Magazinrundschau
Ödipus kam nicht aus Dublin
Ein Blick in internationale Magazine. Jeden Dienstag Mittag
En attendant Nadeau (Frankreich), 23.10.2018
Goldschmidt bespricht in der aktuellen Nummer von En attendant Nadeau außerdem einen Essay Nicolas Weills über die "Schwarzen Hefte" Martin Heideggers. Über Heidegger schreibt er: "Das Ressentiment, das im Werk des Denkers von Messkirch allgegenwärtig ist, verhindert von vornherein eine wirkliche Entfaltung seines Denkens. Der versperrte Zugang zum 'Sein', seine eigene Unfähigkeit, ist der Kern seines Denkens, das er immer nur wie von außen betrachtet. Dieses ursprüngliche und nicht eingestandene Versagen wird als Ressentiment auf das jüdisch-metaphysisch 'Seiende' ausgegossen."
New York Magazine (USA), 30.10.2018
Außerdem lesenswert: Jessica Presslers Porträt der deutsch-russischen Hochstaplerin Anna Delvey, die New York um den den Finger wickelte.
Elet es Irodalom (Ungarn), 30.10.2018
Eurozine (Österreich), 29.10.2018
Eurozine übernimmt aus Osteuropa einen Artikel, in dem die Soziologin Marta Bucholc und der Jurist Maciej Komornik noch einmal Punkt für Punkt die polnische Justizreform diskutieren, die Argumente der polnischen Regierung berücksichtigen und mit anderen Ländern vergleichen. Und obwohl sie zugeben, dass die polnische Justiz zu Recht als dysfunktional eingestuft wird, ziehen sie am Ende ein erwartungsgemäß verheerendes Fazit: "Die PiS sieht im Pluralismus ein Problem. Wo immer möglich, zielt sie darauf, Diversität auszulöschen. Pluralismus in Poland war der Verfassung von 1997 eingeschrieben, die ihren Ursprung nach auf den Geist des Rundes Tischs von 1989 zurückgeht. Anders als Fidesz in Ungarn hat die PiS die Verfassung nicht durch eine andere ersetzt. Aber sie versucht, sie als 'reinen, erstarrten Postkommunismus' zu diskreditieren und am Ende aufzuheben. Die PiS will mit der Justizreform die letzten Überreste von Postkommunismus tilgen. Sie ist ein Schlüsselelement in der Ideologie des 'Wandel zum Besseren', bei dem es vor allem darum geht, den Staat von seinen angeblichen Feinden zu säubern, Schlüsselpositionen im Staatsapparat mit den eigenen Leuten zu besetzen und den institutionellen Pluralismus auszuradieren, der einer Gewaltenteilung innewohnt."
Osteuropa selbst bringt in seinem Sonderheft zu Georgien einen sehr instruktiven Artikel des Philosophen Giga Zedania über Georgien als autokratische Demokratie, die Konkurrenz zweier Eliten und die Gleichzeitigkeit von Moderne und mittelterlichen Traditionen.
Quietus (UK), 24.10.2018
Gut, überzeugt. Wir greifen zum Original:
Außerdem bringt The Quietus einen Auszug aus den Memoiren der Grande Dame der englischen Folkmusik, Shirley Collins, in dem sie die Erfahrungen ihrer Familie im Ersten Weltkrieg schildert. Und Michael Brooks plaudert mit dem philosophischen Essayisten Eugene Thacker über eine konsequent pessimistische Weltanschauung.
New Statesman (UK), 25.10.2018
Lesen kann man außerdem eine Rede von Elif Shafak über die Bedeutung des Romans in Zeiten der Wut.
New Yorker (USA), 05.11.2018
Weiteres: Sarah Stillman recherchiert, wie viele junge Mütter wegen geringfügiger Vergehen in den USA ins Gefägnis gesteckt und damit von ihren Kindern getrennt werden. Iain Frazier rekonstruiert in einem großen Report, wie es 2017 zu den großen Präriebränden in Oklahoma, Kansas und Texas kam. Peter Schjedahl feiert die Bruce-Nauman-Restrospektive im Moma PS1 in New York.