Magazinrundschau
Wahrheit als Lüge
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30.10.2012. n+1 sucht den Derrida in Franzen. In Vozpópuli erklärt Javier Cercas, warum er gegen die Unabhängigkeit Kataloniens ist. In The Atlantic beschreibt Teju Cole die brutale Mobjustiz in Nigeria. Wer sich als Opfer fühlt, ist meist auch fremdenfeindlich, stellt der Sozialpsychologe Micha? Bilewicz in Elet es Irodalom fest. Auch Wired weiß nicht, was im Inneren von Peter Molyneuxs Würfel steckt. Beckett wollte nie bezaubern, notiert der New Statesman. Und der Guardian erklärt, warum Georges Simenon den Nobelpreis verdient hätte.
n+1 | Times Literary Supplement | New Statesman | Telerama | Guardian | Vozpopuli | The Atlantic | Elet es Irodalom | New Republic | Slate.fr | Wired | Nepszabadsag
n+1 (USA), 24.10.2012

Vozpopuli (Spanien), 27.10.2012

The Atlantic (USA), 24.10.2012
Als Zeichen für eine krisenhafte Modernität wertet der Autor Teju Cole die Vorfälle von Lynchjustiz, die sich immer wieder und in sehr brutaler Form in Nigeria ereignen. Anfang Oktober etwa wurden vier des Diebstahls beschuldigte Männer bei lebendigem Leib verbrannt. Ein häufiger Anlass zur Bildung eines Mobs ist aber auch der vermeintliche Penisklau, eine in Westafrika verbreitete Form der Hysterie. Aus heiterem Himmel glauben Männer plötzlich, sie seien um ihre Männlichkeit gebracht worden: "Im Jahr 2011 beschuldigte in Gusau der Bankangestellte Idowu Olatunji den Journalisten Saminu Ibrahim des Penisklaus. Auf einmal befand sich Ibrahim in tödlicher Gefahr. Eine Menge umzingelte ihn mit mörderischer Absicht, und nur die Anwesenheit eines geistesgegenwärtigen Polizisten bewahrte ihn vor einem grausigen Tod. Was diesen Fall aber wirklich ungewöhnlich machte und zu einem Lehrbuchfall für Nigerias Neurosen und verwirrte Modernität, war, dass Ibrahim später Olatunji wegen Verleumdung und falscher Beschuldigung vor Gericht brachte. Er beantwortete das Gesetz des Dschungels mit dem bürgerlichen Recht. Und genau an diesem Punkt verschwand die Geschichte aus der Öffentlichkeit."
Elet es Irodalom (Ungarn), 26.10.2012

Im Gespräch mit dem ungarischen Publizisten János Széky stellt der Sozialpsychologe Micha? Bilewicz fest, dass in Polen und Ungarn - wo Jugendliche bei Demonstrationen "Gestern Moskau, heute Brüssel" skandierten und sich damit offenbar weiterhin als Unterdrückte sehen - auch der Geschichtsunterricht die Fremdenfeindlichkeit verstärken kann: "Der Geschichtsunterricht in der Schule verfestigt gedankliche Muster, die wir in Polen als Opferidentität bezeichnen. Die Menschen sind der Auffassung, dass die Gruppe, der sie angehören, stets ein Opfer gewesen ist. Unsere Untersuchungen zeigen, dass sich anhand dieser Opferidentität der Antisemitismus sehr gut erklären lässt. Wenn wir herausfinden wollen, ob jemand antisemitisch ist oder nicht, dann ist die einfachste Methode, ihn danach zu fragen, ob seiner Meinung nach die Polen öfter eine Opferrolle gespielt hatten als andere Gruppen. Bejaht er die Frage und meint, wir seien stets Opfer gewesen, dann ist es fast sicher, dass diese Person auch antisemitisch ist. Und dieser verblüffende Zusammenhang ergab sich auch aus anderen Studien, nämlich dass sich in den Tiefen der Xenophobie und des Rechtsradikalismus dieses Gefühl der Opferrolle verbirgt."
New Republic (USA), 19.10.2012

Slate.fr (Frankreich), 29.10.2012

Google-Hierarch Eric Schmidt ist schon auf dem Weg nach Frankreich und wird François Hollande höchstselbst treffen, meldet unterdes das Blog owni.fr.
Wired (USA), 12.10.2012

Weitere Artikel: Knapp eine Woche lang gastierte Wired-Autor Charles Graeber auf der Neuseeländer Ranch von Kim Dotcom, der ihm während dieses Aufenthalts - unter anderem mit Frühstück abends um kurz vor 10 - ausführlich seine Lebensgeschichte, die Ungerechtigkeiten, die ihm widerfuhren, und seine Pläne für die Zukunft - ein Sharehoster, der von den Behörden nicht mehr dingfest gemacht werden können soll - schilderte. Steven Levy staunt bei der Visite in Googles Serverfarmen manchen Bauklotz. Chris Anderson spricht in der "Icons"-Gesprächsreihe mit dem 41-jährigen Internet-, Raumfahrt-, Elektroautos-, Solaranlagenunternehmer Elon Musk, der - ganz "Bond-Style" - aus dem Pazifik Raketen zum Mars schießt, um seinem Traum, auf dem roten Planeten Pflanzen zu pflanzen, näher zu kommen. Außerdem erklärt James Verini , wie der virtuelle Popstar Hatsune Miku Japan im Sturm erobert hat. In Japan gibt sie holografische Konzerte:
Nepszabadsag (Ungarn), 21.10.2012

Times Literary Supplement (UK), 26.10.2012

Besprochen werden außerdem Tom Williams' neue Raymond-Chandler-Biografie und Johannes Graves Caspar-David-Friedrich-Monografie.
New Statesman (UK), 11.10.2012
"James Joyce wollte selbst in seinen hintergründigsten Passagen seine Leser bezaubern", Beckett fiel das im Traum nicht ein, lernt Christopher Reid bei der Lektüre der Gedichte Becketts, besonders der frühen, in den 30er Jahren entstandenen. "Der Beckett dieser Periode schien entschlossen, so rätselhaft zu sein wie die Narrenszenen der elisabethanischen Dramen, mit ihrem Rotwelsch und ihren dahingeworfenen Anspielungen. Nur ist der Argot hier eine sorgfältig bearbeitete Kostbarkeit und die Anspielungen beziehen sich meistens auf Aspekte in Becketts Leben, über die nur er Bescheid wusste. Die Anmerkungen der Herausgeber sind besonders in dieser Hinsicht erhellend." Am besten fand Reid das letzte Gedicht, ein 53-Zeiler von großer Musikalität, der so beginnt:
"folly -
folly for to -
for to -
what is the word -
folly from this -
all this -
folly from all this -
..."
"folly -
folly for to -
for to -
what is the word -
folly from this -
all this -
folly from all this -
..."
Telerama (Frankreich), 27.10.2012

Guardian (UK), 27.10.2012
Mark Lawson hat sich auf Grand Tour durch das kriminalistische Europa begeben und etwa Wichtiges herausgefunden: "Meine Nachforschungen ergaben, dass Georges Simenon den größten Einfluss auf den europäischen Krimi hat. In Rom zeigte mir Andrea Camilleri - Schöpfer des sizialinischen Inspektors Montalbano - die komplette Reihe der Maigret-Romane in seinen Regalen. In Berlin hielt Jakob Arjouni, einer der führenden deutsche Krimi-Autoren, den kompletten Simenon nah bei seinem Schreibtisch. PD James nennt Simenon ebenfalls als ihren Meister und bestätigt damit ein literarisches Nachleben, das Andre Gide Recht gibt: Der belgische Schriftsteller hätte den Nobelpreis für Literatur bekommen sollen."
Außerdem: Anatol Lieven bespricht - nicht immer, aber meistens zustimmend - Anne Applebaums neues Buch "Iron Curtain: The Crushing of Eastern Europe 1944-56".
Außerdem: Anatol Lieven bespricht - nicht immer, aber meistens zustimmend - Anne Applebaums neues Buch "Iron Curtain: The Crushing of Eastern Europe 1944-56".
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