten Kopierens. Wissenschaftler, die die Dynamik sozialer Systeme modellieren, haben herausgefunden, dass die Frage, wie man kopiert und wann, den entscheidenden Unterschied macht zwischen demjenigen, der seine Konkurrenten überholt, und demjenigen, der als blasser, imitierender Mitläufer abgeschrieben wird. 'Es passiert nicht einfach so, man muss wissen, wie man es macht', sagt Shenkar. 'Was für Innovationen gilt, gilt auch für Imitationen: Man muss es richtig machen.'"
Blätter f. dt. u. int. Politik (Deutschland), 01.04.2010
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Blogs und SMS können einiges zur Demokratisierung Afrikas beitragen. Und die Afrikaner nutzen die verbesserten Informationsmöglichkeiten, berichtet Geraldine de Bastion: "Einen Überblick zum Stand der afrikanischen Blogger-Community bietet der Aggregator Afrigator, der im Juli 2009 über 10.500 afrikanische Blogs aufführte. Südafrika nimmt mit 62 Prozent (rund 6400) der Blogs den weitaus größten Anteil ein, es folgen Nigeria (1094 Blogs), Kenia (555 Blogs) und Ägypten (325 Blogs). Sieben Prozent (etwa 780) der aufgeführten Blogs lassen sich inhaltlich nicht einem Land zuordnen, sondern thematisieren Afrika im Allgemeinen und werden als überregional klassifiziert."
El Pais Semanal (Spanien), 18.04.2010
"Venezuela ist heute, zusammen mit El Salvador, eines der gewalttätigsten Länder Lateinamerikas. Gewalttätiger als Kolumbien, Brasilien und Mexiko. Und Caracas ist inzwischen die mit Abstand gewalttätigste Stadt Lateinamerikas." Gerardo Zavarce zitiert den Leiter des "Observatorio Venezolano de Violencia", Roberto Briceno Leon. Die Mordrate hat sich innerhalb von zehn Jahren verdoppelt und betrug 2008 127 Opfer je 100.000 Einwohner. Ein nur scheinbar banaler Grund hierfür ist offensichtlich die massenhafte Verbreitung von Schusswaffen: "86 Prozent aller in Caracas zwischen 1999 und 2006 verzeichneten Morde wurden mit Schusswaffen durchgeführt. Venezuelas rund 27 Millionen Einwohrner verfügen gegenwärtig, legal oder illegal, über rund 12 Millionen Schusswaffen." Hugo Chavez sieht die Sache naturgemäß anders: "Die Verbrecher und viele ihrer kriminellen Banden werden ausgebildet, finanziert und unterstützt durch das konterrevolutionäre Bürgertum und unsere internationalen Feinde, el imperio yanqui und seine Lakaien."
New Yorker (USA), 26.04.2010
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