Im Kino

Schräge Vögel

Die Filmkolumne. Von Lukas Foerster
01.10.2008. Kein großer Wurf, aber ein großer Spaß ist die Spionagekomödie "Burn After Reading" der Coen-Brüder. Mit einer seltsamen Kombination aus Bollywood, Eishockey und Esoterik versucht Mike Myers in "Der Love Guru" sein Comeback.
Auf den ersten Blick erscheint es nicht sonderlich originell, eine Spionagekomödie "Burn After Reading" zu nennen. Erst recht nicht, wenn ihr als MacGuffin brisante Dokumente dienen, die in die falschen Hände geraten. Freilich hat im neuen Film der Brüder Ethan und Joel Coen bereits der Titel einen doppelten Boden. Denn die Geheimdokumente liegen statt in Papierform als Datenmaterial auf einer CD-ROM vor. Eine solche wird selten nach dem Lesen verbrannt. Ganz im Gegenteil: Sie wird gebrannt, und davor werden die Daten im PC eingelesen: Burn After Reading.


Auf den ersten Blick erscheint wenig originell an dem neuen Film der Coen-Brüder. Das beginnt beim Personal, das wie in jedem ihrer Filme aus einem beindruckenden Arsenal schräger Vögel besteht und endet noch lange nicht bei den verwickelten Geschichten, in denen die Coens diese schrägen Vögel platzieren. Auch die Schauspieler sind zu weiten Teilen alte Bekannte: Frances McDormand ist mit von der Partie, George Clooney ebenso und auch Richard Jenkins.

Man könnte - und viele amerikanische Kritiker haben genau dies getan - den Coen-Brüdern vorwerfen, dass sie nach dem formal wie inhaltlich deutlich risikofreudigeren "No Country for Old Men" mit dem Nachfolger auf Nummer sicher gehen, altbekannte Motive aufgreifen und vor allem auf die Zugkraft der prominenten Besetzung vertrauen. Mit diesem Vorwurf läge man nicht einmal so falsch. Aber er zielt am Wesentlichen vorbei. Nämlich an der Tatsache, dass "Burn After Reading" trotz mangelnder Originalität und zurückgefahrenen Ambitionen ein guter Film ist.

Insbesondere Originalität ist das falsche Maß. Wie in ihrem bislang vielleicht besten Film "The Man Who Wasn't There" geht es den Coens auch in "Burn After Reading" um das kreative, spielerische Rearrangement von Altbekanntem. Entwickelte "The Man Who Wasn't There" einen neuen Blick auf die Bilder des film noir, so dienen hier die Paranoiathriller der Siebziger Jahre weniger als Vorlage denn als Rohmaterial. Und so ist der gesamte Film genauso unaufdringlich sophisticated wie sein Titel.


Schauplatz ist, naheliegend für einen Spionagefilm, Washington. Als Kulisse dienen die Wahrzeichen der amerikanischen Demokratie. Und die müssen einiges aushalten in "Burn After Reading". Auf den Bänken vor dem Washington Monument etwa finden nicht nur konspirative Treffen statt, dort wartet auch die Fitnesstrainerin Linda Litzke (Mc Dormand) auf ihre Internet-Dates. Internetdates und Fitnesstrainerinnen gehören nicht zum klassischen Inventar des Paranoiafilms, in "Burn After Reading" aber sind sie ebenso selbsterständlich Teil des Agentenspiels wie Beschattungen und Geheimdienste.

In 70er-Jahre Filmen wie "Marathon Man" oder "Three Days of the Condor" sind Politik und Privatleben zunächst strikt getrennt. Das Drama entsteht aus der überraschenden Konfrontation beider Sphären, deren Trennung am Ende freilich eher bestätigt denn in Frage gestellt wird. Bei den Coens dagegen sind die Demarkationslinien systematisch verwischt, das Politische kippt ständig ins Private und umgekehrt. Das Ergebnis ist denn auch kein Drama, sondern eine Komödie, in der zwischen Lindas Fitnessstudio und der russischen Geheimdienstzentrale kein qualitativer Unterschied besteht.

Als politische These ist eine solche Konstruktion weder neu noch besonders interessant. Als Habitat der Coenschen schrägen Vögel aber bereitet sie viel Freude. Denn deren selten im klassischen Sinne rationalen Handlungen lösen Kettenreaktionen aus, die keinen Stein auf dem anderen lassen. Lindas Drang zur eleganteren Figur etwa - bei ihrem ersten Auftreten lässt sie sich von einem Schönheitschirurgen durchchecken - endet um ein Haar in einer internationalen Krise.


"Burn After Reading" ist kein ganz großer Wurf. Dafür aber ein glänzend inszenierter Genrestreifen mit nicht allzu großen Ambitionen und statt dessen viel Routine sowie jeder Menge versteckter Widerhaken. Wenn dann obendrein noch - ähm, dings - aus Versehen erschossen wird, dann sollte eigentlich jeder zufrieden sein.

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Viel Mühe gibt sich Guru Pitka (Mike Myers), die weltweite Nummer zwei unter den Love-Gurus. Um die Nummer eins zu werden, muss er bei Oprah auftreten. Um bei Oprah auftreten zu dürfen, muss er das Liebesglück des frustrierten Eishockeyspielers Darren Roanoke (Romany Malco) retten, damit der für sein Team, die Toronot Maple Leafs, den Stanley Cup gewinnen kann. Und um Darrens Hormonhaushalt wieder ins Gleichgewicht zu bringen, muss er unter anderem gegen ein Kampfhuhn antreten, Elefanten zum Geschlechtsverkehr antreiben, seine eigene sexuelle Unsicherheit überwinden sowie Peniswitze im Minutentakt reißen.

Viel Mühe gibt sich Mike Myers als Schauspieler, Drehbuchautor und Produzent für diesen Film. Der "Love Guru" ist sechs Jahre nach dem dritten Teil der "Austin Powers"-Reihe sein Comeback als Hauptdarsteller einer groß budgetierten Komödie. Geplant war Risikominimierung: Die altbewährten Routinen werden aufgefrischt und noch konsequenter aufs Zotenhafte abgeklopft, wieder finden sich viele Musicalnummern und noch viel mehr intertextuelle Verweise. Mit Verne Troyer, dem Mini-Me aus den Austin Powers-Filmen, ist ein alter Bekannter dabei. Und fürs popkulturelle Kapital sorgen die Nebendarsteller Stephen Colbert (großartig), Jessica Alba (nichtssagend) und Justin Timberlake (überflüssig). Dazu kommen noch gefühlte zwanzig Cameoauftritte quer durch die us-amerikanische Gegenwartsprominenz von Kanye West über Val Kilmer bis zu Jessica Simpson.

Eigentlich dürfte da nichts schiefgehen. An den amerikanischen Kinokassen ist "Der Love Guru" dennoch katastrophal gefloppt. Grund dafür kann nicht allein mangelnde Qualität sein. Zwar funktioniert vieles nicht und manches - insbesondere die Seitenhiebe in Richtung Bollywood - gar nicht. Die Kombination Esoterik/Eishockey als Grundprämisse des Plots ist ein wenig zu beliebig. Doch zu weiten Teilen und wie andere Myers-Filme vor allem dann, wenn er ganz und gar One-Man-Show sein möchte, ist "Der Love Guru" ein lustiger Film. Die für sich selbst entsetzlich/absichtlich schwachbrüstigen Pointen werden erst in Myers Vortrag durch dessen Penetranz tatsächlich zu solchen. Regiedebütant Marco Schnabel schließlich macht seine Sache gut und sorgt für den Schwung, den das formelhafte Drehbuch bitter nötig hat.


Schlecht ist der Film nicht, er wirkt antiquiert. Vielleicht hat der Zeitgeist Mike Myers überholt, in jedem Fall aber die Filmgeschichte. Der Gross-out-Humor, den Myers hier noch einmal in klinischer Reinheit präsentiert und der zu Zeiten der "Waynes World"-Streifen noch ein echter Tabubruch gewesen sein mag, dient anderen, interessanteren Komödien inzwischen höchstens noch als Ausgangspunkt. Filme wie "Superbad" oder "Nach 7 Tagen - Ausgeflittert" konfrontieren ihn mit dem Sozialen, in dem er seinen Ursprung hat, integrieren ihn in Lebenswelt. Hier dagegen wird Kanada auf Celine Dion reduziert und Indien auf Bollywood-Klischees. Auch Zwischenmenschliches hat keinerlei Eigenwert, Körperflüssigkeiten verweisen höchstens auf ähnliche Körperflüssigkeiten in ähnlichen Filmen. Zum größten Teil stammen diese ähnlichen Filme aus den Neunziger Jahren. Wie ein frisch ausgegrabenes Relikt dieses vergangenen Jahrzehnts wirkt auch "Der Love Guru".

Burn After Reading - Wer verbrennt sich hier die Finger? USA 2008 - Originaltitel: Burn After Reading - Regie: Ethan Coen, Joel Coen - Darsteller: Brad Pitt, Frances McDormand, George Clooney, John Malkovich, J. K. Simmons, Tilda Swinton, Richard Jenkins, Matt Walton, David Huddleston

Der Love Guru. USA 2008 - Originaltitel: The Love Guru - Regie: Marco Schnabel - Darsteller: Mike Myers, Jessica Alba, Justin Timberlake, Romany Malco, Meagan Good, Omid Djalili, Ben Kingsley, Telma Hopkins, Manu Narayan