Im Kino

Was mit Tieren

Die Filmkolumne. Von Ekkehard Knörer
02.07.2008. Wie aus einem faulen fetten Panda der gefürchtete Drachenkrieger wird, das führt der Animationsfilm "Kung Fu Panda" als feuchten Traum jeden Nerds vor. Am in jeder Hinsicht anderen Ende der Kino-Skala befindet sich der Berliner Agenda- und Agentur-Microcinema-Film "After Effect". Tiere spielen allerdings auch hier eine wichtige Rolle.
Die Drachenrolle ist also leer. Das Geheimnis, auf dem alles ruht, dem alle Kraft sich verdankt, ist nichts als der reine Glaube. Darauf läuft die Botschaft von "Kung Fu Panda" hinaus. Jeder, der an sich glaubt, oder auch: Jeder, an den geglaubt wird, kann Taten vollbringen, die ihm, glaubte er nicht, unmöglich wären und blieben. Man muss die Hintergründe erläutern: Die Drachenrolle ist das Arkanum, das geheime Dokument, das einzig dem bei Gelegenheit höchst feierlicher Zeremonie auserwählten Drachenkrieger überreicht werden darf als dem mythischen Verteidiger des Staats, der vom Feind in seiner Existenz bedroht ist. Der Feind allerdings ist der einstige Hoffnungsträger des Staats, das große Kampftalent, der Schneeleopard Tai Lung, ausgebildet vom mythischen Ausbilder Shifu.

Die Gegenfigur, die "Kung Fu Panda" in der Titelfigur nun mobilisiert, scheint als Drachenkrieger die denkbar größte Fehlbesetzung: der in der Suppenküche seines (gewiss nicht biologischen) Gänse-Vaters mit Tiegeln und Tellern hantierende Pandabär Po. Der ist ein Nerd, ein Fanboy, einer, der von den mythischen Kämpferfiguren des Hofes - das Ensemble: die Schlange, die Tigerin, der Affe, die Heuschrecke, der Kranich - nur träumen und die Helden einzig als Actionfiguren aufs Fenstersims seines heimatlichen Teenager-Zimmers holen kann. Der Traum, den man sieht, in den ersten Bildern des Films, ist an der ganzen Sache das Allerschönste: zweidimensionale, grafisch-antihyperrealistische Heldenträumerei. Dann wird die Grafik, wie es im Digitalkino leider üblich ist, hyperrealistisch und man sieht, obwohl man sie nicht sehen will, die tagelange Arbeit, die noch im kleinsten Pandahaar steckt.

In der Folge macht der Film, das ist zu erwarten, die feuchtesten Träume des durchschnittlichen Fanboys wahr. Der dicke, ziemlich faule und nicht sonderlich helle Panda gerät, durch Zufall und fehlgesteuerten eigenen Antrieb, mitten hinein in die Drachenkrieger-Wahlzeremonie und wird von der sehr greisen und entweder sehr weisen oder schlicht und einfach dementen Staatsführerschildkröte Master Oogway zum Entsetzen der Anwesenden als Drachenkrieger erwählt. Die mythischen Helden, als Actionfiguren bekannt von Pos Fenstersims, sehen ihre eigenen Hoffnungen zerstört und mobben den Parvenu und totalen Kampfsportversager, wo sie nur können. Der aber ist nicht - oder jedenfalls kaum - unterzukriegen und zeigt zuletzt allen, was eine Pandabär-Harke ist.




Der Fanbay-Traum Po stammt aus der Schule Shrek. Soll heißen: Die Macher des Films lassen keine naheliegende Anspielung auf existierende Filme aus. Sie biedern sich an zeitgenössische Teenagersprache an, wo sie nur können. Sie lieben das Brachiale und je fetter der Bär, desto besser nach ihrem Verständnis der visuelle Gag. Allerdings wird auch Kampfsport zelebriert. Nur: Das Atemberaubende am Kampfsportfilm ist doch, dass er vorführt, was Körper können. Nicht immer aus eigener Kraft, auch Körper am Draht. Aber doch Körper, menschliche Körper im ständigen Kampf gegen die Schwerkraft, die es - und dann noch mit scheinbarer Leichtigkeit - zu überwinden gilt. Die Animationskrieger aber haben solche Probleme, versteht sich, nicht. Ihre Körperkunst ist geschenkt. Und da nützt die Körpergewichtbetonung durch Auswahl des Dickpandabärs als Zentralfigur wenig. Aller Zauber bleibt in "Kung Fu Panda" darum reine Behauptung.

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Berlin. Das ist wichtig. Das spielt in Berlin, das kann nur hier spielen, nur hier so spielen, im neuen Berlin. Behauptet implizit Stephan Geenes Film "After Effect". Rena Yazka, eine Fotografin kommt an, in Berlin, sie ist nicht irgendwer (gespielt wird sie auch nicht von irgendwem, sondern von Sabine Timoteo), sie war gerade in Barcelona, hat dort Politiker fotografiert und damit, warum auch immer, für Aufsehen gesorgt. In Berlin trifft sie auf eine Agentur: Carl Celler Culture. Die Agentur macht Werbung, die Kunst sein will. Oder Kunst, die Werbung ist. Die Agentur macht was mit Tieren. In der Agentur stehen Menschen herum, nicht mehr ganz jung, erst recht noch nicht alt, die Sätze aufsagen, die so klingen, als hätte die Agentur eine Agenda. Eine Agenda-Agentur, in der niemand agiert. Und auch eine Agenda gibt es, von den leeren Sätzen abgesehen, die klingen, als seien sie voller Bedeutung, in Wahrheit nicht.

(Viele der Leute, die vor der Kamera, hinter der Kamera mitmachen und mitspielen, kann man zuordnen: Hippen linken Berliner Kollektiven und Verbünden wie der Theorie-Kunst-Zeitschrift Texte zur Kunst, dem Theorie-Buchladen mit allerlei anderen Ambitionen b_books. Das macht den Film nicht zum Selbstporträt, gewiss nicht. Aber das Gegenteil eines Selbstporträts oder eine Selbstverarsche ist er auch nicht. Man weiß nicht genau.)




Die Fotografin aus Barcelona platzt da hinein und einer, der in der Agentur ohne eigene Agenda herumhängt, verliebt sich womöglich in sie. Das ist Kai (Aljoscha Weskott), der meistens so aussieht, als habe er Kummer. Wahrscheinlich haben sie Sex, Rena und Kai, später machen sie einen Film mit Kai und mit Tieren. Gefilmt ist das so, dass man nicht genau weiß, mit dem Sex. Überhaupt ist alles sehr überzeugend immer so gefilmt, dass man nicht genau weiß. Nämlich: Ist das eine Satire aufs neue Kreativen-Berlin, aus dem heraus es humorlos und agendasatt sinnlos tönt. Oder ist es das neue Kreativen-Berlin selbst, dass sich hier vor einer Kamera in digitalen Bildern begegnet, die nichts so genau wissen. Es gibt Großaufnahmen des Gesichts von Sabine Timoteo. Es gibt andere Aufnahmen.

Man spricht über Aufträge. Über Tiere. Es gibt Wortspiele an der Wand: Von Any Male zu Animal. Auf einer Tafel steht etwas von einer "Red Animal Fraktion". Theorie steht im Hintergrund, aber sie ist immer hinter der nächsten Ecke, man weiß nicht genau, die Theorie, die hinter allem vielleicht steht, will nicht recht mit der Sprache heraus. Was mit der Sprache heraus will, ist die Null-Agenda, die sich politisch gibt. Markenkritik, No Logo, eigenes Logo, Logo-Appropriation. Zersägte Tiere vor dem Universal-Gebäude zwischen Kreuzberg und Friedrichshain in der Spree. Auch mal Laura Tonke mit Katze.

Das mit der Liebe zwischen der Star-Fotografin aus Barcelona und dem Agentur-Herumhänger Kai, das geht aus oder auch nicht. Irgendwie geht es aus. Irgendwie hat Kai dann aber auch Sex - gefilmt ist das so, dass man nicht genau weiß, auch immer nicht, ob das mit Absicht so gefilmt ist - mit einem Mann, der ihn als Chauffeur beschäftigt und den er dann einsperrt, um sein Auto zu entwenden. Die Polizei kommt ins Spiel. Irgendwie kommt am Ende etwas zustande. Vielleicht ein Werbefilm. Vielleicht ein kritischer Werbefilm. Vielleicht ein Werbefilm, der in Wahrheit eine Werbefilm-Kritik ist. Hergestellt ist "After Effect" mit ganz wenig Geld, ein Microcinema-Projekt. Er ist fünfundsiebzig sehr lange Minuten kurz. Zu sehen zunächst in Berliner Kinos.

Kung Fu Panda. USA 2008 - Regie: Mark Osborne, John Stevenson - Darsteller: (Stimmen) Hape Kerkeling, Gottfried John, Thomas Fritsch, Ralf Schmitz, Cosma Shiva Hagen, Bettina Zimmermann, Stefan Gosslar, Tobias Kluckert, Tobias Kluckert - Länge: 95 min.

After Effect. Deutschland 2007 - Regie: Stephan Geene - Darsteller: Sabine Timoteo, Aljoscha Weskott, Annika Blendel, Esther Buss, Mario Mentrup, Tamer Yigit, Lennie Burmeister, Michael Sideris, Lars Eidinger, Bastian Trost, Susanne Sachsse - Länge: 75 min.