Im Kino

Neustart mit Systemupgrade

Die Filmkolumne. Von Olga Baruk, Karsten Munt
24.10.2019. Auch Tim Millers Terminator 6 versucht die Menschheit auszulöschen, diesmal unterstützt von modernsten Überwachungsmethoden. Und mit einem Anflug von Humor - bis der Maschinen-Body-Horror losbricht. Mark Jenkins führt uns mit seinem Schwarz-Weiß-Film "Bait" nach Cornwall, wo Fischer auf die lycra cunts aus der Großstadt stoßen.


"No fate but what we make for ourselves" ist das Glaubensbekenntnis, an dem die Menschheit des Terminator-Universums seit jeher festhält. Das Credo, dessen erste zwei Silben Sarah Connor in "Terminator 2" mit dem Kampfmesser in einen Tisch ritzt, ist die letzte geistige Bastion des Widerstands gegen die Auslöschung der Menschheit durch die Über-KI Skynet und ihre Maschinen. Nachdem dieses Apokalypse-Szenario, der Franchiselogik folgend, bis an seine absurdesten Grenzen geführt wurde, sorgt "Terminator: Dark Fate" nun für ein Reboot, das alle Fortsetzungen außerhalb der James-Cameron-Vision für nichtig erklärt.

Der sechste Teil ist ein Neustart mit Systemupgrade. Eine von Tim Miller inszenierte, aber klar mit der Handschrift von Franchiseschöpfer Cameron (der hier für Drehbuch und Produktion verantwortlich war) geschriebene Fortsetzung. Der schematische Aufbau jedoch ist geblieben: Noch immer schickt eine Über-KI Maschinen durch die Zeit zurück und noch immer hält der Rest der menschlichen Rebellen mit einer Auserwählten aus den eigenen Reihen dagegen. Auf den ersten Blick unterscheidet sich "Dark Fate" nur in kleinen Details von Camerons Vorgängern. Das Betriebssystem heißt jetzt Legion statt Skynet und das Ziel des Zeitreiseattentats ist ausnahmsweise kein Mitglied der Connor-Familie, sondern die Mexikanerin Dani Ramos (Natalia Reyes). Allein die Welt, in die der neueste Maschinenattentäter, das Modell Rev-9 (Gabriel Luna), und die Supersoldatin Grace (Mackenzie Davis) aus der Zukunft hineinfallen, hat sich grundlegend verändert.

Das Spielfeld für die Krieger aus der Zukunft ist von der naiven und noch analogen Welt der 80er/90er zur digitalen Gegenwart geworden. Hatte man seinerzeit noch keine Vorstellung vom wahren Potenzial der Kommunikations- und Computertechnologie, ist diese ein fester Bestandteil der Gegenwart von "Dark Fate". Die digitale Infrastruktur bietet dem neuen Super-Terminator einen weiteren entscheidenden Vorteil gegenüber seinen menschlichen Widersachern. In Sachen Widerstandsfähigkeit mag dieser zwar hinter Robert Patricks Flüssigmetall-Gestalt aus dem zweiten Teil zurückfallen (auch wenn eine seiner Cyborg-Hälften ebenfalls flüssig ist), doch der Zugriff auf die Datennetze der Gegenwart gibt Rev-9 ein deutlich größeres Bedrohungspotenzial. Während Grace zusammen mit Terminator-Veteranin Sarah Connor (erneut verkörpert von Linda Hamilton) und Dani auf einfache Anti-Technik-Guerilla-Maßnahmen setzen muss, kann der neueste Legion-Roboter den Blick auf jeden von Kamera- und Satellitenbildern erfassten Fleck der Erde richten. Wo sich der Flüssigmetallroboter des zweiten Teils noch mit dem Polizeifunk begnügen musste, lässt der Rev-9 einfach seine Finger in einen beliebigen Rechner hineinfließen, um eines der globalen Netzwerke anzuzapfen, die den Aufenthaltsort seiner Ziele in Sekundenschnelle ermitteln.



Das Terminator-Franchise ist in der Gegenwart und damit in dem Zeitalter angekommen, in der jeder Winkel der Erde und sogar der menschliche Körper selbst von Technik durchdrungen sind. Der Möglichkeitsspielraum digitaler Überwachungsnetzwerke wie PRISM verschiebt die Übermacht so weit auf Seite der Maschinen, dass allein die technischen Modifizierungen von Graces Zukunftskörper noch eine winzige Überlebenschance bieten können. Doch selbst der Mensch im Overdrive ist noch ein biologischer Organismus und damit der Perfektion der Maschine immer unterlegen. Die Kräfte der Supersoldatin reichen nur für eine kurze Strecke der so ausgedehnten wie opulenten Action-Set-Pieces. Nach jedem Schlagabtausch kommt ihr Körper ohne eine Dosis Antibiotika schnell zum Stillstand.

Flucht ist also erneut die beste Verteidigung. Statt der eigenen physischen Spur, muss nun auch die digitale Spur verwischt werden. Sarah Connor, die nach dem Tod ihres Sohnes nur noch für die Terminator-Jagd lebt, bringt dafür das nötige Know-how mit. Das Smartphone verschwindet in der Chipstüte, Computer und überwachte Orte werden gemieden. "Dark Fate" verortet sich entsprechend genau an der Schnittstelle zwischen Überwachungs- und Franchiseästhetik. Der Kampf gegen Supercomputer Legion ist auch immer der Versuch, sich einer Maschinerie zu erwehren, die Überwachungstechnik, GPS und Reaper-Drohnen gegen vermeintliche Widersacher ins Feld führt. So scheint Legion selbst auf die Protagonistinnen zu blicken, als der Film die Perspektive einer Drohne einnimmt, die im Grenzgebiet zwischen den Vereinigten Staaten und Mexiko patrouilliert.

Besagte Grenze, oder besser: ein Internierungslager nahe der Grenze ist schließlich auch Schauplatz der schönsten Actionszene des Films. Nach dem Drohnenangriff wird Rev-9 persönlich auf Migranten und das Personal der Border-Patrol losgelassen. Die Gefangenen, unter ihnen das Heldinnentrio, flüchten in einem Menschenstrom, der alles außer den Terminator mitreißt. Der stochert sich mit seinen Messerarmen durch die Körper einer ganzen Grenzschutzkompanie, um danach, getarnt in der Uniform eines seiner Opfer, dem Sondereinsatzkommando zu gestehen, dass er "noch nie so viel gebetet" habe wie in diesen Minuten. Der eigentliche Schock ist nicht, dass die Maschine mühelos dutzende von Menschen abzuschlachten vermag, sondern dass sie anschließend nicht mehr vom Menschen zu unterscheiden ist. So sind es weder die Bilder der Grenze noch die Drohnen- und Satellitenaufnahmen, mit denen "Dark Fate" seine düstere Zeitgenossenschaft formuliert, es ist die kommunikative und körperliche Annäherung zwischen Mensch und Maschine.



Die Supermaschine eignet sich bereits nach der ersten Interaktion eben das an, was gerne als eine letzte Bastion des menschlichen Verhaltens zitiert wird: den Humor. Bereits das nächste Behördengebäude betritt der Rev-9, indem er seine Marke vorzeigt, ein paar Frotzeleien mit dem Wachhabenden austauscht und anschließend das gesamte Personal auslöscht. Doch nicht allein das State-of-the-Art-Robotermodell der Zukunft vollzieht diese Annäherung. Auch das mit Arnold Schwarzenegger gealterte Terminator-Auslaufmodell hat die zwanzig Jahre nach seinem ersten Auftrag damit verbracht, das Menschsein zu studieren - mit beachtlichem Erfolg. Das Halbmaschinendasein, das dem alten Roboter das maschinell errechnete Gegenstück von Freude bereitet, bedeutet für Supersoldatin Grace das Gegenteil. Im Verlauf der Reise scheint sie mehr mit der maschinellen Modifizierung ihres Körpers zu ringen, als mit dem feindlichen Terminator. Nicht die ständigen Verletzungen machen ihr Leid aus, sondern der zumindest teilweise Verlust ihres menschlichen Körpers.

So geht es in "Dark Fate" nicht mehr darum, einen Atomkrieg oder ein konkretes Zukunftsszenario zu verhindern. "No fate but what we make for ourselves" erscheint als konkreter Appell bereits gescheitert. Mensch und Maschine haben sich längst angenähert. Immer wieder sucht der Film dabei nach den visuellen Markern dieser Symbiose. Was zunächst nur als das starre Zähnefletschen des Rev-9 zu sehen ist, verwandelt sich in ein diabolisches Grinsen, als Grace den metallischen Mund des Terminators mit Hilfe einer Eisenkette bis zur Stirn aufreißt. Dieses Grinsen wird in einer Art Maschinen-Body-Horror zur eigentlichen dystopischen Schreckensvision des Films. Nachdem der Rauch des letzten Kampfes sich gelichtet hat, nimmt das Schicksal, über das die Menschheit zu bestimmen versucht, mit einem Lächeln seine konkret sichtbare Form an. Aus dem geschmolzenen Schädel eines Terminators grinst der perfekt erhaltene Kiefer eines Menschen in die Kamera. Das Lächeln der Zukunft.

Karsten Munt

Terminator: Dark Fate - USA 2019 - Regie: Tim Miller - Darsteller: Mackenzie Davis, Natalia Reyes, Linda Hamilton, Arnold Schwarzenegger, Gabriel Luna, Diego Boneta - Laufzeit: 128 Minuten.

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Neun Jahre alt sind diese albernen Videos auf Youtube, in denen der Comedian Edward Rowe alias Kernow King in überdrehter, sehr bitterironischer Manier für die eigene Heimat wirbt: "It's bloody handsome here, come to Cornwall, you buggers!" Das an der Südwestspitze Englands gelegene Cornwall ist bekannt für seine Schlösser und Sandstrände, inzwischen gibt es dort sogar eine Filiale der renommierten Tate Gallery. Und doch gehört die malerische Region nach dem Niedergang der traditionell betriebenen Fischfangs und Bergbaus zu den ärmsten des Landes. Seitdem bauscht sich Tourismus zu der einzigen ökonomischen Kraft.

Neun Jahre später trägt Rowe einen ihm hervorragend stehenden Bart und spielt die Hauptrolle in einem Film, der an seine alten Videos thematisch andockt. In Mark Jenkins "Bait" geht es um den sozialen und ökonomischen Wandel in einem Fischerdorf an der Küste Cornwalls, um Verdrängung und Anpassung, um Familienkonflikte. Rowes Figur heißt Martin, ein Fischer mit Prinzipien ist er, aber ohne eigenes Boot, dafür mit einem grimmigen Blick und einem schweren Gang. Ohne Boot und Anpassungswillen fängt Martin nie genug, verschenkt die Hälfte der bescheidenen Ausbeute trotzdem an die Nachbarn und verkauft den Rest auch noch zu einem viel zu günstigen Preis. Martin bleibt unbeugsam. Anders sein Bruder Steven (Giles King), der als Teil der neuen Infrastruktur einigermaßen profitable Bootstouren für Touristen anbietet. Nur macht das Geld alleine nicht glücklich.

Widerspenstig und herb wie seine Hauptfigur wirkt auch der Film selbst: Auf blauen Himmel, goldene Sonne und grünes Wasser wartet man in "Bait" vergebens. Mark Jenkin, in Cornwall geboren und aufgewachsen, hat ihn in Schwarzweiß und auf 16 Millimeter gedreht und handentwickelt. Auch für Drehbuch, Kamera, Schnitt und Musik ist er zuständig. Statt satte Farben also bei Jenkin die vielen Grautöne, das Knistern, Flackern und Vibrieren des analogen Filmmaterials. Die Tonspur wirkt durch die Nachsynchronisation sehr verfremdet. Die Dialoge sind knapp, die Blicke dafür umso vielsagender. Schnell kommt einem der selbstreflexive Kinofetischismus von Guy Maddin in den Sinn, in Rezensionen und Interviews zum Film fällt häufig, das ist aber eher weit ausgeholt, der Name Robert Bresson.



Auf seiner formbewussten Oberfläche ist "Bait" ein unruhiges Gebilde aus kurz aufblitzenden Vor- und Rückblenden, aus Close-ups von Gesichtern und vielen Detailaufnahmen. Volle und leere Biergläser, Stiefel, Netze, Seile, Ketten und Fangkörbe. Netze werden entwirrt und repariert, Knoten werden gebunden - Bilder des Groben, aber sehr reizvoll. Andere Dinge, die mehrfach auftauchen: Fische in Plastikschüsseln, Fische, die durch die Plastiktüten nass hindurch schimmern. Diese Fische anschließend gebraten und einem Touristenpärchen im Dorfpub als lokale Spezialität serviert, "caught in this very cove!" Über die übrig gebliebenen Gräten, über diese geradezu grotesk anmutende Bilanz seiner harten Arbeit staunt Martin, staunt auch der Film selbst mit Befremden und Ratlosigkeit. Das war's also? Die Banalität des ökonomischen Kreislaufs, vor Augen geführt anhand weniger prägnanter Bilder. Geld bleibt bei Jenkin zwar in Bewegung, aber nie im Fluss, schiebt sich vielmehr zwischen Figuren und Einstellungen, ordnet die Erzählzeit einem regelmäßigen, gar monotonen Rhythmus unter. Zerschießt sie in einsame Stücke. Ein paar zerknitterte Scheine landen in Martins Spardose, ein paar Münzen werden von ihm nach dem Feierabend über den Biertresen geschoben.

Trotz der distinkten visuellen Gestaltung ist "Bait" alles andere als eine verkopfte Spielerei. Der Film hat einen narrativen Charakter und erzählt aus der Gegenwart heraus über akute Dinge. In den Attraktionsmontagen prallen Welten und Milieus, das raue Alte und das schicke Neue dramatisch zusammen. Dieser Formalismus gibt zu denken, er ist außerdem nicht frei von Komik und macht total viel Spaß. Jenkin forciert auch gern den in der feindlichen sozialen Verknotung innewohnenden Humor: Die Einheimischen suchen Streit, die Jüngeren unter ihnen Liebe. Die zugezogenen Großstädter zeichnet er knapp an der Grenze zur Parodie, snobistisch die Nase rümpfend, eifersüchtig, hysterisch um die eigene Ruhe besorgt. Alleine schon an ihren schlaffen, in enganliegende Sportklamotten gequetschten Großstadtkörpern ("lycra cunts", auf Deutsch: "Polyester-Arschlöcher") sieht man, dass sie nicht in dieses Fischerdorf gehören. Und doch sind sie da. Und doch bleiben sie.

Als "ungleiche und voneinander abhängige Bettgenossen" wird im Regiestatement das Nebeneinander von Fischfang und Tourismus in Cornwall beschrieben. Fremd und doch zueinander hingezogen, sich abstoßend und doch sich begehrend ist so einiges in unserer komplexen Welt. Der Logik dieser Verstrickung folgend kippt der durchweg in einer Stimmungsmischung erzählte "Bait" ausgerechnet dann ins eindeutig Tragische, als Leidenschaft und Klassenkonflikt sich am nächsten kommen.

Olga Baruk

Bait - GB 2019 - Regie: Mark Jenkin - Darsteller: Edward Rowe, Mary Woodvine, Simon Shepherd, Giles King, Chloe Endean - Laufzeit: 89 Minuten.