Magazinrundschau
Herzrasen a la Bollywood
Ein Blick in internationale Magazine. Jeden Dienstag ab 10 Uhr.
15.04.2008. Elet es Irodolam weiß: Die "kleine Literatur" muss nicht politisch sein, um politisch zu sein. World Affairs verteidigt Hirsi Ali, Bruckner und Berman gegen Buruma, Garton Ash und Ramadan. Rue89 erarbeitet ein Schwarzbuch der Zensur. Im TLS stöhnt der Gerontologe Raymond Tallis: Zuviel Hirn ist des Feuilletonisten Tod. Outlook India ist ganz aufgeregt: Revolution im Cricket! Vanity Fair springt mit den Russen ins kalte Wasser. In Semana spricht sich Hector Abad gegen literarischen Protektionismus aus. In der New York Review of Books hat Tony Judt herausgefunden: die Amerikaner lieben den Krieg, weil sie ihn nicht kennen.
Elet es Irodalom (Ungarn), 11.04.2008

Rue89 (Frankreich), 13.04.2008
Zusammen mit Lehrern, Journalisten und Juristen hat der junge Rechtsanwalt und Spezialist für Medien- und Presserecht Emmanuel Pierrat ein Schwarzbuch der Zensur erarbeitet und herausgegeben: "Le livre noir de la censure" (Seuil). Ein ausführliches Gespräch über dessen Befunde ist nur zu hören, die zentralen Aussagen sind aber in einem Begleittext aufgeführt. Drei Haupttäter hat das Autorenkollektiv ausgemacht: das Scheckbuch, Tugendwächter sowie die neuen Medien in Gestalt von Yahoo, Google oder Microsoft. Letztere auch, weil sie - wie im Fall Google in China - mit Machthabern paktieren, um sich neue Märkte zu erschließen. Die großen Konzerne dagegen, so Pierrat, hätten sich früher damit begnügt, zu aggressiven Medien die Werbebudgets zu kappen, heute attackierten sie sie juristisch. "Ihre Geschützstärke ist verglichen mit den Mitteln für einen Gegenangriff durch Verleger, Journalisten und Schriftsteller enorm." Und die Gefahr mit den Tugendwächtern bestehe darin, dass "jeder Prozess, den sie anstrengen, Kosten verursacht: Anwaltskosten, Nachteile und Interesse. Viel lohnendere Auswirkungen als Kerkerhaft."
Times Literary Supplement (UK), 11.04.2008
"Der Literaturkritiker als Groupie der Neurowissenschaften ist der neue Trend", stöhnt der Gerontologe Raymond Tallis nach Lektüre eines Artikels der Schriftstellerin A.S. Byatt, die das Erregende an John Donnes Gedichten in neurowissenschaftlichen Begriffen erklärt hat: "Das Vergnügen, das Donne unseren Körpern bietet, ist das Vergnügen an einer extremen Hirnaktivität." Nonsense, findet unser Fachmann, und macht, bevor er ins Detail geht, seinem Ärger über eine Literaturkritik Luft, die ihr Thema nicht ernst nimmt. "Auf den ersten Blick erscheint das Ersetzen von THEORIE... durch etwas so Solides wie 'das Gehirn' als Fortschritt. Aber in Wahrheit ist es nur ein Fall von plus ca change, plus c'est la meme chose. Das Umschalten von THEORIE auf 'Biologismus' lässt etwas Wesentliches unverändert: nach wie vor wendet wendet man sehr generelle Ideen unkritisch auf Werke der Literatur an, deren unverwechselbare Eigentümlichkeiten, überlegte Ziele und kalkulierte Wirkungen konsequent verloren gehen."
Joy Connolly hat zwei sehr interessante Bücher über das Verprügeln von Ehefrauen in der Antike gelesen: Sarah B. Pomeroys "The Murder of Regilla" und Caroline Vouts "Power and Eroticism in Imperial Rome". Leider ist die Quellenlage nicht optimal: "Gewalt gegen Frauen war für die klassischen Autoren nur in Ausnahmefällen Thema, etwa wenn sich Augustinus in seinen 'Bekenntnissen' an die Blutergüsse erinnert, die er als Kind im Gesicht der Freundinnen seiner Mutter gesehen hatte, oder wenn Herodot und Sueton berichten, dass der korinthische Tyrann Periander und Kaiser Nero ihre schwangeren Frauen tot prügelten."
Außerdem: Bravouröses Entertainment" bescheinigt Ruth Morse Salman Rushdies neuem Roman "The Enchantress of Florence", aber am Ende ist sie doch enttäuscht.
Joy Connolly hat zwei sehr interessante Bücher über das Verprügeln von Ehefrauen in der Antike gelesen: Sarah B. Pomeroys "The Murder of Regilla" und Caroline Vouts "Power and Eroticism in Imperial Rome". Leider ist die Quellenlage nicht optimal: "Gewalt gegen Frauen war für die klassischen Autoren nur in Ausnahmefällen Thema, etwa wenn sich Augustinus in seinen 'Bekenntnissen' an die Blutergüsse erinnert, die er als Kind im Gesicht der Freundinnen seiner Mutter gesehen hatte, oder wenn Herodot und Sueton berichten, dass der korinthische Tyrann Periander und Kaiser Nero ihre schwangeren Frauen tot prügelten."
Außerdem: Bravouröses Entertainment" bescheinigt Ruth Morse Salman Rushdies neuem Roman "The Enchantress of Florence", aber am Ende ist sie doch enttäuscht.
World Affairs (USA), 01.01.2008

Outlook India (Indien), 21.04.2008

Besprochen wird Patrick Frenchs autorisierte V.S.Naipaul-Biografie "The World is What it is" , die Sunil Khilnani für einen "Triumph der Biografen-Kunst" hält. Breit und genüsslich referiert Sanjay Suri das verheerende Presse-Echo in Großbritannien auf "The Enchantress of Florence", Salman Rushdies neuen Roman: "Im Cricket würde man es 'schlecht in Form' nennen."
Vanity Fair (USA), 14.04.2008
Die Russen waren auf dem Meeresgrund der Arktis und haben eine Fahne gehisst - nicht zuletzt um ihren Anspruch auf die gewaltigen Ölreserven die unter dem Meeresboden vermutet werden, zu verdeutlichen. Das ist, wie Vanity Fair in einem sehr umfangreichen Artikel erläutert, auch alles andere als absurd: "Wie immer man es betrachtet: Russlands Anspruch auf die Arktis ist sehr gut begründet - geografisch, historisch, demografisch, hydrologisch... und, wie es nun noch zu belegen hofft, geomorphologisch und geologisch." Was nicht heißt, dass nicht gewaltige Folgen für die Weltpolitik zu erwarten wären: "Wenn Russland die Reserven auszubeuten beginnt, wird es als Supermacht auf die Weltbühne zurückkehren und womöglich zum wichtigsten Energielieferanten der Erde werden. Das wäre dann ein Fünftes Russisches Imperium, präsidiert von einem immer autokratischeren Putin."
Außerdem: Sehr lesenswert - auch für Nichtnaturwissenschaftler- findet Christopher Hitchens Peter Ackroyds nicht mehr ganz neue Isaac-Newton-Biografie. Leider sagt er nicht, ob sie so gut ist, wie Neal Stephensons Newton-Porträt in "Quicksilver".
Außerdem: Sehr lesenswert - auch für Nichtnaturwissenschaftler- findet Christopher Hitchens Peter Ackroyds nicht mehr ganz neue Isaac-Newton-Biografie. Leider sagt er nicht, ob sie so gut ist, wie Neal Stephensons Newton-Porträt in "Quicksilver".
Caffe Europa (Italien), 14.04.2008
Claudio Lazzaro hat eine Dokumentation über die rechtsextreme Splitterpartei "Forza Nuova" gedreht. Wegen einer Klageandrohung kommt "Nazirock" nun nicht in die Kinos, sondern wird nur als DVD vertrieben. Im Gespräch mit Mauro Buonocore erzählt Lazzaro, worum es ihm in seinem Film geht. "Nazirock ist in gewissem Sinne die Fortsetzung der Diskussion, die in 'Camicie verdi' begonnen wurde, meine erste Dokumentation über die Lega Nord. Das Thema ist dasselbe: die Demokratie. In Italien steht die Demokratie immer auf der Kippe und kann fortwährend in Frage gestellt werden. Gewisse politische Phänomene wie die Lega Nord und die extreme Rechte erinnern daran in beunruhigender Weise. Die Idee für den Film kam mir dann während einer ganz bestimmten Szene in 'Camicie Verdi': Der Europaabgeordnete der Lega Nord, Mario Borghezio, erholt sich nach einer Attacke von Autonomen im Krankenhaus, es ruft ihn dauernd jemand an, und ich frage ihn, ob sich schon andere Politiker nach seinem Befinden erkundigt haben. 'Nein', bemerkt er recht kleinlaut, 'keine Politiker, nur Roberto Fiore von 'Forza Nuova' und Alessandra Mussolini.' Die beiden kommen nun auch in 'Nazirock' vor."
New York Review of Books (USA), 01.05.2008

Barack Obamas Philadelphia-Rede mit Abraham Lincolns Gettysburg Address zu vergleichen, findet Gary Wills übertrieben. Treffender sei die Parallele zu Lincolns Cooper-Union-Rede: "Jeder wollte von seiner Partei als Präsidentschaftskandidat nominiert werden - gegen einen New Yorker Senator - Lincoln gegen Senator William Seward, Obama gegen Hillary Clinton. Sie beide waren bekannt für ihre Oppostion gegen einen anfangs populären Krieg - Lincoln gegen Präsident Polks auf Grund einer fiktiven Provokation lancierten Mexikanischen Krieg, Obama gegen Präsident Bushs Irak Krieg."
Weiteres: Das Autoren-Duo Hussein Agha, Robert Malley untersucht, wie erfolgversprechend der avisierte Nahost-Friedensplan für die Schublade sein kann. Alison Lurie analysiert verschiedene Versionen von Rapunzel aka Petrosinella oder Sugar Cane unter besonderer Berücksichtigung der Essgewohnheiten schwangerer Frauen. Besprochen werden die Ausstellung "The Arts of Kashmir" in der Asia Society von New York, der Roman "Lush Life" von Richard Price, Keith Gessens Roman "All the Sad Young Literary Men" und zwei Bücher zum Judas-Evangelium.
Plus - Minus (Polen), 12.04.2008

Commentary (USA), 01.04.2008

Weltwoche (Schweiz), 11.04.2008

Gazeta Wyborcza (Polen), 12.04.2008

Economist (UK), 12.04.2008

In weiteren Artikeln geht es um den Bevölkerungsschwund in Ostdeutschland und seine Folgen, : Besprochen werden eine große Babylon-Ausstellung, die derzeit im Louvre zu sehen ist, demnächst aber auch - und zwar mit größerem Umfang - in Berlin Station machen wird, und Bücher, darunter Steve Colls Familiengeschichte "The Bin Ladens" und Misha Glennys Studie "McMafia: Eine Reise durch die Unterwelt des Verbrechens". Außerdem ein Nachruf auf den Schauspieler Charlton Heston.
Semana (Kolumbien), 12.04.2008

Spectator (UK), 12.04.2008

Le Monde diplomatique (Deutschland / Frankreich), 11.04.2008

In einem weiteren Artikel sieht Hicham Ben Abdallah El Alaoui reichlich wenig Fortschritte bei den Demokratisierungsbemühungen in den arabischen Ländern. Dies die drei Herrschaftsformen, die sich herausgebildet haben: "Völlig 'geschlossene' Regime (wie Libyen, Syrien und einige andere), die nicht einmal den Anschein von Pluralismus erwecken wollen; 'hybride' Regime (wie Algerien, Ägypten, Jordanien, Marokko, Sudan, Jemen), wo die autoritäre Herrschaft mit gewissen Formen von demokratischer Beteiligung koexistiert; und 'offene' Regime, wofür es aktuell nur ein einziges Beispiel gibt: Mauretanien, wo mit den Wahlen im März 2007 ein wirklicher Machtwechsel stattgefunden hat."
Nepszabadsag (Ungarn), 12.04.2008

New Yorker (USA), 21.04.2008
Definitiv nichts für Klaustrophobiker ist Nick Paumgartens ausführliche Reportage über Aufzüge in Wolkenkratzern - unter besonderer Berücksichtigung ihrer Pannenanfälligkeit. Neben zahlreichen Geschichten von stundenlang Steckengebliebenen erfährt man aber auch Nützliches. "Für Aufzüge gelten zwei Grundkriterien. Eines ist die Umschlagskapazität: angepeilt ist die Beförderung einer bestimmten Prozentzahl der Gesamtpopulation des Gebäudes in fünf Minuten. Dreizehn Prozent sind eine gute Zielvorgabe. Das andere ist der Zeitabstand beziehungsweise die Einsatzfrequenz: die durchschnittliche Hin- und Rückfahrt eines Aufzugs dividiert durch die Anzahl der Aufzüge. In einem amerikanischen Gebäude soll das Intervall weniger als dreißig Sekunden betragen und die durchschnittliche Wartezeit rund sechzig Prozent davon. Dauert es länger, werden die Leute ärgerlich."
Weitere Artikel: Hendrik Hertzberg philosophiert über die politischen Implikationen der "Versprecher" im amerikanischen Kampf um die Präsidentschaftskandidatur. Caroline Alexander bereiste den bengalischen Mangrovenwald und informiert über die vom Aussterben bedrohten bengalischen Königstiger. Zu lesen ist außerdem die Erzählung "The Repatriates" von Sana Krasikov und Lyrik von Rachel Hadas und Derek Walcott.
Ian Buruma bespricht mehrere Bücher, die sich mit der Ablösung der westlichen Vorherrschaft beschäftige, darunter "Rivals: How the Power Struggle Between China, India and Japan Will Shape Our Next Decade" (Harcourt) und "The Post-American World" (Norton). Paul Goldberger besichtigt neue Flughäfen in London, Peking und Madrid. Sasha Frere-Jones stellt das neue Album von Portishead vor. Und David Denby sah im Kino die Komödien "Forgetting Sarah Marshall" von Nicholas Stoller und "Smart People" von Noam Murro.
Nur im Print: Jonathan Franzen besichtigt die Zukunft Chinas (hier erzählt er von seiner Reise), außerdem Artikel über Schwimmen in der Nordwestpassage und Rache in Neuguinea.
Weitere Artikel: Hendrik Hertzberg philosophiert über die politischen Implikationen der "Versprecher" im amerikanischen Kampf um die Präsidentschaftskandidatur. Caroline Alexander bereiste den bengalischen Mangrovenwald und informiert über die vom Aussterben bedrohten bengalischen Königstiger. Zu lesen ist außerdem die Erzählung "The Repatriates" von Sana Krasikov und Lyrik von Rachel Hadas und Derek Walcott.
Ian Buruma bespricht mehrere Bücher, die sich mit der Ablösung der westlichen Vorherrschaft beschäftige, darunter "Rivals: How the Power Struggle Between China, India and Japan Will Shape Our Next Decade" (Harcourt) und "The Post-American World" (Norton). Paul Goldberger besichtigt neue Flughäfen in London, Peking und Madrid. Sasha Frere-Jones stellt das neue Album von Portishead vor. Und David Denby sah im Kino die Komödien "Forgetting Sarah Marshall" von Nicholas Stoller und "Smart People" von Noam Murro.
Nur im Print: Jonathan Franzen besichtigt die Zukunft Chinas (hier erzählt er von seiner Reise), außerdem Artikel über Schwimmen in der Nordwestpassage und Rache in Neuguinea.