Außer Atem: Das Berlinale Blog

Home movies aus Nordkorea: 'Sona, the Other Myself' von Yang Yong-hi (Forum)

Von Lukas Foerster
12.02.2010. Vor vier Jahren präsentierte das Forum "Dear Pyongjang" (hier mehr in einem pdf-Dokument), einen kleinen Dokumentarfilm über einen Besuch der Regisseurin Yang Yong-hi und ihrer exilkoreanischen Familie bei der Verwandtschaft in Nordkorea. Eindrucksvolle Bilder aus einer im Allgemeinen hermetisch abgeriegelten Welt, aber auch die tragische Familiengeschichte, die hinter diesen Bildern zum Vorschein kam, machten den Film zu einem der stärksten seines Berlinalejahrgangs.
Vor vier Jahren präsentierte das Forum "Dear Pyongjang" (hier mehr in einem pdf-Dokument), einen kleinen Dokumentarfilm über einen Besuch der Regisseurin Yang Yong-hi und ihrer exilkoreanischen Familie bei der Verwandtschaft in Nordkorea. Eindrucksvolle Bilder aus einer im Allgemeinen hermetisch abgeriegelten Welt, aber auch die tragische Familiengeschichte, die hinter diesen Bildern zum Vorschein kam, machten den Film zu einem der stärksten seines Berlinalejahrgangs.

"Sona, the Other Myself", der zweite Film Yang Yong-his, ist dieses Jahr im Programm; leider kann er Dear Pyongjang nicht allzu viel hinzufügen. Die interessantesten Elemente des Films wirken wie ein Nachhall des ersten Films: Wieder sind das zunächst einfach nur die Bilder aus Nordkorea. Nordkorea findet ins mediale Bildregister ansonsten nur Einlass über Militärparaden, die von Kim Jong-il abgenommen werden. Angesichts der bizarren, deswegen aber noch lange nicht unrealistischen Horrorgeschichten, die über dieses fast unsichtbare Land kursieren, muss man sich fast wundern, dass seine Straßen und Häuser in Yang Yong-his Bildern zwar sozialistisch-trist, aber doch gleichzeitig ziemlich gewöhnlich aussehen. Und dass der Alltag zwar von Mangelerfahrungen geprägt ist, aber durchaus existiert. Auch über einige Kleinigkeiten: etwa darüber, dass Sona, das kleine Mädchen, das im Zentrum des Films steht, nicht nur mit Mickey-Mouse-Strümpfen zur Schule geht, sondern am Ende außerdem eine Zahnspange trägt. Kieferchirurgie in Nordkorea: zumindest mit Geld aus dem Ausland ist so etwas möglich. Gleichzeitig sind beide Filme Yang Yong-his Filme Porträts ihrer Eltern, die als Exil-Koreaner in Japan leben und zeitlebens von den ideologischen Spannungen zwischen Wahl- und Wunschheimat voll erfasst waren: Der Vater verstand sich stets als treuer Parteigänger des Regimes in Pyongyang, engagierte sich in der japanisch-nordkoreanischen Gemeinde und ließ sich in seiner Loyalität von keiner Horrormeldung erschüttern. Die Mutter ermöglichte derweil überhaupt erst das Alltagsleben der nordkoreanischen Verwandtschaft mit fast im Wochenrhythmus zusammengestellten Hilfspaketen.

Die vielleicht interessanteste Szene im neuen Film zeigt ein Moment, in dem der Vater an seinem eigenen Weltbild zu zweifeln beginnt. Im Fernsehen sieht er sich eine Sendung über die Entführungen von japanischen Staatsbürgern an, die zwischen 1977 und 1983 nach Nordkorea verschleppt wurden. Das nordkoreanische Regime hat diese Entführungen nach langem Leugnen 2002 eingestanden, seither sind sie in der japanischen Öffentlichkeit dauerpräsent und werden insbesondere von der radikalen Rechten des Landes zu Propagandazwecken instrumentalisiert. Yang Yong-his Vater echauffiert sich nun zwar über die polemische Talkshow, die "sein" Nordkorea anklagt, muss aber auf Nachfrage der Regisseurin eingestehen, dass da wohl doch etwas schief gelaufen ist, damals unter Kim Il-sung. Nur ein kurzer Moment des Zweifels, aber angesichts seiner Biografie ein entscheidender. Kennt man sich ein wenig aus in der jüngeren politischen Geschichte nicht nur Koreas sondern auch Japans, wird "Sona, the Other Myself" interessanter. Der Film gibt sich allerdings wenig Mühe, derartige Kenntnisse zu erweitern; historische Zusammenhänge werden nicht erklärt.



Im Zentrum steht statt dessen Sona, die Nichte der Regisseurin. Sie ist die Tochter ihres Bruders, der in Japan aufwuchs und dann von den Eltern nach Nordkorea geschickt wurde, um beim Aufbau des Sozialismus mitzuhelfen. Yang Yonh-hi sieht in Sona, wie der Titel schon sagt, ihr anderes Selbst, das ein Leben lebt, in das sie selbst auch leicht hätte geraten können. Der Film besteht zu weiten Teilen aus Videoaufnahmen Sonas, die die Regisseurin seit Mitte der neunziger Jahre bei ihren Besuchen in Nordkorea gemacht hat. Man sieht, wie Sona von ihrem Leben erzählt, das wertvolle, für den Besuch der reichen Verwandtschaft reservierte Eis isst, wie sie der Tante und deren Videokamera ihre Schule vorführt und langsam älter wird.

Die kleine Sona ist süß, kein Zweifel. Dennoch sieht der Film, mehr noch als "Dear Pyongjang", nach dem aus, was er natürlich ohnehin auch ist: nach einer kaum geordneten Aneinanderreihung von Home movies. Sentimental ist das, persönlich, manchmal sehr berührend, manchmal etwas aufdringlich, zwischendrin auch mal ein bisschen langweilig und ab und zu leider auch etwas unangenehm. Mehrmals führt Sona für die Kamera kleine Kunststücke auf, sie sagt auswendig Gelerntes auf, zeigt ihre Schätze, wird über ihre Spielkameraden ausgefragt. Solche Bilder sind in Home movies natürlich nicht zu beanstanden. Das Privatarchiv will mit kleinen Schmuckstücken gefüllt werden, es ist diesen Bildern aber auch immer ein Vertrag eingeschrieben der besagt, wem und unter welchen Umständen diese Bilder vorgeführt werden können. Und "Sona, the Other Myself" ist nunmal kein Home movie mehr, die Bilder haben als öffentliche Bilder ihrer Unschuld beraubt. Zumindest, wenn gegen Ende des Films auch der schwer kranke Vater der Regisseurin zum Objekt eines allzu neugierigen, allzu aufdringlichen mechanischen Blickes gemacht wird, fühlt sich das nicht mehr wirklich gut und richtig an. Das Sentiment ist stets - nicht nur in diesen Szenen - ein echtes. Aber der Ausdruck, den dieses Sentiment in "Sona, the Other Myself" findet, ist nicht immer glücklich gewählt.

Yang Yonghi: "Sona, the Other Myself - Sona, mo hitori no watashi". Japan, Republik Korea 2009, 82 Minuten (Vorführtermine)