Der brasilianische Urbanist und Ökonom
João Sette Whitaker liefert im Gespräch mit Olivier Compagnon und Anaïs Fléchet interessante, wenn auch für Außenstehende nicht immer völlig verständliche Hintergründe zur
politischen Lage in Brasilien, die zum Wahlsieg des Extremisten Jair Bolsonaro führte. Eine Menge
dunkler Kräfte waren da im Spiel, etwa die beiden kriminellen Kartelle, die über die Favelas von
Rio de Janeiro herrschen, und das dritte Kartell, das
Sao Paolo im Griff hat, dann die traditionelle Rechte, die gegen Dilma Roussef putschte, die evangelikalen Kirchen und die
Korruption, ohne die auch Silva Lulas Partido dos Trabalhadores (PT) nicht auskam. Aber immerhin, so Whitaker: Während sich bei Bolsonora und der Rechten keine konstruktive Idee erkennen lässt, hat die Linke immer noch ein Projekt. Leicht wird es nicht: "Die Konfrontation wird sehr hart, denn sie findet nicht mehr
auf demokratischer Basis statt. Brasilien steht vor dem Zusammenbruch seines Rechtssystems. Dafür ist nicht Bolsonaro verantwortlich, sondern die Rechte, die den Coup d'Etat von 2016 anführte, aber auch
Sergio Moro, der sich Bolsonaro anschloss, nachdem er Lula, seinen Hauptrivalen, ins Gefängnis gebracht hatte. Das höchste Gericht Brasiliens verbirgt seine politischer Richtung nicht mal mehr und hält Lula um jeden Preis im Gefängnis. Lula konnte noch nicht mal
alle Rechtsmittel einlegen, was verfassungswidrig ist. Und angesichts all dieser Angriffe auf die Demokratie tun die
Medien so, als sei nichts geschehen."