Magazinrundschau - Archiv

Semana

10 Presseschau-Absätze

Magazinrundschau vom 15.07.2008 - Semana

"Ich glaube nicht, dass die Zeitungen verschwinden werden, erklärt im Interview Juan Luis Cebrian, Mitbegründer von El Pais und Präsident der PRISA-Gruppe, kurz: der mächtigste Mann der spanischsprachigen Medienwelt. "Allerdings werden sie von ihrer zentralen Vormachtstellung ein wenig an den Rand gedrängt werden. Wenn ich heute El Pais noch einmal gründen müsste, würde ich das im Internet machen, und auf der Grundlage dieser Internetzeitung eine Ausgabe auf Papier herausgeben. Warum? Eine Tageszeitung auf Papier ist und bleibt einfach etwas, was es so im Netz nicht gibt. Die digitale Gesellschaft tendiert dazu, jegliche Art von Vermittlungsprozessen auszuschalten, und das wird jetzt eine ganze Weile so bleiben. Aber Vermittlung zwischen der Wirklichkeit und den Bürgern, Interpretation, Analyse, das alles wird es wieder geben - ich glaube immer noch, dass ein Journalist jemand ist, der den anderen erzählt, was los ist."

"Nach der Entführung beginnt das nächste Drama." Ana Maria Catano Blanco schildert am Beispiel eines Soldaten, der als Rekrut für mehrere Jahre in FARC-Geiselhaft geriet, die völlig unzureichende psychologische Betreuung vieler kolumbianischer Soldaten nach ihrer Befreiung.
Stichwörter: Der die Mann, El Pais

Magazinrundschau vom 15.04.2008 - Semana

Hector Abad weiß nicht so recht, was er generell von dem umstrittenen Freihandelsabkommen Kolumbiens mit den USA halten soll. Im speziellen ist er aber dafür: "Menschen mit festen Überzeugungen verachten Zweifler. Aber Befürworter genau wie Gegner des Abkommens haben mich gleichermaßen überzeugt. Normalerweise wägen die Leute jedoch nicht Argumente ab, sondern betrachten die Dinge durch ihre ideologischen Filter: Wer an Marx glaubt, für den ist das Abkommen verheerend; großartig finden es dagegen die Jünger von Adam Smith. Als Skeptiker nehme ich an, dass es für einige Unternehmer und ihre Angestellten gut ist, für andere eine Katastrophe. Als Schriftsteller fände ich es jedenfalls demütigend, einen 'literarischen Protektionismus' einzufordern, Quoten für 'kolumbianische Autoren' und Sonderzölle für ausländische Literaturprodukte: Wenigstens was meine Branche betrifft, bin ich für den Freihandel mit Büchern, selbst wenn eine Flut von Gringo-Bestsellern über uns hineinbricht."

Magazinrundschau vom 01.04.2008 - Semana

Spürbar erleichtert über die jüngsten Erfolge im Kampf gegen die Guerilla zeigt sich die Redaktion der Semana - trotzdem: "Das Ende der FARC wird lang und blutig sein. Die größte Herausforderung besteht inzwischen aber nicht mehr auf militärischem Gebiet. Vielmehr muss der Staat jetzt beweisen, dass er imstande ist, sein nationales Projekt tatsächlich auf dem gesamten Territorium durchzusetzen. Mangelnde Präsenz des Staates ist der eigentliche Kern des Problems. Die großen Reformen werden wohl kaum noch mit den FARC ausgehandelt werden, aber sie anzugehen ist ein demokratischer Imperativ egal welcher künftigen Regierung."

Hector Abad ruft seinerseits das Militär zu Besonnenheit und Mäßigung auf: "Unsere schlimmsten Feinde sind trotzdem Menschen: Indem wir sie als solche behandeln und nicht wie Tiere, unterscheiden wir uns von ihnen; andernfalls werden wir zu ebenso primitiven und blutigen Mördern wie sie. Wenn wir uns so benehmen wie die Guerrilleros, verlieren wir die moralische und legale Autorität, die wir für uns in Anspruch nehmen."

Und der Musiker Juanes, der innerhalb einer Woche ein riesiges Friedenkonzert an der kolumbianisch-venezolanischen Grenze auf die Beine stellte, verortet sich im Interview politisch "im extremen Zentrum. Allerdings glaube ich tatsächlich, dass in diesem historischen Moment Uribe der richtige Präsident für Kolumbien ist."
Stichwörter: Abad, Hector, Kolumbien

Magazinrundschau vom 26.02.2008 - Semana

"So schön kann Konservativismus sein", staunt der Kolumbianer Hector Abad Faciolince (s. a. hier) nach einer Reise durch die Schweiz, zu der die Schweizer Regierung eingeladen hatte. "Viele, vor allem Ausländer, betonen stets, wie konservativ die Schweiz doch sei, und das stimmt vielleicht auch, aber dann im besten Sinne des Wortes, denn 'konservativ' bedeutet hier keineswegs das Gleiche wie in Kolumbien - also sexuelle Verdruckstheit, Verteidigung der Privilegien der Großgrundbesitzer, religiöser Fanatismus. Auch wenn der Calvinismus in der Schweiz erfunden wurde, sahen sich die verstocktesten Puritaner dennoch gezwungen, in die Neue Welt auszuwandern - zu unbehaglich fühlten sie sich offenbar angesichts des hier schon so lange herrschenden Klimas religiöser Toleranz. Konservativ sein heißt für einen Schweizer dagegen, eine Reihe von Traditionen verteidigen, die sich seit Jahrhunderten als probates Mittel für die Aufrechterhaltung eines friedlichen Zusammenlebens bewährt haben. Borges hat vorausgesagt, dass vielleicht eines Tages die ganze Welt wie die Schweiz sein werde. Auch wenn wir nicht die Jahrhunderte, sondern die Jahrtausende werden warten müssen, die die Schweizer uns voraus sind: Hoffentlich hat er Recht gehabt."

Magazinrundschau vom 12.02.2008 - Semana

Botho Strauß, Martin Mosebach, Hans Magnus Enzensberger, Harald Schmidt, Jens Jessen - "was finden die deutschen Intellektuellen bloß an dem kolumbianischen Aphoristiker Nicolas Gomez Davila?", fragt sich Hernan D. Caro und sieht verschiedene Erklärungsmöglichkeiten: "Jeder liebt doch ausgesprochene Widerlinge, und unser Mann war zweifellos einer. Jedes Jahrhundert bringt Vertreter dieses Intellektuellentypus hervor, die ihren Bewunderern das Gefühl verschaffen, einer höchst scharfsinnigen, tiefgründigen und überhaupt ganz besonderen Kaste anzugehören. Oder es liegt ganz einfach an der immer wieder hervorgehobenen Tatsache, es hier mit einem 'kolumbianischen' Denker zu tun zu haben, so als ob dies sein antimodernes Gejammer und seinen kämpferischen Katholizismus zu etwas Besonderem macht."

Ebenfalls zu Wort kommt ein Intellektueller ganz anderer Art. "Kann man einen Krieg gegen bewaffnete Aufständische gewinnen und dabei die Menschrechte achten?", fragt Semana, und Michael Ignatieff antwortet: "Eine Demokratie kann nur eine Demokratie bleiben, wenn sie sich beim Kämpfen eine Hand auf den Rücken fesselt. Sie muss ihre Legitimität, den Respekt, die Zuneigung und Unterstützung, die die Öffentlichkeit ihr entgegenbringen, unbedingt aufrechterhalten, andernfalls ist sie zum Untergang bestimmt. Aber das ist sehr schwer."

Magazinrundschau vom 28.08.2007 - Semana

"Vorsichtige Vatermörder" - Kommt hier die neue Literatur Lateinamerikas? Bogota -Welthauptstadt des Buches 2007 und die umtriebigen Organisatoren des Hay-Festivals haben die kolumbianischen Schriftsteller Piedad Bonett, Oscar Collazos und Hector Abad insgesamt 39 Autorinnen und Autoren auswählen lassen, die nicht älter als 39 sein durften. Diese präsentierten sich vom 23. bis 26. August in einem Lesemarathon dem Publikum; mehrere von ihnen werden demnächst auch auf dem Internationalen Literaturfestival Berlin zu erleben sein. Die Kritikerin Margarita Valencia hat sich jeden einzelnen von ihnen angesehen: "Die Schriftsteller des 'Booms' der lateinamerikanischen Literatur hielten sich einst für Helden, indem sie ihre Werke schufen (oder Joints rauchten und dabei von ihren Werken redeten); die Schriftsteller zu Beginn des 21. Jahrhunderts sind arbeitslos und damit beschäftigt, jeden Monat das Geld für die Miete zusammen zu bekommen oder sich um ihre nie erwachsen gewordenen Eltern zu kümmern. Ihre Figuren haben Angst davor, eine Stelle zu finden oder keine Stelle zu finden; große Träume haben sie nicht; dafür wissen sie, dass es immer noch schlimmer kommen kann. Die Weisesten unter ihnen hoffen, weitgehend unbemerkt zu bleiben - in der lateinamerikanischen Literatur gibt es heute mehr Bartlebys pro Quadratzentimeter, als Melville sich je hätte träumen lassen."

Magazinrundschau vom 13.03.2007 - Semana

Der Schriftsteller Hector Abad (mehr hier) fordert eine allgemein verbindliche Vereinbarung über einige wenige grundlegende Dinge, um sein Land aus der Krise zu führen: "Halten wir es mit der Maxime Deng Xiaopings: 'Schwarze Katze, weiße Katze - Hauptsache, sie fängt Mäuse.' Ein solches (schwarzes, weißes, rotes, neoliberales, kommunistisches, konservatives, anarchistisches) nationales Vorhaben wäre etwa die Abschaffung der Unterernährung von Kindern. 'Aber wie?', werden Sie fragen, 'durch Flexibilisierung der Arbeitswelt? Durch Kollektivierung der Landwirtschaft?' Genau darum geht es: Egal wie. Wie auch immer. Unter jedweder Regierungsform produziert Kolumbien heute und auch in Zukunft Nahrungsmittel, und ein ansehnlicher Teil davon wäre automatisch für die Ernährung der Kinder abzuzweigen. Wenn nötig, auch unentgeltlich. Ein anderes Beispiel: Absolute Ächtung von Entführungen - selbst wenn in Kolumbien noch Sklaverei herrschte, hätten die Sklaven nicht das Recht, die Kinder der Sklavenhalter zu entführen, um politische Forderungen zu stellen. Mir fielen noch mehr Punkte ein: achtjährige Schulpflicht, Recht auf Wohnraum, Kinder- und Altenbetreuung, Umweltschutz - aber mehr als fünf dürften es nicht sein, um ihre Einhaltung Jahr für Jahr und egal unter welcher Regierung effizient überprüfen zu können."

Magazinrundschau vom 21.11.2006 - Semana

Hoffnung für Kolumbien? Aussicht auf Besserung der seit Jahrzehnten ausweglos verfahrenen Verhältnisse in seinem Heimatland glaubt der kolumbianische Schriftsteller Hector Abad Faciolince (mehr hier und hier) zu erkennen: "Im Moment gibt es weniger Tote in Kolumbien. Die Zeit der schlimmsten Massaker scheint fürs erste vorbei. Sollten wir für einige Monate, vielleicht Jahre die Gewohnheit, uns gegenseitig abzuschlachten, verlieren, wird es nicht so einfach sein, damit einfach wieder anzufangen. Die Demobilisierung der paramilitärischen Gruppen entfaltet eine positive Dynamik, die wir unbedingt nutzen sollten."

Einen wichtigen Beitrag dazu hat Abad mit der Biografie seines vor 19 Jahren in Medellin ermordeten Vaters, eines bekannten Arztes und Sozialpolitikers, selbst geleistet. "Darin wollte ich etwas von großer Schönheit erzählen: die Geschichte der Opfer." Von entscheidender Bedeutung ist dabei für Abad nicht, "dass die Paramilitärs für 25 Jahre hinter Gittern verschwinden oder dass man sie allesamt laufen lässt: Wichtig ist, dass die Wahrheit erzählt wird. Sie allein verspricht Gerechtigkeit: Ich möchte, dass man weiß, wer geschossen hat, wer den Befehl dazu gab, wer die Täter waren, ob sie noch leben, wie sie es gemacht haben und warum."

Endlich wieder zu Hause in Kolumbien angekommen ist Shakira mit ihrer neuen CD "Fijacion oral".
Stichwörter: Abad, Hector, Kolumbien, Shakira

Magazinrundschau vom 10.10.2006 - Semana

Der zur Zeit in Berlin lebende kolumbianische Schriftsteller Hector Abad Faciolince übt heftige Kritik an der Entscheidung des amerikanischen Senats, eine Mauer zwischen Mexiko und den USA zu errichten, um illegale Einwanderer abzuhalten. "Niemand hat die deutsche Mauer einst so heftig kritisiert wie die USA. Sie führten das stets als Beweis für das Scheitern der kommunistischen Gesellschaften an. Heute lässt George W. Bush, der schlechteste Präsident, den die USA je hatten, eine sehr viel längere Mauer errichten. Freilich bezeichnet man sie auf der Seite der USA nicht als 'wall' (Mauer), sondern mit dem Euphemismus 'fence' (Zaun). Angeblich würden die USA sich ohne diesen 'Zaun' mit Immigranten füllen, während in Mexiko nicht ein Mexikaner übrig bliebe - wann begreifen die Gringos, dass keineswegs alle Lateinamerikaner in den USA leben wollen? Wann merken sie, dass ihre Vorstädte zu neunzig Prozent nichts anderes sind als der Vorhof der Hölle?"

Und der kolumbianische Schriftsteller Juan Gabriel Vasquez interviewt den türkischen Schriftsteller Orhan Pamuk: "Während des Prozesses wegen Ihrer Äußerungen zum Völkermord an den Armeniern spotteten Ihre Freunde, wenn Sie ins Gefängnis kämen, würden Sie endlich zu einem richtigen türkischen Schriftsteller." - "Das ist die traditionelle Sichtweise hierzulande. Man betrachtete mich bis dahin als einen bürgerlichen Schriftsteller, der abgehobene Großstadtgeschichten schreibt. Ich fragte zurück, ob es nicht besser wäre, der erste türkische Schriftsteller zu sein, der die Politik kritisiert, ohne dafür ins Gefängnis zu müssen."

Magazinrundschau vom 04.10.2004 - Semana

Weitgehend unbeachtet von der Weltöffentlichkeit verhandelt derzeit die kolumbianische Regierung mit den rechtsradikalen paramilitärischen Verbänden des Landes über ein eventuelles Friedensabkommen. Vergangene Woche veröffentlichte das Nachrichtenmagazin Semana brisante Auszüge aus einem Mitschnitt der ansonsten geheimen Gespräche zwischen Regierungsunterhändler (und Psychoanalytiker) Luis Carlos Restrepo und den Anführern jener mehr als 10.000 Kämpfer, die mit brutalsten Methoden den linken Guerillagruppen entgegentreten. Seither gehen in der Redaktion düstere Drohungen ein und werden die Telefone der Journalisten abgehört.

Beides könnte damit zusammenhängen, dass Semana die Frage aufwirft, mit wem da eigentlich Gespräche geführt werden. "Sind das paramilitärische Gruppierungen mit sozialem Rückhalt und einem politischen Projekt zur Aufstandsbekämpfung? Oder handelt es sich um Drogenhändler, die die militärischen Strukturen der Selbstverteidigungsgruppen übernommen haben, um politischen Status zu erlangen, was es ihnen ermöglichen würde, mit der Regierung zu verhandeln, die Herkunft ihres Geldes zu verschleiern und ihr Strafregister zu bereinigen?", fragt das Magazin nun in einem sehr besorgten, außergewöhnlichen Leitartikel. Beispiele dafür, wie das funktioniert -die Drogenhändler kaufen sich tatsächlich für ein paar Millionen Dollar einen ganzen paramilitärischen Verband - hat Semana ebenfalls recherchiert (hier und hier, sowie ein Webdossier mit der bisherigen Berichterstattung über die Verhandlungen). Auch Experte Sergio Jaramillo findet, dass "der Begriff des Politischen" hier "an seine Grenzen" stößt. Trotzdem hält er ein Friedensabkommen noch für möglich.

In einem weiteren Artikel versucht der Schriftsteller Hector Abad seinen Landsleuten das Schweizer Staatsbürgerrecht zu erklären, das wie das deutsche auf dem Abstammungsprinzip basiert: "Wenn eine türkische Familie 1910 in die Schweiz einwanderte, dort 1920 einen Sohn zur Welt brachte und dieser Sohn seit nunmehr achtzig Jahre dort gelebt und gearbeitet hat, heißt das noch nicht, dass seine Söhne Schweizer sind". Sein Kollege Antonio Caballero indes wundert sich über die Blauäugigkeit der jüngst im Irak freigelassenen italienischen Geiseln. Die beiden Frauen erzählten, ihre Entführer gehörten vermutlich keiner politischen Gruppe an, denn schließlich hätten sie sich "hauptsächlich" über Religion unterhalten. "Dass die beiden, obwohl Italienerinnen, noch nicht bemerkt haben, dass Religion nichts anderes als Politik ist, erinnert daran, dass im Koran, laut Borges, kein einziges Kamel erwähnt wird. Unnötig, über derart Offensichtliches ein Wort zu verlieren", spottet Caballero.
Stichwörter: Abad, Hector, Borgen, Irak, Kamel