Magazinrundschau
al-Sayed Yassin: Geheimnis der Klassenunterschiede
Ein Blick in internationale Magazine. Jeden Dienstag ab 10 Uhr.
19.06.2007. Der amerikanische General Antonio M. Tabuga erklärt Seymour Hersh im New Yorker, dass die USA in Abu Ghraib die Genfer Konvention verletzen. Il Foglio verfällt auf der Biennale dem Charme der Zwangsminimalisten aus Rumänien. Die London Review of Books stellt eine Geschichte der Berliner Mauer vor. In al-Sharq al-Awsat erzählt der Journalist al-Sayed Yassin, warum er in den Fünfzigern ein Muslimbruder wurde. Elet es Irodalom bestreitet, dass die ungarische Schwiegertochter Clemenceaus Schuld hat am Verlust großer Teile des ungarischen Staatsgebiets. Im Guardian streitet Hitchens für Marx. New Criterion untersucht das Desaster der Kunstwelt.
New Yorker (USA), 25.06.2007
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Ansonsten Besprechungen: John Lanchester rezensiert das Buch über Lady Di von Tina Brown, die unter anderem auch mal Chefredakteurin des New Yorker war ("The Diana Chronicles", Doubleday; deutsch: "Diana - Die Biografie", Droemer). Alex Ross hat sich Konzerte der Symphonischen "Provinz"-Orchester von Indianapolis, Alabama und Nashville angehört und kommt zum Schluss, dass der Begriff der "stratosphärischen Elite" für die nobleren und bekannteren amerikanischen Großorchester "illusionär" ist. Peter Schjeldahl berichtet von der Biennale in Venedig. Anthony Lane sah im Kino Angelina Jolie als Mariane Pearl in Michael Winterbottoms "A Mighty Heart" und die Verfilmung einer Teeniekrimiserie aus den 30er Jahren "Nancy Drew" von Andrew Fleming.
Zu lesen sind außerdem die Erzählung "Homework" von Helen Simpson und Lyrik von Robert Mazzocco, Louise Glück und Lawrence Raab. Nur im Print: ein Porträt der "Anti-Schwerkraft-Ingenieure" des Architekturbüros Arup.
The Nation (USA), 02.07.2007
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New Statesman (UK), 14.06.2007
Der Wahnsinn hat begonnen, bemerkt Andrew Stephen angesichts all der geplanten Enthüllungsbücher über Hillary Clinton. "Warum bricht diese riesige Hysterie aus über eine Wahl, die erst im November nächstes Jahr stattfindet? Ich bin überzeugt, dass die Antwort in der Tatsache begründet ist, das eine Frau sich anschickt, die 218-jährige männliche Vorherrschaft im machtvollsten Job der Welt zu brechen. Das hat riesige Wellen von unbewusstem Sexismus bei Amerikas politischen Kommentatoren ausgelöst, von denen die allermeisten Männer sind. Eine Frau will die Macht und die männliche Herrlichkeit des US-Präsidentenamtes? Was erlaubt sich diese lächerliche kleine Machiavellibraut denn eigentlich?"
Tygodnik Powszechny (Polen), 17.06.2007
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Der Filmregisseur Andrzej Wajda hat ein neues Projekt: In Krakau sollen Stanislaw Wyspianskis nicht mehr realisierte Glasfenster auf Grund von Skizzen rekonstruiert und in einem Pavillon im Stadtzentrum ausgestellt werden. "Als ich vor 67 Jahren die Originalfenster in der Franziskanerkirche gesehen habe, schrieb ich das einzige Gedicht in meinem Leben. Zum Glück ist es nicht erhalten. Die rekonstruierten Glasfenster und die existierenden vereinigen sich in eine theologische Einheit, die von Tod und Wiedergeburt in künstlerischer Kreation erzählen", sagt der Regisseur dem Magazin.
Das Projekt eines neuen Museums für Zeitgenössische Kunst im Herzen Warschaus startete mit großer Fortune - überparteiliche Unterstützung, eine anerkannte Fachjury - bevor innerhalb weniger Wochen alles zusammenbrach. Der Siegerentwurf von Christian Kerez wurde als "Baracke" beschimpft, die Experten überwarfen sich. "Jetzt müssen die Politiker Probleme lösen, die eigentlich im Zuständigkeitsbereich der Fachleute bleiben sollten. Die neue Zusammensetzung des Beirats wird über den Rang des Projekts entscheiden. Anfangs wird die Institution weder über gute Sammlungen, noch über viel Geld verfügen. Was bleibt sind interessante Ideen und... Glaubwürdigkeit. Das erfordert allerdings, dass der Konsens wiederhergestellt wird", schreibt Piotr Kosiewski.
Foglio (Italien), 16.06.2007
Auf der Biennale in Venedig wird Sandro Fusinas Herz hier und hier von den Zwangsminimalisten aus Rumänien erobert. "Mit ein paar Tausend Euro haben sie ihr Problem der Teilnahme an der 52. Internationalen Kunstausstellung in Venedig gelöst. Den Pavillon hatten sie schon, er ist ziemlich groß, direkt bei den Gärten. Um ihn einzurichten, haben sie an der Wand ein paar Zementsäcke hingestellt, die wahrscheinlich schon beim Kauf durchlöchert waren, ein wackliges Tischchen mit einem Buffetaufsatz, vielleicht noch aus Ceaucescu-Zeiten, einen Porzellanhund mit einem kaputten Ohr, einen Puppenkopf ebenfalls aus Porzellan und noch mehr Krempel, den kein Trödler mehr annehmen würde. Ein Monitor aus anderen Zeiten zeigt ein unscharfes Video. Auf dem Linoleumboden des Pavillons sind noch die Spuren des Weißens zu sehen, ein Hinweis darauf, das entweder die Folien vor oder die Reinigungsmittel nach dem Aufbau eingespart wurden. Sogar die Hostess ist die unansehnlichste der ganzen Biennale."
Angeregt von Elena Kostioukovitchs Buch "Perche agli Italiani piace parlare del cibo", spürt Fabiana Giacomotti der Verbindung von Sprache und Essen nach. "Die italienische Sprache duftet nach Herd und Speisekammer. Das Italienische schiebt sich Brot zwischen die Zähne, kaut, verschlingt und zerkleinert, während das Englische sich darauf beschränkt, eine bestimmte fade Tasse Tee nicht zu mögen. 'It's not my cup of tea.' Das Italienische ist eine Maccheroni-Variante des Lateinischen, wie der Kavalier und Großmeister der barocken Schule Marino feststellte."
Angeregt von Elena Kostioukovitchs Buch "Perche agli Italiani piace parlare del cibo", spürt Fabiana Giacomotti der Verbindung von Sprache und Essen nach. "Die italienische Sprache duftet nach Herd und Speisekammer. Das Italienische schiebt sich Brot zwischen die Zähne, kaut, verschlingt und zerkleinert, während das Englische sich darauf beschränkt, eine bestimmte fade Tasse Tee nicht zu mögen. 'It's not my cup of tea.' Das Italienische ist eine Maccheroni-Variante des Lateinischen, wie der Kavalier und Großmeister der barocken Schule Marino feststellte."
London Review of Books (UK), 21.06.2007
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Weitere Artikel: Etwas seltsam findet Thomas Jones die Konstruktion, die Dave Eggers zum Autor der Autobiografie Valentino Achak Dengs macht, der aus dem Sudan floh und lange Jahre in Flüchtlingslagern zubrachte - sehr lesenswert scheint ihm das Buch dennoch. Fasziniert zeigt sich Hilary Mantel von Linda Colleys Biografie von Elizabeth Marsh, einer großen Weltreisenden des 18. Jahrunderts. Nach Ansicht von Hugh Miles ist eine Wiederaufnahme des Prozesses gegen den angeblichen Lockerbie-Attentäter Abdelbaset Ali al-Megrahi möglich - nötig wäre sie, wie er findet, angesichts des sehr mageren Beweismaterials in jedem Fall. Daniel Soar glaubt, dass man aus dem von Wladimir Putin mitverfassten Buch über "Judo: Geschichte, Theorie, Praxis" viel über die Mentalität des russischen Präsidenten lernen kann. In "At the Movies" schreibt Michael Wood diesmal über eine DVD, nämlich die Criterion-Ausgabe von Jean-Pierre Melvilles "Army in Shadows".
al-Sharq al-Awsat (Saudi Arabien / Vereinigtes Königreich), 13.06.2007
Ein Gespräch mit al-Sayed Yassin, einem ägyptischen Journalisten und langjährigen Mitarbeiter des Ahram Center for Political and Strategic Studies in Kairo, gibt einen spannenden Einblick in die Biografien der Nachkriegsgeneration der ägyptischen Intellektuellen. Wie viele andere renommierte Persönlichkeiten stand auch Yassin, der sich heute als unabhängiger Denker beschreibt, einst den islamistischen Muslimbrüdern nahe. 1950, Yassin war Student in Alexandria, trat er der Bewegung bei und blieb vier Jahre lang Mitglied: "Die Lösung des sozialen Problems schien mir damals besonders schwierig, die Kluft zwischen Reichen und Armen wurde von Tag zu Tag größer und die Klassenunterschiede verschärften sich in einer Weise, dass die Gesellschaft in zwei von einander getrennte Welten geschieden war, als ob der eine Teil mit dem anderen unverbunden sei. Ich interessierte mich daher für das Geheimnis dieser Klassenunterschiede, für das Geheimnis des schamlosen Reichtums der einen und der Armut der anderen. Dieser Einstieg in die Suche nach dem Geheimnis oder dem Grund der sozialen Ungerechtigkeit war es, was mich dazu bewog, den Muslimbrüdern beizutreten. Gleichzeitig war diese Suche (nach einer Lösung) auch der Grund dafür, warum ich mich schließlich wieder von ihnen trennte." Die religiöse Verpflichtung zur Zahlung von Almosen an Bedürftige, wie sie von den Muslimbrüdern als Lösung ausgegeben wurde, erschien Yassin immer weniger überzeugend: "Almosen und wohltätige Aktivitäten können die Leistungen des Staates ergänzen, sind aber kein Ersatz."
Gazeta Wyborcza (Polen), 16.06.2007
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Außerdem nachzulesen: ein schöner Essay von Claudio Magris über Toleranz und Dialog.
Elet es Irodalom (Ungarn), 15.06.2007
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Guardian (UK), 16.06.2007
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Weitere Artikel: Barbara Ehrenreich bespricht gleich zwei Hillary-Clinton-Biografien als Bücher der Woche. James Campbell rezensiert den neuesten Geschichtenband von Irvine Welsh. Anlässlich einer Londoner Retrospektive feiert Marina Warner den tschechischen Filmemacher Jan Svankmajer.
Point (Frankreich), 14.06.2007
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Economist (UK), 15.06.2007
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Weitere Artikel: Noch mehr und sehr interessante Zahlen finden sich in einem Artikel über den Anstieg weiblicher Millionäre in Großbritannien. Besprochen wird Michael Ondaatjes neuer Roman "Divisadero", der Rezensent lobt ihn als ein Werk, das "nicht so sehr durch eine disziplinierte literarische Struktur überzeugt als durch den lyrischen Gebrauch der Sprache und scharfsichtige Beobachtungen". Empfohlen wird auch eine Produktion von Shakespeares "Lear" mit Ian McKellen in der Titelrolle. Als sehr gelehrt, aber ein bisschen überambitioniert wird William Rosens Studie zum Übergang von der Spätantike zum Mittelalter kritisiert. Die Titelgeschichte - "Biology's Big Bang" - ruft das Jahrhundert der Biologie aus.
Weltwoche (Schweiz), 14.06.2007
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Und Thomas Widmer porträtiert die 1982 verstorbene Philosophin und Romanschriftstellerin Ayn Rand als liberale Anarchistin, Gegenwartskritikerin und Polemikerin.
New Criterion (USA), 01.06.2007
Das passende Denkstück zur Documenta? Roger Kimball besuchte die Ausstellung "Wrestle" im Bard College mit neuester Kunst aus der Sammlung von Marieluise Hessel und war so abgestoßen, dass er seinen Artikel mit der Frage überschrieb: "Why the art world is a disaster" Seiner Meinung nach ist Marcel Duchamp schuld, dessen Dada-Gesten bis zum Überdruss wiederholt würden: "Sex, Gewalt, Ennui, Alltagsdinge als Kunstwerke. Der Unterschied ist, dass Duchamp es ernst meinte. 'Ich habe ihnen das Flaschenregal und das Urinal ins Gesicht geworfen um sie herauszufordern', schrieb Duchamp voller Verachtung, 'und nun bewundern sie sie für ihre ästhetische Schönheit.' Kein Wunder, dass er die Kunst aufgab und lieber Schach spielte. Duchamp lancierte eine Kampagne gegen Kunst und ästhetische Erbauung. Und in gewissem Sinne hatte er einen brillanten Erfolg damit. Aber er fiel auf ihn selbst zurück. Die spröde und abstrakte Ironie Duchamps institutionalisierte sich und wurde zum Standard - und aus der Ironie wurde eine neue Art der Sentimentalität."