Magazinrundschau
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04.12.2012. Lasst die Champagnerkorken knallen! Die Fabrikjobs kommen zurück und der neue Buchladen in Nashville läuft auch, freut sich The Atlantic! Der nette junge Mann von Facebook, der nicht Zuckerberg heißt, wird den Journalismus retten, hofft das New York Magazine. Elisabeth Murdoch wird das Imperium des Bösen zähmen, hofft der New Yorker. Selbst Drohnen lassen sich gewinnbringend und zivil nutzen, versichert der Economist. Nur wenn Zeitungen sterben, können neue geboren werden, lernt Vanity Fair aus dem großen Zeitungsstreik in den Sechzigern. Der Merkur gräbt ein Nest Autorinnen aus.
The Atlantic (USA), 01.12.2012

Außerdem: Auch in China sieht James Fallows Anzeichen dafür, dass ein Teil der Produktion in die USA zurückkehren könnte. Ein Grund ist die Erfindung von 3D-Druckern, die die Zeitspanne von der Idee bis zur Produktion so beschleunigen, dass an eine Auslagerung nach China gar nicht zu denken ist. Und Die Autorin Ann Patchett erzählt, wie sie, als der letzte Buchladen in Nashville zumachte, kurzerhand selbst einen eröffnete, Parnassus Books. Und es funktioniert!
Merkur (Deutschland), 03.12.2012

Hannelore Schlaffer wünscht sich als Ergänzung zur Ideengeschichte eine Körpergeschichte des Intellektuellen, denn auf äußerliche Abweichung legte der kritische Geist einmal großen Wert, wie Schlaffer Diderots Satire "Rameaus Neffe" entnimmt. "Seine Eleganz ist die Schlamperei, und diese der Ausdruck einer Wahrhaftigkeit, die beim Körper beginnt. Damit brüskiert er selbst die Nonchalance, die sich große Herren leisten dürfen, indem er einen Stil einführt, der einen überlegenen Esprit zur Anschauung bringt. Rauheit der Stoffe, Nachlässigkeit des Schnitts, Fablosigkeit, Ungepflegtheit dienen seit Rameaus Neffen den Anhängern der 'wahren Natur' als Zeichen, an denen sie sich erkennen. Sie verachten glänzende Stoffe, die Aura des aristokratischen Reichtums, und die gute Fasson, die die Figur zur Statue, dem traditionellen Vorbild männlicher Schönheit macht."
Stefanie Peter erzählt, wie Polen sich von einem weiteren liebgewonnen Mythos verabschiedet, dem der aristokratischen Vergangenheit. Aus der unzerstörbaren Adelsrepublik wird wieder ein Land der Bauern, wie sie unter anderem in der gazeta Wyborcza gelernt hat, in einem Interview mit den Warschauer Soziologen Jacek Wasilewski, "in dem dieser darauf hinweist, dass die polnische Gesellschaft nach dem Zweiten Weltkrieg vorwiegend aus Bauern bestand: 'Von denen kommen wir her', sagt Wasilewski, 'nicht von den Czartoryskis, Radziwiłłs oder den herausragenden Vertretern der Krakauer oder Warschauer Intelligenz'."
Julia Voss erinnert an die NS-Ausstellung "Entwartete Kunst" und ihre zum Teil sehr unerwarteten Folgen für die moderne Kunst in der Bundesrepublik.
New York Review of Books (USA), 20.12.2012

Weiteres: Charles Glass berichtet aus dem syrischen Aleppo und zieht deprimierend Bilanz: "Das wird ein langer, destruktiver Krieg." Timothy Snyder stellt eine Reihe neuer Bücher über den Holocaust vor. Zoë Heller macht sehr deutlich, dass sie Salman Rushdie auch nach Lektüre seiner Memoiren "Joseph Anton" nicht leiden kann. Zu lesen ist außerdem ein Text des polnischen Philosophen Leszek Kolakowski zur Frage, ob Gott glücklich ist.
La vie des idees (Frankreich), 29.11.2012

Economist (UK), 01.12.2012

Beim genaueren Blick auf den Konkurrenzkampf der vier großen Internetfirmen Apple, Amazon, Google und Facebook fühlt sich der Economist an die Intrigen aus George R. R. Martins von HBO verfilmter Fantasy-Saga "A Game of Thrones" erinnert. Und mit den immer günstigeren 3D-Druckern sieht man hier weitere Industriezweige auf Urheberrechtskrise zusteuern.
Nieman Lab (USA), 27.11.2012
Jeder, der sich für die nun wieder akute Zeitungskrise interessiert, sollte das brandaktuelle Papier über "postindustriellen Journalismus" lesen, das C.W. Anderson, Emily Bell and Clay Shirky beim Nieman Lab als frei herunterzuladendes Ebook präsentieren. Es versteht sich zugleich als Zustandsbeschreibung und als Manifest und fragt, wie der eigentliche Kernbereich des Journalismus zu retten sei, den die Autoren mit Lord Northcliffe so definieren: "Eine Information ist etwas, das irgendjemand nicht gedruckt sehen will. Alles andere ist Werbung." Dabei nehmen sie an, dass die Zeitungsindustrie unrettbar zusammengebrochen ist und Journalismus sich ganz neu strukturieren muss. Hier ihre fünf Ausgangsthesen:
"- Journalismus ist wichtig
- Guter Journalismus war immer schon umwegfinanziert
- Das Internet bringt die Einnahmen aus Anzeigen zum Erliegen
- Restrukturierung ist darum unausweichlich
- Es gibt eine Menge Chancen, gute Arbeit in vielen neuen Spielarten zu machen."
"- Journalismus ist wichtig
- Guter Journalismus war immer schon umwegfinanziert
- Das Internet bringt die Einnahmen aus Anzeigen zum Erliegen
- Restrukturierung ist darum unausweichlich
- Es gibt eine Menge Chancen, gute Arbeit in vielen neuen Spielarten zu machen."
Elet es Irodalom (Ungarn), 30.11.2012

Anfang vergangener Woche hat ein Abgeordneter der rechtsextremen Partei Jobbik im Budapester Parlament seine nazistischen Ansichten mit besonderer Deutlichkeit zum Ausdruck gebracht und angesichts des Konflikts zwischen Israel und den Palästinensern im Gaza-Streifen eine Erfassung der in Ungarn lebenden Juden gefordert, weil sie seiner Ansicht nach ein "Sicherheitsrisiko" für das Land darstellten (mehr dazu hier). Die anderen Abgeordneten schienen die Äußerung überhört zu haben und auch die Regierung gab erst einen Tag später und nach Protesten eine Erklärung ab, in der sie die Äußerungen des Jobbik-Abgeordneten scharf verurteilte und ein entschiedenes Auftreten gegenüber Extremismus, Rassismus und Antisemitismus versprach. Doch das Dokument mutet wie eine lästige Pflichtübung an, denn die Erklärung wurde bereits mehrmals und beinahe wortgleich zu ähnlichen Anlässen verwendet. Der Publizist Gusztáv Megyesi wundert sich nicht über diese sich in einem Copy-und-Paste-Verfahren manifestierende Scheinheiligkeit: "An Feiertagen oder Protokollveranstaltungen können sich Politiker verbal sehr entschieden von extremen Erscheinungen distanzieren, wenn es sein muss, setzen sie dem Schein zuliebe sogar eine Kippa auf. Das Wesentliche ist aber, was die feierlichen Fotos nicht zeigen: wie sie der Rechtsextremen zuzwinkern."
London Review of Books (UK), 06.12.2012

Eyal Weizman stellt unterdessen Israels Strategie zur Minimierung ziviler Opferzahlen vor: Demnach werden mittels "anklopfender" Mini-Raketen auf Hausdächern und warnender Telefonanrufe Zivilisten vor bevorstehenden Raketenangriffen auf die betreffenden Häuser gewarnt. Owen Bennett-Jones stellt sich Fragen zum Mord an Benazir Bhutto. Außerdem schreibt Gilberto Perez über die Schurken in den Filmen von Michael Haneke und Rosemary Hill besucht die Ausstellung über Henry Stuart in der National Portrait Gallery.
Chronicle (USA), 26.11.2012

New Yorker (USA), 10.12.2012

Außerdem: James Surowiecki geht Mittagessen mit Warren Buffett. James Wood widmet sich den Büchern von Per Petterson. David Denby sah im Kino "Hyde Park on Hudson" und "The Central Park Five". Online lesen dürfen wir außerdem Steven Millhausers Geschichte "A Voice in the Night".
Vanity Fair (USA), 30.11.2012
Scott Sherman erinnert an den großen New Yorker Zeitungsstreik vor fünfzig Jahren, mit dem sich die Drucker fast vier Monate lang gegen die ersten computerisierten Satzmaschinen wehrten, und liefert nebenbei ein vielfarbiges Panorama des Zeitungsjournalismus zu jener Zeit. Der Streik kostete vier von elf New Yorker Zeitungen über kurz oder lang die Existenz, darunter die bis heute legendäre Herald Tribune. Aber er hatte auch seine guten Nebeneffekte: "Auf der Upper West Side profitierte eine Gruppe von Redakteuren und Autoren - Robert Silvers, Jason und Barbara Epstein, Robert Lowell and Elizabeth Hardwick - von dem Streik und lancierte ein anspruchsvolles literarisches Magazin nach Londoner Vorbild - die New York Review of Books. Sie alle hatten lange Zeit unter der schlechten Qualität der Literaturteile in der Stadt gelitten und waren sich voll bewusst, dass der Streik den Buchverlegern Werbemöglichkeiten geraubt hatte. 'Eines Morgens im Januar', erinnert sich Robert Silvers, 'rief Jason mich an und sagte, dass jetzt genau der Moment sei, ohne alles Kapital eine Zeitschrift über Bücher zu starten."
Polityka (Polen), 30.11.2012

The Nation (USA), 04.12.2012

Außerdem: Andre Schiffrin sieht die Buchwelt immer mehr schrumpfen: die Fusion von Random House mit Penguin werde den Niedergang nur beschleunigen.
New York Magazine (USA), 02.12.2012

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