Magazinrundschau
Die Magazinrundschau
Ein Blick in internationale Magazine. Jeden Dienstag ab 10 Uhr.
28.11.2006. Der Merkur beschwört die Exzentrik der Europäer. Im Espresso liest Umberto Eco den Koran und Tertullian. Die Weltwoche interviewt Ahmed Scheikh von Al Dschasira. Im Figaro verteidigt Alain Finkielkraut Robert Redeker gegen seine "Ja, aber..."-Verteidiger. Das TLS hat die Nase voll von politischen Moralaposteln. Literaturen vom neuen Wertepatriotismus. Die Briten kaufen Bulgarien, stellt Przekroj fest. Nepszabadsag sehnt sich nach einem Kapitalismus mit menschlichem Antlitz. Der Economist feiert eine Tocqueville-Biografie. Die New York Times liebt den neuen Pynchon.
Merkur (Deutschland), 01.12.2006
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Weiteres: Michael Stolleis ergründet das "Reich als Mythos und Metapher". Ottfried Höffe sucht nach politischer Gerechtigkeit in Zeiten der Globalisierung. Der Jurist und Schriftsteller Bernhard Schlink konstatiert, dass das Bundesverfassungsgericht immer stärker von einer dogmatischen zu einer kasuistischen Rechtsprechung tendiert. Ulrike Ackermann glaubt, dass der Islam in Europa noch immer verhätschelt wird: "Die Strategien der Verharmlosung und Beschönigung des radikalen Islam und seines Terrors sind vielfältig - auch wenn die Kritik an ihm wächst." Und Helge Rossen-Stadtfeld fragt, ob der Islam verfassungsrechtlich betrachtet verspottet werden darf.
Espresso (Italien), 30.11.2006
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Weltwoche (Schweiz), 23.11.2006
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Mit aller Vorsicht berichtet Alex Baur über ein delikates Thema: Immigranten aus dem Balkan scheinen in der Schweiz für einen überproportional hohen Anteil an Vergewaltigungen bzw. sexuellen Belästigungen verantwortlich zu sein. Die fehlgeleitete Integrationspolitik gehe aber munter weiter, klagt Alex Baur. "Statt dass Kindern von Immigranten möglichst im Vorschulalter zu einer soliden Sprachbasis verholfen wird, sollen die Kleinen nun bereits im Kindergarten Schriftdeutsch lernen - eine Fremdsprache, die außer Lehrern hierzulande im Alltag nur Ausländer sprechen."
Figaro (Frankreich), 27.11.2006
Auf der Meinungsseite nimmt der Philosoph Alain Finkielkraut noch einmal Stellung zur Affäre um den Philosophielehrer Robert Redeker, der wegen eines islamkritischen Artikels Morddrohungen erhielt. Redeker lebt zur Zeit im Versteck. Finkielkraut kritisiert das "Ja, aber..." mit dem Intellektuelle und Politiker Redekers Recht auf Meinungsfreiheit verteidigten und fordert Klarheit: "Selbst falls er unrecht hat - Redeker ist kein Rassist, wie Olivier Roy und andere behaupten. Redeker greift nicht eine Gemeinschaft an, sondern er verurteilt, was er für die Intoleranz und den Bellizismus einer religiösen Lehre hält. Den Gerechtigkeitsaposteln, die sich an Redekers Vehemenz stören, weil diese Lehre angeblich die Religion der Armen ist, bringen wir in Erinnerung, dass Sartre mitten in der stalinistischen Eiszeit aus der gleichen Mitleidslogik heraus jeden Antikommunisten als Hund bezeichnete. Wer den Sieg des Infamen verhindern will, muss Schluss machen mit der Idee, dass die Erniedrigten, Beleidigten, Verdammten dieser Erde stets unschuldig sind, auch wenn sie Schuld tragen, und dass die 'Herrschenden' stets schuldig sind, auch wenn sie unschuldig sind."
Times Literary Supplement (UK), 22.11.2006
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Die Dichterin Lavinia Greenlaw, blättert ganz hingerissen in einer neuen, von James Fenton herausgegebenen Liebesgedicht-Anthologie ("The New Faber Book of Love Poems") und erkennt dabei: "Das Liebesgedicht hat den Vorzug, dass es sich selten mit Beschreibung um der Beschreibung Willen zufrieden gibt. Das Liebesgedicht hat eine Mission." Und diese Mission erfülle es am besten, wenn die beschreibende Kraft der Sprache hinter ihre rhytmischen und melodischen Aspekte zurückfällt: "Wenn es um Liebe geht, tun sich klaffende Lücken auf, wo Sprache und Erfahrung versuchen zur Deckung zu kommen. James Fenton scheint zu suggerieren, dass diese Lücke am ehesten vom Nicht-Lexikalischen oder, wie er ... sagt, vom Lied überbrückt werden kann:
Down in the valley, walking between,
Telling our story, here?s what it sings.
Here?s what it sings, dear, here?s what it
sings,
Telling our story, here?s what it sings."
New York Review of Books (USA), 21.12.2006
Alison Lurie erklärt sich die späte Entdeckung der großartigen Erzählerin Alice Munro in den USA mit den Vorurteilen der Amerikaner gegenüber den Kanadiern: "Die Vorstellung der meisten Amerikaner von Kanada ist ziemlich unscharf. Es gibt dort eine Menge Kiefern, Elche und Mounties; seine Bevölkerung ist relativ klein, seine Politik freundlich. Kanadier sind ehrlich, ernst und ein bisschen langweilig. Einige von uns bemitleiden sie oder verübeln ihnen, dass sie sich nicht der Revolution von 1776 angeschlossen haben. In dieser Sicht sind sie die artigen Geschwister, die sich niemals gegen ihre Eltern auflehnten."
Mark Danner versucht, das große Rätsel das Irakkriegs zu lösen, die unerklärliche Tatsache, dass "so viele verdienstvolle, erfahrene und intelligente Offizielle zusammen solch monumentale, folgenreiche und vor allem offensichtliche Fehler machen konnten". Seiner Ansicht nach führen die USA keinen realen Krieg, sondern einen "Krieg der Einbildung". Als ein Beispiel führt er einen Diplomaten an, der ihm am Vorabend des Verfassungsreferendums von 2005 im sunnitischen Falludschah noch erklärt hatte: "'Morgen werden Sie eine große Überraschung erleben. Die Leute hier werden nicht nur alle wählen gehen. Die Leute - und zwar sehr, sehr viele - werden mit Ja stimmen.'" Mit Nein gestimmt haben 97 Prozent.
Weiteres: Neal Ascherson schwärmt in höchsten Tönen von David Remnicks New-Yorker-Reportagen, die nun in dem Band "Reporting" zusammengefasst erscheinen: "In einer Welt, deren Politik sich schneller aufheizt als ihr Klima, bleibt Remnick ein erstaunlich kühler Reporter. Richard Dorment besucht die große Brice-Marden-Retrospektive im Museum of Modern Art. Außerdem bespricht Margaret Atwood den neuen Roman von Richard Powers "The Echo Maker". Und William H. McNeill stellt Max Boots Studie "War Made New" über den Krieg als Vater der Dinge vor.
Mark Danner versucht, das große Rätsel das Irakkriegs zu lösen, die unerklärliche Tatsache, dass "so viele verdienstvolle, erfahrene und intelligente Offizielle zusammen solch monumentale, folgenreiche und vor allem offensichtliche Fehler machen konnten". Seiner Ansicht nach führen die USA keinen realen Krieg, sondern einen "Krieg der Einbildung". Als ein Beispiel führt er einen Diplomaten an, der ihm am Vorabend des Verfassungsreferendums von 2005 im sunnitischen Falludschah noch erklärt hatte: "'Morgen werden Sie eine große Überraschung erleben. Die Leute hier werden nicht nur alle wählen gehen. Die Leute - und zwar sehr, sehr viele - werden mit Ja stimmen.'" Mit Nein gestimmt haben 97 Prozent.
Weiteres: Neal Ascherson schwärmt in höchsten Tönen von David Remnicks New-Yorker-Reportagen, die nun in dem Band "Reporting" zusammengefasst erscheinen: "In einer Welt, deren Politik sich schneller aufheizt als ihr Klima, bleibt Remnick ein erstaunlich kühler Reporter. Richard Dorment besucht die große Brice-Marden-Retrospektive im Museum of Modern Art. Außerdem bespricht Margaret Atwood den neuen Roman von Richard Powers "The Echo Maker". Und William H. McNeill stellt Max Boots Studie "War Made New" über den Krieg als Vater der Dinge vor.
Literaturen (Deutschland), 04.12.2006
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Im Schwerpunkt dieser Ausgabe geht Literaturen der Frage nach, was gute Unterhaltungsliteratur ausmacht (und was vielleicht aus einem Bestseller von heute einen Klassiker von morgen macht). Sigrid Löffler porträtiert John Le Carre, den Großmeister des politischen Thrillers, und entdeckt dessen globalisierungskritische Ader. Tim Parks unterteilt die leseglückspendenden Romane in drei Typen. Und Heinrich Detering widmet sich Stefan Zweig und der Frage, wie wir ihn heute lesen.
Weitere Artikel: Den (von Heinz Bude und Andreas Willisch herausgegebenen) Sammelband "Das Problem der Exklusion" über die Ausdrucksformen sozialer Ungleichheit, begrüßt Jens König als sachverständiges und empirisch fundiertes Pendant zur unsäglich geführten "Unteschichtendebatte". Doch findet er dieses analytisch starke "Buch von Experten für Experten" einen Tick zu emotionslos. In der Netzkarte stellt Aram Lintzel die Webseite "Club der Hässlichen" vor und findet Anzeichen dafür, dass die selbsterklärten Hässlichen den im Club-Manifest gegeißelten Selbstoptimierungswahn lediglich unter die Oberfläche (sprich: zu den inneren Werten) verschoben haben.
Przekroj (Polen), 23.11.2006
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New Yorker (USA), 04.12.2006
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Judith Thurman schreibt über die Ausstellung "Skin + Bones: Parallel Practices in Fashion and Architecture" im Los Angeles Museum of Contemporary Art, die Gemeinsamkeiten von Architektur und Mode untersucht. Sasha Frere-Jones porträtiert die Harfenistin Joanna Newsom. Alex Ross hörte neue Kompositionen von John Adams und György Kurtag. Und Anthony Lane sah im Kino "The Fountain" von Darren Aronofsky und "For Your Consideration" von Christopher Guest. Zu lesen ist außerdem die Erzählung "A River in Egypt" von David Means.
Nepszabadsag (Ungarn), 25.11.2006
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Elet es Irodalom (Ungarn), 24.11.2006
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Outlook India (Indien), 04.12.2006
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Passt die indische Literaturkritik auf einen Waschzettel? Sheela Reddy entlarvt das Verfassen von Klappentexten als so lukratives wie inzestuöses Geschäft, das den Leser täuscht: "'Die meisten namhaften Verfasser solcher Texte', verrät mir Khushwant Singh, 'lesen das betreffende Buch gar nicht. Sie loben es, weil sie den Autor mögen oder ihn persönlich kennen.' In Indien sind Beziehungen alles. Autoren verlassen sich mehr und mehr auf entsprechende Netzwerke und nehmen das Geschäft mit den Waschzetteln selbst in die Hand."
Weiteres: In der Titelstory bringt Namrata Joshi das neue Bollywood auf die simple Formel: Bessere Filme, mehr Besucher. Anita Roy stellt einen bahnbrechenden Sammelband zum Thema Mutterschaft vor (Rinki Bhattacharyas "Janani. Mothers, Daughters, Motherhood"). Und John Elliott bereist die im Nordwesten Kaschmirs liegende Gilgit-Region, wo die Verachtung für die USA mit Händen zu greifen ist.
Economist (UK), 24.11.2006
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Spectator (UK), 27.11.2006
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Außerdem: Küchentisch-Magnaten nennt Judi Bevan die immer zahlreicher werdenden Frauen, die dank des Internets Firmen gründen, von zu Hause leiten und gleichzeitig Kinder großziehen können.
London Review of Books (UK), 30.11.2006
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Zum Völkermord in Darfur schreibt Alex de Waal, Direktor des Social Science Research Council: "Eine Militärinvention wird das Töten nicht aufhalten. Diejenigen, die nach Truppen rufen, um sich ihren Weg nach Darfur zu erkämpfen, leiden an einem Erlösungswahn. Es ist eine einfache Wahrheit, dass UN-Truppen keinen Krieg stoppen können, und ihre bisherigen Leistungen beim Schutz von Zivilisten sind alles andere als überragend. Die Idee von Bush und Blair, als Friedensstifter zu agieren, wird nicht weit führen. Die Krise in Darfur ist politisch. Es ist ein Bürgerkrieg, und wie alle Kriege braucht er eine politische Lösung."
New York Times (USA), 26.11.2006
Liesl Schillinger hat sich für die Book Review durch den neuen Pynchon gegraben. "Against the Day" - 1085 Seiten, losgelöst von Raum und Zeit und so witzig wie nie, findet Schillinger: "Pynchon scheinen seine Figuren große Freude zu bereiten. Manchmal ist es allerdings ein grausames Spiel. Er schleift sie durch zwielichtige Vergnügungsparks, von der Weltausstellung 1893 in Chicago (wo Franz Ferdinand auftritt und verzweifelt versucht, die Jagdrechte für den Schlachthof von Chicago zu bekommen) ... zum Wiener Prater, wo zwei seiner Figuren, Cyprian Latewood (ein 'bläßlicher Sodomit' und Geheimagent) und Yashmeen (ein bisexueller Mathematiker, der durch Wände geht) eine Gondelfahrt durch ein venezianisches Wien unternehmen, so wie ein Liebespaar in einem Ophüls-Film."
Eher gravitätisch dagegen erscheint der zweite Teil von Gore Vidals Autobiografie ("Point to Point Navigation", Leseprobe). Ein Abschiedsbuch vermutet Christopher Hitchens: "Diese beinahe schlicht zu nennenden Erinnerungen befassen sich hauptsächlich mit anderer Leute Angelegenheiten (Beerdigungen vor allem) und wecken das Bild eines silberhaarigen alten Löwen im Winter."
Weiteres: Robert F. Worth bespricht Denys Johnson-Davies' umfassende Anthologie arabischer Erzählliteratur ("The Anchor Book of Modern Arabic Fiction", Leseprobe). Und in einem Quiz untersucht Henry Alford die Willkür bei der Wahl von Buchtiteln. Außerdem stellt die New York Times die ultimative Lektüreliste für 2006 ins Netz.
Eher gravitätisch dagegen erscheint der zweite Teil von Gore Vidals Autobiografie ("Point to Point Navigation", Leseprobe). Ein Abschiedsbuch vermutet Christopher Hitchens: "Diese beinahe schlicht zu nennenden Erinnerungen befassen sich hauptsächlich mit anderer Leute Angelegenheiten (Beerdigungen vor allem) und wecken das Bild eines silberhaarigen alten Löwen im Winter."
Weiteres: Robert F. Worth bespricht Denys Johnson-Davies' umfassende Anthologie arabischer Erzählliteratur ("The Anchor Book of Modern Arabic Fiction", Leseprobe). Und in einem Quiz untersucht Henry Alford die Willkür bei der Wahl von Buchtiteln. Außerdem stellt die New York Times die ultimative Lektüreliste für 2006 ins Netz.