Gerade vor dem Hintergrund des Tods von
Liu Xiaobo und dem Umgang der chinesischen Zentralmacht damit (Auslöschung qua
Verbrennung und anschließender
Seebestattung) liest sich der manchmal etwas umständlich daherkommende
Artikel David Bartels sehr faszinierend. Bartel erzählt unter dem Titel "Was hat man mit der
chinesischen Aufklärung gemacht?", wie der Bürger- und Studentenaufstand vom
4. Mai 1919, der Wege in ein modernes China zu weisen schien, von der Kommunistischen Partei gekapert wurde und heute als Feiertag
eher eine Peinlichkeit darstellt: unter anderem auch deshalb, weil die Abkehr
von der Tradition im Namen der Aufklärung, als die die Partei den 4. Mai ursprünglich inszenierte, heute in mehrfacher Hinsicht vergiftet ist. Zum einen bezieht sich die Partei heute wieder positiv auf den einst einst verhassten
Konfuzianismus, zum anderen erinnert der 4. Mai an etwas, das heute sowohl im Westen wie im China mit postmodernem Besteck dekonstruiert wird: Und "dieses Etwas ist die Idee der
unveräußerlichen Menschenrechte, das Recht auf die Freiheit, in Würde zu leben und zu atmen. Ein Tyrann, eine Clique oder ein Priester können diese Rechte natürlich stets begrenzen, behindern oder auf eine hypothetische Zukunft verschieben, aber sie können sie nicht zerstören. Da sie unveräußerlich und unauslöschlich sind, hängen sie weder vom menschlichen Willen noch von politischen Entscheidungen ab. Ihr Genuss kann bedroht werden, die Rechte selbst nicht. Hier sieht man, wie der
universale Sockel der Aufklärung ein radikales Potenzial der Infragestellung für Regimes darstellt, die sich wenig um demokratische Legitimität scheren." Die KP arbeite also zusammen mit
postkolonialen Vertretern der westlichen Linken daran, so Bartel, die Idee universaler Werte als "
kulturelle Maske des westlichen Kapitalismus und Ursprung der Totalitarismen und ihrer 'rationalen' Massaker'" darzustellen.