Magazinrundschau
Die Magazinrundschau
Ein Blick in internationale Magazine. Jeden Dienstag ab 10 Uhr.
14.06.2005. Le Monde diplomatique bezweifelt die Demokratiebegeisterung der libanesischen Zedernrevolution. Al Ahram wünscht sich ein Museum für Abu Ghraib. In Le Point kritisiert Peter Sloterdijk das französische Nein als Heldentum von verwöhnten Kindern. Reportajes analysiert den Machtkampf in Bolivien. Im Nouvel Obs erklärt Emmanuel Todd den Zusammenhang zwischen EU, Deutschland und Osteuropa. In Plus-Minus fordert Julia Tymoschenko die Europäer auf: Zahlt Steuern! In der New York Times plädiert Joseph Lelyveld für ein kleines bisschen Folter.
Elet es Irodalom (Ungarn), 10.06.2005
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Weiteres: Kritiken über die große Gesamtausgabe der Werke des ungarischen Romanciers Gyula Krudy in fünfzig Bänden (Kalligram Verlag, Bratislava) und über die autobiografischen Schriften von Ilona Harmos, der Witwe des in Deutschland gerade wieder entdeckten Dezsö Kosztolanyi (mehr hier), die den Zweiten Weltkrieg als Jüdin überlebte.
Le Monde diplomatique (Deutschland / Frankreich), 13.06.2005
Die sogenannte "Zedernrevolution" im Libanon war nie von einem gemeinsamen Demokratiegedanken beseelt, stellt Alain Gresh in einem ausführlichen Lagebericht fest. Den diversen Demonstrantengruppen ging es immer um höchst partikuläre Interessen. Nun wird Saad Hariri, der Sohn des ermordeten Exministerpräsidenten Rafik Hariri, seinen Vater beerben. Und die traditionellen Seilschaften wenden die üblichen Verdrängungsmethoden an. "Sie setzen einfach auf die Losung 'Syrien ist an allem schuld'. Alle Mittel sind ihnen recht, selbst das absurde Gerücht, dass 80.000 syrische Haushalte kostenlos Strom aus dem libanesischen Elektrizitätsnetz beziehen. Und die Korruption? 'Dafür machen wir einfach die Syrer verantwortlich', erklärt ein Wirtschaftswissenschaftler."
Denis Duclos und Valerie Jacq machen im Kino der Gegenwart einen Drang zur Wirklichkeit aus. Der Zuschauer ist für das Inszenierte einfach zu medienbewusst geworden, in allen Genres. "Im Kult der Wahrheit können das Spiel mit der Virtualität und das Bemühen um Realismus zum gleichen Ergebnis führen: Im Dokumentarfilm wie im Spielfilm fehlen der Autor, der eine eigene Fantasiewelt erschafft, der Schauspieler, der diese Vorstellung verkörpern will, und der Zuschauer, der sich in dieser Vorstellung wiedererkennen kann. In Zukunft beherrscht das Reale die siebente Kunst, deren Protagonisten sich auf ein- und derselben Stufe wiederfinden."
Außerdem spießt Mathieu Rigouste die vorurteilsbeladene Berichterstattung über erfolgreiche Immigranten in den französischen Medien auf, und Jean-Marie Chauvier erinnert an den Beginn der Perestroika vor zwanzig Jahren.
Denis Duclos und Valerie Jacq machen im Kino der Gegenwart einen Drang zur Wirklichkeit aus. Der Zuschauer ist für das Inszenierte einfach zu medienbewusst geworden, in allen Genres. "Im Kult der Wahrheit können das Spiel mit der Virtualität und das Bemühen um Realismus zum gleichen Ergebnis führen: Im Dokumentarfilm wie im Spielfilm fehlen der Autor, der eine eigene Fantasiewelt erschafft, der Schauspieler, der diese Vorstellung verkörpern will, und der Zuschauer, der sich in dieser Vorstellung wiedererkennen kann. In Zukunft beherrscht das Reale die siebente Kunst, deren Protagonisten sich auf ein- und derselben Stufe wiederfinden."
Außerdem spießt Mathieu Rigouste die vorurteilsbeladene Berichterstattung über erfolgreiche Immigranten in den französischen Medien auf, und Jean-Marie Chauvier erinnert an den Beginn der Perestroika vor zwanzig Jahren.
Al Ahram Weekly (Ägypten), 09.06.2005
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Außerdem porträtiert Rasha Kassir den libanesischen Politaktivisten, Historiker und Journalisten Samir Kassir, Mitbegründer der Bewegung der Demokratischen Linken, der am 2. Juni einem Attentat zum Opfer fiel. Und Lubna Abdel-Aziz kündigt einen neuen Boxerfilm-Klassiker an, "The Cinderella Man" von Ron Howard, und klärt darüber auf, dass der Sport selber - zwei Männer, die sich vor Publikum schlagen, bis einer umfällt - nicht weniger als 5000 Jahre älter ist als Hollywood.
Point (Frankreich), 09.06.2005
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Berichtet wird außerdem über die anhaltende Tendenz von Restaurantchefs, die ihre Michelin-Sterne zurückgeben, weil ihnen Aufwand und Kosten wegen der damit verknüpften Erwartungen schlicht zu hoch sind.
Nouvel Observateur (Frankreich), 09.06.2005
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Boston Globe (USA), 12.06.2005
Im Wochenendmagazin des Boston Globe weist Wesley Yang auf ein Buch hin, das Michel Foucaults Artikel zur islamistischen Revolution im Iran auf englisch versammelt und interpretiert: Kevin Andersons und Janet Afarys "Foucault and the Iranian Revolution" (University of Chicago Press, mehr hier, und hier ein Auszug). Yang resümiert: "Es gibt eine lange Tradition westlicher Intellektueller, die in ferne Länder reisen, um das Hohelied dortiger Revolutionen zu singen und die in diesen Revolutionen eigene Hoffnungen erfüllt sehen. Die Ironie von Foucaults Feier der Iranischen Revolution liegt darin, dass frühere Intellektuelle das Lob von Tyrannen im Namen absoluter Wahrheiten - wie dem Marxismus, dem Humanismus, der Vernunft - sangen, die Foucault in seinem Lebenswerk überwinden wollte. Er selbst wollte dagegen den Stimmen revoltierender Randfiguren lauschen und sie durch seinen Diskurs sprechen lassen. In der Praxis machte das keinen Unterschied."
Gazeta Wyborcza (Polen), 11.06.2005
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Das Augenmerk der Polen richtet sich auf Weißrussland. Nach der in Warschau mehr als wohlwollend betrachteten ukrainischen Revolution rückt "die letzte Diktatur Europas" in den Mittelpunkt des Interesses. Zumal der autoritär regierende Präsident Lukaschenko in der letzten Zeit den Staatsapparat gegen den Verband der polnischen Minderheit einsetzt - immerhin die größte NGO im Lande. Der weißrussische Publizist Alexandr Fieduta glaubt allerdings nicht an einen raschen demokratischen Umsturz in Minsk: "Weißrussland ist nicht die Ukraine. Hier werden Gehälter und Pensionen gezahlt, von denen man leben kann. Es gibt hier keine großen Wirtschaftsakteure, die an demokratischen Institutionen interessiert sind - hier gedeihen nur Firmen, die sich mit dem Regime arrangiert haben. Es gibt hier keine unabhängigen Fernseh- und Radiosender und fast keine Presse - die existierenden oppositionellen Zeitungen werden vor den Augen aller beseitigt. Und: in Weißrussland ist der russische Einfluss sehr stark". Fieduta glaubt nicht an einen Umsturz bei den Wahlen 2006. "Lukaschenko ist wie eine Krankheit. Aber das weißrussische Volk wird nicht daran sterben. Es wird genesen - früher oder später."
Plus - Minus (Polen), 11.06.2005
Im Magazin der polnischen Rzeczpospolita erzählt die ukrainische Premierministerin Julia Tymoschenko, dass das Land trotz der EU-Krise an seinen europäischen Ambitionen festhält. Allerdings stocke momentan die Zusammenarbeit innerhalb der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten, insbesondere in Sachen Freihandelszone. Auf die Frage nach Abschaffung der Privilegien für ausländische Investoren in zahlreichen Sonderwirtschaftszonen, die viele polnische Unternehmen getroffen hat, antwortet die Politikerin: "Die Ukraine wird westlichen Investitionen die günstigsten Bedingungen schaffen, mit der Bedingung, dass sie Steuern zahlen. Wir öffnen euch Tor und Tür und Fenster und rollen den Teppich aus. Aber zahlt Steuern."
Weiteres: Elzbieta Sawicka begeistert sich für die Ausstellung "Brücke. Geburt des deutschen Expressionismus", die momentan in Barcelona zu sehen ist und im Herbst nach Berlin kommt. "Man kann den Expressionismus mögen oder nicht, aber man muss zugeben, dass er die Basis der Ästhetik des 20. Jahrhunderts war. Dieses deutsch-spanische Ausstellungsprojekt zur Dresdner Künstlergruppe ist das größte seit 1952." Abgedruckt ist schließlich ein Kapitel aus dem neuen Buch des Schriftstellers Stefan Chwin, "Die Frau des Präsidenten".
Weiteres: Elzbieta Sawicka begeistert sich für die Ausstellung "Brücke. Geburt des deutschen Expressionismus", die momentan in Barcelona zu sehen ist und im Herbst nach Berlin kommt. "Man kann den Expressionismus mögen oder nicht, aber man muss zugeben, dass er die Basis der Ästhetik des 20. Jahrhunderts war. Dieses deutsch-spanische Ausstellungsprojekt zur Dresdner Künstlergruppe ist das größte seit 1952." Abgedruckt ist schließlich ein Kapitel aus dem neuen Buch des Schriftstellers Stefan Chwin, "Die Frau des Präsidenten".
Espresso (Italien), 16.06.2005
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Im Kulturteil krönt Alberto Dentice einige kreolisch beeinflusste Bands zu den neuen Trendsettern auf dem italienischen Musikmarkt. Paul Krugman warnt vor einer amerikanischen Immobilienblase, die bald platzen und zu einer Rezession führen könnte.
Guardian (UK), 11.06.2005
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In einem netten Stück schildert der Autor Gordon Burn, wie er im Alter von sechzehn Jahren durch die unkonventionellen literarischen Happenings in Mordern Tower geprägt wurde. Gegründet wurde der Veranstaltungsort von dem Ehepaar Pickard. Er "bot eine Alternative zur offiziellen Kultur, zur Mystik und zur snobbistischen Aura, die mit den Künsten assoziiert wurde. 'Das ist kein verdammtes Leichenschauhaus hier', Tom Pickards automatisch gebellte Reaktion auf die Aufforderung, seine Stimme in den bürgerlichen Zitadellen der Kultur zu senken, hätte das Motto sein können."
Weiteres: James Wood grübelt in einem Essay, warum Bücher selten befriedigend enden. "Man könnte sagen, dass der Roman eine Form ist, die nicht enden will, und sich deshalb normalerweise zu einen unnatürlichen Abschluss hin verdreht." Und zwei Besprechungen: Christopher Priest feiert Chuck Palahniuks Roman "Haunted", der aus 23 miteinander verbundenen Erzählungen besteht, schon mal als das originellste literarische Werk des Jahres. Zartbesaiteten rät er allerdings von der Lektüre ab. "Ich wurde zwar nicht ohnmächtig, aber auf das Mittagessen hatte ich auch keine Lust mehr." Und Melissa Benn lässt sich von Michael Ardittis politischem Roman "Unity" fesseln, in dem er rund um das Deutschland der Siebziger, die RAF, den repressiven Staat und ein tragisch gescheitertes Filmprojekt eine Geschichte spinnt, deren grundsätzliche Fragen die Rezensentin noch immer zu beschäftigen scheinen.
Reportajes (Chile), 12.06.2005
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Auf ganz andere Paradoxien der Globalisierung stößt Vater Mario Vargas Llosa in London, "einer Stadt, die mir wie keine andere dieser Welt dem so schwer greifbaren Begriff der 'Zivilisation' nahezukommen scheint." Wie Vargas Llosa berichtet, häufen sich hier mittlerweile erschreckende Erkenntnisse über grausame exorzistische Praktiken, denen regelmäßig Kinder afrikanischer Herkunft zum Opfer fallen - gewalttätige Rituale, deren Urspung jedoch keineswegs in den "barbarischen" Heimatländern der Täter, sprich: zumeist Eltern dieser Kinder zu suchen sei, sondern in synkretistischen Vorstellungen fundamentalistisch-evangelikaler Sekten, die sich ihre Anhänger unter den Migranten suchen.
Economist (UK), 10.06.2005
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Außerdem zu lesen: Welches kuriose und irritierende Verhältnis zwischen amerikanischer und ausländischer Gesetzsprechung besteht, warum man sich über das Schweizer Ja zum Schengener Abkommen nicht zu früh freuen sollte, welche neuen Bücher sich mit dem globalen Aufstieg Asiens beschäftigen, warum die Briten sich eher von Cherie Blair trennen möchten als vom fundamentalistischen muslimischen Geistlichen Abu Hamza mit seiner eigentlich unschlagbaren Kombination von Glasauge und Haken, dass sich Pornografie im Internet zukünftig auf .xxx-Domänen abspielen soll, ob der blutige Krieg im Kongo nun endlich vorbei ist, warum sich der Aufschub der palästinensischen Parlamentswahlen zugunsten der Hamas auswirken wird, und was der neueste Stand in der Biomimetik ist.
3, 2, 1... meins! Im Aufmacher gratuliert der Economist eBay zum 10. Geburtstag und beschreibt die heikle Beziehung zwischen Online-Firmen und ihren Kunden. Der Special eBay-Report darf allerdings nur im Print gelesen werden.
Outlook India (Indien), 20.06.2005
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"Indische Geschichte wird meistens als Moralstück geschrieben", klagt Swapan Dasgupta und fährt fort: "Es ist schrecklich angesagt, die gesamte koloniale Erfahrung durch das Prisma heutiger politischer Korrektheit zu betrachten." Umso mehr freut er sich über ein Buch, von dem sich die "die postkolonialen Fundamentalisten möglicherweise angegriffen fühlen" werden: Mike Dashs Geschichte der Räuberbanden des 18. und 19. Jahrhunderts. Das ist noch gutes altes historiographisches Handwerk, schwärmt der Rezensent: "Solide, empirisch, erzählend".
Außerdem: Chander Suta Dogra über die Metamorphose der punjabischen Stadt Chandigarh, die vor einem halben Jahrhundert von Le Corbusier entworfen wurde, deren heutiger Anblick ihm aber wahrscheinlich Alpträume bereiten würde.
New York Times (USA), 12.06.2005
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Weitere Artikel: In einem Essay skizziert Lila Azam Zanganeh die Entwicklung der frühen französischsprachigen afrikanischen Literatur, die - natürlich - in Paris ihren Ausgang genommen hat. James Shapiro preist die gesammelten Essays des Literaturkritikers John Bayley, der Lesen immer für eine Talentsache gehalten hat. "Alleine was Bayley über Philip Larkin und Isaac Babel zu sagen hat, und besonders sein unvergessliches Stück über Paul Celan rechtfertigt den Preis dieses Buches". Niall Ferguson stellt zwei neue Bücher über Stalin vor, in denen untersucht wird, warum das Unternehmen Barbarossa die Sowjetunion trotz eindeutiger Agentenberichte so überrascht hat. Der Aufmacher ist John F. Harris' Biografie "The Survivor" gewidmet, in der Bill Clinton laut Alan Ehrenhalt hart aber fair behandelt wird. Fürs europäische Ego kränkend kurz besprochen werden Umberto Ecos "Die geheimnisvolle Flamme der Königin Loana", das Thomas Mallon überdies zu hermetisch findet, und Nick Hornbys "A Long Way Down", das Chris Heath immerhin als "spielerisch" klassifiziert.
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Deborah Solomon erfährt im Interview vom Maler Ed Ruscha, der die USA auf der Biennale in Venedig vertritt (im Gegensatz zu den afghanischen Kollegen aber leider nicht im Netz vertreten ist), wie Autos die amerikanische Kunst beeinflusst haben. Und Jon Gertner zweifelt, ob die Erfindung eines gesunden Zigarettenfilters so positiv ist.