Im Kino

Bizarr beweglich

Die Filmkolumne. Von Lukas Foerster, Nikolaus Perneczky
07.08.2014. Am enttäuschendsten am neuen "Planet der Affen"-Film ist, dass ein Mensch Regie führte. Die "Step Up"-Tanzfilme mögen ungeniert vulgär sein, aber sie gehören zu den wenigen, die mit 3D etwas anzufangen zu wissen, und die Protagonisten sind akrobatisch elegant.


Auch wenn man "Rise of the Planet of the Apes" von 2011 (das erste der beiden Prequels zu Franklin J. Schaffners allegorischem Sci-Fi-Klassiker "Planet of the Apes") nicht gesehen hat, versteht sich der geradlinig-unebene Plot des Nachfolgers wie von selbst. Große Teile der Menschheit sind von einem Virus dahingerafft worden, eine Gruppe Überlebender, allem Anschein nach immun gegen den Erreger, will in den schon halb von der Natur zurückeroberten Ruinen der Stadt San Francisco einen neuen Anfang versuchen. Was den letzten Menschen fehlt, ist Elektrizität - kämen sie nur an das brach liegende Wasserkraftwerk in den Bergen vor der Stadt heran. Dort aber regiert der intelligente Schimpanse Caesar über einen ganzen Staat von Primaten, die infolge eines evolutionären Sprungs über Werkzeuge, Waffen, ausgeprägte Gebärdenkommunikation sowie eine rudimentäre Verbalsprache verfügen. Die spontane Evolution der Affen ist qua Backstory mit der menschlichen Apokalypse vertäut. Nur soviel: Beides haben wir uns selbst eingebrockt.

Das Überleben der Menschen interessiert "Dawn of the Planet of the Apes" nicht mehr als das der Affen, denen insgesamt sogar etwas mehr Leinwandzeit zukommt. Auftakt und Finale gehören ganz den Tieren: Die Menschheit ist hier schon dramaturgisch als flüchtige Episode markiert. Ein Sommerblockbuster, der erst Hoffnungen weckt auf eine Versöhnung zwischen Mensch und Natur, schließlich aber doch hinaus will aus dem Anthropozän. Obwohl unter den Motion-Capture-Kreaturen menschliche Schauspieler lugen (als Caesar: Andy Serkis) - und obwohl die Affen, wie aus dem Originalstreifen bekannt, eine den Menschen enttäuschend ähnliche Entwicklung durchlaufen werden - besteht die besondere Leistung von "Dawn of the Planet of the Apes" darin, diese im Werden begriffenen Wesenheiten nie in ihrer Menschenähnlichkeit stillzustellen. Die Ränke innerhalb der Affengesellschaft mögen sich noch so sehr ans Königsdrama anlehnen, das Sprachvermögen dem menschlichen nacheifern et cetera ­- die detailreich gerenderten Schimpansen, Gorillas und Orang-Utans, beim Gespräch oder im Umgang mit der Objektwelt, sind weder der einen (natürlichen) noch der anderen (menschlichen) Ordnung zuzurechnen. Wenn überhaupt Versöhnung möglich ist zwischen den den beiden Welten, in diesem oft ungeschickt mit großen Ideen hantierenden Diskursfilm, dann innerhalb jener suggestiv schillernden Zwischenwelt, wo Caesars Affenbande zuhause ist.
 


"Ape not kill ape", das ist das erste Gebot der kommenden Affengemeinschaft. Prompt wird es, wie das alttestamentliche, dessen Wiederkehr es ist, gebrochen. Caesars Kain (in der Shakespearisierenden Nomenklatur des Films wohl besser: sein Brutus) heißt Koba. Sein tierisch unbändiger Hass gegen die Menschen (die ihn einst als Labortier quälten) gerade ist es, der Koba den Menschen allzu ähnlich macht. Um dieser so schönen wie einfachen Dialektik willen möchte man Koba später keine kleinlichen Plausibilitätseinwände in den Weg stellen, wenn er, in jeder Hand ein Maschinengewehr, auf die letzte Bastion der Menschheit zureitet. Bildgewaltig und zugleich so random wie ein Internet-Meme: Wie sonst soll man sich den Reiter unserer Apokalypse vorstellen?
 
In dem Maß, in dem das creature design berührt und verstört, schwächelt der (vom chronologisch nachzeitigen Originalfilm her prädestinierte) Plot. Dass das Schicksal der Menschen uns vergleichsweise kalt lässt, ist eben nicht nur radikale Setzung, sondern mindestens ebenso dem uninspirierten Cast anzulasten. Aber egal: Keri Russell, Jason Clarke und Gary Oldman werden eh nicht mehr als Fußnoten in der Prähistorie des Affenplaneten gewesen sein. Leider verlässt Regisseur Matt Reeves auch in den gar nicht wenigen Action-Setpieces jedesmal der Mut. Die finale Konfrontation zwischen Caesar und Koba auf einem in sich zusammenstürzenden Wolkenkratzer klingt auf dem Papier besser als in der sehr behäbigen Umsetzung. Wo ist all die bewegliche, aus Gebärden und direkter Aktion sich formierende Affenintelligenz, wenn man sie braucht? So bleibt die vielleicht größte Enttäuschung, dass bei dieser hinter ihrem Potenzial zurückbleibenden Primatendämmerung ein Mensch Regie geführt hat.

Niklaus Perneczky

Planet der Affen: Revolution - USA 2014 - Originaltitel: Dawn of the Planet of the Apes - Regie: Matt Reeves - Darsteller: Andy Serkis, Jason Clarke, Gary Oldman, Keri Russell, Toby Kebbell, Kodi Smit-McPhee - Laufzeit: 130 Minuten.

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Schön, dass es neben den großen, oft bis zur faktischen Bewegungsunfähigkeit schwerfälligen (im Marvel-Universum dürfen selbst periphere Nebenfiguren nicht länger sterben), Blockbusterserien auch noch so etwas gibt: Kleinformatiges Popkino aus dem filmindustriellen Mittelstand, schnell zusammengehauen und in Serienproduktion überführt, ungeniert vulgär auf billigen Hochglanz lackiert, in Sachen Zielgruppenoptimierung unverschämt opportunistisch - und dabei doch ganz und gar nicht menschenfeindlich.

Denn das ist (neben der Tatsache, dass sie zu den nach wie vor bedauerlich wenigen Filmen gehören, die mit der 3D-Technik etwas Konstruktives anzufangen wissen) das Tolle an den "Step Up"-Filmen, an einer tatsächlich schon fünfteiligen Serie von Tanzfilmen: dass sie in erster Linie durchaus offenherzige (fast schon Dokumentar-)Filme über die jungen Menschen sind, die in ihnen mitspielen. Die wenigsten Darsteller verfügen über Schauspielerfahrung im engeren Sinne. Statt dessen sind die meisten Akteure zwar Teil der Entertainment-Branche, aber verdingen sich für gewöhnlich als Showtänzer, als Choreografen oder in ähnlichen Bereichen; machen also im echten Leben genau das, was sie auch in den Filmen vorführen.

Das hat zur Folge, dass Leute ins Scheinwerferlicht treten können, die Castingagenturen sonst keines zweiten Blickes würdigen würden. Wunderbar zum Beispiel, dass jemand wie Adam G. Devani ("Moose", der lockige Typ mit dem runden Gesicht, der im dritten Teil sogar die Hauptrolle übernehmen durfte) im Rahmen der Step-Up-Reihe wenigstens zu einem kleinen Star werden kann: Wenn"s ans Tanzen geht, legt Devani akrobatisch elegant los wie kein zweiter, aber in der Liebesgeschichte, in die er vom Film diesmal recht rabiat hineingezwängt wird, wirkt er auf rührende Art fehl am Platz, steht wie ein begossener (oder eher: verknautschter) Pudel da, wenn die Liebste ihn nach seinem im clownesken Überschwang begonnenen harmlosen Flirt im Regen stehen lässt.



Die "Step Up"-Filme feiern einen genuin exzentrischen Individualismus, der im Kino- und Fernsehalltag, wo die glatten Gesichtchen und durchtrainierten Oberkörper dominieren, sonst kaum (oder höchstens als Dekoration, im Hintergrund, als comic relief) vorkommt. In den "Step up"-Filmen gibt es zwar auch konventionell schöne Menschen - Ryan Guzman und Briana Evigan sind nominell im aktuellen Serienbeitrag sogar die Hauptfiguren; geschmissen wird die Show jedoch von Moose; und von der Frau mit dem Irokesenschnitt; und von der neben der Tanzfläche phänomenal linkischen Asiatin; und von den bizarr beweglichen, gertenschlanken Zwillingen; und von dem Robotertänzer, der sich in einem klitzekleinen, aber wundervollen Subplot in die Robotertänzerin der Konkurrenz verliebt. Kurz und gut: Von Leuten, die durch und durch eigenartig, und auf ihre jeweilige Eigenart mit Recht stolz sind.

Zur Geschichte muss man nicht viel sagen, die ist in allen "Step Up"-Filmen ähnlich: Es gilt, einen Pokal zu gewinnen. Damit das gelingt, muss trainiert, und vor allem sich zusammengerauft werden. Diesmal spielt der Hauptteil des Films in Los Angeles (ein paar schöne Stadtaufnahmen…), das Finale ist dann nach Las Vegas verlegt und gerahmt als ein Reality-TV-Spektakel, das in einigen Details an die "Hunger Games"-Filme erinnert. Auf den ersten Blick hat es etwas Abgefeimtes, wie die Crews gegeneinander gehetzt werden und dabei noch eitel Medienkritik abgegriffen wird. Und überhaupt: Tanzfilme und Selbstoptimierung, das bleibt ein Problem. Man sollte das alles freilich keinesfalls ernster nehmen, als der Film selbst es tut. "Step Up All In" gelingt es, selbst ein Reality-TV-Casting durch naives Herumalbern zu humanisieren.

Kleinere Ermüdungserscheinungen lassen sich nicht leugnen: Die Sticheleien zwischen den Kontrahenten - und auch zum Beispiel die obligatorische Liebesgeschichte der beiden schönen Menschen - werden etwas allzu routiniert abgehandelt; selbst die Tänze sind zwar schon wieder angemessen spektakulär und tatsächlich mit einigem Rhythmusgefühl inszeniert (Regisseurin Trish Sie kommt von der Choreografie und vom Musikvideo), die surrealen Höhen des Vorvorgängers "Step Up 3D", bei dem das Kinopublikum die Gliedmaße der Tänzer regelrecht um die Ohren gebouncet bekam, bleiben jedoch außer Reichweite. Schöner als die aufwändig orchestrierten (und dramatisierten) Tanzszenen sind diesmal die Verschnaufpausen, in denen die Jungs und Mädels zusammen sitzen, einander necken, sich über ihre allen realen und imaginären Pokalen zum Trotz eher triste Zukunft in der Peripherie der Unterhaltungsindustrie unterhalten. Und dabei offensichtlich eine verdammt gute, entspannte Zeit haben. Tatsächlich ist das das Schönste an "Step Up All In": Man begegnet nicht mehr allzu vielen Filmen, nicht in Hollywood und auch nicht anderswo, denen man sofort anzumerken glaubt, dass der Dreh allen Beteiligten verdammt viel Spaß gemacht hat.

Lukas Foerster

Step Up All In - USA 2014 - Regie: Trish Sie - Darsteller: Ryan Guzman, Briana Evigan, Adam G. Sevani, Mari Koda, Misha Gabriel Hamilton, Stephen Boss, Stephen Stevo Jones - Laufzeit: 112 Minuten.