Außer Atem: Das Berlinale Blog

Kasuistische Fingerübung: Pia Marais' 'Layla Fourie' (Wettbewerb)

Von Elena Meilicke
12.02.2013. Südafrika, eine nächtliche Landstraße: Layla, alleinerziehende Mutter eines kleinen Sohnes, fährt seit Stunden Auto, es ist stockfinster, der Scheinwerfer rast über den Asphalt. Da steht plötzlich ein Auto quer auf der Fahrbahn, der kleine Sohn macht im Schlaf ein Geräusch, Layla ist eine Zehntelsekunde abgelenkt – und hat einen Mann angefahren, einen weißen, älteren, der kurz darauf stirbt.


Südafrika, eine nächtliche Landstraße: Layla, alleinerziehende Mutter eines kleinen Sohnes, fährt seit Stunden Auto, es ist stockfinster, der Scheinwerfer rast über den Asphalt. Da steht plötzlich ein Auto quer auf der Fahrbahn, der kleine Sohn macht im Schlaf ein Geräusch, Layla ist eine Zehntelsekunde abgelenkt – und hat einen Mann angefahren, einen weißen, älteren, der kurz darauf stirbt.

Aus diesem Unfall mit (nicht einmal lupenreiner) Fahrerflucht konstruiert der Film von Pia Marais im folgenden geradezu genüßlich die nicht enden wollenden moralischen Prüfungen seiner Hauptfigur. "Layla Fourie", das ist wieder mal ein Film aus dem Genre "Mutterbestrafungsphantasie": Mater dolorosa in Südafrika. Wie eine Marienbildnis bewegt sich Darstellerin Rayna Campell auch durch den Film: ganz still und passiv schaut sie mit schmerzvollen Augen auf das, was sie angerichtet hat. Gelegenheiten, das Ausmaß ihrer Tat zu bedenken, hat sie viele. Das von Pia Marais und Horst Markgraf verfasste Drehbuch will nämlich, dass Layla nicht nur den Sohn des Opfers kennen (und lieben) lernt, sondern auch noch dessen Ehefrau. Freundlich nehmen die beiden sie auf, laden sie und ihren kleinen Sohn zum Abendessen ein, erzählen Layla von der sorgenvollen Suche nach dem verschwundenen Ehemann. Und Layla weiß alles und darf nichts sagen. So müssen Höllenqualen aussehen.

"Layla Fourie" ist eine Parabel, ein Lehr- und Rührstück. Ein moralisches Experiment im luftleeren Raum. Eine reine Kopfgeburt. Dabei wäre an Konstruktionen und Kopfgeburten zunächst einmal gar nichts auszusetzen: mit ein wenig Selbstironie, mit ein wenig Bewusstsein für die Fiktionalität des Plots hätte man aus dem Material und seiner hochartifiziellen Anordnung unter Umständen sogar einen interessanten Film machen können. Gar nicht aber verträgt sich die groteske Konstruiertheit von "Layla Fourie" mit seinem Anspruch, etwas über das heutige Südafrika auszusagen, über seinen übersteigerten Gefahrensinn, das Klima von Angst und Misstrauen. So bleibt "Layla Fourie" eine kasuistische Fingerübung von himmelschreiender Ausgedachtheit.

Elena Meilicke

"Layla Fourie". Regie: Pia Marais. Mit Rayna Campbell, August Diehl, Rapule Hendricks u.a., Deutschland / Südafrika / Frankreich / Niederlande 2013, 105 Minuten (alle Vorfürtermine)