Magazinrundschau
Denkfiguren des Universellen
Ein Blick in internationale Magazine. Jeden Dienstag Mittag
27.01.2015. Die NYRB lässt Flüchtlinge vom Leben unter dem IS erzählen. Im Guardian fragt Julie Walters: Wo sind die Schauspieler aus der Arbeiterklasse geblieben? Zu viel Anthropologie führt zu Gettoisierung, fürchtet in Telerama der Philosoph Abdennour Bidar. In Pitchfork erklärt Björk den Unterschied zwischen ihr und Kanye West. Der New Yorker schnuppert an einem salmonellenverseuchten Hühnchen. The Verge stellt die neueste Spionagesoftware vor: FinFisher - von D und GB für Bahrain!
New York Review of Books (USA), 05.02.2015
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Michael Greenberg erklärt den Aufstand der New Yorker Polizei gegen Bürgermeister Bill di Blasio auch damit, dass die Cops den stillschweigenden Pakt aufkündigt sehen, laut dem sie die Drecksarbeit erledigen und dafür die Politik bei übermäßiger Gewalt ein Auge zudrückt.
Guardian (UK), 26.01.2015
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Faramerz Dabhoiwala erinnert die von Stephen Frys Hochzeit mit dem dreißig Jahre jüngeren Elliott Spencer aufgeschreckten Briten, dass die Ehe von Mann und Frau noch nie die einzige Form von Lebensgemeinschaft war: "Durch die ganze klassische Antike hindurch bis zum Ende des Mittelalters findet man in ganz Europa Beispiele formaler religiöser Zeremonien, in denen zwei sich liebende Männer feierlich fürs Leben verbunden wurden. Beschworene Verbindungen oder rituelle Bruderschaften gingen Könige und Aristokraten ein, Waffenbrüder und Männer jeglicher Herkunft - im 14. Jahrhundert beschrieb Chaucer die Bruderschaften von Händlern, Mönchen und sogar Bauern."
Telerama (Frankreich), 25.01.2015
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Pitchfork (USA), 21.01.2015
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Dass Björks neues Album ihre in die Brüche gegangene Beziehung zu dem Künstler Matthew Barney verarbeitet, wurde in der Presse viel kommentiert. Im großen Interview, das die isländische Musikerin nun Jessica Hopper gab, erfährt man unterdessen einiges über die Produktion des Albums - und von einigen Ärgernissen, mit denen sich Musikerinnen anders als ihre männlichen Kollegen konfrontiert sehen: Björks Vorgehensweise, für ihre Alben mit namhaften Musikern zu kollaborieren, wird in der Presse nämlich gerne so dargestellt, als würden die Produzenten den Löwenanteil leisten, erklärt sie: "Ich habe nichts gegen Kanye West. ... Für sein letztes Album hat er sich die besten Beatmaker der Welt rangeholt, um die besten Beats für ihn zu erstellen. Oft war er gar nicht im Studio. Und doch würde niemand auch nur für eine Sekunde seine Autorenschaft in Zweifel ziehen. ... Auf meinem letzten Album "Vespertine" habe ich zum Beispiel sämtliche Beats erstellt. Und das Album hat mich drei Jahre gekostet, weil es sich komplett um Mikrobeats handelte... In den letzten zwei Wochen kam die Band Matmos hinzu und legte die Percussions über die Songs. An der grundlegenden Arbeit waren sie nicht beteiligt, doch überall wird ihnen zugeschrieben, das Album komplett erstellt zu haben. ... Ich möchte hier wirklich die jungen Frauen um die 20 unterstützen und ihnen zurufen: "Ihr bildet Euch das nicht ein." Es ist hart. Alles, was ein Typ sagt, müsst ihr fünfmal sagen."
Slate (USA), 12.01.2015
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New Yorker (USA), 02.02.2015
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Außerdem: Adam Gopnik lernt Autofahren in New York. Und Rachel Aviv erzählt eine traurige Geschichte aus Albuquerque, wo die Rate der bei Polizeieinsätzen getöteten Zivilisten achtmal so hoch ist wie in New York City.
Les inrockuptibles (Frankreich), 24.01.2015
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The Verge (USA), 21.01.2015
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Bloomberg Businessweek (USA), 22.01.2015
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Stephan Faris erzählt in Businessweek mal wieder die Geschichte des immer autokratischeren Orban-Regimes in Ungarn. Einer der Aspekte: Wie der Privatsender RTL unter Dirk Gerkens, der noch unabhängige Nachrichten macht, durch eine Spezialsteuer schikaniert wird: "Gerkens schätzt, dass RTL 90 Prozent des Gesamtaufkommens dieser Steuer zahlen muss, obwohl der Sender nur einen Marktanteil von 15 Prozent hat. Wenn die Steuer bleibt, wird sie die Gewinne des Senders fressen. Gerkens sagt auch, dass er über Freunde und E-Mail Gewaltdrohungen bekommen hat. Seine Familie hat er bereits außer Landes gebracht, seine Wohnung zugunsten eines Hotels in Zentral-Budapest aufgegeben. "Hier ist nicht Russland oder Mexiko", sagt er. "Aber sicher ist sicher."" In dem Artikel erfahren wir auch, dass die USA längst Sanktionen gegen ungarische Politiker verhängt haben, während die EU aus Brüssel fleißig Rate um Rate überweist, ohne sie an Bedingungen zu knüpfen.
Ceska pozice (Tschechien), 16.01.2015
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Augenblicklich erhielt Halík Gegenwind, unter anderem von dem Diplomaten und Autor Michael Žantovský. Er wirft Halík Arroganz vor und fragt, wer berechtigt sei, die Maßstäbe des Geschmacks festzulegen: "Pussy Riot ist mir zuwider, die Karikaturen des islamischen Propheten, christlicher Heiliger und bärtiger Rabiner finde ich oft nicht besonders lustig und manchmal allzu spitz. Doch sie gehören zu "unserer" Kultur ebenso wie die dümmlichen Fernsehshows und die schlüpfrigen Abenteuer infantiler Promis, die heutzutage die Medien füllen. Nichts davon ist Grund dafür, jemanden aus "unserer" Kultur auszuschließen oder gar zu ermorden."
Petr Pithart, ehemaliger Unterzeichner der Charta 77, springt wiederum Halík bei: "Ich verstehe Tomáš Halík so, dass er sich zu den immer seltener gehörten inneren Stimmen des Skrupels, der Hemmungen und Tabus bekennt. (…) Dass solche Stimmen weniger werden, ist das wirklich ein Fortschritt? Bedeutet das größere Freiheit? (…) Ich glaube es nicht."
Der Schriftsteller Pavel Kohout findet versöhnliche Worte: Halík "hat den Mord an den Pariser Zeichnern entschieden verurteilt und gleichzeitig keinen Hehl daraus gemacht, dass er ihre Ästhetik nicht teilt, was doch seine Solidarität mit ihnen nur vergrößert!" Er erinnert ihn an den Dichter Jaroslav Seifert, der in der Hochzeit der Husákschen "Normalisierung" persönlich für die Undergroundband Plastic People of the Universe in die Bresche sprang, obwohl ihr Schaffen ihm völlig fremd war. "Es ist inkonsequent, wenn nicht heuchlerisch, die absolute Meinungsfreiheit dadurch zu verteidigen, dass man sie einem anderen verweigert, nur weil er nicht unisono, sondern im Kontrapunkt singt. Ich denke, in dieser Hinsicht bin ich sowohl Charlie als auch Seifert und Halík."
New Republic (USA), 21.01.2015
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Tape Op (USA), 19.01.2015
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New York Times (USA), 24.01.2015
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Weitere Artikel: Rukmini Callimachi und Jim Yardley rekapitulieren die Radikalisierung der beiden Attentäter von Paris. Und Daniel Bergner besucht die Sextherapeutin Bat Sheva Marcus, die orthodoxe Jüdinnen talmudkonforme Lust lehrt.
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