Magazinrundschau - Archiv

Der Spiegel

163 Presseschau-Absätze - Seite 10 von 17

Magazinrundschau vom 28.07.2003 - Spiegel

Ein Artikel zum Untersuchungsbericht des US-Kongresses über Versäumnisse bei amerikanischen und anderen Geheimdiensten vor dem 11. September schildert einige der inkriminierten Pannen im Detail: "Schon lange hatten die Spanier den Madrider Imad Jarkas als militanten Qaida-Mann im Visier gehabt. Sie wussten, dass der im syrischen Aleppo geborene Jarkas Rekruten nach Afghanistan schleuste. Am 6. August 2001 meldete sich bei ihm ein Mann mit dem Namen 'Schakur'. 'Ich bereite einige Dinge vor, die dich erfreuen werden', prahlte der Anrufer. Drei Wochen später rief 'Schakur' erneut an. 'Im Unterricht haben wir das Feld der Luftfahrt erreicht. Wir haben gerade den Hals des Vogels aufgeschlitzt.' Da waren es noch 16 Tage bis zum 11. September. Von dem Telefonat erfuhren US-Behörden erst nach dem Anschlag."

Gunther Latsch und Michael Sontheimer berichten aus Großbritannien, dass die öffentliche Meinung nach dem Selbstmord des Waffenexperten David Kelly inzwischen vor allem einen Schuldigen ausgemacht hat, nämlich Alastair Campbell, seit 1994 engster Mitarbeiter von Tony Blair und Sprecher von Downing Street 10: "Fast zwei Drittel forderten in einer Umfrage, Blairs Kommunikationsdirektor müsse zurücktreten." Wenn Campbell ginge, könnten die Probleme für Blair allerdings erst anfangen: "Denn seit er vor neun Jahren von Blair angeheuert wurde, hat Campbell akribisch und exzessiv Tagebuch geführt. Mit seinen Memoiren, brüstete er sich schon vor einiger Zeit gegenüber seinem Freund, dem Bestseller-Autor Robert Harris, 'werde ich mehr Geld machen, als du mit all deinen Romanen verdient hast'."

Weitere Artikel: Im Interview spricht Bianca Jagger über ihren Kampf für Menschenrechte. Elke Schmitter nimmt amüsiert die Furcht einiger Männer - besonders Herrn Schirrmachers (hier) und Herrn Buchs (hier) - über die angebliche neue Frauenmacht in Kultur und Medien aufs Korn. Nur im Print: Marlene Streeruwitz, das prophezeien wir jetzt einfach mal, ohne ihren Artikel gelesen zu haben, wird diese Ängste jedenfalls gewiss nicht besänftigen. Besprochen werden Norbert Gstreins neuer Roman "Das Handwerk des Tötens" und der Film "Lichter". Der Titel versucht sich diesmal an einer ganz großen und sehr schönen humanistischen These: "Machte erst die Musik den Menschen zum sozialen Wesen?"

Magazinrundschau vom 21.07.2003 - Spiegel

Der Titel beschäftigt sich wieder einmal mit dem Irakkrieg, denn "er will nicht enden, und er wird die Welt mehr verändern als den Irak." Versprochen wird Aufklärung darüber, "was wirklich geschah zwischen Euphrat und Tigris und was das bedeutet für die Kriege im 21. Jahrhundert".

Sylvia Schreiber gibt einen Ausblick darauf, wie der Umgang mit den weltweiten Migrationsbewegungen künftig aussehen könnte: "Bevor Fremde überhaupt nach Europa hineinkommen, so meint die britische Labour-Regierung, sollen sie erst einmal in 'geschützten Zonen' in ihren Herkunftsregionen Zuflucht nehmen. In aller Ruhe könnten sie dort die Entscheidung abwarten, ob und auf welcher Grundlage sie Einlass finden". Trotz zahlreicher Proteste von Menschenrechtsorganisationen "wollen die Briten gemeinsam mit den Dänen, den Niederländern und den Österreichern noch 2003 erste Pilotprojekte in Afrika, Asien oder auf dem Balkan starten. Eine 'neue Koalition der Willigen' auf europäischer Ebene sei das, stichelt ein Sprecher der britischen EU-Botschaft". Aber auch das Uno-Flüchtlingshilfswerk (UNHCR) etwa macht sich, erfährt man, "schon länger dafür stark, die Migranten in ihren Herkunftsregionen zu halten."

Ein Interview mit dem amerikanischen Kulturhistoriker Peter Gay "über das Verhältnis der USA zum 'alten Europa' sowie seine Erinnerung ans Nazi-Regime" durften wir online leider nicht lesen. Und auch einen Vorabdruck aus Martin Walsers neuem Buch gibt es nur im Print.

Magazinrundschau vom 14.07.2003 - Spiegel

Im Spiegel spricht (jetzt auch online) Peter Zadek über sein neues Buch, Brecht und Amerika: "Ich stimme meinem alten Freund Harold Pinter zu, dessen Antikriegsgedichte 'War' Elisabeth Plessen und ich gerade übersetzt haben - erscheinen übrigens demnächst. Pinter sagt, die Amerikaner seien heute mit den Nazis zu vergleichen. Der Unterschied besteht darin, dass die Nazis vorhatten, Europa zu besiegen; die Amerikaner aber wollen die ganze Welt besiegen." Es kommt noch schlimmer. Auf die Frage, ob auch die kriegerische Beteiligung der Amerikaner im Zweiten Weltkrieg gegen Hitler falsch war, erklärt Zadek: "Auch dieser Krieg hätte nicht stattfinden dürfen. Krieg produziert im Endeffekt nur Katastrophen." Und Zadek hat hier auch eine produziert!

Ralf Hütter erklärt im Interview zum Erscheinen der neuen Kraftwerk-CD: "Maschinen wurden lange als schlimm angesehen. Das war bei uns nie der Fall. Wir arbeiten mit den Maschinen zusammen. Zwischen uns und ihnen herrscht Kameradschaft."

Weiter nur im Print: Es gibt Interviews mit Adidas-Chef Herbert Hainer "über den Machtkampf mit dem Erzrivalen Nike", mit Henning Mankell über notwendige Hilfen für Afrika und mit dem Schah-Sohn Resa Pahlewi über die Studentenunruhen im Iran. Gemeldet wird außerdem noch, dass Bertelsmann sich auf eine Millionenklage wegen Napster vorbereitet. Und dass Leo Kirchs Leben verfilmt werden soll.

Magazinrundschau vom 07.07.2003 - Spiegel

Kein Erbarmen mit Michel Friedman, fordert die Schriftstellerin Karen Duve. Vorausgesetzt es stimmt, was die Staatsanwaltschaft behauptet hat, nämlich das Friedman die ukrainischen Prostituierten nicht selbst angerufen, sondern mit ihren Zuhältern verhandelt hat. "Michel Friedman, davon darf man getrost ausgehen, ist ein sehr gut informierter Mensch. Er weiß also, dass Frauenhändler aus Osteuropa mit Erniedrigung, mit der körperlichen und seelischen Zerstörung junger Mädchen arbeiten. Er weiß, dass Polinnen, Ukrainerinnen oder Russinnen nicht deswegen alles über sich ergehen lassen, weil sie 'naturgeil' sind, sondern weil sie durch einmalige, mehrmalige oder tagelange Vergewaltigungen, durch Drohungen, Schläge, Würgen oder Tritte gefügig gemacht worden sind." Der eigentliche Skandal ist für Duve daher, "dass uns in der Diskussion über Michel Friedmans Verhalten etwas als menschlich, allzu menschlich verkauft werden soll, was zutiefst unmenschlich ist."

Weitere Artikel: Gefragt wird, wie sinnvoll die Kennzeichnung von Genfood ist. Ein "etablierter Journalist", dessen Name nicht genannt wird, liefert einen autobiografischen Text über seine Drogensucht.

Nur im Print: Ein Interview mit Gerhard Schröder "über seinen steuerpolitischen Kurswechsel und seine Hoffnungen auf eine gesellschaftliche Aufbruchstimmung". Der Titel verdammt die bauchfreie Mode und propagiert die "neuen Werte: Ordnung, Höflichkeit, Disziplin und Familie", all die Dinge also, die der Spiegel schon immer hoch gehalten hat.

Magazinrundschau vom 30.06.2003 - Spiegel

Online gibt es in dieser Ausgabe nicht viel zu lesen. Ein Artikel spekuliert, ob Bundeskanzler Gerhard Schröder den EU-Kommissar Günter Verheugen für eine zweite Amtszeit nominieren will, um damit die Europa-Pläne Joschka Fischers zu torpedieren, und Bernhard Zand berichtet vom Guerrilla-Krieg gegen die Amerikaner im Irak. Im Feuilleton stellt Martin Wolf uns "Terminator 3" vor und überlegt, ob Arnold Schwarzenegger Gouverneur von Kalifornien werden will.

Nur im Print: Der Titel ist rundgestrickt um den italienischen Ministerpräsidenten Berlusconi, der als nächster Ratspräsident Europa präsentieren wird. "Die EU-Kollegen bangen". Im Feuilleton spricht Siegfried Lenz über das Verlieren als Grunderfahrung des Lebens und seinen neuen Roman "Fundbüro".

Magazinrundschau vom 23.06.2003 - Spiegel

Viel zu lesen diesmal. Der Schriftsteller Peter Schneider teilt in einem Essay heftig an beide Seiten aus: die Gegner und die Befürworter eines Irakkriegs. Am Ende plädiert er für eine neue Arbeitsteilung zwischen Europa und den USA: "Der anmaßende und selbstgerechte Stil der gegenwärtigen amerikanischen Administration sollte von den Europäern als eine Gelegenheit wahrgenommen werden, sich endlich ein politisches Gesicht zu geben. Die erste Bedingung für diesen Qualitätssprung wäre freilich die Verabschiedung von einer Arbeitsteilung, aus der Europa viel falsches Selbstbewusstsein zieht: Wenn es darauf ankommt, sagen wir, verstehen sich die Amerikaner nur aufs Schießen und aufs Bomben, wir schicken dann die Sanitäter und bauen wieder auf. Die Überzeugung, dass 'das Böse', von dem die Amerikaner so gern sprechen, nur eine amerikanische Obsession sei, ist selbstverständlich eine europäische Illusion. Ein neues Europa mit der alten Arbeitsteilung - es wäre nur das alte, besserwisserisch-geschwätzige und ohnmächtige Europa."

Alice Schwarzer fordert anlässlich des "Kopftuchstreits", der demnächst vom Bundesverfassungsgericht entschieden werden muss, "endlich Schluss zu machen mit der gönnerhaften Pseudotoleranz - und anzufangen mit ernsthaftem Respekt." Kopftücher in Schulen zu tolerieren, würde ein fatales politisches Symbol setzen, meint Schwarzer. Das Kopftuch sei kein Ausdruck freier Religionsausübung, sondern - weil kein zwingender Bestandteil islamischer Religösität - vor allem ein Mittel zur Unterdrückung muslimischer Frauen. Auch die klagende Lehrerin Ludin ist, wie Schwarzer zu belegen versucht, eine politisch motivierte Fundamentalistin.

Weitere Artikel: Dieter Bednarz schreibt über die Lage im Iran. "Etwa zwei Drittel der 70 Millionen Iraner sind jünger als 30 Jahre, leiden unter Arbeits- und Perspektivlosigkeit, jeder zweite ist ohne festen Job. Das ganze Ausmaß der Frustration lassen die Ausschreitungen der vergangenen Woche allenfalls erahnen." Und er zitiert den Chef des exil-iranischen Senders NITV: "Iran kann sich jetzt befreien". Im Interview verrät Hamas-Führer Mahmud al-Sahar in einem abgründigen Moment, wonach er den Erfolg seiner Terrororganisation bemisst. Früher, sagt er, "entsprachen einem getöteten Israeli etwa 20 palästinensische Opfer. Heute ist das Verhältnis eins zu drei." Bernhard Zand berichtet, dass der neue amerikanische Zivilverwalter im Irak, Paul Bremer, sich von den irakischen Oppositionsgruppen abwendet. Und Thomas Schulz berichtet, wie gerade das Großprojekt der deutschen Musikindustrie zu scheitern droht, dem Apple-Vertrieb von Musik im Internet Konkurrenz zu machen.

Im Print: der Regisseur Rassul Sadr-Ameli ("I'm Taraneh, 15") spricht über die Demonstrationen in Teheran. Ein Bericht stellt die Initiative "Film 20" vor, die private Geldgeber für deutsche Kinofilme auftreiben will. Und der Titel? Schwamm drüber.

Magazinrundschau vom 16.06.2003 - Spiegel

Irgendwie ist diese Ausgabe zu so einer Art Gegen-Dokument zur Habermas-Initiative geraten. Da ist zunächst Karl Otto Hondrich, der in einem Spiegel-Essay gegen die "Meisterdenker eines imaginären Globalinteresses, auf Kreuzfahrt in ihrem europäischen Traumschiff" zu Felde zieht: Das "alte Europa scheint die grundlegende Rolle von Gewalt vergessen zu haben. Es fühlt sich nicht angegriffen, weder von Bin Laden noch von Saddam, von den Hamas-Kommandos nicht und nicht vom Kongo. Es suggeriert sich, dass Gewalt nicht durch Gewalt, sondern durch Nichtgewalt zu bändigen sei." Dagegen lautet Hondrichs Ausgangsthese: "Nicht Rechts-, sondern Gewaltordnung ist die Grundlage von Gesellschaft." Die europäischen Intellektuellen seien unfähig, dies anzuerkennen. "Der Größenwahn der Macht entsteht im Auge des Betrachters. Hitler spukt noch in unseren Köpfen. Es sind seine Träume von Weltherrschaft, die wir auf Amerika übertragen." Von Habermas' "Multipolarität" befürchtet Hondrich dagegen das Schlimmste: Sie "würde zurückführen in neue Dimensionen von alten Gewaltkonkurrenzkämpfen, die wir hinter uns haben. Dank der US-Hegemonie."

Zum zweiten ist da Thilo Thielke, der von der "Ohnmacht der französischen Friedensmission im Kongo" berichtet - wie zum Beleg für Hondrichs These, dass niemand außer den USA in der Lage ist, die zunehmende "Vielfalt und Streuung von Gewalt" auf der Welt einzudämmen. Zum dritten belegt Luxemburgs Premier Jean-Claude Juncker in einem Interview zum Verfassungskonvent der EU Hondrichs These, dass kein Staat in puncto Demokratie an die USA heranreicht: "Ich habe noch nie eine derartige Untransparenz, eine völlig undurchsichtige, sich dem demokratischen Wettbewerb der Ideen im Vorfeld der Formulierung entziehende Veranstaltung erlebt." Zum vierten schließlich ist die Vorstellung, dass der Hegemon künftig altes und neues Europa gegeneinander ausspielen wird, zumindest aus Sicht einer möglichen künftigen US-Präsidentin eine ziemlich unsinnige Vorstellung: "Europa ist Europa ist Europa" sagt Hillary Clinton im Interview - und von einer Stärkung der Zusammenarbeit mit diesem Europa hänge für die USA außerdem "nicht weniger ab als unsere gesamte Zukunft".

Im Kulturteil stellt Johannes Saltzwedel die schöne und stimmgewaltige Ausnahme-Sopranistin Anna Netrebko (homepage) vor. Der Titel ist dem Irak gewidmet.

Magazinrundschau vom 10.06.2003 - Spiegel

Online lesen dürfen wir diesmal zwei Beiträge zu den aktuellen Diskussionen im Gefolge des Irak-Kriegs: Zum einen gibt es ein Interview mit Peter Franck, Vorsitzender des Chaos Computer Clubs und UNO-Waffeninspekteur über die Suche nach irakischen Massenvernichtungswaffen . Nach Francks Einschätzung hatte die US-Administration nie Beweise für deren Existenz. Die Amerikaner hätten "schlichtweg am Schreibtisch gesessen und Satellitenbilder interpretiert". Und in die könne man "viel hineininterpretieren, wenn man nicht da gewesen ist".

Außerdem hat Bernard Zand ein Interview mit Ajatollah Mohammed Bakir al-Hakim (mehr hier), Führer der Miliz der schiitischen Mehrheit im Irak, geführt. Dieser hat bereits ziemlich genaue Vorstellungen von der demokratischen Zukunft seines Landes. Es geht wohl um so etwas wie die spezifisch islamische Variante des Rechtsstaates. Auf die Frage, ob dann jeder eine Hand verlieren wird, wenn er einen Diebstahl begeht, antwortet Hakim: "Das hängt von gewissen Bedingungen ab. Die Scharia ist sehr spezifisch bei drakonischen Strafen. Nur wenn exakt alle strafrechtlichen Bedingungen erfüllt sind, wird einem Dieb die Hand abgehackt." (Das wird dem Dieb gewiss ein Trost sein.)

Ein weiterer Artikel beschäftigt sich mit China in seiner Eigenschaft als das neue, letzte Utopia der Architektenzunft: "Wo kann man in der Welt schon noch ganze Städte planen? In China können wir experimentieren und Dinge machen, die in Deutschland unmöglich geworden sind", wird der deutsche Architekt Meinhard von Gerkan (mehr hier und hier) zitiert. Es geht um megalomanische Bauprojekte und um das Engagement von Albert Speer junior in Peking - der versichert nicht in die Fußstapfen seines Vaters treten zu wollen. Nicht zuletzt allerdings auch um die Zwiespältigkeit dieses letzten Utopia: um Pfusch am Bau und schlechte Zahlungsmoral.

Nur im Print: unter anderem ein Vorbericht zur Biennale in Venedig und die Besprechung eines ZDF-Dokumentarfilms zur Widerstandsorganisation "Rote Kapelle" (16. Juni, 0.15 Uhr). In der Rubrik "Zeitgeschichte" wird der Aufstand vom 17. Juni 1953 abgehandelt. Die Titelgeschichte ist ein Auszug aus der Autobiografie von Hillary Rodham Clinton.

Magazinrundschau vom 02.06.2003 - Spiegel

"Dann dachten sich die Deutschen einen grausamen Trick aus. Sie schrien: 'Hier sind die Sanitäter. Wer noch am Leben ist, komme hervor ...' Nach einiger Zeit krochen etwa 20 Menschen unter größter Anstrengung hervor, blutig, verletzt und verängstigt ... Mit einer MG-Salve wurden die restlichen Überlebenden getötet." Soweit ein Augenzeuge, den Georg Bönisch und Frank Hartmann in ihrem Report über eines der abscheulichsten Kriegsverbrechen im Zweiten Weltkrieg zu Wort kommen lassen. Etwa 5.000 italienische Soldaten sind dabei 1943 auf der griechischen Insel Kephallenia von deutschen Gebirgsjägern regelrecht abgeschlachtet worden. In den sechziger Jahren wurde zwar schon einmal ermittelt, dass Verfahren dann aber eingestellt. Warum, erklärt Simon Wiesenthal: "Weder die SS noch die Gestapo waren am Kephallenia-Massaker beteiligt - 'dieses Verbrechen', so Wiesenthal, 'hatte die Wehrmacht begangen, und in der Bundesrepublik waren einflussreiche Kräfte bestrebt, die Wehrmacht aus allen Kriegsverbrecherprozessen herauszuhalten.'" Jetzt wird wieder ermittelt.

In einem Interview diagnostiziert der amerikanische Psychiater Robert Jay Lifton in den USA ein Supermacht-Syndrom und vergleicht Präsident Bush mit Bin Laden - beide hätten einen Hang zu "apokalyptischer Gewalt": "Apokalyptische Gewalt bezeichnet die Bereitschaft, enorme Zerstörung anzurichten im Dienst einer spirituellen Säuberung. Eine Welt soll aufhören zu existieren, um Platz zu machen für eine bessere. Ich habe herausgefunden: Man kann nur dann große Mengen von Menschen umbringen, wenn man es im Namen absoluter Rechtschaffenheit tut. Apokalyptische Gewalt ist so gefährlich, weil sich, wer sie anwendet, auf heiliger Mission wähnt."

Außerdem im Netz: Der iranische Außenminister Kamal Charrasi gibt im Interview Auskunft über die Haltung seiner Regierung zum Irak, zu Israel, zu Europa und zu den USA. Außerdem erzählt Metro-Chef Hans-Joachim Körber, bekannt geworden durch die "Geiz ist geil"-Werbung, im Interview, mit welchen Tücken die Eroberung neuer Märkte verbunden ist: "In Asien haben wir zum Beispiel gelernt, dass 'frisch' oftmals 'lebend' bedeutet." Außerdem erfährt man von einem Computerprogramm, mit dem die zerrissenen Stasi-Dokumente wieder zusammengesetzt werden sollen - es "vermisst die Umrisse eingescannter Papierfetzen und sucht in Sekunden das angrenzende Teil." Wird man also künftig auch noch mal genauer überlegen müssen, was man der heimischen Altpapiertonne überantwortet?

Der Titel beschäftigt sich diesmal mit den Wettlauf zwischen Europa und den USA um die Erforschung des Planeten Mars.

Magazinrundschau vom 26.05.2003 - Spiegel

Wohl mal zur Entlastung zwischendurch blickt der Titel diesmal in die Geschichte. Früher war halt auch nicht alles besser. Aus Anlass einer Ausstellung im Martin-Gropius-Bau in Berlin wird eine Antwort auf die Frage versprochen: "Warum haben die Azteken Menschen gehäutet und Kinder geopfert?"

Im Netz lesen dürfen wir ein Interview mit Jeffrey Eugenides (mehr hier), der diese Woche für seinen Roman "Middlesex" den Pulitzer Preis erhält. Der seit längerem in Berlin lebende Autor hält die aktuellen europäisch-amerikanischen Verstimmungen für etwas Vorübergehendes, versichert, dass George W. Bush gar kein richtiger Cowboy ist, und macht Komplimente: "Die Art, wie Deutsche in der Lage sind, aus ihrer nationalen Identität herauszutreten und sie zu kritisieren, das ist schon etwas Besonderes. Eines der Dinge, die ich hier gelernt habe, ist, sich von der eigenen nationalen Identität abzuheben und darüber zu reflektieren. Das ist ein großes Geschenk meines Aufenthalts in Berlin. Ich weiß nicht, warum sie das können - vielleicht auf Grund der Geschichte, aber es ist etwas sehr Gesundes."

Weitere Artikel widmen sich den "ernüchternden" Resultaten der Anti-Terrorgesetze unseres Innenministers Schily, Aktenfunden im Irak, die nahe legen, dass hochrangige Mitarbeiter des Senders al-Dschasira für den irakischen Geheimdienst gearbeitet haben. Und schließlich waren Hatice Akyün und Alexander Smoltczyk waren zehn Jahre nach den ausländerfeindlichen Anschlägen in Solingen in der Stadt und haben neben den Angehörigen der Ermordeten und den Überlebenden auch einmal nachgesehen, was aus den Tätern geworden ist - die zum Teil wieder auf freiem Fuß sind.

Im Print: ein Gespräch mit dem indischen Ministerpräsidenten Atal Bihari Vajpayee "über die verfeindeten Brüder auf dem Subkontinent" und ein Bericht darüber, wie der deutsche Kabarattist Steffen Möller "die Polen auf die EU einstimmt". Außerdem gibt es einen Nachruf von Wolf Biermann auf den Dichter Moses Rosenkranz. Und zwei Filme werden noch besprochen: "Long Walk Home" und "Der stille Amerikaner", beide von Phillip Noyce.