Außer Atem: Das Berlinale Blog

Berlinale 6. Tag

Von Ekkehard Knörer, Robert Mattheis, Anja Seeliger
11.02.2002. Das Gespenst des Neuen Deutschen Films: Edgar Reitz' "Mahlzeiten". Eine Pressekonferenz mit chinesischen Regisseuren. Ein Schicksalsschlag kommt selten allein: "The Shipping News" von Lasse Halström. Finnendisco : "Weg nach Emmaus" von Markku Pölönen. Traurige Küken: "Choori" von Javad Ardakani beim Kinderfilmfest.
Montag, 23 Uhr

Das Gespenst des Neuen Deutschen Films: Edgar Reitz' "Mahlzeiten"

"Der alte Film ist tot. Wir glauben an den neuen." So lautete der letzte Satz des erst verhöhnten, dann berühmten, mittlerweile wieder berüchtigten Oberhausener Manifests, mit dem eine junge Generation von damals noch weitgehend unbekannten deutschen Filmemachern das heimische Kino revolutionieren wollte. Wie es der Zufall will, ist das fast genau vierzig Jahre her. Die Generation des deutschen Autorenfilms, die auf Oberhausen folgte, steht längst nicht mehr im besten Ruf, übrig geblieben sind wenige der 26 Unterzeichner, Alexander Kluge vor allem und Edgar Reitz, der eine probt seit geraumer Zeit die Revolution in Permanenz im Fernsehen, der andere hat mit seiner doppelten "Heimat" seine ganz eigene Nische gefunden, der Startschuss für eine dritte Serie ist soeben gefallen.

Die Retrospektive der diesjährigen Berlinale widmet sich den Umwälzungen der sechziger Jahre, im Leben wie im Kino, in den verschiedensten Facetten. Der Neue Deutsche Film ist eine davon, es laufen heute weitgehend vergessene Werke von Herbert Vesely oder Hansjürgen Pohland, einige Filme von Alexander Kluge und auch Edgar Reitz' einstmals mit dem Silbernen Löwen von Venedig in der Reihe Debütfilm ausgezeichneter Erstling "Mahlzeiten" von 1966. Eine seltsame, eine seltsam fremde Welt ist es, mit der einen der Film konfrontiert. Reitz' Herkunft vom experimentalen Kurzfilm, dessen Heimat das Festival von Oberhausen gerade gewesen ist, ist von der ersten Minute an offenkundig. Verblüffend frisch und erkennbar an Frankreich, Godard und Truffaut geschult, ist die Erzählsprache des Films. Die Handkamera bewegt sich um die Figuren wie man es heute wieder aus den Dogma-Filmen kennt, die Erzählung ist sprunghaft, es gibt spielerische Elemente wie die Einblendung der Namen der Neugeborenen mitten ins Illusionsbild.

Von heute nur noch schwer begreiflichem Ernst aber sind die Dialoge, die sich um die großen Sinnfragen drehen, geradezu unentzifferbar ist der Off-Kommentar, der einerseits für den erzählerischen Zusammenhalt sorgt, andererseits aber so überzogen bedeutungsschwanger daherkommt, dass man oft nicht weiß, ob das nun freiwillig komisch ist oder nicht. (Gut ist es in einem solchen Fall, hinterher den Filmemacher selbst befragen zu können, der auf die vorsichtige Publikumsnachfrage versichert, es handle sich ganz entschieden um ein ironisches Sprechen.) Die Geschichte des Films ist vergleichsweise simpel: Es begegnen sich auf dem Hamburger Werftgelände die Fotografin Elisabeth, der Medizinstudent Paul, ein paar Schnitte weiter sind sie verheiratet, das erste Kind ist unterwegs. Erste Krisen bahnen sich an, in geradezu serieller Produktion kommt dennoch ein Kind nach dem anderen zur Welt.

Paul gibt sein Studium auf, verschwindet auf der Suche nach sich selbst, kehrt wieder zurück, Elisabeth ist wieder schwanger. Lange bevorzugt der Film ihre Perspektive - wenngleich er die wundersame Leichtigkeit, mit der sie neben ihren zuletzt fünf Kindern ein eher Bohemienne-haftes Leben zu führen in der Lage ist, nicht weiter erklärt -, dann aber lässt er sich recht ausführlich auf Pauls Scheitern als Arzneimittelwerbevertreter ein. Immer wieder bewegt sich "Mahlzeiten" weg von der reinen Erzählung, hin zum Diskursiven, Parabelhaften, Über-Individuellen, verfremdet das Geschehen durch kontrapunktischen Musikeinsatz, durch herbe Schnitte, durch von den Figuren abschweifende Handkamera, durch den Off-Kommentar. Die stärkste Szene ist dann jedoch eine des konzentrierten Draufhaltens: mit grotesker Entschlossenheit begeht Paul Selbstmord, indem er, auf freiem Feld, die Abgase ins Innere seines Käfers leitet.

Im Filmmuseum folgt kurz darauf ein Gespräch zwischen Edgar Reitz und dem Filmkritiker-Veteran Peter W. Jansen. Man spricht über die Aufbrüche der sechziger Jahre. Reitz erzählt vom chinesischen Restaurant, in dem die Gruppe der Aufrührer - unter Anleitung Alexander Kluges - das Oberhausener Manifest entwarf. Er gibt einen Eindruck von der erstickenden Situation, die die jungen Filmemacher im Deutschland der fünfziger und sechziger Jahre vorfanden. Bezeichnend die Anekdote, dass sein erster Kurzfilm auf weggeworfenem Filmmaterial von Billy Wilders zeitgleich gedrehtem "Eins, zwei, drei" entstand. Und plötzlich ist, obwohl Reitz genau das vermeiden wollte, viel Nostalgie im Raum. Er erzählt vom Zerfall der Gruppe der filmbesessenen, in dieser Besessenheit lange eng verbundenen Filmemacher, der Anfang der siebziger Jahre mit den ersten größeren Erfolgen einsetzt. Und er beklagt, dass unserer Kultur und den Filmemachern der Sinn abhanden gekommen ist, dass die aktuellen Filme melancholische Bestandsaufnahmen unglücklicher Zeitumstände sind. Er klagt über das Publikum, das sich dem Schwierigen nicht stellen will, über die Institutionen, die nicht genug für die allgemeine Filmbildung unternehmen.

Dann verlässt man das Filmmuseum, geht hinüber zum Berlinale-Palast, vorbei an den Fenstern des Hyatt-Restaurants. An der Bar sitzt, ins Gespräch vertieft, Alexander Kluge, das lebendigste der Gespenster des Neuen Deutschen Films.

Ekkehard Knörer (von Jump-cut)
Der Film bei IMDB.


Montag, 16.26 Uhr

"Warum soll ich meinen Film der Zensur vorlegen?" Eine Pressekonferenz mit chinesischen Regisseuren


Auf die Frage nach der Zensur in China platzt Regisseur Wu Wenguang der Kragen: "China ist kein Land, in dem man nicht leben kann", sagt er zornig. Auch im Westen hätten Filmemacher Probleme und überhaupt: Warum sollte er seinen Film der Zensur vorlegen?

Tja, warum eigentlich? Bei der Pressekonferenz im Hyatt sitzen neun junge chinesische Regisseure, deren Filme im Forum gezeigt werden und Carrie Wong, eine Produzentin aus Hongkong auf dem Podium, um einer beschämend kleinen Anzahl von Journalisten Auskunft über das neue chinesische Kino zu geben. Bevor die Rede auf die Zensur kommt, hat Wu Wenguang erzählt, dass in China seit Ende der 90er Jahre der unabhängige Film einen rasanten Aufschwung erlebt. Schuld daran ist das Aufkommen der Digitaltechnik. Sie erlaubt es, so schnell und billig wie nie Filme zu drehen. Vor allem aber kann man unauffällig drehen. Kein riesiger Stab ist nötig, der den Behörden auffallen könnte. So sind eine Reihe von Filmen entstanden, wie man sie bisher aus China nicht zu sehen bekommen hat: Dokumentarfilme etwa über Bauern, die in eine weit entfernte Provinz fahren, um sich dort mit Baumwollpflücken etwas dazuzuverdienen, über obdachlose Fabrikarbeiter oder ein Spielfilm über ein lesbisches Paar.

Für die Zensur ist es unmöglich, all diese Filme zu kontrollieren. Li Yu behauptet, sie habe gar nicht darüber nachgedacht, ob ihr Film der Zensur missfallen könnte. Auch Wenguang erklärt, er habe nie Probleme gehabt. Und "wenn es hier nicht klappt, macht man eben an einem anderem Ort weiter." Die Freiheit sei da, betont er, man müsse sie sich allerdings auch nehmen. Der Regisseur Hu Shu bringt die Sache auf den Punkt: Mit den Videofilmen in China sei es wie mit dem Gras rauchen im Westen: "Man will es nicht, aber es ist doch da."

Sorgen macht den jungen Regisseuren nicht die Zensur, sondern das Geld. Ohne offizielle Drehgenehmigung gibt es natürlich auch keine staatliche Unterstützung. Fast alle haben sich für ihre Filme Geld geborgt. Ein bisschen was kostet selbst ein Dreh mit Video. Liu Hao erzählt, wie er von einem Freund Geld geliehen hat und dann ein Jahr lang Kalender verlegt und mit dem Fahrrad an den Mann gebracht, bis er seine Schulden bezahlt hatte. Ganz gereicht hat es trotzdem nicht. Fertig stellen konnte er seinen Film nur mit Hilfe von Xerox-Film und einer Schweizer Firma. "Das ist die Realität", sagt er und klingt gar nicht unglücklich dabei. Denn etwas Gutes hat das wenige Geld nach Meinung aller auf dem Podium: Sie können drehen was sie wollen und müssen nicht kommerziell sein.

Wer aber ist ihr Publikum? Studenten, junge Leute, hauptsächlich in den großen Städten, erzählt Wenguang. Gezeigt werden die Filme in Bars, an Wochenenden oder im letzten Jahr auf dem Pekinger Filmfestival, das von einer großen Zeitung organisiert wurde: Ying Weiwei sagt, es sei ihr egal: "Ich habe meinen Film für mich gemacht." Seine Freunde sind es nicht unbedingt, erklärt Hu Shu. Die sehen lieber was "Lockeres". Und Wang Bing, dessen bereits vielgelobter Dokumentarfilm "Tiexi District" heute abend im Forum läuft, erklärt: "Meine Aufgabe ist es, den Wandel zu dokumentieren. Ich habe eine gewisse Verantwortung zu tragen, gewisse Pflichten zu erfüllen. Was den Leuten gefällt, kann ich nicht sagen."
Anja Seeliger


Montag, 15.30 Uhr

Ein Schicksalsschlag kommt selten allein: "The Shipping News" von Lasse Halström (Wettbewerb)


Quoyle (Kevin Spacey) ist ein Loser, sein ganzes Leben, im Zeitraffer vorgeführt, nichts weiter als eine Kette von Niederlagen. Bis ihn ein heftiger Schicksalsschlag trifft: er begegnet Petal (Cate Blanchett), die ihn heiraten will aus dem einzigen Grund, dass er dämlich genug ist, jede ihrer Eskapaden zu ertragen. Sie bekommen eine Tochter und bald darauf gibt es einen weiteren Schicksalsschlag, diesmal für den Zuschauer. Petal, die noch ein wenig Leben in die verquälte Umgebung brachte, stirbt bei einem Autounfall und der Film geht unaufhaltsam den Bach runter.

Rettung für die verwundeten Seelen von Vater und Tochter bringt Quoyles Tante (Judie Dench), die mit den beiden ins Land ihrer Väter und Vorväter zurückkehren will, nach Neufundland. Noch vor den dreien sind sämtliche Klischees, die man mit der abgelegenen Gegend so verbindet, schon da: stürmisches Wetter, eigenbrötlerische Provinzler, jede Menge tief verbuddelter schlimmer Geschichten um Mord und Schändung, Inzest und Gewalt. Unvermeidlicherweise werden all diese Geschichten im Laufe des sich zäh dahinschleppenden Films ans Licht befördert und Stück für Stück in Form von Gesprächstherapien entsorgt.

Was gleichfalls schon in Neufundland auf Quoyle wartet ist - neben dem Job als Zeitungsreporter, in dem er sich als wahres Naturtalent erweist - eine trauernde Witwe (Julianne Moore) mit zurückgebliebenem Sohn, bei der, wie die Faust auf dem Auge, Quoyle am Ende landen wird, nachdem sie gemeinsam ihr nicht allzu dunkles Geheimnis ausgebuddelt haben. Ein faustdickes Symbol für die Verstrickung in düstere Vergangenheiten steht außerdem noch herum: das alte Haus der Quoyles, einst übers Eis gezogen wie Fitzcarraldos Schiff über den Berg, jetzt gegen die heftigen Stürme fest im Boden vertäut. Es wird am Ende, immerhin nicht per Gesprächstherapie, sondern von einem Sturm entsorgt.

"Schiffsmeldungen" ist Hollywood, wie es schlimmer nicht geht. Sämtliche zur Verfügung stehenden Produktionswerte, von Darstellern bis zur exquisiten Bildgestaltung, stecken hier mal wieder in einem Projekt, das im Innersten verrottet ist, sentimental bis zur Unerträglichkeit. Und weil die ganz großen Themen verhandelt werden, Liebe, Tod, Leidenschaften und allerhand esoterischer Krimskrams obendrauf, ist auch der Oscar schon sicher wie das Amen in der Kirche.

Ekkehard Knörer (von Jump-cut)
Termine.
Homepage des Films.

"The Shipping News", von Lasse Hallström, mit Kevin Spacey, Judi Dench, Cate Blanchett, USA 2002, 111 Minuten.


Und heute die Presse

Wahre Begeisterungsstürme haben Francois Ozons "8 Femmes" in den Feuilletons ausgelöst. In der FAZ schwärmt Michael Althen vom maliziösen Lächeln der Deneuve und den geradezu "orchideenhaften Arrangements". In der SZ ist Tobias Kniebe nicht nur von den acht versammelten Schönheiten überwältigt, sondern auch von seiner eigenen Einsicht: "Schauspieler, gerade die größten und zickigsten, wollen im Grunde brutal dominiert werden." Vor allem Schauspielerinnen!

Martina Meister, FR, findet in dem Film alles, "was wir uns vom Kino wünschen: die Tiefe hinter der Oberfläche, die Schwere unter der Leichtigkeit, das Weinen hinter dem Lachen". Und in der taz kann Cristina Nord sogar der unerfüllten Liebe wieder Gutes abgewinnen: "Solange dieser Mangel einen Film wie 'Huit Femmes' speist, kann er nicht wirklich schrecken" (mehr zur Berlinale hier)

Uneinig sind sich die Feuilletons über Dominik Grafs "Felsen". In der SZ sieht Tobias Kniebe in dem Film genau jenes Kino beginnen, "auf das man bei Festivals immer wartet". In der taz dagegen schreibt Thomas Winkler: "Womöglich hätte die Differenz zwischen pseudodokumentarischer Inszenierung und dem an eine antike Tragödie erinnernde Geworfensein der Figuren einen spannenden Kontrast abgegeben. Nur, diese Lücke füllt 'Der Felsen' mit fahler Schulmeisterei." Und im Tagesspiegel ätzt Hellmuth Karasek über die "Behauptungshammerschläge, mit denen der Film seine Zuschauer traktiert" (mehr zur Berlinale hier).


Montag, 09.55 Uhr

Finnendisco im Delphi: "Weg nach Emmaus" (Forum)


Wenn das Delphi die Finnen im Mitternachtsprogramm hat, weiß man inzwischen, worauf man sich einlässt. Die Finnen zur Nacht, das hat Tradition. Das Bier auf dem Schoß, die Reihen gelichtet, kein Mobiltelefon, keine Hektik, alles sediert, easy-going. Zeit und Platz, sich's bequem machen. Dass es wieder soweit ist, merkt man spätestens dann, wenn ein paar knubbelige, trollhafte Figuren in Trainingsanzügen die Rampe erklimmen, um, Faxen machend, viel Spaß zu wünschen "bei unserem Film". Den hat man denn auch meistens, und ganz bestimmt sogar bei Markku Pölönen, der den "Weg nach Emmaus" bewusst als Burleske angelegt hat, mit Gesangseinlagen (so also hört sich finnischer Schlager an), stockenden Dialogen, bei denen auch schon mal das Drehbuch zu Rate gezogen wird, und lauter skurrilen Figuren aus der finnischen Steppe.

Dorthin kehrt der erfolgreiche Rane nach 20 Jahren in Helsinki zurück. Eigentlich bloß, um ein paar geschäftliche Dinge zu erledigen, doch seltsame Mächte halten ihn auf. Auf seinem Weg die heimatliche Dorfstraße runter begegnet er den Gestalten seiner wenig rühmlichen Vergangenheit: Dem schwerfälligen Arvi, dessen Glück viel mit Mopedfahren zu tun hat, der einstigen Liebe, die er enttäuscht hat, dem stets besoffenen Vater, auf den er nicht stolz sein konnte... Ein Figurenreigen, der dem Heimgekehrten nicht nur seine Sünden ins Gedächtnis ruft, sondern auch einen Läuterungsprozess in Gang setzt, an dessen Ende Rane zu einem bessern Menschen geworden sein wird. Freilich erst, nachdem es ihn kopfüber von einer Brücke auf die Schnellstraße gehauen hat. Das hilft. Dem Film hilft es ja vielleicht, dass er seiner Ausdruckstechnik wegen bereits als erste finnische Dogma-Produktion gehandelt wird.
Robert Mattheis
"Emmauksen tiellä - Weg nach Emmaus" von Markku Pölönen, mit Puntti Valtonen, Peter Franzen, Lotta Lehtikari u.a., Finnland 2001, 77 Min.
Termine


Montag 0.25 Uhr

Traurige Küken: "Choori" beim Kinderfilmfest

Sonntagmorgen - Familienkinozeit. Welches Kino eignete sich da besser als der betagte Zoopalast, die Großmutter der Berliner Lichtspielhäuser. Hunderte aufgeregter Küken füllen die Ränge, um den iranischen Beitrag zum 25. Kinderfilmfest der Berlinale zu sehen. "Choori" (Küken), das Spielfilm-Debüt des iranischen Fernsehregisseurs Javad Ardakani, erzählt so leicht wie liebevoll von der Entschlossenheit der 6-jährigen Zahra aus Teheran (toll gespielt von Sara Bonyas), gegen alle Einwände der Erwachsenen ihren Kopf durchzusetzen. Für eine gute Sache versteht sich.

Als Zahra sich wieder mal schrecklich langweilt, weil die Eltern arbeiten müssen und sie nicht aus dem Haus darf, kommt ein Kükenhändler vorbei. Zahra plündert die Wallfahrtskasse des Großvaters und ersteht eines der "Choori", die Langeweile ist wie weggeblasen. Natürlich, was ein richtiges Küken ist, muss auch fliegen lernen, erst recht, weil auf der Mauer schon die Katze lauert. Als zwei ältere Jungs der kleinen Zahra zeigen wollen, wie man das macht, und mit dem armen Tier Fangen spielen, kommt's, wie es kommen muss: Die Jungen lassen das Küken fallen. Zahra ist entsetzt (die Kinder im Saal übrigens auch). Mit dem verletzten Tier rennt sie zurück nach Hause und bittet ihren Vater, der im städtischen Krankenhaus arbeitet, ihr zu helfen. Aber weder der Vater noch die Mutter verstehen Zahras Not. Warum nicht einfach ein neues Küken kaufen? Das käme doch viel billiger als ein Doktor. Schnell merkt Zahra, dass sie bei den Eltern auf taube Ohren stößt; die wollen ihr sogar ein anderes Küken unterjubeln und verstecken Choori. Aber das hilflose Tier der gefrässigen Katze überlassen - niemals! Zum Glück hat Zahra einen Großvater, der sowas wie die 1001-Nacht-Variante des Almhirten darstellt, bei dem Heidi zuhause ist. Nicht nur verzeiht er Zahra, dass sie ihm Geld stibitzt hat, er scheut auch keine Mittel, nach Hilfe für Choori zu suchen. Doch niemand erklärt sich bereit, ein Kükenbeinchen in Gips zu legen. Bis sich in einem Krankenhaus unverhoffte Hilfe findet.

Zu diesem Zeitpunkt allerdings sind viele der kleinen Premierenbesucher schon in Tränen aufgelöst. Erst als nach Ende des Films die kleine Zahra leibhaftig und offensichtlich fröhlich auf der Bühne steht, hellen sich die Kindergesichter wieder auf.
Robert Mattheis
"Choori" von Javad Ardakani, mit Sara Bonyas, Sharam Ali-Sharifi, Iran 2001, 84 Min.
Termine