Magazinrundschau
Die Magazinrundschau
Ein Blick in internationale Magazine. Jeden Dienstag ab 10 Uhr.
24.10.2006. Atlantic Monthly bewundert die Manipulationsfähigkeit Hillary Clintons. In Outlook India protestiert Arundhati Roy gegen die Todesstrafe für Mohammed Afzal. Im Guardian erklärt Jay McInerney, wie billiger Wein den Gaumen schult. Elias Khoury interpretiert den Nobelpreis für Orhan Pamuk in Al Ahram als Rache des Textes am Autor. Bernard-Henri Levy will Putins Gewissensbiss sein. In Elet es Irodalom denken Peter Nadas und Peter Esterhazy über die Revolution von 1956 nach. Die Gazeta Wyborcza erinnert daran, dass es 1956 auch in Polen eine kleine Revolution gab. Die New York Times fährt nach Afghanistan.
The Atlantic | Foglio | Guardian | Tygodnik Powszechny | Express | Al Ahram Weekly | Point | Nueva Sociedad | New Yorker | Le Monde diplomatique | Groene Amsterdammer | Outlook India | New York Times | Espresso | Elet es Irodalom | Magyar Hirlap | Gazeta Wyborcza | New Republic | al-Sharq al-Awsat | Economist
The Atlantic (USA), 01.11.2006

Outlook India (Indien), 30.10.2006

Espresso (Italien), 26.10.2006

Elet es Irodalom (Ungarn), 20.10.2006

Vor zwei Wochen (der Artikel ist jetzt erst online) hatte der Schriftsteller Peter Esterhazy für eine gemeinsame Erinnerung an die Revolution plädiert, die er als etwas definiert, "das wir Ungarn immer wieder verloren haben. Zuerst verloren wir sie, als die Sowjetunion in Budapest einmarschierte. Ein zweites Mal verloren wir sie, als Imre Nagy am 16. Juni 1958 hingerichtet wurde. Das Kadar-Regime (1956-1988) sorgte für eine jahrzehntelange Amnesie. Am 16. Juni 1989 (als Imre Nagy rehabilitiert und feierlich beigesetzt wurde) schien es, als ob wir die verlorene Revolution wieder gefunden hätten. An diesem phantastischen Nachmittag war es, als ob die Geschichte an sich - unabhängig von allen politischen Interpretationen - eine enorme Kraft hätte, als ob der Geschichte das letzte Wort über das Vergessen gebührt und nicht uns, den Untreuen. Der Schein trog: Am 50. Jahrestag haben wir 1956 wieder verloren. Es ist heute ausschließlich als parteipolitische Beute interessant."
Magyar Hirlap (Ungarn), 21.10.2006

"1956 hat Europa die Augen geöffnet", wird Cees Nooteboom in einem Artikel zitiert. Nooteboom war als 23-Jähriger Augenzeuge der Revolution. "Der Anblick der ermordeten Geheimpolizisten, der umgekippten Straßenbahnen, der Geruch von Schießpulver erinnerten ihn an den Zweiten Weltkrieg und die deutsche Besatzung der Niederlande. Er spürte, dass der Westen die auf den Straßen kämpfenden Ungarn verraten würde. Er war sprachlos, als ein Mädchen ihn mehrmals fragte, wann der Westen komme, den Ungarn zu helfen. Die Frage war nachvollziehbar, weil der Sender Free Europe mehrmals verkündet hatte, dass Westeuropa und die USA einen militärischen Eingriff in Ungarn planten. Aber auf die Frage des Mädchens blieb der Westen stumm. 'Falsche Hoffnungen waren damals sehr gefährlich. Ich wollte den Ungarn helfen, aber ich war völlig machtlos."
Außerdem: Die Fotos im Dossier zeigen die Verhaftung der Mitarbeiter der ungarischen Stasi, zertrümmerte sowjetische LKWs an der Budapester Ringstraße, Todesopfer vor dem ungarischen Parlament; eine Demonstration vor der UN in New York mit dem Schild "Save Hungary!" und die junge Frau, die Russ Melcher für Paris Match fotografierte und die im Westen zur Symbolfigur der ungarischen Revolution wurde.
Gazeta Wyborcza (Polen), 23.10.2006

In die polnischen Kinos läuft jetzt die russisch-ukrainisch-finnische Koproduktion "9. Kompagnie" an. "Ein spektakulärer Film über die sowjetische Intervention in Afghanistan, in dem niemand nach dem 'Warum' fragt, und in dem die russischen Soldaten am Ende die Opfer sind - vergessen von ihrem Vaterland, für das sie blind in den Krieg gingen", kommentiert Jacek Szczerba.
New Republic (USA), 30.10.2006

Peter Beinart hofft, dass sich die USA nach dem Wahlkampf endlich den Realitäten im Irak stellen. Seiner Einschätzung nach haben sie nur zwei Möglichkeiten: Entweder unternimmt die Regierung letzte verzweifelte Anstrengungen, die wahrscheinlich scheitern werden, oder sie akzeptiert die Niederlage und versucht, die Folgen zu mindern. "Es ist die Wahl, die man gegenüber einem sterbenden Patienten hat: zwischen aggressiven Maßnahmen, die vielleicht ein Wunder bewirken, aber auch die Agonie vergrößern können, und einem Loslassen des Patienten, in der Hoffnung, dass man wenigstens den Schmerz lindern kann, wenn man sich dem Unvermeidlichen beugt."
al-Sharq al-Awsat (Saudi Arabien / Vereinigtes Königreich), 18.10.2006
Jamal al-Din al-Afghani (1838-1897) zählt zu den wichtigsten Vordenkern einer islamischen Erneuerung. Er wird sogar oft als islamischer Martin Luther bezeichnet. Farial Hasan al-Khalifa sieht das in ihrem Buch "Die Bedeutung der Vernunft" ganz anders. Muhammad Khalil skizziert ihre Thesen: "Statt einer neuen Perspektive auf die islamische Religion, die es dem Individuum und der Gesellschaft ermöglichen würden, sich zu befreien und sich zu entwickeln, vertrat Afghani die Idee eines islamischen Staates und einer islamischen Gemeinschaft, die Idee einer Einheit von Religion und Weltlichem. Eine solche Einheit überschreitet Nationalität, Ethnie und Volk - und genau dies war das wesentliche Ziel Afghanis und seine Perspektive für die Zukunft. Eine solche Einheit würde den Muslimen die Kraft bieten, sich den imperialistischen Angriffen von Außen und der Rückständigkeit und dem Verfall im Inneren zu widersetzen. Afghanis Ruf nach einer islamischen Identität und einer islamischen Zivilisation bedeutete nach Ansicht der Autorin eine Abgrenzung vom Lauf der (nicht-islamischen) menschlichen Zivilisation."
Aus Syrien berichtet Nazim Muhanna von einem kleinen Boom staatlich produzierter Kinofilme. Anlässlich der Ernennung von Damaskus zur arabischen Kulturhauptstadt für das Jahr 2008 plant die National Film Organisation of Syrian Cinema die Produktion von zehn Filmen über die Stadt - ein enormes Projekt, denn normalerweise bringt es die Organisation alle zwei Jahre auf drei neue Filme. Angesichts der Ineffektivität der Einrichtung, deren Eingang bereits "an ein altes Krankenhaus für chronisch Kranke" erinnere, setzen immer mehr syrische Filmemacher auf Produktionen mit Digitalkameras, berichtet Muhanna. Diese Technik biete - jenseits der staatlichen Filmförderung - ein kleines Fenster zu einer Renaissance des syrischen Films.
Weblogs gewinnen in Ägypten eine immer größere Bedeutung, beobachtet Muhammad Abu Zaid: Als Forum der politischen Opposition, aber auch als künstlerisches Experimentierfeld. Angesichts der Freiheit, die ein Blog bei der Wahl von Form und Sprache biete, betreiben immer mehr ägyptische Künstler ihr eigenes Internet-Tagebuch. Zum Beispiel Salma al-Banna und Amr Ezzat.
Aus Syrien berichtet Nazim Muhanna von einem kleinen Boom staatlich produzierter Kinofilme. Anlässlich der Ernennung von Damaskus zur arabischen Kulturhauptstadt für das Jahr 2008 plant die National Film Organisation of Syrian Cinema die Produktion von zehn Filmen über die Stadt - ein enormes Projekt, denn normalerweise bringt es die Organisation alle zwei Jahre auf drei neue Filme. Angesichts der Ineffektivität der Einrichtung, deren Eingang bereits "an ein altes Krankenhaus für chronisch Kranke" erinnere, setzen immer mehr syrische Filmemacher auf Produktionen mit Digitalkameras, berichtet Muhanna. Diese Technik biete - jenseits der staatlichen Filmförderung - ein kleines Fenster zu einer Renaissance des syrischen Films.
Weblogs gewinnen in Ägypten eine immer größere Bedeutung, beobachtet Muhammad Abu Zaid: Als Forum der politischen Opposition, aber auch als künstlerisches Experimentierfeld. Angesichts der Freiheit, die ein Blog bei der Wahl von Form und Sprache biete, betreiben immer mehr ägyptische Künstler ihr eigenes Internet-Tagebuch. Zum Beispiel Salma al-Banna und Amr Ezzat.
Economist (UK), 23.10.2006

Weitere Artikel: Die Gesetze gegen das Schüren von Rassenhass sind keine Gesetze gegen Beleidigung und sollten auch nicht als solche interpretiert werden, weil damit auch die Möglichkeit, Kritik zu üben, gefährdet wird, warnt der Economist in einem Artikel über die Redefreheit. Weiterhin schildert der Economist, ob und wie die Türkei ihren Literaturnobelpreisträger Orhan Pamuk feiert. Und schließlich begrüßt er den dialogsuchenden Brief, den hohe muslimische Würdenträger an den Papst gerichtet haben.
Foglio (Italien), 21.10.2006
Sandro Fusina hat mit den Szenen, die Paolo Ventura mit Puppen nachstellt und dann fotografiert, die letzten Kriegstage in Mailand so intensiv miterlebt wie nie zuvor. Ob Soldaten, Schwarzhändler oder Prostuierte: "In diesen Arrangements gibt es keine Helden, keine Gewinner und keine Schöngeister... Und die Künstler? Sie schmachten in ihren Ateliers und starren ins Leere. Oder sie werden von der Portiersfrau erhängt an der Zimmerdecke aufgefunden, das letzte Bild lehnt noch an der Wand. In diesen Augenblicken, in denen sich zwei Leben kreuzen, hassen und lieben sich die Männer und die Frauen, immer mit dem gleichen Ausdruck in den Augen."
Gabriella Mecucci feiert die italienische Vorherrschaft im Restauratorengeschäft. Lino Januzzi stellt Massimo Pinis Biografie des italienischen Politikers Bettino Craxi vor, die Craxi wohl gefallen würde.
Gabriella Mecucci feiert die italienische Vorherrschaft im Restauratorengeschäft. Lino Januzzi stellt Massimo Pinis Biografie des italienischen Politikers Bettino Craxi vor, die Craxi wohl gefallen würde.
Guardian (UK), 21.10.2006

Amit Chaudhuri preist Arun Kolatkar und die Neuauflage seines epischen Gedichts "Arun Kolatkar", das ihn in Chaudhuris Augen auf eine Stufe mit Salman Rushdie stellt. Jim Hoberman reflektiert die Wirkungsgeschichte von Robert Penn Warrens Roman "All the King's Men" von 1946, dessen Neuverfilmung mit Sean Penn bald in die Kinos kommt.
Tygodnik Powszechny (Polen), 22.10.2006

Ewa Baliszewska empfiehlt den Besuch einer Ausstellung zu afroamerikanischer Kunst, die in der Warschauer Nationalgalerie "Zacheta" gezeigt wird. Gleichzeitig spricht sie auch das wichtigste Problem dieser Richtung an: das der Authentizität. "Die romantische Vision des schwarzen Künstlers, der sich auf der Suche nach Inspiration in seine afrikanischen Wurzeln vertieft, ist sowohl Aushängeschild als auch die größte Bedrohung der afroamerikanischen Kunst. Einige Kritiker meinen gar, sie sei geschaffen worden, um die Bedürfnisse von Weißen zu befriedigen. Im Kontext der schwarzen Pop-Kultur sind diese Vorwürfe besonders aktuell." So erzählt der Fotograf Hank Willis Thomas, wie er von weißen Freunden vorwurfsvoll gefragt wurde: "Hank, du hörst keinen Rap?! Also sind wir schwärzer als du?"
Express (Frankreich), 19.10.2006

Al Ahram Weekly (Ägypten), 19.10.2006

Weitere Artikel: Hani Mustafa resümiert den Wettbewerb der Ramadan Soaps im ägyptischen Fernsehen und stellt fest, dass religiöse Themen sehr gefragt waren. Und angesichts der Entwicklungen im Irak, Iran und Libanon sorgt sich Rasha Saad um das friedliche Zusammenleben von Sunniten und Schiiten in Ägypten: "Ob in den Medien oder innerhalb der muslimischen Gemeinde - die Schiiten geraten zunehmend ins Schussfeld."
Point (Frankreich), 19.10.2006

Nueva Sociedad (Argentinien), 01.10.2006

New Yorker (USA), 30.10.2006

Weiteres: Connie Bruck beschreibt, wie der diesjährige Friedensnobelpreisträger, der bengalische Wirtschaftswissenschaftler und Gründer der Grameen Bank Muhammad Yunus, mit einigen High-Tech-Unternehmern um die Verteilung von Krediten an die Armen dieser Welt konkurriert.
John Lahr bespricht das Theaterstück "My Name Is Rachel Corrie". Und David Denby sah im Kino "Flags of Our Fathers" von Clint Eastwood und "Babel" von Alejandro Gonzalez Inarritu, einem "der begabtesten Regisseure der Welt". Zu lesen ist außerdem die Erzählung "Republica and Grau" von Daniel Alarcon.
Le Monde diplomatique (Deutschland / Frankreich), 13.10.2006
Die Verachtung der französischen Banlieue und ihrer Vitalität ist auch von Neid geprägt, meint Denis Duclos: "Im Grunde regen sich bestimmte Intellektuelle freilich nur darüber auf, dass aus dieser unbändigen und manchmal tödlichen Vitalität eine starke Kultur hervorgegangen ist, die offenbar ansteckender wirkt als ihre eigene, vermeintliche Hochkultur. Sie bedauern weniger die mangelnde Integration oder die Orientierungslosigkeit als vielmehr die Tatsache, dass begeisterte Jugendliche und irgendwelche Medienleute dem in den Banlieues entstandenen Hiphop zu einem dauerhaften Phänomen und zu einem integrierenden Element gemacht haben."
Weiteres: Jeremy Brecher und Brendan Smith berichten über Widerstand gegen den Irakkrieg aus den Reihen der amerikanischen Konservativen, der in jüngster Zeit auch von hochrangigen Militärs getragen wird. Und Mathias Greffrath hat den Papst bei einem Teegespräch belauscht.
Weiteres: Jeremy Brecher und Brendan Smith berichten über Widerstand gegen den Irakkrieg aus den Reihen der amerikanischen Konservativen, der in jüngster Zeit auch von hochrangigen Militärs getragen wird. Und Mathias Greffrath hat den Papst bei einem Teegespräch belauscht.
Groene Amsterdammer (Niederlande), 23.10.2006

"Die letzten elf Jahre nach dem Krieg wurden verspielt" erregt sich die Ärztin, Schriftstellerin und Tito-Enkelin Svetlana Broz in einem ausführlichen Interview mit Marte Kaan über die Ergebnisse der Wahlen in Bosnien-Herzegowina. Broz sieht ihr Land als Bauernopfer im Machtpoker der internationalen Gemeinschaft: "Ich vergleiche das gern mit der Lage Deutschlands nach dem Zweiten Weltkrieg. Dort verbot die internationale Gemeinschaft die Nationalsozialistische Partei. In Bosnien-Herzegowina dagegen blieben die nationalistischen Parteien an der Macht, zwar unter anderem Namen, jedoch mit den gleichen Gesichtern wie vor dem Bosnienkrieg. Es gibt hier zu viele Politiker, die von der internationalen Gemeinschaft umworben werden und die zeitgleich in Den Haag oder vor einem anderen Tribunal erscheinen müssen. Und das kann nur Zweierlei bedeuten: Entweder lernt die internationale Gemeinschaft nur sehr langsam, oder sie profitiert von einer permanenten Instabilität in dieser Region."
New York Times (USA), 22.10.2006

Ferner: Jeneen Interlandi dokumentiert einen besonders schweren Fall von wissenschaftlichem Betrug. Alex Witchel porträtiert die Choreografin Twyla Tharp und stellt ihr neues Broadway-Projekt vor. Und im Gespräch mit Deborah Solomon erklärt der Princeton-Philosoph und Bestseller-Autor Harry G. Frankfurt ("Bullshit"), wie wir zur Wahrheit finden: durch Selbstlosigkeit.
Ist Gott eine Illusion? Die zu einer positiven Antwort führende Argumentation des Evolutionsbiologen Richard Dawkins in seinem Buch "The God Delusion" (Auszug) kommt Jim Holt in der Book Review bekannt vor: "Erstens, misstraue den üblichen Begründungen für die Existenz Gottes. Zweitens, sammle ein, zwei Argumente für die gegenteilige Hypothese. Drittens, streue Zweifel an den transzendenten Ursprüngen der Religion und zeige, dass es für sie eine natürliche Erklärung gibt. Zuletzt zeigst du, dass ein glückliches und sinnvolles Dasein ohne Gott möglich und Religion kein Garant für Moralität ist, sondern mehr Böses als Gutes schafft." Nach dem Prinzip, so Holt, funktionierte schon Bertrand Russells "Why I Am Not a Christian" von 1927. Die Gottesfrage aber bleibt für ihn spekulativ und das Buch also "eine intellektuell frustrierende Erfahrung".
Außerdem: Marcel Theroux entdeckt in dem Cicero aus Robert Harris' historischem Thriller "Imperium" (Auszug) einen modernen Politiker. Christopher Benfey lobt Michael Hofmanns Übertragung von Thomas Bernhards Roman "Frost" (Auszug), der erstmals auf Englisch erscheint. Und Henry Louis Gates Jr. macht sich an eine Revision von Harriet Beecher Stowes Roman "Onkel Toms Hütte" und entdeckt anstelle von Sentimentalität: Sex!
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