Vergangene Woche bekannte
Bernd Stegemann in der
Welt, weshalb er
kein Linker mehr sein will, heute geht die linksliberale israelische
Soziologin Eva Illouz, die die Jerusalemer Erklärung zum Antisemitismus mitausgearbeitet hat, hart mit der Linken ins Gericht, der sie in der
SZ "
Leidenskonkurrenz und paranoide Selbstbespiegelung" vorwirft. Vor allem an Judith Butler gerichtet schreibt sie: "
Muslime sind nicht die
tadellosen politischen Akteure, die Judith Butler und ihre Kollegen postulieren. In der Tat wird man in Judith Butlers Schriften kaum je Worte wie 'Terrorismus', 'Muslimbruderschaft' oder 'politischer Islam' finden. Diese Auslassungen sind die beste Strategie, um Muslime von jeglichem politischen Motiv freizusprechen, wenn sie vom Westen schikaniert werden. Stellen sie sich jedoch gegen Israel, tragen sie plötzlich das
volle politische Ornat. Nach den Massakern vom 7. Oktober behauptete Butler in einem Interview mit
Democracy Now, die Hamas sei keine Terrororganisation, sondern 'bewaffneter Widerstandskampf'. Wenn es noch eines Beweises für die Inkohärenz bedurfte, die diese intellektuelle Bewegung antreibt, so kann man ihn hier finden: Israel wird gemeinhin (und zu Recht) als 'rassistisch' bezeichnet, weil das Judentum in das gesamte kulturelle Gefüge Israels eingebettet ist, weil
Nicht-
Juden als Außenseiter betrachtet werden und weniger Rechte haben als Juden. (…) Was für die Muslime akzeptabel und legitim ist, wird als abscheulich dann gebrandmarkt, wenn es von Juden kommt. Wenn das keine
intellektuelle Scheinheiligkeit ist, so sieht es zumindest schwer danach aus. Solche Ansichten untergraben die wichtigsten normativen Ideale des Westens - Meinungsfreiheit, Emanzipation, Trennung von Staat und Religion -, indem sie sie als eine bloße Taktik des Westens darstellen, den Rest der Welt dominieren."
Es geht nicht, dass bei Debatten um den Klimawandel, aber auch bei Debatten um Migration - und schließlich auch bei der Debatte um den jüngsten Krieg im Gazastreifen - der eigentliche
Elefant im Raum nicht benannt wird: die
Demografie,
meint Daniele Dell'Agli in einem längeren Essay für den
Perlentaucher. "Nehmen wir
Pakistan als Beispiel: 2022 wurde das Land von Überflutungen noch nie da gewesenen Ausmaßes heimgesucht, ein Drittel des Landes stand unter Wasser, Tausende verloren ihr Leben, alle Welt schrie empört '
Klimawandel!' und streckte den Vorwurfsfinger gen Europa und Nordamerika. Bullshit. Die Bevölkerung Pakistans hat sich in den letzten siebzig Jahren
versiebenfacht (von 30 auf 210 Millionen) mit der Folge, dass für Heizen, Kochen und Bauen der
gesamte Waldbestand abgeholzt wurde. Nur aufgrund der dadurch ausgelösten Erosionsprozesse konnte der Monsun mit höheren Niederschlagsmengen seine katastrophalen Auswirkungen unverhältnismäßig steigern. ... Die
Bevölkerung Ägyptens wiederum, um nur noch daran zu erinnern, hat sich in den letzten sechzig Jahren versechsfacht (!), und als nach der russischen Blockade ukrainischer Häfen die Getreidelieferungen ausblieben, offenbarte sich, dass das Land nur
ein Fünftel seiner Bewohner selbst ernähren kann. Dasselbe fruchtbare Nildelta, das im Pharaonenreich einst drei Millionen Menschen ein gutes Auskommen ermöglicht hatte, ist mit 110 Millionen heute hoffnungslos überfordert."
Anders als die langsam zur Vernunft auskühlende
68er-Linke hatte die ihr als radikale Linke nachfolgende
postmoderne Linke zumindest bis zum 7. Oktober nie wirklich einen Realitätsschock zu erleiden,
konstatiert Bernd Rheinberg bei den
Salonkolumnisten: "Ein mühsamer und entideologisierender Gang durch die Institutionen fehlte von vorneherein, denn die postmoderne Linke hat mit einigem Geschick
die Universität zu ihrer lebenslangen Wohngemeinschaft gemacht - was den Kontakt mit der Realität natürlich von vorneherein reduziert. Über die Jahrzehnte ergatterte man
immer mehr Lehrstühle, Forschungsgelder, Studienaufträge und Zugänge zu Landes- und Bundesministerien. Entsprechend der Theorie von der 'performativen Kraft der Sprache' konzentrierte man sich vor allem auf die
kulturelle Hegemonie der eigenen Lehre, die sich in Hochschulen, Medien, Stiftungen und Institutsgründungen verfestigte: Poststrukturalismus, Genderwissenschaft, Postkolonialismus und Critical Race Theory wurden in ihren Verästelungen die
herrschenden Ideologien in den Sozialwissenschaften."