Im Kino

Spiel um die Meisterschaft

Die Filmkolumne. Von Robert Wagner
26.04.2023. In Bobby Farrellys "Champions" trainiert ein Misanthrop ein Basketballteam bestehend aus Spielern mit kognitiven Behinderungen. Trotz eines sensationellen Casts bleibt "Champions" leider nur ein grundsolider und formelhafter Film über Freundschaft und Liebe.

Abgehalfterter Trainer übernimmt abgehalftertes Team. Niemand rechnet mit ihnen, doch sie raufen sich zusammen, wachsen aneinander und stehen am Ende im Spiel um die Meisterschaft. In unzähligen Variationen gibt es diese Geschichte, die von "Champions" abermals aufgegriffen wird - beziehungsweise: die vom spanischen Film "Campeones" aufgegriffen wurde, der unter der Regie von Bobby Farrelly nun sein amerikanisches Remake erhält. Der Clou liegt bei beiden Filmen darin, dass ein ziemlicher Misanthrop ein Basketballteam bestehend aus Spielern mit kognitiven Behinderungen trainieren muss. Im Fall des Remakes ist es Woody Harrelson als Marcus, der als neuer Trainer des Teams "Friends", Menschen in einen klar geregelten Mannschaftssport unterweisen soll, die eine sehr eigene Wahrnehmung des Spiels und von Erfolg haben. So wirft Showtime (Bradley Edens) den Ball grundsätzlich nur gen Korb, wenn er seinem Ziel den Rücken zuwendet. Und ist außerdem mehr an Formen des Jubelns interessiert, als an den Gründen für seine Tänze.

Über dieses Alleinstellungsmerkmal hinaus zeigt sich nur bedingt der Wille, der bekannten Formel etwas Neues abzugewinnen. Ganz im Gegenteil bleibt der Sportteil des Films spartanisch und lässt geschehen, was geschehen muss. Die Friends haben mit Marcus zwar ein taktisches Ass, dessen Verständnis des Spiels nach eigener Auffassung locker für einen Job in der NBA reicht. Warum sie aber plötzlich zu siegen beginnen, lässt sich aus den chaotischen Trainingseinheiten, denen Marcus hilflos beiwohnt, nicht erklären. Aus seinen wenigen zwischenmenschlichen Annäherungen und Erfolgen ist es ebenfalls nur bedingt ableitbar. Aber letztlich ist das der Vorteil einer Formel. Der Zuschauer weiß, was los ist, ausführliche Erklärungen werden unnötig. Stattdessen kann man sich auf anderes konzentrieren.

Dieses Andere könnte ein inklusiver Gedanke sein. Dass Bobby Farrelly der Regisseur von "Champions" ist, überrascht wenig. Die derben Komödien, mit denen er und sein Bruder Peter um die Jahrhundertwende herum berühmt und berüchtigt wurden, zeichnen sich zwar nicht durch einen politisch korrekten Umgang mit körperlichen und geistigen Beeinträchtigungen aus, aber immerhin thematisierten sie ebensolche. Statt sie aus dem Bewusstsein zu drängen, machten sie sie - nicht ohne liebevolle Zuneigung - sichtbar. Meisterwerke der humanistischen Komödie wie "Unzertrennlich" ("Stuck on You") von 2003 waren die Folge.

Wenn Marcus mit den Friends schließlich gen Endspiel zieht, erhält er ein Angebot eines professionellen Basketballteams aus Seattle. Mit Freuden möchte er annehmen. Nur muss er sich in Folge die Frage gefallen lassen, ob er kein Problem damit habe, dass er und die Friends instrumentalisiert werden. Der große Verein möchte mit einer Wohlfühlgeschichte von internen Skandalen ablenken. Dieser Vorwurf wäre freilich auch hinsichtlich des Films "Champions" nicht abwegig. Schließlich werden die Friends als ein ebenso skurriler wie hochsympathischer Haufen dargestellt, der seine kleinen Probleme mithilfe von Chefs und Duschen dann doch zügig überwindet. Der ziemliche tolle Cast spielt diesem emotionalen Manipulationsversuchen in Richtung etwas mehr Wohlgefühl in die Hand. Nichtsdestotrotz bleiben die Spieler Randfiguren.


Im Zentrum befindet sich stets Marcus, ein Basketball-Crack und zwischenmenschliche Niete. Wenn etwas in seinem Leben nicht läuft, dann sind die anderen Schuld. Den Job bei den Friends betrachtet er als neuen Tiefpunkt seines ungerechtfertigten sozialen Abstiegs - nachdem er seinen letzten Assistenztrainerjob verloren hatte, war er betrunken in einen Polizeiwagen gefahren und wurde daraufhin zum Sozialdienst bei den Friends verurteilt. Nun muss er lernen, sich anderen Menschen zu öffnen und diese nicht nur aus der Perspektive des Leistungsprinzips zu sehen. Er muss eine andere Art von Erfolg lernen.

Teil des Wachsens von Marcus ist eine Liebesgeschichte. Mit Alex (Kaitlin Olson), der Schwester eines der Spielers, hat er einen One-Night-Stand. Es folgen weitere. Aber sie ist nicht gewillt, den zunehmend warmherzigen Marcus in ihr Leben zu lassen. Denn tatsächlich sind die Friends, die ihr Leben mehr oder weniger im Griff haben, die "Normalos" des Films, während Marcus und Alex an ihren Inselbegabungen und Ängsten zu scheitern drohen. Die an ihren zwischenmenschlichen Behinderungen leiden. Der Vorwurf der Instrumentalisierung lässt sich damit zwar nicht entkräften, die Umdrehung der Problemverortung spricht aber durchaus für den Film.

Am Ende ist diese ganze Diskussion müßig. "Champions" ist nicht dazu da, um etwas in seinen Grundfesten zu erschüttern. Vielmehr handelt es sich um einen grundsoliden Film über Freundschaft und Liebe, der auch abseits der Sports völlig formelhaft bleibt. Der vorhersehbar ist und sich keine Mühe gibt, originell zu sein. Zeit mit seinem sensationellen Cast und dessen liebenswerten Eigenheiten zu verbringen, reicht ihm völlig aus. Mit Blick auf den Wahnwitz früherer Filme der Farrelly-Brüder stimmt das traurig. Es ist kaum zu erwarten, dass sich daran bald etwas ändert, da - ganz davon abgesehen, ob sie Filme wie früher überhaupt noch machen wollen und können - vergleichbare Ansätze heute von Produzenten nicht einmal mit der Kneifzange angefasst werden würden. Bobby Farrelly begnügt sich folglich mit diversen kleinen Perspektivverschiebungen in den Bildern und der Wahrnehmung der Figuren - und macht mit ungetrübt guter Laune einen Film, den die meisten wohl als Niederlage verstehen würden.

Robert Wagner

Champions - USA 2022 - Regie: Bobby Farrelly - Darsteller: Woody Harrelson, Kaitlin Olson, Ernie Hudson, Cheech Marin - Laufzeit: 124 Minuten.