Magazinrundschau - Archiv

Die Weltwoche

110 Presseschau-Absätze - Seite 7 von 11

Magazinrundschau vom 17.10.2006 - Weltwoche

Vorausgesetzt, dass Nordkorea mit seinem Atomtest nicht nur geblufft hat, schreibt Christoph Neidhart zur Geburt der gruseligen Atommacht, läuft jetzt alles für Kim Jung Il: "Die Reaktionen der Welt können mit 'entschlossen ratlos' umschrieben werden. Gleichwohl dürfte Kim sich, wie so oft, verrechnet haben. China, einst Pjöngjangs letzter Verbündeter, will kein nukleares Nordkorea, zumal Japan, wenn Nordkorea A-Waffen bauen sollte, auch zur Nuklearmacht werden könnte. Mehr als ein halbes Jahr dürfte seine hochentwickelte KKW-Industrie für den Bombenbau nicht brauchen. Noch weniger kann China hingegen eine Implosion des nördlichen Korea wünschen: weniger wegen der Flüchtlingsströme, die kämen, wenn das verarmte Land, mit dem es eine lange, oft unwegsame Grenze teilt, kollabieren würde, eher wegen des Vakuums, das sich zwischen den Einflusssphären Südkoreas, Russlands, Japans und der USA auftäte."

Franziska K. Müller unterhält sich mit dem Wiener Evolutionsbiologen Karl Grammer, der erklärt, warum das Gerede von den inneren Werten völliger Humbug ist: "Wird eine Frau gesichtet, läuft beim Mann - ähnlich wie bei einer Waschmaschine - das immergleiche Programm ab. Unsere Feldstudien in Japan und Deutschland ergaben, dass Männer generell alle Frauen interessant finden, und ihre Chancen stufen sie durchwegs als besser ein, als sie in Wirklichkeit sind. Anschließend versuchen sie, die schönsten Frauen zu beeindrucken. Egal, ob das gelingt oder nicht: Männer glauben, sie seien die Jäger, in Wirklichkeit bestimmt jede Frau zu hundert Prozent selbst, ob und von wem sie sich erlegen lassen will."

Magazinrundschau vom 10.10.2006 - Weltwoche

Lorenzo de Medici wird wahrscheinlich der letzte Sproß der großen italienischen Adels- und Mäzenatenfamilie sein. Der 55-Jährige erklärt Walter De Gregorio in einem mit Geschichte gespickten Interview, warum er das nicht bedauert. "Seit dem 12. Jahrhundert ist unsere Familie Teil der italienischen Geschichte, sie hat die europäische Kultur geprägt, die Menschen vom finsteren Mittelalter in die Aufklärung geführt. Es ist Zeit, abzutreten - mehr als achthundert Jahre sind genug." Unsterblich sei seine Familie sowieso schon. "Wahre Macht zeigt sich - das sage ich selbstverständlich ganz selbstlos -, wenn die Leute auch dann noch über einen reden, wenn man schon lange nichts mehr vollbracht hat. Die letzten fünfhundert Jahre haben die Medici nichts mehr erschaffen. Ich behaupte, dass man sich aber auch in den nächsten fünfhundert Jahren an uns erinnern wird."

Magazinrundschau vom 26.09.2006 - Weltwoche

Simon Brunner porträtiert den ersten und wohl für lange einzigen Schweizer, der in der NBA Basketball spielen darf: Thabo Sefolosha, der zwar nur knapp zwei Meter groß ist, dafür aber 2,20 Meter Spannweite aufweisen kann, wurde in der Draft Night am 28. Juni "als 13. von 60 gewählt, von der ältesten Franchise der Liga, den Philadelphia 76ers. Wie unsentimental die Branche funktioniert, erfuhr er am selben Abend. Kurz nach dem Draft teilte man ihm mit, er werde nicht für Philadelphia spielen, sondern für die Chicago Bulls. Diese hätten ihn bereits am Nachmittag für eine Million Dollar eingetauscht - man habe nur vergessen, ihn darüber zu informieren. An der Pressekonferenz sagte Bulls-Manager John Paxson: 'Jerry [Reinsdorf, der Klubbesitzer] brachte etwas Cash mit und wir bekamen den Spieler, den wir wirklich mochten.'"

Weiteres: Daniela Niederberger lässt Eva Herman ihre Thesen aus "Das Eva-Prinzip" klarstellen und die heftigen Reaktionen auf das Buch schildern. In einem langen Interview erklärt der Zürcher Neuropsychologe Lutz Jäncke, wie man Kindergehirne optimiert. Stefanie Schramm fragt sich, ob am Neandertaler der erste Genozid der Menschheit verübt wurde. Und Hanspeter Born findet, die Kritiker der Regensburger Papstrede sollten sie erstmal lesen.

Magazinrundschau vom 19.09.2006 - Weltwoche

Ralph Pöhner kürt das Mitmachen zum Gebot der Stunde im neuen Internetboom, nicht nur bei den Startups wie Digg.com oder cocomment.com. "Lieber zehntausend Amateure als zehn Angestellte. Microsoft hat soeben eine Site gegründet, über die jeder Games für die Spielkonsole Xbox entwickeln und weiterentwickeln kann. Bei IBM endet diese Woche ein Riesen-Brainstorming: Dabei verspricht IBM-Chef Samuel J. Palmisano 100 Millionen Dollar für gute Ideen - und 100.000 Menschen sollen dafür Vorschläge via Internet einreichen. Oder der amerikanische Pharmakonzern Eli Lilly hat eine Site gebaut, über die Wissenschaftler rund um den Globus Chemie- und Biologieforschung betreiben. Hat ein Unternehmen eine Entwicklungsaufgabe, schreibt es sie hier aus, und rund 95.000 eingeschriebene Forscher denken darüber nach. Inzwischen bitten hier auch Ciba und Boeing, Nestle und Novartis um die Mitarbeit anonymer WWW-Wissenschaftler. Die Kosten solcher Onlineresultate - meldet Eli Lilly - liegen bei einem Sechstel vergleichbarer Ergebnisse aus der F&E-Abteilung."

Weiteres: Für sinnlos und viel zu hoch hält Urs Paul Engeler die Fördergelder, die die 35.095 restlichen Rätoromanen der Schweiz beziehen. Mathias Binswanger weiß, wie man glücklicher wird: einfach in eine Gegend mit kleineren Häusern ziehen.

Magazinrundschau vom 12.09.2006 - Weltwoche

Tom Parfitt durfte als erster westlicher Journalist Moskaus neuen Statthalter in Tschetschenien begleiten - den 29-jährigen Ramsan Kadyrow, Sohn des ermordeten Ex-Präsidenten Achmed Kadyrow: "Warum ist er beliebt bei den Leuten? Er lacht. 'Weil ich etwas in Gang bringe und weil ich für Frieden bin. Gegen mich sind nur die Feinde des Friedens.' Hübsch formuliert. Das Problem ist nur: Kadyrow ist ein Gangster. Seine Miliz, die Kadyrowzy, bestechen, entführen, foltern und morden.... Kadyrows populistische Neigung hat ihm die Anerkennung einiger Tschetschenen eingetragen. Tatsächlich ist eine gewisse Stabilität eingekehrt, die Zahl der Entführungen geht zurück, Teile des zerstörten Grosny werden wieder aufgebaut. Allerdings könnte Kadyrow so mächtig werden, dass er nicht mehr nach Moskaus Pfeife tanzt."

Vor der Schweizer Volksabstimmung über ein schärferes Asylgesetz plädiert Markus Somm für dessen völlige Abschaffung und eine ganz neue Handhabung der Einwanderung: "Statt Jahr für Jahr 20.000 Leute in die Schweiz zu locken, um nach einer monatelangen Triage 19.000 von ihnen wieder nach Hause zu schicken, könnte die Schweiz die Flüchtlinge selber vor Ort holen. Warum richten wir nicht eine Empfangsstelle im Sudan oder im Kongo ein? ... Statt 1500 Flüchtlinge könnte die Schweiz problemlos 5000 pro Jahr aufnehmen."

Im Gespräch mit Alain Zucker schwärmt Reporter Robert D. Kaplan von amerikanischen Elitesoldaten. "Gefährliche, physische Arbeit verbessert irgendwie den Charakter." In weiteren Interviews erklärt der britische Historiker Tony Judt seine "fantastische, aber auch 1024 Seiten dicke" Geschichte Nachkriegseuropas, während die Schauspielerin Sophie Auster über Stil und Identität spricht.

Magazinrundschau vom 05.09.2006 - Weltwoche

In einer äußerst unterhaltsamen Plauderei mit Piers Morgan überrascht Paris Hilton mit dem Bekenntnis: "Ich bin sehr, sehr schüchtern... Die Leute wissen ja gar nicht, wer ich bin. Kann sein, dass alle denken, ich bin bloß eine verzogene Göre, die nichts zu tun hat. Dabei bin ich in Wahrheit ein sehr bescheidener Mensch und arbeite hart. Die Leute sagen, ich liege auf der faulen Haut, dabei bin ich ständig rund um die Welt unterwegs und stehe jeden Morgen um 7 Uhr auf. Ich hatte seit langem keinen Urlaub mehr." Und Sex? - "Gefällt mir nicht."

Außerdem spricht David Signer mit dem Psychoanalytiker Paul Parin. Urs Paul Engeler verfolgt Hinweise, nach denen die Schweizer Armee mit der Hilfe der USA eine Geheimtruppe für Auslandseinsätze aufbaut. Daniela Niederberger widmet sich dem Erziehungsnotstand in Schweizer Schulen und arrivierten Familien ("Und vergessen Sie nicht, mein Kind muss gar nichts!"). Julian Schütt preist Walter Muschgs "Tragische Literaturgeschichte". Denn "mehr Wahrheit über Dichtung enthält kein Schweizer Buch".

Magazinrundschau vom 22.08.2006 - Weltwoche

Hanspeter Born führt ein interessantes Interview mit der saudischen Soziologin Mai Yamani, die junge britische Muslime zu verstehen sucht. "Auf den Websites, an den Universitäten und in den Moscheen ist der Nahe Osten für diese jungen Muslime das zentrale Thema. In ihrem Denken ist das, was sie als Angriffe auf Afghanistan, den Irak, Palästina, den Iran und jetzt auf den Libanon empfinden, Teil einer westlichen Strategie gegen die islamische Welt. Diese jungen Leute sitzen in einer Falle. Sie sind eingekeilt zwischen ihrem Dasein als britische und europäische Bürger, wo sie Redefreiheit geniessen und unter einem demokratischen System leben, und ihrer ererbten arabischen oder muslimischen Identität, dem, was sie sich als Umma vorstellen, diese imaginäre Gemeinschaft aller Muslime."

Die Regisseurin Güzin Kar rät entschieden zum Anschauen von Michael Manns neuem Film "Miami Vice", wo wieder einmal mit großen Wummen zärtlich die Liebe, die Männer und das Leben erklärt werden. "Schauen Sie sich den Film gemeinsam mit dem Menschen Ihres Herzens an. Wenn er oder sie den Film nicht mag, rate ich Ihnen, Monsieur oder Madame galant zum Ausgang aus Ihrem Leben zu begleiten und zu verabschieden. Für immer. Er oder sie wird Sie nicht verstehen. Nie. Wenn Sie selber den Film auch nicht mögen, können Sie sich gemeinsam aus der nächsten Videothek einen Western holen und Ihr Kind Kevin taufen."

Außerdem unterhält sich Roger Köppel mit Angela Merkel und Klaus-Maria Brandauer über Bertolt Brecht. Merkel überrascht mit Werkkenntnis und Sympathie für den Vorzegedichter der DDR. "Ich bezweifle, ob es Brecht auf die Dauer in der DDR ausgehalten hätte, wenn er nicht so früh verstorben wäre."

Magazinrundschau vom 08.08.2006 - Weltwoche

In dieser Weltwoche dreht sich alles um den Test. Reto U. Schneider präsentiert eine kleine Chronik der medizinischen Selbstversuche. "An 15. Mai 1889 zermalmte Charles-Edouard Brown-Sequard in seinem Labor am College de France in Paris die Hoden eines jungen, kräftigen Hundes, fügte etwas destilliertes Wasser hinzu und spritzte sich den Saft in den linken Unterarm. Er wiederholte die Injektion an den zwei darauffolgenden Tagen, und als ihm der Hundehodensaft ausging, stieg er auf zerkleinerte Meerschweinchenhoden um. Brown-Sequard glaubte, dass 'die Schwäche des Alters zum Teil auf die verschlechterte Hodenfunktion' zurückzuführen sei. Schon am zweiten Tag des Versuchs glaubte Brown-Sequard die Wirkung zu spüren. Er konnte wieder Treppen hochrennen, lange am Labortisch stehen und abends an Artikeln arbeiten. Auch an seinem Urinstrahl ging die Behandlung nicht spurlos vorbei: 'Was die Distanz betrifft, die er zurücklegte, bis er im Pissoir zu Boden kam' - eine seiner seltsamen Messgrößen -, stellte er einen Zuwachs von mindestens einem Viertel fest."

Der Statistiker Walter Krämer versucht - nicht immer erfolgreich - allgemeinverständlich zu erklären, warum seine Profession nicht zu ernst genommen werden darf. "Natürlich ist es nicht ausgeschlossen, dass Atomkraftwerke Leukämie erzeugen, aber eine Häufung nur bei einem Kraftwerk ist dafür kein Indiz. In den USA zum Beispiel gibt es 'signifikante' Häufungen von Blutkrebs in der Nähe katholischer Gotteshäuser."

Weiteres: Ingolf Gillmann sinniert über den Test als Ersatzreligion. Außerdem darf man sich ausgiebig selbst testen, und zwar über Biblisches, Beziehungstechnisches, Bergiges und Biologisches.

Magazinrundschau vom 01.08.2006 - Weltwoche

Filippo Leutenegger, CEO der Jean Frey AG, teilt den Lesern mit, dass Roger Köppel "die Aktienmehrheit der in Gründung befindlichen Weltwoche Verlags AG (WW) übernehmen" und neuer Chefredaktor der Weltwoche wird.

In einem zweiten Text zeigen sich Verwaltungsrat und Verlagsführung der Jean Frey AG "überzeugt davon, dass die neue Führungsstruktur nicht nur die publizistische Kraft des Blattes erhöht, sondern zugleich auch ein Alleinstellungsmerkmal darstellt, das dem einzigartigen Charakter der Schweizer Qualitätsmarke Weltwoche in besonderer Weise entspricht".

Hanspeter Born sucht Trost beim ehemaligen Chefredaktor Jürg Ramspeck. Der sagt kein Wort gegen Köppel, hat aber seine eigene - von den Gründern geprägt - Vorstellung, was eine gute Zeitung ausmacht. "Mir ist geblieben, dass die Gründer keine Führungspersönlichkeiten waren. Sie haben gewiss keine Führungsseminarien besucht; sie haben überhaupt keine Theorien geäußert. Sie haben die Mitarbeiter der Zeitung nicht so sehr nach der Qualität ihres Schreibstils beurteilt, sondern nach ihrer gesamten Persönlichkeit. Für die Gründer war ein guter Journalist nicht einer, der eine gute Feder hat, sondern jemand, in dessen Texten eine Persönlichkeit fühlbar wird. Das hat dazu geführt, dass sie doch eine erkleckliche Anzahl bedeutender Persönlichkeiten entdeckt haben. Sie leiteten die Weltwoche als eine Publikation von Leuten, die etwas zu sagen haben, und nicht als eine Zeitung von gewieften, guten Journalisten."

Und: David Signer stöhnt über die Klischees, mit der die Schweizer Tourismusagentur für das Land wirbt. "Kürzlich landete ich in Kloten, und was mir im hypermodernen Flughafen als Erstes ins Auge stach, war ein urchiger Bergbauer. Das Plakat zeigte ihn mit grauem Vollbart und Sense, wie er auf einer Alp mit seinem Arm den Weg wies, darüber stand: 'Unser GPS'... Die Aussage ist wohl: Wir brauchen kein Hightech-Zeugs; unsere naturverbundenen Bewohner kennen ihr Land besser als jedes GPS. Na toll, dachte ich, dann hat der Pilot die Anflugpiste vielleicht dank der zielgenauen Handzeichen eines Alpöhis gefunden?"
Stichwörter: Köppel, Roger, Weltwoche

Magazinrundschau vom 18.07.2006 - Weltwoche

Priester ist wie Coiffeur oder Tänzer ein beliebter Schwulenberuf, behauptet der Volkswirtschaftler Matthias Binswanger, der Zahlen von 20 Prozent schwuler katholischer Priester nennt und sie aus der "perversen Anreizstruktur" des Zölibats erklärt: "Für Schwule war die Ehelosigkeit nie ein Problem. Im Gegenteil: Die von der Theologin Uta Ranke-Heinemann als Homo-Gesellschaft titulierte Berufsgemeinde von Priestern und anderen geistlichen Würdenträgern bildet für viele Schwule eine zusätzliche Attraktion des Priesterberufs. Mann ist dort unter seinesgleichen und trifft potenziell interessante Partner, besonders in den Priesterseminaren. Zwar würde das Keuschheitsgelübde eigentlich für Sex mit Partnern jeden Geschlechts gelten, doch offiziell gab es ja bis vor kurzem gar keine schwulen Priester; demzufolge hatten diese per Definition auch kein Keuschheitsproblem."